Kammergericht:
Urteil vom 23. März 2004
Aktenzeichen: 5 U 278/03

(KG: Urteil v. 23.03.2004, Az.: 5 U 278/03)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Kammergericht hat in ihrem Urteil vom 23. März 2004 die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Berlin abgewiesen. Der Kläger, ein Regisseur, hat Schadensersatz für eine Entstellung seines Films durch die Sendung einer verkürzten Fassung des Films in Fernsehen gefordert. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und das Kammergericht hat diese Entscheidung bestätigt. Die Berufung des Klägers wurde zurückgewiesen und er muss die Kosten tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger hat die Möglichkeit, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung abzuwenden. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Der Kläger ist Regisseur eines Dokumentarfilms aus dem Jahr 1969 und hat von der Beklagten Schadensersatz aufgrund der Ausstrahlung einer verkürzten Fassung des Films in Fernsehen gefordert. Das Kammergericht hat festgestellt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 97 Abs. 2 des Urheberrechtsgesetzes hat, da die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen. Die Beklagte hat den Film zwar verkürzt, dies stellt jedoch keine grobe Entstellung des Films im Sinne des § 14 des Urheberrechtsgesetzes dar, da die geistige Eigenart des Films erhalten bleibt. Das Landgericht hat zudem festgestellt, dass die Kürzung des Films sachangemessen motiviert ist, da der Film eine inhaltliche Zäsur nach der Kapitulation markiert.

Das Kammergericht hat weiter festgestellt, dass eine Rufschädigung des Klägers durch die Kürzung nicht vorliegt und dass die Interessen der Filmverwerter grundsätzlich Vorrang vor den Interessen der Urheber haben. Die Beklagte hat gemäß § 93 des Urheberrechtsgesetzes ein Recht zur Sendung der verkürzten Fassung aus ihrem Lizenzvertrag und es liegt kein Verschulden der Beklagten vor. Schließlich ist auch die weitere Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch, nämlich dass es der Billigkeit entspricht, nicht erfüllt.

Das Kammergericht hat die Berufung des Klägers daher als unbegründet zurückgewiesen und die Kosten des Verfahrens dem Kläger auferlegt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

KG: Urteil v. 23.03.2004, Az: 5 U 278/03


Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin vom 10. Juli 2003 € 16 O 75/03 € wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger ist Regisseur des im Jahr 1969 produzierten Dokumentarfilms "Schlacht um Berlin" mit einer Gesamtlaufzeit von 80 Minuten. Er hat ursprünglich von der Beklagten unter Berufung auf seine Urheberrechte Ersatz des immateriellen Schadens begehrt, der ihm nach seinem Vorbringen durch die Ausstrahlung von zwei Fernsehbeiträgen dadurch entstanden ist, dass zum einen aus seinem Film einzelne Szenen in einem anderen, im Fernsehen ausgestrahlten Film verwendet worden sind und er dort nicht als Urheber benannt worden ist, und dass zum anderen sein Film um die Hälfte der Laufzeit gekürzt im Fernsehen ausgestrahlt worden ist. Letzteren Vorgang sieht er als gröbliche Entstellung seines Filmwerkes an.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn Schadensersatz in einer vom Gericht festzusetzenden Höhe, jedoch nicht geringer als 5.100,00 EUR zuzüglich 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen. Wegen des tatsächlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Der Kläger hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Er verfolgt seinen ursprünglichen Antrag weiter, begründet ihn aber nur noch mit der Kürzung seines Filmes um die Hälfte der Laufzeit auf 40 Minuten und dessen Sendung im Fernsehen.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und

die Beklagte nach dem erstinstanzlich gestellten Antrag zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihren Prozessbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zwar statthaft und in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden. Sie ist auch im Übrigen zulässig.

In der Sache ist die Berufung jedoch unbegründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gemäß § 97 Abs. 2 UrhG (Schmerzensgeld) für eine Entstellung seines Filmwerkes "Schlacht um Berlin" durch die Sendung einer um die Hälfte verkürzten Fassung des Films nicht zu, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.

