Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. Juli 2011
Aktenzeichen: 11 W (pat) 32/06

(BPatG: Beschluss v. 07.07.2011, Az.: 11 W (pat) 32/06)

Tenor

1.

Auf die Beschwerde der Patentinhaber wird der Beschluss der Patentabteilung 26 des Deutschen Patentund Markenamts vom 29. Juni 2006 aufgehoben und das Patent 196 26 107 mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentansprüche 1 bis 3 gemäß Hilfsantrag sowie Beschreibung vom 7. Juli 2011 und Zeichnungen wie erteilt.

2.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

3.

Kosten werden nicht auferlegt.

Gründe

I.

Das Deutsche Patentund Markenamt (DPMA) hat die Erteilung des auf der Anmeldung vom 28. Juni 1996 beruhenden Patents 196 26 107 mit der Bezeichnung "Haarbüschel zur Verlängerung und Verstärkung oder Verdichtung des menschlichen Haares" am 13. April 2000 veröffentlicht. Das Patent nimmt die Priorität der italienischen Anmeldung RM 96 A 000 173 vom 18. März 1996 in Anspruch.

Gegen das Patent wurde fristgerecht Einspruch erhoben und dabei die Widerrufsgründe der mangelnden Patentfähigkeit aufgrund offenkundiger Vorbenutzung und mündlicher Beschreibung vor dem Prioritätstag sowie der Widerrufsgrund der widerrechtlichen Entnahme geltend gemacht. Die Patentabteilung 26 des DPMA hat das Patent daraufhin mit Beschluss vom 29. Juni 2006 mangels Neuheit widerrufen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaber. Zur Begründung tragen sie vor, entgegen der Wertung der Patentabteilung in dem angefochtenen Beschluss sei der Patentgegenstand neu und beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Im Beschwerdeverfahren haben sie auf folgende Dokumente verwiesen:

(P1) Firmenbuchauszug bzgl. "Hairdreams HaarhandelsgmbH"

vom 06.12.2001

(P2) Eidesstattliche Erklärung des David Antony Gold vom 02.12.2001 mit Beilagen

(P3) Eidesstattliche Erklärung des Pietro Albanese, übermitteltam 09.11.2001 mit Beilage

(P4) Beglaubigte Übersetzung des Vertrages zwischen Gerhard Ott, Matteo Antonino und David A. Gold vom 21. August 1994

(P5) Inserat der En Vogue Hairtrading, Graz

(P6) Handschriftlich verfasstes Schreiben des Gerhard Ott an Kunden, in Englisch, FAX von Juni 1995

(P7) "Reinschrift" von P6 an Salon Haare vom 01.06.1995, in Deutsch

(P8) tatsächliche Übersetzung des englischen Textes aus P6

(P9) Aktenvermerk des Dr. Peter Kunz vom 02.06.1995

(P10) Eidesstattliche Erklärung des Dr. Peter Kunz vom 10.12.2001 mit Beilage (P9)

(P11) Eidesstattliche Erklärung der Anita Lafer vom 09.11.2001 mit Beilagen

(P12) Kopie der Visitenkarte der Anita Tropper (heute: Lafer)

(P13) Eidesstattliche Erklärung der Manuela Schreiber vom 09.11.2001 mit Beilagen

(P14) Eidesstattliche Erklärung der Eva Siegl vom 09.11.2001 mit Beilagen

(P15) Eidesstattliche Erklärung des Wolfgang Batizovsky vom 09.11.2001 mit Beilagen

(P16) Eidesstattliche Erklärung des Bernd Schumacher vom 16.11.2001 mit Beilagen

(P17) Eidesstattliche Erklärung der Monika Walch vom 14.11.2001 mit Beilagen

(P18) Eidesstattliche Erklärung der Regina Foltynek vom 13.11.2001 mit Beilagen

(P19) Eidesstattliche Erklärung der Barbara Rummel vom 13.11.2001 mit Beilagen

(P21) Rechnungen der Fa. Transmatic vom 07.04.1994 und vom 21.09.1994 sowie drei Konstruktionszeichnungen

(P22) Übersetzung von P21

(P23) Eidesstattliche Erklärung des Pietro Albanese vom 26.09.2003 in italienischer Sprache

(P24) Eidesstattliche Erklärung des Pietro Albanese in deutscherÜbersetzung

(P25) Ausbildungsnachweis des Herrn Bernd Schumacher vom 10.10.1995

(P26) Kundenzeitschrift der En Vogue Hairtrading, Hairdreams News Nr. 1/96 (9 Seiten)

