Bundesgerichtshof:
Urteil vom 21. Februar 2006
Aktenzeichen: X ZR 21/02

(BGH: Urteil v. 21.02.2006, Az.: X ZR 21/02)

Tenor

Die Berufung gegen das am 20. September 2001 verkündete Urteils des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Der Beklagte ist eingetragener Inhaber des deutschen Patents 39 04 763 (Streitpatent), das am 16. Februar 1989 angemeldet worden ist und eine Verglasungsanordnung betrifft, wobei die Priorität einer italienischen Patentanmeldung vom 13. April 1988 in Anspruch genommen ist.

Das Streitpatent umfasst 4 Patentansprüche, von denen Patentanspruch 1 folgenden Wortlaut hat:

"1. Verglasungsanordnung mit zwei Scheiben (2, 3), mit einem zwischen den Scheiben entlang ihres Umfangs angeordneten Abstandhalter (4), der mit den Scheiben (2, 3) verklebt ist und aus zwei Traversen (6a, 6b) und zwei Pfosten (5a, 5b) besteht und mit einer zwischen den Scheiben angeordneten Lamellenjalousie mit heb- und senkbaren und um ihre Längsachse verschwenkbaren Lamellen (13), dadurch gekennzeichnet, dass die Lamellenjalousie einen Träger (7) aufweist, der mit der oberen Traverse (6b) verschraubt ist und der mit eine Wickel- und Wendewelle (17) aufweisenden Mitteln zum Heben und Senken und zum Verschwenken der Lamellen (13) und mit einem mit der Wickel- und Wendewelle (17) lösbar gekuppelten Elektromotor versehen ist, dass ein Pfosten (5b) eine Höhe aufweist, die um etwa die Höhe des Trägers (7) geringer ist als die Höhe des anderen Pfostens (5a), und dass der Träger (7) an seinem dem Pfosten (5b) mit geringerer Höhe entsprechenden Ende eine Lageraufnahme für das komplementär zur Lageraufnahme geformte, lösbare in diese eingesetzte Gehäuse (21) des Elektromotors aufweist."

Wegen der Patentansprüche 2 bis 4 wird auf die Patentschrift Bezug genommen.

Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig. Er sei schon nicht neu, denn von der A. in P. /I. sei bereits seit 1987 unter der Bezeichnung "V. " eine merkmalsgleiche Verglasungsan- ordnung vertrieben und auf der Messe S. vom 18. bis 22. März 1987 in B. in zwei Versionen ausgestellt worden, wobei der Lamellenvorhang bei der einen Version manuell und bei der anderen durch einen Elektromotor betätigt worden sei.

Die Klägerin hat beantragt, das Streitpatent für nichtig zu erklären.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat das Streitpatent in erster Linie in der erteilten Fassung und hilfsweise in einer beschränkten Fassung verteidigt.

Das Bundespatentgericht hat durch Vernehmung des Zeugen L. C. Beweis erhoben. Es hat das Streitpatent für nichtig erklärt.

Hiergegen hat der Beklagte Berufung eingelegt, mit der er in erster Linie die Beweiswürdigung durch das Bundespatentgericht angreift und beantragt, das Urteil des Bundespatentgerichts vom 20. September 2001 abzuändern und die Nichtigkeitsklage abzuweisen.

Hilfsweise verteidigt der Beklagte das Streitpatent in folgender Fassung (Abweichungen sind fett gesetzt):