Gemäß § 97 Abs. 2 UrhG können (u. a.) Urheber, wenn dem Verletzer Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Last fällt, auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine Entschädigung in Geld verlangen, wenn und soweit es der Billigkeit entspricht.

a)

Dass es sich bei dem Film des Klägers um ein als persönlich-geistige Schöpfung nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG geschütztes Filmwerk handelt, ist zwischen den Parteien nicht streitig. Hiervon ist auch das Landgericht stillschweigend ausgegangen.

b)

Nach § 14 UrhG hat der Urheber das Recht, eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung seines Werkes zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden.

aa)

Entstellung € als besonders schwerer Fall des Oberbegriffs der Beeinträchtigung (vgl. Möhring/Nicolini/Lütje, UrhG, 2. Aufl., § 93 Rn. 15) € ist jede Verzerrung oder Verfälschung der Wesenszüge des Werkes, wie etwa bei Veränderungen des Werkcharakters, Verzerrung oder Verfälschung der Grundauffassung des Werks, Verstümmelung, Sinnentstellung oder Änderung des Aussagegehaltes eines Werkes durch Streichungen oder Zusätze (OLG München, GRUR 1986, 460, 461 € Die Unendliche Geschichte, unter Bestätigung des Urteils des LG München I € MR 4/1985 Archiv 4/5; Fromm/Nordemann, UrhG, 9. Aufl., § 14 Rn. 2 aaO; Möhring/Nicolini/Lütje, aaO, § 14 Rn. 3; § 93 Rn. 24). Eine Entstellung liegt im allgemeinen in Streichungen wesentlicher Teile oder in Zusätzen, die dem Werk eine andere Färbung oder Tendenz verleihen oder in ähnlichen Abweichungen vom Inhalt und Charakter des Werks, die auf die geistige Haltung oder Einstellung, dem Ruf und das Ansehen des Werkschöpfers ungünstige oder zumindest unrichtige Rückschlüsse zulassen (v. Gamm, UrhG, § 14 Rn. 8).

bb)

Nach diesen Maßgaben hat die Beklagte den Film des Klägers durch die Verkürzung auf die Hälfte der Laufzeit allerdings entstellt, denn jede objektiv nachweisbare Änderung des vom Urheber geschaffenen geistig-ästhetischen Gesamteindrucks des Werkes führt zu einer Beeinträchtigung im Sinne des § 14 UrhG (BGH GRUR 1989, 106, 107 € Oberammergauer Passionsspiele II; OLG München, GRUR 193, 332, 333 € Christoph Columbus).

c)

Gegenüber der allgemeinen Bestimmung des § 14 UrhG ergibt sich für Urheber eines Filmwerkes gemäß § 93 S. 1 UrhG jedoch eine Einschränkung der urheberrechtlichen Relevanz einer solchen Beeinträchtigung. Danach können Urheber eines Filmwerkes (und andere) hinsichtlich der Herstellung und Verwertung des Filmwerkes nur gröbliche Entstellungen oder andere gröbliche Beeinträchtigungen ihrer Werke verbieten.

aa)

Gröblich ist eine Entstellung oder Beeinträchtigung dann, wenn sie in besonders starker Weise in die in § 14 UrhG genannten Interessen des Urhebers eingreift (Möhring/Nicolini/Lütje, aaO, § 93 Rn. 24). Eine gröbliche Änderung eines Werkes kann nur eine solche sein, die über den konkret geänderten Teil hinaus den geistig-ästhetischen Gesamteindruck des Werkes entstellt (OLG München, aaO, S. 461 € Die unendliche Geschichte; Möhring/Nicolini/Lütje, aaO, § 94 Rn. 24).

bb)

Eine gröbliche Entstellung des Filmes durch die Beklagte in diesem Sinne ist nicht feststellbar.