(P27) Kundenzeitschrift der En Vogue Hairtrading, Hairdreams News Nr. 7/95 (12 Seiten)

(P28) Einladung von Hairdreams zur Informationsveranstaltung über Haarverlängerungen und Verdichtungen für 15.04.1996

(P29) Hairdreams Magazin Nr. 4/2000 Seiten 12 und 13

(P30) Drei Konstruktionszeichnungen lt. (P21) mit deutschen Übersetzungen der Textpassagen

(P31) Deutsche Übersetzung des Patentnichtigkeitsurteils Nr. 27591/04

(P32) IT 1283953

(P33) IT 1283953 (engl. Übersetzung) (D3) DE 94 11 835 U1.

Die Patentinhaber und Beschwerdeführer beantragen, den Beschluss der Patentabteilung 26 des Deutschen Patentund Markenamts vom 29. Juni 2006 aufzuheben und das Patent aufrechtzuerhalten, hilfsweise das Patent auf Grundlage der in der mündlichen Verhandlung übergebenen Patentansprüche 1 bis 3 nebst Beschreibung vom 7. Juli 2011 und Zeichnungen wie erteilt beschränkt aufrechtzuerhalten, sowie den Kostenantrag der Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.

Die Einsprechende und Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und den Beschwerdeführern die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Die Einsprechende hat sich in ihrem Einspruch auf folgende Anlagen gestützt:

(E1) Zeichnung 1 mit rundem Thermoplastikelement

(E2) Zeichnung 2 mit drei blättchenförmigen Thermoplastikelementen 2a -2c

(E3) Eidesstattliche Versicherung des Gerhard Ott vom 11.07.2000 (mit Zeichn. 1 -3 und Mustern)

(E3a) Rechnungskonvolut (R-Nr. 953603 vom 09.08.95, 954134 vom 18.09.95 und 954377 vom 05.10.95)

(E4) Eidesstattliche Versicherung der Anita Grinninger vom 09.07.2000 (mit Zeichnung 1 -3 und Mustern)

(E5) Eidesstattliche Versicherung der Josette Schmid vom 08.07.2000 (französisch) (mit Zeichn. 1 -3 und Musternsowie mit Rechn. 954910 und Haarsträne mit Thermoplastikelement)

(E6) Eidesstattliche Versicherung der Josette Schmid (Übersetzung)

(E7) Eidesstattliche Versicherung des Leopold Schmelzer vom 10.07.2000 (mit 6 Standbildausdrucken eines Schulungsvideos)

(E7a) Eidesstattliche Versicherung des Josef Schinnerl vom 12.07.2000

(E7b) Werbebrief des Gerhard Ott (undatiert)

(E7c) Rechnung von Novotel vom 06.12.1995

(E7d) Rechnungskonvolut des DATA + MAIL Services (R-Nr.

en/95/132/00229 vom 27.12.1995, en/95/132/00163 vom 03.10.1995, en/95/132/00164 vom 03.10.1995, en/95/132/00165 vom 03.10.1995, en/95/132/00176 vom 10.10.1995, EN/95/132/00141 vom 30.08.1995 unden/95/132/00197 vom 30.10.1995)

(E8) Eidesstattliche Versicherung der Silvana Copes vom 09.07.2000 mit deutscher Übersetzung

(E9) Werbevideo "Haar voller Träume"

(E10) Rechnung von Brüger Film vom 11.07.1995

(E11) Rechnung von Brüger Film vom 29.06.1995

(E12) Erklärung des Gerhard Ott (undatiert).

Im Prüfungsund Einspruchsverfahren sind zudem die Druckschriften (D1) GB2288976A

(D2) ZA 93/5214 berücksichtigt worden.

Darüber hinaus hat die Einsprechende in der mündlichen Verhandlung noch die Druckschrift

(D4) GB2260490A in das Verfahren eingeführt.

Der erteilte Anspruch 1 lautet in gegliederter Form:

1.1 Haarbüschel, bei dem die Enden der betreffenden Haare (1; 1a; 1b; 1c) durch einen Einsatz aus einem thermoplastischen Kleber gehalten sind, 1.2 zur Verwendung als Mittel zur Verlängerung und Verstärkung oder Verdichtung des menschlichen Haares durch Anbringung des Einsatzes an einer Gruppe Haare des menschlichen Haares 1.3 unter Erhitzen des Einsatzes bis zum Erweichen, um ihn mit den betreffenden Haaren zu verbinden 1.4 und anschließendes Erhärtenlassen, dadurch gekennzeichnet, dass 1.5 der Einsatz die Gestalt eines Blättchens (2; 2a; 2b; 2c) besitzt, 1.6 das durch das Erhitzen in einer Weise biegsam ist, 1.7 daß es um die betreffende Gruppe Haare des menschlichen Haares herumlegbar und schließbar ist.

Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag lautet in gegliederter Form:

1.1 Haarbüschel, bei dem die Enden der betreffenden Haare (1; 1a; 1b; 1c) durch einen Einsatz aus einem thermoplastischen Kleber gehalten sind, 1.2 zur Verwendung als Mittel zur Verlängerung und Verstärkung oder Verdichtung des menschlichen Haares durch Anbringung des Einsatzes an einer Gruppe Haare des menschlichen Haares 1.3 unter Erhitzen des Einsatzes bis zum Erweichen, um ihn mit den betreffenden Haaren zu verbinden, 1.4 und anschließendes Erhärtenlassen, dadurch gekennzeichnet, dass 1.5 der Einsatz die Gestalt eines Blättchens (2; 2a; 2b; 2c) besitzt, 1.6 das durch das Erhitzen in einer Weise biegsam ist, 1.7 daß es um die betreffende Gruppe Haare des menschlichen Haares herumlegbar und schließbar ist, und 1.8 aus zwei miteinander verbundenen Schichten (20, 20"; 200Ô, 200") mit unterschiedlichen Schmelzpunkten besteht.

Zum Wortlaut der Unteransprüche 2 bis 5 nach Hauptantrag sowie der Unteransprüche 2 und 3 nach Hilfsantrag sowie den weiteren Einzelheiten wird auf die Akten verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und insoweit begründet, als sie zur beschränkten Aufrechterhaltung des Patents führt.

Die Patentabteilung hat den Einspruch zu Recht als zulässig erachtet.

Der Gegenstand des angegriffenen Patent betrifft ein Haarbüschel, bei dem die Enden der betreffenden Haare durch einen Einsatz aus einem thermoplastischen Kleber gehalten sind, zur Verwendung als Mittel zur Verlängerung und Verstärkung oder Verdichtung des menschlichen Haares durch Anbringung des Einsatzes an einer Gruppe Haare des menschlichen Haares unter Erhitzen des Einsatzes bis zum Erweichen, um ihn mit den betreffenden Haaren zu verbinden und anschließendes Erhärtenlassen (Oberbegriff des Anspruchs 1).

Wie in der Beschreibungseinleitung der Patentschrift erläutert ist, ist ein derartiges Haarbüschel durch die ZA 93/5214 (= D2) bekannt. Dort würden die Haare durch Verankerung ihrer einen Enden in einem Röhrchen aus schmelzfähigem thermoplastischem Kleber zusammengehalten, der in geschmolzenem Zustand die Enden der darin eingesetzten Haare des Haarbüschels benetze und in erhärtetem Zustand fixiere. Das betreffende Haarbüschel sei dazu bestimmt, durch den Friseur in das menschliche Haupthaar eingesetzt zu werden, indem er den röhrchenförmigen Einsatz auf dessen Außenseite mit einer Gruppe der vorhandenen Haare in Verbindung bringe, den thermoplastischen Kleber mittels eines Anbringungsinstruments bis zum Erweichen erhitze und sodann den Kleber erhärten lasse, so dass die betreffenden Haare in den wieder erhärteten Kleber eingebunden und darin festgehalten würden. Eine solche Ausführung weise jedoch einige Nachteile auf. So hafte der thermoplastische Einsatz lediglich an den äußeren Haaren des Haarbüschels zufriedenstellend an, während die Gefahr bestehe, dass die zentralen Haare verlorengingen. Zudem bestehe die Gefahr, dass der Einsatz aufgrund seiner äußeren Anbindung an die vom Friseur ausgewählte Haargruppe ungleichmäßig angebracht werde, was zu mangelhaften Ergebnissen führe. Darüber hinaus sei die Anbringung zeitaufwändig. Aufgrund von Unterschieden in der Menge des Einsatzmaterials könne die Arbeit außerdem ungleichmäßig ausfallen, zumal seitens des Friseurs ein besonderes Geschick erforderlich sei, um die jeweils richtige Anzahl Haupthaare für den Vorgang aufzufinden (vgl. Sp. 1, Z. 6 -35 der Patentschrift).

