Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 5. Dezember 2014
Aktenzeichen: 11 U 54/14

(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 05.12.2014, Az.: 11 U 54/14)

Eine Änderung von Klageanträgen im Berufungsverfahren setzt eine zulässige Berufung voraus. Deshalb muss zumindest hinsichtlich eines Teils der erstinstanzlichen Anträge eine den Anforderungen des § 520 ZPO genügende Berufungsbegründung vorliegen.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 26.3.2014 verkündete Urteil des Landgerichts Wiesbaden € Az. 10 O 36/13 - wird auf seine Kosten verworfen.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 4.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger begehrte mit der Klage verschiedene Auskünfte hinsichtlich des Inhalts und des Zustandekommens von Wahrscheinlichkeitswerten, welche die Beklagte über ihn an Dritte übermittelt (Klageanträge 1 a) - d), sowie Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten (Klageantrag zu 2). Wegen der Einzelheiten und der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, die Beklagte habe die ihr gemäß § 34 Abs. 4 BDSG obliegende Auskunftsverpflichtungen mit ihrer unter dem 28.05.2013 übermittelten Datenübersicht vollständig erfüllt. Sie habe über alle personenbezogenen Daten des Klägers informiert, die für die Berechnung der Wahrscheinlichkeitswerte maßgeblich waren und verwendet wurden. Dadurch sei dem Kläger die Möglichkeit eröffnet worden, eine Überprüfung vorzunehmen und gegebenenfalls inkorrekte Daten berichtigen zu lassen. Dabei seien auch das Zustandekommen und die Bedeutung der Wahrscheinlichkeitswerte nachvollziehbar erläutert worden. Die Berechnung selbst, die Gewichtung der in den Scorewert eingeflossenen Merkmale und die verwendeten Vergleichsgruppen unterlägen dem berechtigten Interesse der Beklagten an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse.

Der Kläger hat gegen das ihm am 02.04.2014 zugestellte Urteil am 02.05.2014 Berufung eingelegt und diese innerhalb verlängerter Frist am 01.07.2014 begründet. Darin werden die Anträge zu 1 a) und 1 b) ebenso wie der Antrag zu 2 unverändert weiterverfolgt. Die Anträge zu 1 c) und d) wurden geändert (Bl. 428 ff d.A.).

II.

Die Berufung ist unzulässig, weil die Berufungsbegründung nicht den gesetzlichen Anforderungen genügt.

1)Nach § 520 Abs. 3 ZPO muss die Berufungsbegründung u.a. die Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt (§ 520 Abs. 3 Nr. 2). Des Weiteren müssen konkrete Anhaltspunkte bezeichnet sein, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen (§ 520 Abs. 3 Nr. 3). Daran fehlt es hier.

a) Hinsichtlich des Klageantrages zu 2) wird lediglich das Vorbringen in der Klageschrift wiederholt. Die Berufungsbegründung geht mit keinem Wort darauf ein, weshalb die Erwägungen des Landgerichts, wonach die Anwaltskosten nicht als Verzugsschaden geltend gemacht werden könnten, unrichtig sein sollten; auch andere Anspruchsgrundlagen werden nicht aufgezeigt.

b) Von den erstinstanzlich gestellten vier Auskunftsanträgen werden lediglich die Anträge zu 1a) und 1b) mit der Berufung unverändert weiterverfolgt.

Der Kläger begehrt damit Auskunft zum einen darüber, welche Scorewerte aktuell für ihn bestehen (Antrag zu b) und welche Werte in den letzten zwölf Monaten an welche Dritte übermittelt worden sind (Antrag zu a).

Aus der Berufungsbegründung geht in keiner Weise hervor, weshalb die am 28.05.2013 übermittelten Daten entgegen der Feststellung des Landgerichts nicht zur Erfüllung dieser beiden Auskunftsverlangen ausreichend gewesen sein sollten. Die Berufung wird ausschließlich damit begründet, dass dem Kläger auch unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 28.01.2014 - VI ZR 156/13 - ein Anspruch auf Auskunft über das Zustandekommen und die Bedeutung der Wahrscheinlichkeitswerte zustehe. Es bedürfe einer ausformulierten Erklärung, aufgrund welcher auf den Betroffenen zutreffenden konkreten Lebensumstände die Einstufung erfolgt sei. Derartige Auskünfte waren jedoch nicht Gegenstand der Klageanträge zu 1 a) und 1b); die diesbezüglichen Ausführungen stehen erkennbar (nur) im Zusammenhang mit den Auskunftsanträgen zu 1c) und 1d).

Damit genügt die Berufungsbegründung hinsichtlich der Anträge zu 1 a) und 1 b) nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO.

Mit Schriftsatz vom 19.11.2014 macht der Kläger zwar geltend, dass die Auskünfte zu 1a) und 1b) aus im einzelnen dargelegten Gründen nicht vollständig erteilt worden sei, dass also noch keine Erfüllung eingetreten sei. Dieser Schriftsatz ist jedoch nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eingegangen und kann daher für die Frage der Zulässigkeit der Berufung nicht mehr berücksichtigt werden.

c) Die erstinstanzlich gestellten und vom Landgericht abgewiesenen Klageanträge zu 1c) und 1d) werden mit der Berufung nicht mehr weiterverfolgt. Stattdessen enthält die Berufungsbegründung völlig neue Anträge. So wird unter 1c) statt einer Auskunft über €die zur Berechnung der Wahrscheinlichkeitswerte € genutzten Datenarten€, eine Darlegung von €Definition und Wirkungen der bei der Beklagten verzeichneten Merkmale€ begehrt. Unter 1d) verlangt der Kläger statt Auskunft über €das Zustandekommen und die Bedeutung der Wahrscheinlichkeitswerte€ eine Darlegung, €inwieweit sich die Wahrscheinlichkeitsberechnungen in den dem Kläger bereits mitgeteilten Daten erschöpfen€. Diese neuen Anträge beinhalten nicht lediglich eine Präzisierung, Einschränkung oder Erweiterung der bereits gestellten Klageanträge, sondern ein anderes Klagebegehren und somit einen anderen Streitgegenstand. Es handelte sich daher um eine echte Klageänderung i.S.d. §§ 263, 264, 533 ZPO. Die Änderung der Klage im Berufungsverfahren kann jedoch nicht alleiniges Ziel eines Rechtsmittels sein, sondern setzt dessen Zulässigkeit voraus (BGH NJW 1999, 2118). Da sich die Berufungsbegründung, wie oben dargelegt, lediglich mit der Begründetheit gerade der neuen Anträge beschäftigt, fehlt es jedoch an einer solchen im Übrigen zulässigen Berufung. Darauf, ob hinsichtlich der geänderten Anträge die Voraussetzungen des § 533 ZPO erfüllt sind (vgl. dazu Urteil des Senats vom 4.12.2014, 11 U 1/14), kommt es daher nicht an.

2)Das Rechtsmittel ist daher insgesamt unzulässig und war mit der Kostenfolge des §§ 97 Abs. 1 ZPO zu verwerfen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.






OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 05.12.2014
Az: 11 U 54/14


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