"1. Verglasungsanordnung mit zwei Scheiben (2, 3), mit einem zwischen den Scheiben entlang ihres Umfangs angeordneten Abstandshalter (4), der mit den Scheiben (2, 3) verklebt ist und aus zwei Traversen (6a, 6b) und zwei Pfosten (5a, 5b) besteht und mit einer zwischen den Scheiben angeordneten Lamellenjalousie mit heb- und senkbaren und um ihre Längsachse verschwenkbaren Lamellen (13), dadurch gekennzeichnet, dass die Lamellenjalousie einen Träger (7) aufweist, der mit der oberen Traverse (6b) verschraubt ist und der mit eine Wickel- und Wendewelle (17) aufweisenden Mitteln zum Heben und Senken und zum Verschwenken der Lamellen (13) und mit einem mit der Wickel- und Wendewelle (17) lösbar gekuppelten Elektromotor versehen ist, dass ein Pfosten (5b) eine Höhe aufweist, die um etwa die Höhe des Trägers (7) geringer ist als die Höhe des anderen Pfostens (5a), und dass der Träger (7) an seinem dem Pfosten (5b) mit geringerer Höhe entsprechenden Ende eine Lageraufnahme für das komplementär zur Lageraufnahme geformte, lösbare in diese eingesetzte Gehäuse (21) des Elektromotors aufweistund die Pfosten (5a, 5b) einen oder mehrere innere, längs verlaufende Kanäle (8) haben, wobei in den oder die Kanäle (8) des Pfostens (5b) mit geringerer Höhe komplementär zu dem oder den Kanälen (8) geformte Zähne (9) eingreifen, die an dem dem Pfosten (5b) mit geringerer Höhe entsprechenden Ende des Trägers (7) mit diesem fest verbunden sindund rechtwinklig nach außen vom Träger (8) abstehen."

Hieran sollen sich die erteilten Patentansprüche 3 und 4 als Patentansprüche 2 und 3 unter Anpassung der Rückbeziehung anschließen.

Die Klägerin ist der Berufung entgegengetreten und beantragt, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Senat hat das schriftliche Gutachten des Prof. Dr. F. F. , , eingeholt, das der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Streitpatent ist für nichtig zu erklären, da sein Gegenstand nicht patentfähig ist (§ 21 Abs. 1 Nr. 1, § 22 PatG).

I. 1. Patentanspruch 1 des Streitpatents betrifft eine Verglasungsanordnung mit einer Lamellenjalousie.

Der Beschreibung des Streitpatents zufolge waren derartige Verglasungsanordnungen aus der Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung 0 109 382 bekannt, bei der das Heben, Senken und Verschwenken der Lamellen manuell über zwei Außenmagnete und zwei innerhalb der Verglasungsanordnung angeordnete Innenmagnete erfolgt, die mit der Wickel- oder Wendewelle gekoppelt sind. An einer solchen Anordnung wird als nachteilig angesehen, dass bei ihr - verglichen mit einer mechanischen Kopplung - nur geringe Kräfte übertragbar und deshalb Gegengewichte erforderlich seien. Außerdem erfordere die manuelle Betätigung eine Erreichbarkeit mit dem Arm, was bereits bei Oberlichtfenstern zu Schwierigkeiten führe (Streitpatent Beschreibung Spalte 1, Zeilen 5 - 29).

2. Diesen Nachteilen soll mit einer Verglasungsanordnung begegnet werden, die nach Patentanspruch 1 des Streitpatents wie folgt auszubilden ist:

Die Verglasungsanordnung verfügt über 1. zwei Scheiben und 2. einen Abstandhalter, der 2.1 zwischen den Scheiben entlang ihres Umfangs angeordnet, 2.2 mit den Scheiben verklebt ist und 2.3 aus zwei Traversen und zwei Pfosten besteht;

3. eine Lamellenjalousie, 3.1 die zwischen den Scheiben angeordnet und mit heb- und senkbaren Lamellen versehen ist, die um ihre Längsachse verschwenkbar sind;

4. die Lamellenjalousie weist einen Träger auf, der 4.1 mit der oberen Traverse verschraubt ist, 4.2 mit Mitteln zum Heben, Senken und Verschwenken der Lamellen versehen ist, wobei die Mittel eine Wickel- und Wendewelle aufweisen, 4.3 und mit einem Elektromotor versehen ist, der mit der Wickel- und Wendewelle lösbar gekuppelt ist;

5. ein Pfosten ist kürzer als der andere Pfosten, wobei die Differenz etwa der Höhe des Trägers entspricht;

6. der Träger hat am Ende des kürzeren Pfostens eine Lageraufnahme für das Gehäuse des Elektromotors, wobei 6.1 das Gehäuse komplementär zur Lageraufnahme geformt und 6.2 lösbar in die Lageraufnahme eingesetzt ist.