Die Aufgabe des Streitpatents besteht darin, derartige Mängel auszuschließen, d.

h. ein Haarbüschel gemäß Gattungsbegriff vor allem so auszubilden, dass sämtliche Haare desselben an dem betreffenden Einsatz gleichermaßen festhaften sowie ohne große Geschicklichkeit und Sorgfalt mit einem verhältnismäßig geringem Zeitaufwand stets an einer geeigneten Menge benachbarter körpereigener Haare der damit auszustattenden Person gleichmäßig anbringbar ist (vgl. Sp. 1, Z.

36 -43 der Patentschrift).

Als maßgeblichen Fachmann sieht der Senat einen Hersteller von Haarersatzteilen, insbesondere Haarverlängerungen an, der gegebenenfalls einen Kunststofffachmann zu Rate zieht.

Die Ansprüche nach Hauptund Hilfsantrag sind zulässig, da sich die Offenbarung der erteilten Ansprüche 1 bis 5 gemäß Hauptantrag sowie die der Ansprüche 1 bis 3 gemäß Hilfsantrag in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen und der Patentschrift wiederfindet. Die Merkmale des Hilfsantrags stellen zudem auch eine Beschränkung des Patents dar.

III. Hauptantrag Auslegung des Anspruchs: Unter dem im Anspruch 1 verwendeten Begriff Blättchen versteht der Fachmann ein kleines Stück dünnen, flächigen Materials. Das Material weist auch eine gewisse Dicke auf, wie Sp. 2, Z. 4 der Streitpatentschrift zu entnehmen ist, weshalb die Wärmeübertragung beim Schließen des Einsatzes eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt, so dass der Einsatz dort nur mit Verzögerung erweicht. Auch darf eine Mindestdicke nicht unterschritten werden, da der Fachmann überdies erkennt, dass eine bestimmte Masse an Klebstoff vorhanden sein muss, um die Haarverlängerung zufriedenstellend durchzuführen.

Patentfähigkeit: Das Haarbüschel nach Anspruch 1 mag zwar gewerblich anwendbar sein, es ist jedoch nicht neu.

Aus S.2, Z. 36 -S. 3, Z. 9 der D1 sind Haarbüschel bekannt, bei denen die Enden der betreffenden Haare durch einen Einsatz aus einem thermoplastischen Kleber gehalten sind ("the said end of the layer of hair filaments is bondet together on at least one side by a ribbon or ribbons of thermoplastic resin") und zur Verwendung als Mittel zur Verlängerung und Verstärkung des menschlichen Haares vorgesehen sind ("treated natural or artificial hair for use in lengthening or thickening human hair"). Dass die Anbringung des Einsatzes an einer Gruppe Haare des menschlichen Haares erfolgt, ist auf S. 5, Z. 10, beschrieben ("to bond the strip to the scalp hair"). Insoweit sind dort die Merkmale 1.1 und 1.2 des gegliederten Anspruchs 1 erfüllt.

Wie Anspruch 12 dieser Schrift zu entnehmen ist, wird der Einsatzes des Haarbüschels bis zum Erweichen erhitzt, um ihn mit den betreffenden Haaren zu verbinden ("applying heat and pressure to bond the strip to the scalp hair"), was Merkmal 1.3 der gegliederten Fassung des erteilten Anspruchs 1 entspricht. Dass der Einsatz anschließend erhärtet, wie es Merkmal 1.4 vorsieht, ist beim Kleben mit thermoplastischen Werkstoffen offensichtlich.

Nach Anspruch 1 dieser Druckschrift wird eine Lage Haarfilamente an wenigstens einer Seite an einem Band oder mehrerer Bänder aus Kunststoff befestigt und bildet einen Kunststoffstreifen mit einer daran befestigten Reihe von Haarfilamente ("said end of the layer of hair filaments in bonded together on at least one side by a ribbon or ribbons of thermoplastic resin to form a plastics strip with a row of hair filaments attached thereto"). Diese Kunststoffstreifen können gemäß S. 3, Z. 29 -33 an Schwächungen zu einzelnen Haarbüscheln geteilt werden. Bänder oder daraus hergestellte Streifen bestehen aus dünnem, flächigem Material. Teilt man diese Bänder, so erhält man demnach ein kleines Stück dünnen, flächigen Materials mit einer gewissen Dicke, also ein Blättchen. Somit besitzt der aus D1 bekannte Einsatz auch die Gestalt eines Blättchens (Merkmal 1.5). Dem Einwand der Patentinhaberin, in dieser Entgegenhaltung würden die Kopfhaare in vorgefertigte Vertiefungen gelegt, um sie an den Kunststoffstreifen zu befestigen, was auf eine höhere Dicke hindeute, folgt der Senat nicht. Die Befestigung in vorgefertigte Vertiefungen ist dort lediglich eine bevorzugte Ausführungsform nach Anspruch 2, weshalb von Anspruch 1 auch die Befestigung an Streifen ohne Vertiefungen mitumfasst wird.

