Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 29. Mai 2008
Aktenzeichen: 4b O 188/07

(LG Düsseldorf: Urteil v. 29.05.2008, Az.: 4b O 188/07)

Tenor

I. Die Beklagte wird unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt,

1.

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen,

Navigationssysteme zum Leiten eines Fahrzeugs entlang einer vorgegebenen Route, die Straßen einschließt, zu einem Ziel,

im Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen und/oder zu den genannten Zwecken einzuführen und/oder zu besitzen, welche folgende Merkmale aufweisen:

(1) eine Speichereinrichtung zum Speichern von Kartendaten und mindestens Straßennamendaten;

(2) eine Displayeinrichtung;

(3) eine Eingabeeinrichtung, die die Eingabe eines Ziels ermöglicht;

(4) eine Ist-Positionsdetektoreinrichtung;

(5) eine Routensucheinrichtung zum Suchen von Routeninformationen, die eine Route von der erfassten Ist-Position zum eingegebenen Ziel anzeigen, durch Zugriff auf die in der Speichereinrichtung gespeicherten Daten;

(6) eine Routenspeichereinrichtung zum Speichern der durch die Routensucheinrichtung bestimmten Routeninformationen;

(7) eine Steuereinrichtung, die dazu geeignet ist, in Antwort auf die in der Routenspeichereinrichtung gespeicherten Routeninformationen mindestens einen Straßennamen zu suchen;

(8) eine erste Visualisierungseinrichtung, die dazu geeignet ist, Verzweigungspunkte auf der Fahrtroute und die Namen der Straßen zwischen den Verzweigungspunkten auf der Displayeinrichtung darzustellen;

(9) eine Displaysteuereinrichtung zum Steuern der Displayeinrichtung

(9.1. zum selektiven Darstellen eines Fahrtroutenbildschirmfensters, das eine Fahrtroute von der Ist-Position des Fahrzeugs zu einem Ziel darstellt, oder eines Routeninformationsbildschirmfensters, das die Verzweigungspunkte auf der Fahrtroute und die Namen von Straßen zwischen den Verzweigungspunkten zu dem Ziel darstellt, die durch die Steuereinrichtung gesucht wurden,

(9.2.) wobei die beiden verschiedenen Bildschirmfenster in Antwort auf manuelle Eingaben durch Benutzer aktiviert werden;

2. der Klägerin unter Vorlage eines nach Kalenderjahren geordneten vollständigen Verzeichnisses Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 30.11.2001 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen, und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer, genauso wie die Namen und Anschriften der Lieferadressen unter Vorlage entsprechender Belege in Form von Lieferscheinen und Rechnungen,

b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet sowie bei Internetwerbung zusätzlich der jeweiligen Domain, der Schaltungszeiträume und Zugriffszahlen,

d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, wobei im Hinblick auf Fixkosten und variable Gemeinkosten Angaben dazu zu machen sind, weshalb diese ausschließlich durch die Gestehung und/oder den Vertrieb der unter Ziffer 1. genannten Vorrichtungen verursacht worden sind,

wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnung enthalten ist.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klä-gerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 30.11.2001 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 5 % und die Beklagte 95 % zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von [66.000.000 €€]. >>anpassen an Parallelverfahren

V. Der Streitwert wird auf 4.000.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des am 22.07.1994 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 27.07.1993 zur Erteilung angemeldeten europäischen Patents EP 0 636 863 (nachfolgend: "Klagepatent", Anlage K II/1). Die Veröffentlichung des Hinweises auf die Patenterteilung erfolgte am 31.10.2001.