Mit einer solchen Verglasungsanordnung wird erreicht, dass der gewünschte Sonnenschutz mit Hilfe eines Motors zum Heben, Senken und Verschwenken der Lamellen auf einfache Weise eingestellt und die Anordnung durch einfachen Austausch des Motors leicht gewartet werden kann (Streitpatent Beschreibung Spalte 2, Zeile 56, bis Spalte 3, Zeile 7).

II. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Gegenstand nach Patentanspruch 1 durch die behaupteten Benutzungshandlungen vorweggenommen ist, da er jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht (§ 4 PatG).

1. Der gerichtliche Sachverständige hat dargelegt, dass am Prioritätstag des Streitpatents auf dem Gebiet der Konstruktion und Herstellung von Zweischeiben-Isolierglas, bei dem zwischen den Scheiben ein Sonnenschutzmittel angeordnet wird, kleine und regional ausgerichtete Unternehmen tätig waren, in denen sich typischerweise Handwerksmeister mit einer Ausbildung zum Techniker mit der Frage befassten, wie Sonnenschutzmittel in Zweischeiben-Isolierglasfenster integriert werden können. Die Berufserfahrung derartiger Fachleute entsprach im Durchschnitt einer mehrjährigen Tätigkeit in den genannten kleinen und mittleren Unternehmen. Denn am Prioritätstag war den Herstellern, die sich mit der Herstellung von Isolierglasscheiben in größerem Umfang befassten, bekannt, dass das Problem der Herstellung von Isolierglasscheiben vor allem darin bestand, die Scheiben dauerhaft so gegeneinander abzudichten, dass ein Diffundieren von Wasserdampf in den Zwischenraum zwischen den beiden Scheiben möglichst vermieden wird, damit ein Beschlagen der Scheiben im Zwischenraum möglichst effektiv und lang dauernd verhindert wird. Diesen Herstellern war ferner bekannt, dass es hierfür entscheidend auf den Randverbund ankommt, bei dem Abstandhalter verwendet wurden, die als Profil ausgebildet waren und die etwa Trocknungsmittel aufnehmen konnten. Die Glasscheiben wurden mit diesen Abstandhaltern verklebt. Als besonders geeignet wurden dabei mit organischen Stoffen geklebte Randverbünde angesehen, die sich zwar nicht als absolut dicht, wohl aber als besonders dauerhaft erwiesen hatten. Eingriffe in den Abstandhalter und damit in die Dichtheit der Verbindung wurden von industriellen Herstellern von Isolierglasfenstern vor diesem Hintergrund eher als für die Dauerhaftigkeit der Dichtheit schädlich angesehen, so dass Entwicklungen auf dem hier fraglichen Gebiet kleinen und handwerklich ausgerichteten Unternehmen überlassen blieben. Die Parteien haben dies nicht in Zweifel gezogen.

2. Die Beweisaufnahme hat weiter ergeben, dass es bekannt war, Sonnenschutzmittel, die von einem Elektromotor angetrieben sind, in dem Zwischenraum zwischen Verbundfenstern anzuordnen, die aus zwei hintereinander angeordneten Fensterflügeln bestehen und bei denen die beiden Flügel voneinander lösbar sind, so dass der Raum zwischen den Scheiben zur Reinigung zugänglich bleibt. Kleine Elektromotoren standen seit den 1950er Jahren zur Verfügung; seit dieser Zeit wurden Jalousien mit Wickel- und Wendewellen bereits mit Elektromotoren angetrieben, wobei ebenfalls bekannt war, dass solche Antriebe der Wartung bedürfen. Dies gilt insbesondere für den Elektromotor, dessen Austauschbarkeit nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen, der zur fraglichen Zeit in einem einschlägig tätigen Unternehmen beschäftigt war, von den Abnehmern solcher Scheiben am Prioritätstag erwartet wurde. Die Parteien haben auch dies nicht in Zweifel gezogen.

