Oberlandesgericht Hamm:
Beschluss vom 11. November 2003
Aktenzeichen: 2 (s) Sdb. VII - 201/03

(OLG Hamm: Beschluss v. 11.11.2003, Az.: 2 (s) Sdb. VII - 201/03)

Tenor

Dem Antragsteller wird anstelle der gesetzlichen Gebühren in Höhe von 460,16 &...8364; eine Pauschvergütung von 2.000,00 &...8364; (i. W.: zweitausend Euro) bewilligt.

Der weitergehende Antrag wird abgelehnt.

Gründe

I.

Dem früheren Angeklagten wurde im vorliegenden Verfahren mit der 138 Seiten umfassenden Anklage der Staatsanwaltschaft Bielefeld vom 3. März 2000 die Begehung von 134 Betrugstaten zur Last gelegt. Aufgrund der Hauptverhandlung vom

15. Mai 2000 ist der frühere Angeklagte von der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Paderborn mit Urteil vom gleichen Tag wegen Betruges in 101 Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt worden. Das Urteil wurde sofort rechtskräftig.

Der Antragsteller, der für den früheren Angeklagten im Verfahren bereits seit Januar 1998 tätig war, wurde diesem am 3. April 2000 als Pflichtverteidiger beigeordnet. Er erbrachte für den früheren Angeklagten, der sich seit dem 4. Januar 2000 in Haft befand, im Wesentlichen folgende Tätigkeiten:

Im Vorverfahren nahm er im Zeitraum von August 1999 bis Januar 2000 an fünf Vernehmungsterminen seines Mandanten bei der Staatsanwaltschaft Bielefeld sowie am Termin zur Verkündung des Haftbefehls am 4. Januar 2000 vor dem Amtsgericht Bielefeld teil. Er besuchte zudem im April und Mai 2000 seinen Mandanten dreimal in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede I. Dabei musste der Antragsteller jedes

Mal von seinem Kanzleisitz in C2 aus nach Bielefeld fahren. Die Hauptverhandlung vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Paderborn fand an einem Tag statt und dauerte fünf Stunden und dreißig Minuten. Es wurden vier Zeugen vernommen, ein Sachverständiger erstattete sein Gutachten. Auf die Vernehmung von mehr als 90 weiteren von der Staatsanwaltschaft benannten Zeugen war verzichtet worden.

Wegen des weiteren Umfangs des Verfahrens und der vom Antragsteller für seinen Mandanten erbrachten Tätigkeiten wird auf die dem Antragsteller bekannte Stellungnahme des Vertreters der Staatskasse vom 15. September 2003 Bezug genommen. Die gesetzlichen Gebühren des Antragstellers betragen insgesamt 460,16 &...8364;. Die für das Verfahren sich ergebenden Höchstgebühren eines Wahlverteidigers belaufen sich auf insgesamt 1.457,18 &...8364;.

Der Antragsteller hat die Bewilligung einer Pauschvergütung von 3.000,- &...8364; beantragt. Der Vertreter der Staatskasse hat gegen die Bewilligung einer angemessenen Pauschvergütung keine Bedenken erhoben.

II.

Dem Antragsteller war nach § 99 Abs. 1 BRAGO eine Pauschvergütung zu bewilligen. Er ist sowohl in einem "besonders schwierigen" als auch in einem "besonders umfangreichen" Verfahren i.S.d. § 99 Abs. 1 BRAGO tätig geworden.

Bei der demnach zu bewilligenden Pauschvergütung hat der Senat alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt. Dabei war hier insbesondere die intensive Tätigkeit des Antragstellers im Vorverfahren von Bedeutung, die sich pauschvergütungserhöhend auswirkte. Der hier vom Antragsteller erbrachte Einsatz für seinen Mandanten hat letztlich das gesamte Verfahren deutlich abgekürzt. Die aktive Mitarbeit des Antragstellers, der es zudem mit einem von der Persönlichkeit her schwierigen und uneinsichtigen Mandanten zu tun hatte, hat dazu geführt, dass das Verfahren in einem Hauptverhandlungstermin mit rechtskräftigem Abschluss erledigt werden konnte. Nach der ständigen Rechtsprechung ist eine intensive Verfahrensvorbereitung durch den Verteidiger, die zu einer zügigen Erledigung des Verfahrens führt,