Der für den vorliegenden Rechtsstreit allein interessierende Patentanspruch 1 des Klagepatents hat in der Verfahrenssprache englisch folgenden Wortlaut:

"A navigation sytem for guiding a vehicle to a destination along a preselected route including roads, comprising:

memory means (3) for storing therein map data and at least road name data;

display means (12);

input means (11) for permitting input of a destination;

present position detector means (2);

route search means (4) for searching route information indicative of a route to the input destination from the present position as detected by access of the data stored in said memory means (3);

route memory means (4) for storing the route information as determined by said route search means;

control means (4);

first visualization means (4), wherein

said control means (4) is adapted for searching at least for a name of a road responsive to the route information stored in said route memory means;

said visualization means (4) is adapted for visually indicating branching points on said running route and the names of the roads between said branching points on said display means;

display control means (4) are provided for controlling said display means (12) to selectively display either one of a running route screen displaying a running route from the present position of the vehicle to a destination or a route information screen (7) displaying branching points on said running route and the names of the roads between said branching points to the destination searched by said control means (4), both of said different screens being activated in response to manual inputs by users.”

In der am 04.04.2002 veröffentlichten deutschen Übersetzung (DE 694 28 841 T2) ist der Wortlaut des Anspruchs 1 wie folgt wiedergegeben:

"Navigationssystem zum Leiten eines Fahrzeugs entlang einer vorgegebenen Route, die Straßen einschließt, zu einem Ziel, mit:

einer Speichereinrichtung (3) zum Speichern von Kartendaten und mindestens Straßennamen;

einer Displayeinrichtung (12);

einer Eingabeeinrichtung (11), die die Eingabe eines Ziels ermöglicht;

einer Ist-Positionsdetektoreinrichtung (2);

einer Routensucheinrichtung (4) zum Suchen von Routeninformationen, die eine Route von der erfassten Ist-Position zum eingegebenen Ziel anzeigen, durch Zugriff auf die in der Speichereinrichtung (3) gespeicherten Daten;

einer Routenspeichereinrichtung (4) zum Speichern der durch die Routensucheinrichtung bestimmten Routeninformationen;

einer Steuereinrichtung (4), die dazu geeignet ist, in Antwort auf die in der Routenspeichereinrichtung gespeicherten Routeninformationen mindestens einen Straßennamen zu suchen;

einer ersten Visualisierungseinrichtung (4), die dazu geeignet ist, Verzweigungspunkte auf der Fahrtroute und die Namen der Straßen zwischen den Verzweigungspunkten auf der Displayeinrichtung darzustellen;

einer Displaysteuereinrichtung (4) zum Steuern der Displayeinrichtung (12);

zum selektiven Darstellen eines Fahrtroutenbildschirmfensters, das eine Fahrtroute von der Ist-Position des Fahrzeugs zu einem Ziel darstellt, oder eines Routeninformationsbildschirmfensters (7), das die Verzweigungspunkte auf der Fahrtroute und die Namen von Straßen zwischen den Verzweigungspunkten zu dem Ziel darstellt, die durch die Steuereinrichtung (4) gesucht wurden, wobei die beiden verschiedenen Bildschirmfenster in Antwort auf manuelle Eingaben durch Benutzer aktiviert werden."

Nachfolgend eingeblendet sind die Figuren 1, 3a und 3b des Klagepatents. Die Figur 1 zeigt ein Blockdiagramm zum Darstellen einer Hardwarekonstruktion zum Realisieren der Routeninformationsdarstellungsfunktion eines klagepatentgemäßen Navigationssystems. In den Figuren 3a und 3b sind Diagramme zum Darstellen einer Ausführungsform der Systemkonstruktion eines klagepatentgemäßen Navigationssystems dargestellt.

Die Beklagte stellt Navigationssysteme für die Fahrzeugnavigation her und vertreibt diese in Deutschland. Im Internet bietet die Beklagte unter www.tomtom.com Navigationsgeräte für die Autonavigation, für die Motorradnavigation sowie Produkte zur Umrüstung von PDAs (personal digital assistants) zu tragbaren Navigationssystemen an. Auf dieser Internetpräsenz, die sich ausdrücklich auch an Kunden in Deutschland richtet, werden die Modelle "TomTom GO 700", "TomTom One Europe", "TomTom One Regional"; "TomTom GO 910" und "TomTom One XL Europe" (nachfolgend zusammenngefasst als "angegriffene Ausführungsform") für die Autonavigation zum Direkterwerb angeboten. Hinsichtlich der Modelle "TomTom One" wird auf das als Anlage K II/5 zur Akte gereichte Handbuch verwiesen.

Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsformen mache wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch. Sie nimmt die Beklagte daher auf Unterlassung des Vertriebs, Feststellung der Schadensersatzverpflichtung sowie auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung in Anspruch.

Die Klägerin beantragt,

im Wesentlichen wie erkannt, wobei sie allerdings keinen Wirtschaftsprüfervorbehalt im Klageantrag berücksichtigt hat.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die gegen den deutschen Teil des Klagepatents EP 0 636 863 erhobene Nichtigkeitsklage (BPatG 4 Ni 72/07 EU) auszusetzen;

weiter hilfsweise,

ihr vorzubehalten, die Namen und Anschriften ihrer nicht gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von der Klägerin zu benennenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder eine bestimmte Lieferung in der Aufstellung enthalten ist;

ihr zu gestatten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden.

Die Beklagte meint, die angegriffene Ausführungsformen verletze das Klagepatent nicht. Die angegriffene Ausführungsform verfüge nicht über eine erste Visualisierungseinrichtung, die dazu geeignet ist, die Verzweigungspunkte auf der Fahrtroute und die Namen der Straßen zwischen den Verzweigungspunkten auf der Displayeinrichtung darzustellen. Es fehle auch an einer Displaysteuereinrichtung zum Steuern der Displayeinrichtung zum selektiven Darstellen eines Routeninformationsbildschirmfensters, das die Verzweigungspunkte auf der Fahrtroute und die Namen von Straßen zwischen den Verzweigungspunkten zu dem Ziel darstellt, die durch die Steuereinrichtung gesucht wurden.

Hinsichtlich ihres hilfsweise gestellten Aussetzungsantrages macht die Beklagte geltend, das Klagepatent sei unzulässig erweitert und es fehle an der notwendigen Neuheit beziehungsweise erforderlichen erfinderischen Tätigkeit.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist ganz überwiegend begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte wegen wortsinngemäßer Verletzung des Klagepatents Ansprüche auf Unterlassung, Feststellung der Schadensersatzverpflichtung sowie auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung. Zugunsten der Beklagten war allerdings der aus Ziffer I.2. a.E. des Urteilstenors ersichtliche Wirtschaftsprüfervorbehalt auszusprechen.

I.

Das Klagepatent betrifft ein Navigationssystem zum Leiten eines Fahrzeuges entlang einer vorgegebenen Route.

Aus dem Stand der Technik bekannte Navigationssysteme wiesen auf: ein Zielsetzbildschirmfenster zum Festlegen einer Route; ein Routensuchbildschirmfenster zum Darstellen der gesuchten Route; ein Routeninformationsbildschirmfenster zum Darstellen von Informationen über die gesuchte Route; ein Routenführungsbildschirmfenster, das für die Führung automatisch oder auf Wunsch geöffnet wurde (Anlage K II/2, S. 1, Z. 11 - 23). Sobald der Routensuchvorgang abgeschlossen war, wurde die Routenführung gestartet. Dabei wurde eine Gesamtroutenkarte geöffnet, auf der die Ist-Position, das Ziel und die dazwischen liegende Route dargestellt waren (Anlage K II/2, S. 2, Z. 9 - 20).

In den bekannten Routenführungssystemen konnten detaillierte Routeninformationen als Übersicht der Route nur in der Weise abgefragt werden, dass ausgehend vom Routenführungsbildschirmfenster der Kartenmaßstab umgeschaltet oder das Bildschirmfenster gescrollt wurde. Diese Operationen sind nicht einfach und benötigen viel Zeit.