Darüber hinaus fand der Fachmann bereits Lösungen vor, bei denen Lamellenjalousien nicht nur in den Raum zwischen den Scheiben von Verbundfenstern, sondern auch in den Raum zwischen Isolierglasscheiben integriert waren. Die Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung 0 109 382 zeigt die Anordnung einer Lamellenjalousie im luftdicht abgeschlossenen Hohlraum einer Isolierglasscheibe, bei der die Wickel- und Wendewelle an ihrem Ende mit Mitteln in Eingriff steht, die die Welle antreiben und die ihrerseits durch eine Magnetanordnung manuell betätigt werden.

Die mündliche Verhandlung hat schließlich ergeben, dass der Beklagte vor dem Prioritätstag des Streitpatents der A. jedenfalls solche Anordnungen für Zweischeiben-Verglasungen geliefert hat, bei denen ein Abstandhalter aus zwei gleich langen Pfosten und zwei Traversen bestand. Unter die obere Traverse des Abstandhalters war ein Kopfkasten als Träger für eine Lamellenjalousie geschraubt. An einem Ende des Kopfkastens befand sich ein Gehäuse für einen Elektromotor, der die Welle der Lamellenjalousie antrieb. Der Pfosten, an dessen Innenseite sich das Gehäuse für den Elektromotor befand, wies ein mit einem Stopfen verschließbares Rundloch auf, durch das das Gehäuse zugänglich war. Mit solchen Abstandhaltern hergestellte Verglasungsanordnungen mit Lamellenjalousien, die von einem Elektromotor bewegt wurden, wurden von der A. vertrieben und auf der Messe in B. im März 1987 ausgestellt, sie zählen mithin zum Stand der Technik. Der Beklagte hat die Ausbildung dieser von ihm selbst gelieferten Anordnungen anhand einer nachträglich gefertigten Skizze (Anlage E 8) näher erläutert; die Klägerin ist dem nicht entgegengetreten, sondern hat erklärt, dass jedenfalls so ausgebildete Abstandhalter vor dem Prioritätstag geliefert und entsprechend ausgebildete Verglasungsanordnungen hergestellt, vertrieben und ausgestellt wurden.

3. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass dem Fachmann die Ausbildung einer Verglasungsanordnung mit den Merkmalen nach Patentanspruch 1 des Streitpatents nahegelegt worden ist.

Der Fachmann, der am Prioritätstag des Streitpatents Isolierglasfenster verbessern wollte, die in üblicher Weise aus zwei Glasscheiben und einem Abstandhalter mit jeweils zwei Traversen und Pfosten bestehen (Merkmale 1 und 2), der den Scheibenzwischenraum zwischen den beiden Glasscheiben definiert, das Trocknungsmittel aufnimmt und mit den Glasscheiben verklebt wird, und bei denen zwischen den Glasscheiben ein Sonnenschutzmittel wie zum Beispiel eine durch einen Elektromotor angetriebene Lamellenjalousie angeordnet ist (Merkmale 3 und 4), musste Maßnahmen vorsehen, die eine Wartung und gegebenenfalls einen Austausch des Motors zum Antrieb der Wickel- und Wendewelle (Merkmale 4.2, 4.3) erlauben, um sein Produkt absetzen zu können. Im Stand der Technik war dieses Problem dadurch gelöst, dass ein Kopfkasten (Träger, Merkmal 4) zur Aufnahme der Wickel- und Wendewelle und ein sich an den Kopfkasten anschließendes Gehäuse zur Halterung des Motors (Merkmal 6) im Raum zwischen den Scheiben angeordnet und mit der oberen Traverse verschraubt wurde (Merkmal 4.1), wobei in dem Pfosten des Abstandhalters, auf dessen Seite der Motor zwischen den Glasscheiben angeordnet wurde, ein Rundloch im Pfosten vorgesehen wurde, hinter dem der Motor im Gehäuse befestigt war. Die Ausnehmung wurde durch einen Stöpsel verschlossen und abschließend - wie der gesamte Rahmen - mit einem Dichtungsmittel versiegelt.