im Interesse einer effektiven, zeit- und kostensparenden Rechtspflege bei der Be-

willigung der Pauschvergütung zu berücksichtigen (vgl. Senatsbeschlüsse vom

17. März 2003 in 2 (s) Sbd. VII - 53/03 m.w.N. sowie vom 4. Februar 2000 in 2 (s) Sbd. VI - 271/99 = StraFo 2000, 214 = StV 2000, 442). Es ist beachtet worden, dass dem Antragsteller durch die im Einzelnen dargelegte Teilnahme an Terminen seines Mandanten ein erheblicher Aufwand entstand. Pauschvergütungserhöhend wirkte sich hier zudem aus, dass der Antragsteller aufgrund von hohen Fahrtzeiten einen zusätzlichen Zeitaufwand hatte. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind die Fahrtzeiten auswärtiger Verteidiger bei der Bemessung der Pauschver-

gütung zu berücksichtigen, wenn - wie dies vorliegend der Fall ist - dem Verteidiger bereits aus anderen Gründen eine Pauschvergütung zusteht (vgl. nur Senatsbe-

schluss vom 14. Januar 1999 in 2 (s) Sbd. V - 125, 126, 127, 204, 205, 217 und 218/98 = StraFo 1999, 143 = StV 2000, 441 m.w.N.). Vorliegend musste der Antragsteller zur Teilnahme an den verschiedenen Terminen in Bielefeld sowie zu den Besuchen seines Mandanten in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede I jeweils von seinem Kanzleisitz in C2 aus anreisen.

Aufgrund der intensiven Beschäftigung des Antragstellers mit dem Verfahren vor der Hauptverhandlung und der von ihm im Vorverfahren erbrachten zeitaufwändigen Tätigkeiten hält der Senat zum angemessenen Ausgleich die festgesetzte Pauschvergütung von 2.000,- &...8364; für erforderlich aber auch ausreichend. Dabei ist sich der Senat des Umstandes bewusst, dass diese Pauschvergütung deutlich über der sich für das vorliegende Verfahren ergebenden Wahlverteidigerhöchstgebühr von 1.457,18 &...8364; liegt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats, an der festgehalten wird, kommt eine Pauschvergütung in Höhe der Wahlverteidigerhöchstgebühr oder sogar über sie hinaus grundsätzlich nur in Betracht, wenn das Verfahren den Pflichtverteidiger über einen längeren Zeitraum ganz oder fast ausschließlich in Anspruch genommen hat (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 9. November 2001 in 2 (s) Sbd. VI - 163/01 = ZAP EN-Nr. 99/2002 = JurBüro 2002, 141; vom 26. Oktober 2001 in 2 (s) Sbd. VI - 139/00 ff. = JurBüro 2002, 250; vom 19. Mai 2000 in 2 (s) Sbd. VI - 48/2000 = StraFo 2000, 285 = NStZ 2000, 555; jeweils m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

Von dieser Rechtsprechung war hier jedoch eine Ausnahme zu machen und dem Antragsteller eine die Wahlverteidigerhöchstgebühr schon deutlich überschreitende Pauschvergütung zuzubilligen. Diese Abweichung von der ständigen Rechtsprechung des Senats war hier ausnahmsweise gerechtfertigt aufgrund der dargestellten erheblichen Tätigkeit des Antragstellers im Vorverfahren, die letztlich dazu führte, dass das umfangreiche und auch schwierige Verfahren nach nur einem Hauptverhandlungstag zu einem rechtskräftigen Abschluss gebracht werden konnte.

Eine über den festgesetzten Betrag hinausgehende Pauschvergütung wäre allerdings angesichts des Umfangs der vom Antragsteller erbrachten Tätigkeiten unverhältnismäßig gewesen, so dass dessen weitergehender Antrag abzulehnen war.






OLG Hamm:
Beschluss v. 11.11.2003
Az: 2 (s) Sdb. VII - 201/03


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