Das Klagepatent erwähnt als Stand der Technik zunächst die Anmeldung USA4,757,455. Das dort beschriebene Navigationssystem prüft, ob das Fahrzeug auf eine Schnellstraße auffährt. Ist dies der Fall, wird von der Straßenkarte auf ein Straßennamen-Textbildschirmfenster umgeschaltet. Es stellt die Namen der Schnellstraßen dar, auf denen das Fahrzeug fahren wird.

Das Klagepatent beschreibt ferner das EP-A-0 355 232. Diese Druckschrift beschreibt ein Straßendarstellungssystem für ein Navigationsgerät. Das System zur Straßendarstellung kann Führungsinformationen in Bezug auf eine zuvor festgelegte Strecke ausgeben. Das System weist ein Display zum Darstellen von Straßen und Kreuzungen auf, die mit einer vorgegebenen Route verbunden sind.

Das Klagepatent erwähnt weiter die Druckschrift US-A-4,737,927 über ein Kartendisplaygerät. Eine Displayauswahleinrichtung ermöglicht die Auswahl eines gewünschten darzustellenden Displaybereichs vom Gesamtbereich der Straßenkarte.

Schließlich zitiert das Klagepatent die Anmeldung DE A 41 18 606. Darin ist ein System mit einer Displayeinheit zum Darstellen von Straßeninformationen beschrieben. Diese Straßeninformationen können ausgehend von der Ist-Position und/oder auf der Basis mehrerer Straßeninformationen dargestellt werden.

Vor diesem technischen Hintergrund benennt das Klagepatent die Aufgabe, ein Navigationssystem bereitzustellen, das nach dem Routensuchvorgang auf bestimmte Informationen von einem Routeninformationsbildschirmfenster zugreifen kann, wie etwa die Verzweigungspunkte einer Route.

Als Lösung schlägt das Klagepatent in seinem Anspruch 1 ein Navigationsgerät mit folgenden Merkmalen vor:

Navigationssystem zum Leiten eines Fahrzeugs entlang einer vorgegebenen Route, die Straßen einschließt, zu einem Ziel, mit:

1. einer Speichereinrichtung (3) zum Speichern von Kartendaten und mindestens Straßennamen;

2. einer Displayeinrichtung (12);

3. einer Eingabeeinrichtung (11), die die Eingabe eines Ziels ermöglicht;

4. einer Ist-Positionsdetektoreinrichtung (2);

5. einer Routensucheinrichtung (4) zum Suchen von Routeninformationen, die eine Route von der erfassten Ist-Position zum eingegebenen Ziel anzeigen, durch Zugriff auf die in der Speichereinrichtung (3) gespeicherten Daten;

6. einer Routenspeichereinrichtung (4) zum Speichern der durch die Routensucheinrichtung bestimmten Routeninformationen;

7. einer Steuereinrichtung (4), die dazu geeignet ist, in Antwort auf die in der Routenspeichereinrichtung gespeicherten Routeninformationen mindestens einen Straßennamen zu suchen;

8. einer ersten Visualisierungseinrichtung (4), die dazu geeignet ist, Verzweigungspunkte auf der Fahrtroute und die Namen der Straßen zwischen den Verzweigungspunkten auf der Displayeinrichtung darzustellen;

9. einer Displaysteuereinrichtung (4) zum Steuern der Displayeinrichtung (12)

9.1 zum selektiven Darstellen eines Fahrtroutenbildschirmfensters, das eine Fahrtroute von der Ist-Position des Fahrzeugs zu einem Ziel darstellt, oder eines Routeninformationsbildschirmfensters (7), das die Verzweigungspunkte auf der Fahrtroute und die Namen von Straßen zwischen den Verzweigungspunkten zu dem Ziel darstellt, die durch die Steuereinrichtung (4) gesucht wurden,

9.2. wobei die beiden verschiedenen Bildschirmfenster in Antwort auf manuelle Eingaben durch Benutzer aktiviert werden.