Der Kläger hat seinen Vorwurf der Entstellung zunächst auf die Kürzung und einige Veränderungen in der gekürzten Fassung gestützt, in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht aber nur noch allein auf die Kürzung des Filmes von einer Laufzeit von 80 Minuten auf eine Sendezeit von 40 Minuten. Hiervon ist entsprechend den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat auch für die Berufungsinstanz auszugehen.

Ausgangspunkt für die Prüfung ist das Werk in der ihm vom Urheber verliehenen Gestalt, die diesem als die bestmögliche erscheint und die demgemäß auch vom außenstehenden Betrachter als solche hinzunehmen ist (Schricker/Dietz, Urheberrecht, 2. Aufl., § 14 Rn. 21). Der streitgegenständliche Film mit dem Titel "Schlacht um Berlin" befasst sich anhand von originalen Archiv-Filmdokumenten mit der Vor- und Nachkapitulationszeit als Film-Dokumentation. In der Vorkapitulationszeit geht es um die filmische Darstellung der letzten Kriegsmonate unter Betonung der Implikationen des Krieges für die Berliner Bevölkerung und ihrer Lebensbedingungen, der zweite Teil widmet sich dem Überleben und dem Wiedererstehen zivilen Lebens unter den Besatzungsmächten. Er trug zunächst den Titel "Ein Jahr € von Jahresende zu Jahresende", der damit auf den Zeitrahmen Bezug nimmt, den sich der Film gesetzt hat, nämlich beginnend Silvester 1944 und endend Silvester 1945. Die gekürzte (Sende-)Fassung besteht dagegen unstreitig aus der nahezu unveränderten (um weniger als 2 € 3 Minuten gekürzt, ohne textliche Veränderungen) chronologisch ersten Hälfte des Filmes des Klägers bis zur Kapitulation, sie endet vor dem anschließenden Komplex "Potsdamer Konferenz" und Nachkriegsära.

Der Kläger hat zur Begründung der behaupteten gröblichen Entstellung durch die Sendefassung des Filmes vorgetragen, durch die Kürzung, die den Film bei der Kapitulation enden lässt, werde die Gesamtdramaturgie zerstört, denn seine Absicht sei gewesen, das gesamte Jahr 1945 zu dokumentieren. Dieses Vorbringen hat das Landgericht als unsubstantiiert angesehen. Dem kann zwar nicht mit der Konsequenz gefolgt werden, dass € allerdings ebenfalls nur spärliche € weitere Vorbringen des Klägers in der 2. Instanz nicht mehr zugelassen wird, denn es ergeben sich schon aus dem erstinstanzlich vom Kläger gehaltenen Vortrag Hinweise darauf, welche Punkte der Kläger als für die von ihm gewählte Gesamtdramaturgie als relevant angesehen hat, nämlich das Alltagsleben der Berliner Bevölkerung während des Kriegsgeschehens des 2. Weltkriegs und nach dessen Beendigung. Daraus wird deutlich, dass es dem Kläger bei seinem Filmwerk nicht allein oder auch nur vorrangig um eine historisch korrekte chronologische Darstellung der politischen Gegebenheiten der letzten Kriegsmonate ging, sondern um die widersprüchlichen Lebenszusammenhänge der Berliner Bevölkerung im Jahr 1945, die durch die letzten Kriegsmonate, geprägt durch die Kapitulation, eine entscheidende Wende im Leben erfuhr und vor völlig neue menschliche und soziale Anforderungen gestellt wurde.

Unter diesen Gesichtspunkten wird die Kürzung des Filmes gerade an der "Wendemarke Kapitulation" zwar den Intentionen des Klägers und dem in seinem Film dokumentierten geistigen Gehalt nicht gerecht. Die Aussage eines Filmes wird inhaltlich verändert, wenn dem Zuschauer die von dem Kläger konzipierte zeitliche Klammer von Silvester 1944 bis Silvester 1945 vorenthalten wird und der (gekürzte) Film mit der Darstellung der verheerenden Lebensumstände der Menschen im zerstörten Berlin im Zeitpunkt der Kapitulation endet.

cc)