Wie der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, wiesen geeignete Elektromotoren am Prioritätstag üblicherweise eine zylindrische Form auf. Der Fachmann erkannte daraus ohne weiteres, dass ein zylindrischer Elektromotor durch das Rundloch im Pfosten in das Gehäuse zwar eingeführt oder aus ihm herausgezogen werden kann, die Festlegung des Motors in dem innerhalb des Abstandhalters hinter dem Rundloch liegenden Gehäuse und seine Lösung aus der Halterung durch das Rundloch hindurch jedoch problematisch ist. Der Fachmann hatte daher Veranlassung, darüber nachzudenken, wie die Wartung und ein Austausch des Antriebsmittels für die Lamellenjalousie verbessert werden konnten.

Nach den überzeugenden Darlegungen des gerichtlichen Sachverständigen boten sich dem Fachmann verschiedene Wege an, dieses Problem zu lösen. Einerseits waren dem Fachmann verschiedene Möglichkeiten bekannt, einen zylindrischen Motor mit Mitteln auszubilden, die seine Festlegung im Gehäuse ohne Veränderung der Ausnehmung im Pfosten des Abstandhalters erlauben. Als Beispiel hierfür hat der Sachverständige Zapfen genannt, die in Ausnehmungen an der Stirnwand des Gehäuses eingreifen, den Motor festlegen und so bewirken, dass das Drehmoment vom Motor auf die Welle der Jalousie übertragen werden kann. Bei einer solchen Festlegung des Motors kann auf Schellen oder sonstige Befestigungsmittel, die mit dem Gehäuse verschraubt oder sonst verbunden werden und durch das Rundloch nur schwer zu erreichen sind, verzichtet werden. Derartige Motoren waren jedoch nicht handelsüblich und hätten, wie der gerichtliche Sachverständige dargelegt hat, am Prioritätstag in Sonderfertigung hergestellt werden müssen. Daher hätte der Fachmann diesen Weg schon aus Kostengründen nicht, jedenfalls nicht bevorzugt in Betracht gezogen. Andererseits war es nach den Darlegungen des gerichtlichen Sachverständigen eine dem Fachmann geläufige und preiswert durchzuführende Maßnahme, den Motor zunächst mit einem Haltemittel beispielsweise auf einer Platte oder in einem Gehäuse festzulegen und über dieses Haltemittel an der gewünschten Stelle zu befestigen. Auf dieser Grundlage lag es für den Fachmann nahe, den Motor in einer entsprechenden Weise an der Stelle zu befestigen, an der er zur Kopplung mit dem Antrieb der Jalousie untergebracht werden muss (Merkmale 6.1 und 6.2).

Vor diesem Hintergrund bot es sich dem Fachmann an, den in sich stabilen Kopfkasten der Lamellenjalousie unter Kürzung eines Pfostens bis zur Außenseite des Abstandhalters zu führen, so dass der Bereich, in dem der Motor üblicherweise angeordnet wird, unmittelbar zugänglich ist, als Führung bei dem Einsetzen und Herausziehen des Motors dienen kann und der in seinem Gehäuse festgelegte Motor durch Befestigung des Gehäuses am Träger leicht montiert sowie durch Lösen des Gehäuses vom Träger einfach herausgenommen und gewartet werden kann. Anhaltspunkte dafür, dass dem Fachmann bei der Durchführung dieser ihm naheliegenden Maßnahme Schwierigkeiten im Wege gestanden haben oder dass Umstände vorlagen, die ihn von dieser Maßnahme abhalten konnten, hat die Beweisaufnahme nicht ergeben.