II.

Die angegriffene Ausführungsform macht wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch. Die nachfolgenden Ausführungen gelten für sämtliche oben näher bezeichneten Modelle der Beklagten, deren Funktionsweise sich in den hier maßgeblichen Punkten unstreitig nicht unterscheidet.

1)

Zwischen den Parteien ist es mit Recht unstreitig, dass die angegriffenen Ausführungsformen die Merkmale 1 - 7, 9 sowie 9.2 wortsinngemäß verwirklichen, weshalb hierzu weitere Ausführungen der Kammer entbehrlich sind. Darüber hinaus macht die angegriffene Ausführungsform auch von der technischen Lehre der übrigen Merkmale des Anspruchs 1 des Klagepatents Gebrauch.

2)

Die angegriffene Ausführungsform zeigt dem Nutzer "Verzweigungspunkte auf der Fahrtroute" im Sinne der Merkmale 8 und 9.1 des Anspruchs 1 des Klagepatents an. Das Merkmal 8 verlangt, dass das Navigationssystem eine erste Visualisierungseinrichtung aufweist, die dazu geeignet ist, Verzweigungspunkte auf der Fahrtroute darzustellen und die Namen der Straßen zwischen den Verzweigungspunkten auf der Displayeinrichtung darzustellen. Das Merkmal 9.1 setzt unter anderem voraus, dass in einem Routeninformationsbildschirmfenster die Verzweigungspunkte auf der Fahrtroute und die Namen von Straßen zwischen den Verzweigungspunkten zu dem Ziel dargestellt werden.

Hinsichtlich der Darstellung der Verzweigungspunkte geht es dem Klagepatent nicht bloß darum, dem Fahrer bestimmte geographische Punkte, die zu mehreren Straßen in Beziehung stehen, anzuzeigen. Vielmehr dienen die Verzweigungspunkte dazu, wesentliche Positionen auf der Fahrtroute anzugeben, an denen der Fahrer auf seiner Fahrtroute abzubiegen hat.

a)

Der Beklagten ist zwar insoweit zu folgen, als dass der Begriff "Verzweigung" im allgemeinen Sprachgebrauch das Aufteilen einer linearen Struktur in eine Mehrzahl linearer Strukturen meint und dieses allgemeine Verständnis auch dem Klagepatent zugrunde liegt. Allerdings legt der insoweit betroffene Wortlaut des Anspruchs 1 ("Verzweigungspunkte auf der Fahrtroute") dem Fachmann das Verständnis nahe, dass es sich um Punkte auf der vom Fahrer zurückzulegenden Fahrtstrecke von der erfassten Ist-Position zum angegebenen Ziel (vgl. Merkmal 5) handelt, an denen dieser eine Maßnahme (insbesondere ein Abbiegen) zwecks Einhaltung der zu fahrenden Route vorzunehmen hat, weil die Route sich dort "verzweigt".

b)

Dieses am - in erster Linie für die Auslegung maßgeblichen Anspruchswortlaut - orientierte Verständnis des Merkmalsbestandteils "Verzweigungspunkte auf der Fahrtroute" wird durch den Beschreibungstext des Klagepatents bestätigt. Der Fachmann entnimmt diesem, dass auf der Route nicht etwa jede Verzweigung einer befahrenen Straße angezeigt wird, sondern nur solche, für deren Einhalten am Verzweigungspunkt ein Abbiegevorgang erforderlich ist. Dafür spricht, dass das Klagepatent unter Verzweigungspunktdaten unter anderem Zufahrts- und Abfahrtsstraßen auf der Route versteht (vgl. deutsche Übersetzung gem. KII/2, S. 13, 1. Absatz). Darin kommt zum Ausdruck, dass es dem Klagepatent im Zusammenhang mit der Darstellung der Verzweigungspunkte um die Angabe der für die Navigation wesentlichen Positionen auf der Fahrtroute geht.

c)

Unter Beachtung der vorstehenden allgemeinen Ausführungen zur Auslegung der einleitend unter 1) wiedergegebenen strittigen Passagen der Merkmale 8 und 9.1 zeigen die angegriffenen Ausführungsformen dem Benutzer "Verzweigungspunkte auf der Fahrtroute" im Sinne des Klagepatents.