Der Eingriff in das Filmwerk ist aber gemäß § 93 UrhG privilegiert, weil die Grenze zur gröblichen Entstellung nicht überschritten ist, der Kläger vielmehr im Rahmen des § 93 UrhG den Eingriff der Kürzung bei umfassender Abwägung und Wertung der Interessen der Beteiligten unter Beachtung von Treu und Glauben (vgl. OLG München, aaO, € Die unendliche Geschichte) hinnehmen muss. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalles. Bei der Interessenabwägung ist davon auszugehen, dass den Interessen der Filmverwerter nach der Intention des Gesetzgebers, der die Rechte der Urheber aus § 14 UrhG zu ihren Gunsten eingeschränkt hat, grundsätzlich ein sachlicher Vorrang gegenüber solchen Entstellungen bzw. Beeinträchtigungen einzuräumen ist, die keine schwerwiegende Interessengefährdung des Urhebers zur Folge haben (OLG München, aaO € Die unendliche Geschichte; Schricker/Dietz, aaO, § 93 Rn. 2; Wandte/Bullinger/Manegold, UrhG, § 93 Rn. 2; v. Gamm, aaO, § 93 Rn. 4). Denn nach Sinn und Zweck des Gesetzes dient die Einschränkung des Schutzes der Urheber gegen Entstellung im Bereich der Filmwerke nach § 93 UrhG dem allgemeinen Gedanken der Erleichterung des Rechtserwerbs durch den Filmhersteller und der Schaffung der Voraussetzungen für eine möglichst ungehinderte Verwertbarkeit des Filmwerkes (vgl. Begründung des RegE BT-Drucks. IV/270 S. 98; Schricker/Dietz, aaO, § 93 Rn. 1). Vorliegend ist ein den grundsätzlich vorrangigen Interessen des Filmherstellers an der möglichst umfassenden Verwertung entgegenstehendes überwiegendes Interesse des Klägers an der Wahrung der Authentizität seines Filmwerks zu verneinen. Weder hat die Kürzung des Filmes eine völlige Verkehrung des ursprünglichen Sinngehalts des Filmwerks oder eine völlige Verunstaltung von urheberrechtlich wesentlichen Teilen des Films entgegen den Intentionen des Urhebers bewirkt (vgl. dazu OLG München, aaO, € Unendliche Geschichte; v. Hartlieb, Handbuch des Film-, Fernseh- und Videorechts, 3. Aufl., Kap. 63 Rn. 15), noch ist, selbst wenn man diese weite Auslegung zugunsten der Filmhersteller als bedenklich ansehen wollte (wie z. B. Möhring/Nicolini/Lütje, aaO, § 94 Rn. 24; Wandtke/Bullinger/Manegold, aaO, § 93 Rn. 11), vorliegend unter Berücksichtigung der Gestaltungshöhe des Werkes und der Art und Intensität des Eingriffs durch die Beklagte ein vorrangiger Schutz des Klägers als Urheber angezeigt. Zu Recht hat das Landgericht darauf abgestellt, dass der gewählte Schnitt des Films bei der chronologischen Schilderung der Ereignisse in Berlin im Jahr 1945 gewissermaßen eine Sollbruchstelle markiert, nämlich eine inhaltliche Zäsur nach Beendigung des Kampfes um Berlin und dem Beginn der Nachkriegsära. Zutreffend hat es daher die vorgenommene Kürzung des Filmes durch die Beklagte für nachvollziehbar und sachangemessen motiviert angesehen. Ungeachtet der Kürzung bleibt die geistige Eigenart des Films € anders als in dem vom Senat mit Urteil vom 27. Juni 1969 entschiedenen Fall (UFITA 59, 279 € Oscar-Wilde-Zitate) € hinreichend gewahrt, auch wenn der Film vom Kläger ursprünglich nicht als teilbarer Film konzipiert worden ist.

Anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des OLG Frankfurt (GRUR 1989, 204, 206 € "Wüstenflug"), das eine Kürzung des dort streitgegenständlichen Films um 1/3 als gröbliche Entstellung im Sinne des § 93 UrhG angesehen hat. Es hat € ohne nähere Begründung € ausgeführt, der ohne Einwilligung des Urhebers vorgenommene erhebliche Zusammenschnitt stelle eine starke Interessengefährdung für den Urheber dar, dem die Kontrolle über sein Gesamtwerk und dessen künstlerischen Gesamtaussage entzogen worden sei. Dabei wird jedoch der gesetzgeberischen Wertung, die durch eine "typisierte Vorwegnahme der Interessenabwägung" (Wandte/Bullinger/Manegold, aaO, § 93 Rn. 2) den Interessen der Filmhersteller grundsätzlich den Vorrang vor den Interessen der Urheber einräumt, nicht angemessen Rechnung getragen. Der Filmregisseur hat wie jeder andere Urheber eines Filmwerks nach Sinn und Zweck des § 93 UrhG von Hause aus kein Recht auf die Wahrung der Ursprungsfassung des Filmes, solange die Grenze zur gröblichen Entstellung oder Beeinträchtigung nicht überschritten ist.

Eine Rufschädigung des Klägers durch die vorgenommene Kürzung ist weder im Einzelnen vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der Kläger hat zwar vorgetragen, der Film habe den Bundesfilmpreis erhalten, er sei für den "Oscar" nominiert worden und international als Klassiker bekannt. Dem Kläger ist auch ein erhebliches Interesse daran zuzugestehen, dass sein Werk nicht in einer Art und Weise gekürzt wird, die seine künstlerischen Leistungen in Frage stellen und es im Nachhinein für den unbefangenen Betrachter nicht mehr als nachvollziehbar erscheinen lassen würden, weswegen dem Film Auszeichnungen verliehen worden sind. Eine solche Folge erscheint jedoch, insbesondere mangels näherer Darlegungen des Klägers, im vorliegenden Fall als fernliegend. Dass der Kläger in der Originalfassung ein anderes Ende des Filmes vorgesehen hat, ist nicht per se rufschädigend, wenn die Kurzfassung als solche nicht wegen darüber hinausgehender zusätzlicher Umstände zur Rufschädigung geeignet ist. Unter Berücksichtigung der Absicht des Gesetzgebers, die Verwertungsmöglichkeiten für den Filmhersteller zur Einspielung der Herstellungskosten möglichst weit zu fassen und der Folge, dass seinen Interessen insoweit grundsätzlich Vorrang zu geben ist, treten die Interessen des Klägers vielmehr in der Gesamtabwägung zurück.

d)

Offenbleiben kann danach, ob die Beklagte ein Recht zur Sendung der beanstandeten gekürzten Fassung zu Recht aus dem Lizenzvertrag mit der Herstellerin des Films, der C -Film GmbH, herleitet, und ob sie ein Verschulden trifft, das zusätzliche Voraussetzung des mit der Klage verfolgten Anspruches ist.

e)

Überdies ist die weitere Voraussetzung des § 97 Abs. 2 S. 1 UrhG nicht erfüllt, wonach eine Entschädigung in Geld nur verlangt werden kann, wenn und soweit es der Billigkeit entspricht. Schmerzensgeld kommt danach nur bei schwerwiegenden und nachhaltigen Verletzungen des Persönlichkeitsrechts und damit in Ausnahmefällen in Betracht (vgl. BGH GRUR 1971, 525 € Petit Jaqueline; Schricker/Wild, aaO., § 97 Rn. 79 m. w. N.). Davon kann aber nach den vorstehenden Erwägungen nicht ausgegangen werden. Die vom Kläger durch den Klagantrag vorgegebene Bemessung des Schmerzensgeldes von "nicht unter 5100,00 EUR" spricht zusätzlich gegen eine gravierende Interessenverletzung.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Es geht um eine reine Einzelfallentscheidung, die keine grundsätzliche Bedeutung hat. Eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder für die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erforderlich.






KG:
Urteil v. 23.03.2004
Az: 5 U 278/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/b1533459f5df/KG_Urteil_vom_23-Maerz-2004_Az_5-U-278-03




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share