Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. Mai 2003
Aktenzeichen: 14 W (pat) 324/02

(BPatG: Beschluss v. 22.05.2003, Az.: 14 W (pat) 324/02)

Tenor

Die Einsprüche gegen das Patent 101 20 837 werden als unzulässig verworfen.

Gründe

I Die Erteilung des Patents 101 20 837 mit der Bezeichnung

"Verfahren zur Herstellung eines Betonzusatzstoffes unter Verwendung von Flugaschen"

ist am 6. Juni 2002 veröffentlicht worden. Es umfaßt zwei Patentansprüche, von denen Anspruch 1 wie folgt lautet:

"Verfahren zur Herstellung eines Betonzusatzstoffes unter Verwendung von Flugaschen aus mit fossilen Brennstoffen betriebenen Kraftwerken, gekennzeichnet dadurch, dass als Flugasche eine CaO-arme Braunkohlenflugasche (BFA) mit einem Gesamtkalkgehalt von max. 15 % verwendet wird, deren Anteile im Bereich von 200 µm bis 4 mm abgesiebt sowie separiert werden und der verbleibende Anteil der BFA mit einer Steinkohlenflugasche (SFA) im Verhältnis von 30/70 bis 70/30 Masse-% vermischt wird."

Gegen dieses Patent ist am 26. Juli 2002 von der Einsprechenden I und am 6. August 2002 von der Einsprechenden II Einspruch erhoben worden. Beide Einsprüche sind auf die Behauptung gestützt, das patentgemäße Verfahren sei nicht patentfähig. Die Einsprechende I verweist in diesem Zusammenhang auf BVK-Betontechnische Empfehlungen, Neuausgabe 2002 sowie eine umfangreiche Forschungsarbeit von VGB PowerTech, Projekt VGB P 187 "Untersuchung der charakteristischen Stoffeigenschaften von Braunkohlefilteraschen im Hinblick auf ihre Eignung als Hauptbestandteil von Zement" (Kurztitel: Braunkohlefilteraschen in der Zementindustrie), Laufzeit 1. Januar 1999 - 31. Dezember 2001, und die Einsprechende II auf DIN 1045-2, EN 206-1 und DIN EN 450.

Die Einsprechenden beantragen sinngemäß, das Patent 101 20 837 zu widerrufen.

Die Patentinhaberin tritt dem Vorbringen der Einsprechenden entgegen und hält die Einsprüche für nicht ausreichend begründet.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Über die Einsprüche ist gemäß § 147 Abs 3 Satz 1 Ziff 1 PatG idF des Gesetzes zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums vom 13. Dezember 2001 Art 7 Nr 37 durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.

Beide Einsprüche sind frist- und formgerecht erhoben. Sie sind jedoch unzulässig, da sie nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden Weise begründet worden sind.

Gemäß § 59 Abs 1 Satz 4 PatG sind die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, im einzelnen anzugeben. Dieses Erfordernis ist in ständiger Rechtsprechung dahingehend zu verstehen, dass eine so vollständige Darlegung der Tatsachen zu erfolgen hat, dass Patentamt und Patentinhaber daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ziehen können; sie sollen allein anhand der mitgeteilten Umstände, ohne eigene Ermittlungen, in die Lage versetzt sein, zu prüfen, ob der behauptete Widerrufsgrund gegeben ist (vgl Schulte, PatG, 6. Aufl, § 59 Rdn 66; Busse, PatG, 5. Aufl, § 59 Rdn 66, mwN). Hierfür muss grundsätzlich eine Auseinandersetzung mit der gesamten patentierten Lehre stattfinden, denn eine Befassung nur mit einem Teilaspekt der Erfindung macht den Einspruch unzulässig (vgl BGH GRUR 1988, 364 - Epoxidations-Verfahren). Wenn sich die Einspruchsbegründung mit dem Kern der Erfindung auseinandersetzt, ist es aber unschädlich, dass nicht jedes einzelne Merkmal behandelt wird (vgl Schulte, aaO, § 59 Rdn 70; Busse, aaO, § 59 Rdn 70).

Diesen Anforderungen an die Begründungspflicht ist weder die Einsprechende I noch die Einsprechende II hinreichend nachgekommen.

Der erteilte Anspruch 1 betrifft nach seinem Oberbegriff ein Verfahren zur Herstellung eines Betonzusatzstoffes unter Verwendung von Flugaschen aus mit fossilen Brennstoffen betriebenen Kraftwerkenund weist im kennzeichnenden Teil die Merkmale auf, dass 1. als Flugasche eine CaO-arme Braunkohlenflugasche (BFA) mit einem Gesamtkalkgehalt von max 15 % verwendet wird, 2. die Anteile der BFA im Bereich von 200 µm bis 4 mm abgesiebt sowie separariert werden (somit vom Einsatz im beanspruchten Verfahren ausgeschlossen sind) und 3. der (nach 2.) verbleibende Anteil der BFA mit einer Steinkohlenflugasche (SFA) im Verhältnis von 30/70 bis 70/30 Masse-% vermischt wird.

Mit keinem dieser drei Merkmale befassen sich die Einspruchsschriftsätze im einzelnen. Vielmehr verweisen sie - wohl im Hinblick auf die hier mit 2, und 3 bezeichneten Merkmale - pauschal darauf, daß bereits Absiebungen (zur Gewinnung bestimmter Kornfraktionen) durchgeführt und unterschiedlichste Mischungen von BFA und SFA hergestellt wurden. Dies bezieht sich aber allenfalls auf einen Teilaspekt der patentierten Lehre, der zT bereits in der Streitpatentschrift als einschlägiger Stand der Technik gewürdigt ist, vgl [0003].

Die Ausführungen beider Einsprechenden, dass Flugaschen seit Jahrzehnten als Baustoffe verwendet werden, beziehen sich ersichtlich auf den in der Streitpatentschrift (vgl [0002]) vorausgesetzten und im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 berücksichtigten Stand der Technik.

Zu dem von der sachkundigen Prüfungsstelle als wesentlich erachteten Merkmal 1 (vgl Erstbescheid vom 26. September 2001 S 2 Abs 3) ist in beiden Einspruchsschriftsätzen nichts vorgetragen. Es fehlen somit in beiden Einsprüchen konkrete Belege für die Merkmale 1 bis 3 und jeder Anhaltspunkt, was dem Fachmann nahelegen könnte, unter gleichzeitiger Einhaltung dieser drei Merkmale zu verfahren.

Die Bedenken beider Einsprechender, das nach Anspruch 1 entstehende Verfahrenserzeugnis könne aufgrund bestehender Vorschriften nicht als Bauzusatzstoff zugelassen bzw zertifiziert werden, stellen ebenfalls keinen hinreichend substantiierten Widerrufsgrund dar. Gemäß § 2 Nr 1 Satz 1 2. Halbsatz PatG kann damit nämlich keine Ausnahme von der Patentierbarkeit abgeleitet werden und die gewerbliche Anwendbarkeit im Sinne des § 5 Abs 1 PatG ist schon deshalb anzuerkennen, weil das beanspruchte Verfahren unzweifelhaft benutzt werden kann, ggf auch zur Herstellung eines zB für den Export bestimmten Produkts.

Damit hat keine der beiden Einsprechenden für die Zulässigkeit ihres Einspruchs hinreichend vorgetragen; die Einsprüche sind somit als unzulässig zu verwerfen.

Schröder Wagner Harrer Feuerlein Pü






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Az: 14 W (pat) 324/02


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