Unstreitig entstammt der nachfolgend eingeblendete Screenshot (Anlage KII/ 6) einem Bildschirmfenster der angegriffenen Ausführungsform "TomTom One Europe". Dieser weist quadratische, blaue Felder auf, welche Pfeile zwecks einer Richtungsangabe enthalten. Dadurch werden in Form graphischer Symbole mit Richtungsanweisungen Verzweigungspunkte auf der Fahrtroute dargestellt und auf diese Weise dem Benutzer wesentliche Positionen auf der Fahrtroute angezeigt, an denen er einen Abbiegevorgang vorzunehmen hat.

Dieser Wertung stehen die nachfolgend unter aa) - dd) abgehandelten Einwände der Beklagten nicht entgegen.

aa)

Es steht einer Verwirklichung der Merkmale 8 und 9.1 nicht entgegen, dass die visuelle Darstellung der Verzweigungspunkte zusätzlich Navigationsanweisungen an den Fahrer enthält. Solches sieht die Beschreibung des Klagepatents nämlich im bevorzugten Ausführungsbeispiel gemäß seiner nachfolgend eingeblendeten Figur 9 ausdrücklich vor:

Der Fachmann erkennt in diesem Zusammenhang, dass der in der Figur 9 namentlich benannte Verzweigungspunkt "Toyota-Cho" die Richtungsanweisung "LEFT" enthält. Hinsichtlich der Abzweigung "Toyota-Cho South" ist die Richtungsangabe "RIGHT" zwar nicht in der Figur 9 selbst enthalten, jedoch zeigt der zugehörige Beschreibungstext unmissverständlich, dass diese Auslassung in der Zeichnung auf einem Versehen beruht (vgl. Anlage KII/2, S. 16, 2. Absatz).

bb)

Ein Verzweigungspunkt kann nach der Lehre des Klagepatents auch allein durch ein graphisches Symbol ohne weitere Informationen als jene, dass die Route an diesem Punkt verzweigt, dargestellt werden.

aaa)

Dies wird unter anderem anhand der nachfolgend eingeblendeten Figur 6 des Klagepatents deutlich:

In der Figur 6 werden die Verzweigungspunkte - wie auch in der Figur 7 (b), vgl. dort Bezugsziffer 72 - auf der linken Seite mittels Kreisen visualisiert. Dabei werden in der Figur 6 Verzweigungspunkte auf der Route teilweise auch noch namentlich benannt; dabei handelt es sich allerdings nur um zusätzliche Informationen, die über die eigentliche Funktion der Verzweigungspunkte - nämlich die Ankündigung eines erforderlichen Abbiegevorgangs zwecks Wahrung der Route - hinausgehen. Wie nämlich insbesondere die Figur 21 des Klagepatents zeigt, lässt dessen technische Lehre es auch zu, dass die Verzweigungspunkte ausschließlich mittels eines graphischen Symbols dargestellt werden:

FIGUR 21

bbb)

Dass die angegriffene Ausführungsform dem Fahrer ein Wendemanöver (sog. U-turn) ebenfalls mittels einer entsprechenden Pfeilangabe in einem blauen Quadrat - siehe die nachfolgend eingeblendete Abbildung - anzeigt, berechtigt nicht zu der Annahme, dass die blauen Quadrate von ihrer Grundfunktion her nicht der Angabe von Verzweigungspunkten im Sinne des Klagepatentes dienten, sondern reine Abbiegeanweisungen seien.