Diese ergeben sich insbesondere nicht aus den vom gerichtlichen Sachverständigen überzeugend geschilderten Bedenken der Isolierglasscheiben herstellenden Industrie, mit Rücksicht darauf, dass durch Öffnungen in dem Verbund zum Beschlagen der Scheiben führendes Wasser in den Raum zwischen den Scheiben eindringen kann, in den Abstandhalter in einer Weise einzugreifen, die die Dichtheit des Verbunds von Abstandhalter und mit ihm verklebten Scheiben beeinträchtigen konnte. Aus diesem Grunde wurde von ihr grundsätzlich nicht durch Ausnehmungen im Abstandhalter oder auf sonstige Weise in diesen Verbund eingegriffen und davon abgesehen, Sonnenschutzmittel zwischen den Scheiben von Isolierglas anzuordnen. Diese Bedenken können nur dem mit einer Revisionsöffnung verbundenen Eingriff in den Rahmen selbst entgegengehalten werden. Sofern diese grundsätzlichen Bedenken jedoch beiseite gestellt werden, um - wie bei der zum Stand der Technik gehörenden Form nach den Lieferungen des Beklagten - gleichwohl Öffnungen etwa für den möglichen Austausch des Motors vorzusehen, wird dieses grundsätzliche Risiko hingenommen. Es konnten dann allenfalls Probleme bei der Stabilität des Rahmens im Fertigungsprozess der Scheibe ein Hindernis darstellen, den Motor und den Revisionsschacht für seine Wartung so anzuordnen, dass der Antrieb trotz einer sicheren Stellung im Betrieb auf eine einfache Art und Weise zu warten und gegebenenfalls auszutauschen ist.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass der hier maßgebliche Fachmann die im Patent unter Schutz gestellte Lösung dieses Problems allein aufgrund der Vorgaben im Stand der Technik und seines Fachwissens auffinden konnte, ohne erfinderisch tätig zu sein. Für den zu erreichenden optimalen Zugang zum Antrieb der Welle bot sich eine Öffnung in der Größe der Innenabmessungen des Trägers an. Einer weitergehenden horizontalen Öffnung standen die Eigenschaften der fertigen Scheibe entgegen, die jedenfalls keine größere lichte Breite als die Breite des Abstandhalters zulässt. In der senkrechten Ebene musste es sinnlos erscheinen, die Öffnung mit einer größeren Höhe als das Innenmaß des Trägers auszustatten, in dem der Motor letztlich gelagert werden sollte. Mit einer solchen Erweiterung der Öffnung war aber, wie der gerichtliche Sachverständige in Übereinstimmung mit den Parteien zur Überzeugung des Senats ausgeführt hat, ein Eingriff in die Stabilität der Rahmenkonstruktion verbunden, der um so schwerer wiegt, je größer die Öffnung gestaltet wird. Von daher lag es nahe, die notwendige Stabilität hier nicht über den durch Eingriffe geschwächten Pfosten, sondern durch Verlängerung des als Rohr oder U-förmig gestalteten Trägers zu erreichen, der infolge seines Querschnitts eine gewisse Innenstabilität mit sich bringt, auch wenn er über weite Strecken an seiner Oberseite geöffnet sein sollte. Allerdings war damit eine Verkürzung eines Pfostens des Abstandhalters für Isoliergläser um die Höhe des Trägers für die Lamellen verbunden, die einen andersartigen Eingriff in den Abstandhalter darstellt als die Ausbildung eines Rundlochs, wie es aus dem Stand der Technik zur Ermöglichung der Montage und Wartung des Motors bekannt war. Der Fachmann musste jedoch erkennen, dass bei einer solchen Änderung der Konstruktion die eingeschränkte Stabilität lediglich die Folge der Verlagerung der Auflage im oberen Bereich dieser Ecke des Rahmens ist; auf dem von unten kommenden Pfosten liegt auf diese Weise nicht mehr die Traverse oder das in sie eingreifende Anschlussstück auf, sondern der an den Rand herangezogene Träger. Von daher musste es sich ihm aufdrängen, die erforderliche Festigkeit durch eine mit der bisherigen Konstruktion korrespondierende Halterung zwischen Träger und Pfosten zu erreichen. Wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend dargelegt hat, stehen dem Fachmann die Mittel zur Verfügung, den in sich stabilen Träger für die Lamellen und den um die Höhe des Trägers gekürzten Pfosten stabil miteinander zu verbinden, denn in diesem Fall kommen gerade und zueinander parallele Flächen aufeinander zur Anlage, so dass der Fachmann die erforderliche Stabilität mit den ihm etwa aus der Verbindung der Traversen mit den Pfosten des Abstandhalters bekannten Mitteln bewerkstelligen kann, indem er am Gehäuse Zähne vorsieht, die in komplementäre Ausnehmungen des gekürzten Pfostens und der oberen Traverse oder des dort vorgesehenen Verbindungselements eingreifen.