Da auch gemäß der Lehre der D1 thermoplastisches Material als Klebstoff Verwendung findet (vgl. A1; "thermoplastic resin") und thermoplastisches Material per se beim Erhitzen biegsam wird, ist der Einsatz, aufgrund dieser Eigenschaft auch geeignet, um eine Gruppe menschlicher Haare herumgelegt und geschlossen zu werden. Somit sind dort auch die Merkmal 1.6 und 1.7 vorbeschrieben, wonach der Einsatz durch das Erhitzen in einer Weise biegsam ist, dass es um die betreffende Gruppe Haare des menschlichen Haares herumlegbar und schließbar ist. Soweit die Patentinhaberin dem entgegenhält, in D1 werde nicht explizit angesprochen, dass die Einsätze gebogen würden, verkennt sie, dass bei einem solchen Sachanspruch lediglich die Möglichkeit des Biegens und Umschließens offenbart sein muss, was hier der Fall ist. Die von der Patentinhaberin zur Auslegung von D1 zitierte D3 mit einer dort in den Figuren gezeigten Ausführung ist insofern für die Offenbarung von D1 unbeachtlich, da die D1 keine Figuren zeigt und der Fachmann die Auslegung alleine aus der Offenbarung der D1 vorzunehmen hat. Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag ist folglich nicht neu und daher nicht bestandsfähig. Im Rahmen der Antragsgesamtheit haben auch die direkt oder indirekt auf Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 -5 keinen Bestand (BGH, GRUR 1997, 120 -Elektrisches Speicherheizgerät).

IV. Hilfsantrag Das Haarbüschel nach Anspruch 1 des Hilfsantrags ist zweifelsohne gewerblich anwendbar und neu. Es beruht überdies auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der dem Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag am nächsten kommenden Stand der Technik ist die Druckschrift D1, da auch dort ein ungleichmäßiges Anbringen von Haaren ("degree of variability") vermieden werden und es bei der Haarverlängerung oder -verdichtung weniger auf das Geschick des Friseurs ("manipulative skills be reduced") ankommen soll, wobei zusätzlich der Zeitaufwand ("because of the excessive time") verringert werden soll (S. 2, Z. 3 -17 und Z. 24 -30). Aus der D1 sind, wie aus den Ausführungen zum Hauptantrag hervorgeht, die Merkmale 1.1 bis 1.7 bekannt. Somit unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag von diesem Stand der Technik durch das Merkmal 1.8, wonach der Einsatz in Gestalt eines Blättchens aus zwei miteinander verbundenen Schichten mit unterschiedlichen Schmelzpunkten besteht. Das auf S. 6, Z. 10 -13 der D1 als vorteilhaft beschriebene Haarbüschel weist einen Klebstoff in Form von zwei Bändern auf, die auf jeder Seite des Haarbüschels aufgebracht werden. Somit liegt zwar ein Einsatz vor, der aus zwei Schichten bestehen kann, einen Hinweis, die Schichten so auszubilden, dass sie unterschiedliche Schmelzpunkte aufweisen, ist der D1 jedoch nicht zu entnehmen.

Die weiterhin in Verfahren befindliche Schrift D3 ist ein deutsches Gebrauchsmuster, das auf die gleiche Priorität zurückgeht, wie die Druckschrift D1. Sie ist bezüglich der in Frage stehenden Merkmale inhaltsgleich mit der D1 und weist lediglich zusätzliche schematische Zeichnungen auf, welche beispielhaft die Kunststoffstreifen mit einer jeweils daran befestigten Reihe von Haarfilamenten zeigen. Aus der D3 ist somit ebenfalls keine Anregung zu entnehmen, den Einsatz aus zwei miteinander verbundenen Schichten mit unterschiedlichen Schmelzpunkten zu bilden.

Die gattungsbildende Entgegenhaltung D2 beschreibt Haarbüschel zur Verwendung als Mittel zur Verlängerung und Verstärkung oder Verdichtung des menschlichen Haares bei dem die Enden der betreffenden Haare durch einen Einsatz aus einem thermoplastischen Kleber gehalten sind, der eine Zylindrische oder andere längliche Form aufweist (Anspruch 1). Ein Hinweis darauf, den Einsatz aus zwei Schichten mit unterschiedlichen Schmelzpunkten herzustellen (Merkmal 1.8), ist nicht vorhanden.