Bild Blatt 74

Im Hinblick darauf, dass von Verzweigungspunkten "auf der Fahrtroute" die Rede ist, spricht einiges dafür, dass das Klagepatent auch den Punkt auf der Fahrtroute, an welchem der Fahrer ein Wendemanöver durchführen soll, als Verzweigungspunkt ansieht. Denn es erscheint zumindest denkbar, ein Wendemanöver als einen zur Einhaltung der Route durchzuführenden Abbiegevorgang aufzufassen, bei dem der Abbiegevorgang eben in Form einer 180(-Drehung zu erfolgen hat.

Es bedarf im Ergebnis keiner abschließenden Entscheidung der Kammer zu dieser Frage. Denn selbst wenn man sich der gegenteiligen Auslegung der Beklagten anschlösse, wonach als Verzweigungspunkte nur als zu zwei Straßen in Bezug stehende geographische Punkte in Form von Kreuzungen, Einmündungen etc. anzusehen seien, würde der Umstand, dass die angegriffene Ausführungsform auch ein Wendemanöver im Routeninformationsbildschirmfenster mittels eines entsprechenden Pfeils in einem blauen Quadrat kennzeichnet, die Annahme einer wortsinngemäßen Verletzung nicht hindern. Anerkanntermaßen steht es einer Patentverletzung nämlich nicht entgegen, wenn eine angegriffene Ausführungsform gegenüber der patentgemäßen Lösung einen zusätzlichen Vorteil aufweist (vgl. BGH, GRUR 1962, 354 [356] - Furniergitter; BGH, GRUR 1955, 573 [574] - Kabelschelle). Einen derartigen rein zusätzlichen Vorteil weisen die streitgegenständlichen angegriffenen Ausführungsformen jedoch auf, indem sie dem Fahrer auch ein notwendiges Wendemanöver in oben beschriebener Form anzeigen. Eine Patentverletzung ist bereits immer dann zu bejahen, wenn die Merkmale des Patentanspruchs verwirklicht sind und die angegriffene Ausführungsform objektiv geeignet ist, die patentgemäßen Eigenschaften und Wirkungen zu erreichen (BGH GRUR 2006, 399 - Rangierkatze). Die Anzeige auch eines U-turns wie anhand des oben eingeblendeten Bildes wäre bei Zugrundelegung der Auslegung der Beklagten eine gegenüber den Erfordernissen des Klagepatents zusätzliche Maßnahme, die der Bewertung als Verletzung des Klagepatents nicht entgegenstünde. Insbesondere wäre es unerheblich, dass die Beklagte den blauen Quadraten als "technischfunktionale Aufgabe" eine reine Abbiegeanweisung zuweist, weil es auf subjektive Vorstellungen des Patentverletzers nicht ankommt (vgl. BGH, GRUR 2006, 399 [401 - Rangierkatze]. Die Beklagte hat es auch nicht plausibel dargetan, welche andere objektive Funktion den Pfeilangaben zugemessen sei - die in ihnen enthaltenen Verhaltensanweisungen an den Fahrer hängen insbesondere auch von den auf der Route befindlichen Punkten ab, an denen der Fahrer einen Abbiegevorgang auslösen muss.

cc)

Soweit die Beklagte meint, eine Liste mit Straßennamen und Navigationskommandos sei keine graphische Darstellung von "Verzweigungspunkten auf der Fahrtroute" im Sinne des Klagepatents, ist darauf zu verweisen, dass der auf den Anspruch 1 rückbezogene Unteranspruch 2 gerade eine Steuereinrichtung vorsieht, welche die gesuchten Straßennamen und Verzweigungspunktnamen auflistet und die Visualisierungseinrichtung die Liste der Straßennamen und der Verzweigungspunktnamen als ein Routeninformationsbildschirmfenster visuell anzeigt.