III. Patentanspruch 1 kann auch in der vom Beklagten in zulässiger Weise hilfsweise verteidigten Fassung keinen Bestand haben.

Wie der gerichtliche Sachverständige dargelegt hat, wurden die Traversen und Pfosten von Abstandhaltern schon am Prioritätstag des Streitpatents üblicherweise durch Winkelelemente verbunden, die mit Zähnen versehen waren, die in komplementäre Ausnehmungen der Pfosten und Traversen von Abstandhaltern eingesetzt wurden, so dass sich eine stabile Verbindung dieser drei Elemente ergab. Dies wird dadurch bestätigt, dass Verbindungselemente in Form von Winkeln, durch die die Pfosten und Traversen von Abstandhaltern üblicherweise zusammengesteckt werden, auch in den vom Beklagten vor dem Prioritätstag hergestellten, vertriebenen und ausgestellten Anordnungen Verwendung fanden, wie durch die vom Beklagten erstellte Skizze der Anlage E 8 belegt ist. Das Zusammenstecken mit Hilfe von Zähnen und Ausnehmungen, wie sie Kanäle in den Pfosten und Traversen darstellen, ist daher eine dem Fachmann geläufige Maßnahme, die weder für sich noch in Kombination mit den sonstigen Merkmalen nach Patentanspruch 1 eine erfinderische Leistung erkennen lässt.

IV. 1. Patentanspruch 2 betrifft eine Weiterbildung des Gegenstands nach Patentanspruch 1 und benennt Zähne und komplementär ausgebildete Kanäle als Mittel, mit denen eine stabile Verbindung des Pfostens, der zur Aufnahme des Lagers für den Motor gekürzt ist, mit dem Ende des Trägers, das den gekürzten Pfosten übergreift, hergestellt werden kann. Wie bereits dargelegt, handelt es sich um eine zweckmäßige, dem Fachmann im Rahmen seines Fachkönnens zur Verfügung stehende Maßnahme, die weder für sich noch im Zusammenwirken mit dem Gegenstand nach Patentanspruch 1 erfinderische Tätigkeit erfordert.

2. Patentanspruch 3 betrifft eine Verglasungsanordnung nach Patentanspruch 2, bei welcher der Träger aus einem kastenförmigen Element besteht, einen im wesentlichen rechteckigen Grundriss aufweist sowie an der den Zähnen abgewandten Seite eine oder mehrere Aufnahmebohrungen für die Befestigungsschrauben aufweist, mit denen der Träger an der oberen Traverse verschraubt wird. Hierbei handelt es sich um eine einfache handwerkliche Maßnahme, die weder für sich noch im Zusammenwirken mit dem Gegenstand nach den Patentansprüchen 1 und 2 erfinderischen Gehalt aufweist. Ein solcher wird vom Beklagten auch nicht geltend gemacht.

3. Patentanspruch 4 betrifft eine am Prioritätstag übliche Ausgestaltung der Jalousiekonstruktion, die zwischen den Glasscheiben zum Einsatz kommen soll.

Die Patentansprüche 2 bis 4 sind daher mit Patentanspruch 1 für nichtig zu erklären.

V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. Abs. 2 PatG, § 97 ZPO.

Melullis Keukenschrijver Mühlens Meier-Beck Asendorf Vorinstanz:

Bundespatentgericht, Entscheidung vom 20.09.2001 - 2 Ni 47/99 -






BGH:
Urteil v. 21.02.2006
Az: X ZR 21/02


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