Die Druckschrift D4 offenbart Haarbüschel zur Verlängerung und Verstärkung des menschlichen Haares, bei dem die Enden der betreffenden Haare durch einen thermoplastischen Kleber gehalten werden (Anspruch 1). Dort wird der Klebstoff in Form eines Kügelchens oder Tropfens auf das Haar gebracht, um den Klebstoff mit gleichmäßiger Dicke aufzubringen (S. 6, Z. 2 -10). Weiterhin ist dort beschrieben, dass der thermoplastische Klebstoff durch Polymermischungen auf verschiedene Schmelzpunkte eingestellt werden kann (S. 4, Z. 6 -8 und Z. 24 -30). Da weder aus der Beschreibung der möglichen Polymermischungen auf unterschiedliche Schmelzpunkte innerhalb der jeweiligen Polymermischungen geschlossen werden kann und auch aus der Gestalt des Einsatzes aus thermoplastischem Klebstoff ein schichtförmiger Aufbau nicht angeregt wird, kann hieraus kein Hinweis entnommen werden, den Einsatz aus zwei Schichten mit unterschiedlichen Schmelzpunkten herzustellen (Merkmal 1.8), wie dies die Einsprechende geltend gemacht hat.

Auch eine Zusammenschau der Druckschrift D1 mit dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik nach D2 bis D4 führt nicht zum Haarbüschel nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrags, da allen Schriften bereits das Merkmal 1.8 fehlt und der Fachmann dieses Merkmal erst mit dem Wissen der Erfindung als geeignetes Mittel zur Lösung des dem Streitpatent zugrundeliegenden Problems erkennen konnte.

Die übrigen Dokumente und Anlagen P1 bis P33 und E1 bis E12 betreffen lediglich den Gegenstand nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag und geben ebenfalls keinerlei Hinweise auf das Merkmal 1.8.

Nach alledem war eine erfinderische Tätigkeit erforderlich, um zum Haarbüschel nach dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag zu gelangen.

Die Ansprüche 2 und 3 betreffen zweckmäßige, nicht selbstverständliche Ausgestaltungen des Gegenstands des Anspruchs 1 und haben daher zusammen mit diesem Anspruch ebenfalls Bestand.

Von Seiten der Einsprechenden wurde auch nicht geltend gemacht, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag widerrechtlich entnommen worden oder Gegenstand einer Vorbenutzungshandlung gewesen sei. Bei dieser Sachund Rechtslage war dem nicht weiter nachzugehen, der angefochtene Beschluss in dem im Tenor genannten Umfang aufzuheben und die weitergehende Beschwerde zurückzuweisen.

V.

Der Antrag der Einsprechenden, den Patentinhabern die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, war zurückzuweisen. Im Einspruchsverfahren ist generell vom Grundsatz der eigenen Kostentragung auszugehen, so dass eine Kostenauferlegung gemäß § 80 Abs. 1 PatG von vornherein nur beim Vorliegen besonderer Umstände in Betracht kommt, insbesondere bei einem erheblichen Verstoß gegen die allgemeine prozessuale Sorgfaltspflicht. Ein solcher Verstoß ist vorliegend jedoch nicht gegeben, denn das Vorgehen der Patentinhaber, erst im Laufe der mündlichen Verhandlung einen Hilfsantrag mit geänderten Ansprüchen zur eingeschränkten Verteidigung des Streitpatents zu stellen, ist prozesstaktisch weder ungewöhnlich noch stellt dies einen Verstoß gegen die prozessualen Sorgfaltspflichten dar. Den Parteien steht es grundsätzlich frei, auf Grund einer Erörterung der Sache in der mündlichen Verhandlung neue Anträge zu stellen und dabei etwa auch im Wege eines Hilfsantrags das Streitpatent eingeschränkt zu verteidigen. Die Berücksichtigung des Hilfsantrags hat im Übrigen auch zu keinerlei Verfahrensverzögerung geführt, da die Einsprechende in der Lage war, in der mündlichen Verhandlung zu den neu vorgelegten Ansprüchen inhaltlich Stellung zu nehmen.

Dr. Maier Schell Rothe Fetterroll Fa






BPatG:
Beschluss v. 07.07.2011
Az: 11 W (pat) 32/06


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