dd)

Vergeblich versucht die Beklagte, aus der - bereits oben im Tatbestand abgebildeten - Figur 3b des Klagepatents allgemeinverbindlich herzuleiten, dass unter Verzweigungspunkten im Sinne des Klagepatents nur konkrete geographische Punkte zu verstehen seien. Denn dabei verkennt sie, dass es sich insoweit um ein reines Ausführungsbeispiel handelt (vgl. deutsche Übersetzung, Anlage K II/2, S. 5 unten). Insofern erlaubt die Figur 3b nicht den Schluss, Verzweigungspunkte im Sinne des Klagepatents könnten ausschließlich nur bei einer Straßenkreuzung oder einer Straßenabzweigung liegen.

3)

Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht das Merkmal 9.1 auch insoweit, als dieses die "Darstellung der Namen von Straßen zwischen den Verzweigungspunkten" voraussetzt.

Es bedarf keiner Entscheidung der Kammer darüber, ob die offizielle deutsche Übersetzung einen Fehler aufweist, weil es - so die Auffassung der Beklagten - im Hinblick auf den englischen Merkmalswortlaut "a route information screen (7) displaying branching points on said running route and the names of the roads between said branching points to the destination searched by said control means (4)" in deutscher Sprache - anders als in der offiziellen Übersetzung in Anlage K II/2 - heißen müsste "eines Routeninformationsbildschirmfensters (7), das die Verzweigungspunkte auf der Fahrtroute und die Namen der Straßen zwischen den Verzweigungspunkten zu dem Ziel darstellt, die durch die Steuereinrichtung (4) gesucht werden".

Selbst wenn der Beklagten in diesem Punkt Recht zu geben wäre, läge eine wortsinngemäße Verletzung durch die angegriffene Ausführungsform vor. Denn auch dann dürfte man den Anspruchswortlaut nicht etwa dahingehend missverstehen, dass dieser zwingend die Darstellung aller Namen aller Straßen zwischen zwei Verzweigungspunkten auf dem Routeninformationsbildschirmfenster verlange.

a)

In diesem Zusammenhang ist zunächst festzuhalten, dass der Plural "the names of the roads" ("die Namen der Straßen") auf die Straßennamen zwischen zwei Verzweigungspunkten bezogen ist. Der Anspruchswortlaut geht offenkundig von einer bei der Straßennavigation üblichen Vielzahl von Verzweigungspunkten auf einer Fahrtroute aus. Insofern bezieht sich der Plural auf eine Vielzahl von Straßennamen zwischen einer Vielzahl von Verzweigungspunkten auf einer zu fahrenden Route. Bereits vor diesem Hintergrund vermag es nicht zu überzeugen, das Merkmal 9.1 so zu verstehen, dass alle Straßennamen zwischen zwei Verzeigungspunkten auf dem Routeninformationsbildschirmfenster angegeben werden müssten. Schließlich gilt es auch zu beachten, dass die gem. Art. 70 Abs. 1 EPÜ maßgebliche englischsprachige Originalfassung nicht etwa "all names of the roads" ("alle Namen der Straßen") lautet.

b)

Maßgeblich gegen die Auslegung der Beklagten spricht zudem, dass der Merkmalsteil "die Namen der Straßen" in einem systematischen Zusammenhang mit dem Merkmal 5 gesehen werden muss. Anhand dessen erkennt der Fachmann, dass es dem Klagepatent darum geht, die Namen derjenigen Straßen zwischen zwei Verzweigungspunkten darzustellen, "die durch die Steuereinrichtung gesucht wurden". Die Darstellung der Straßennamen zwischen den Verzweigungspunkten steht insoweit derart in Abhängigkeit zur Suche durch die Steuereinrichtung, als dass letztere entweder alle Namen von Straßen oder - vgl. etwa Figur 21 - nur einzelne Straßennamen angibt.

c)

Diese am Anspruchswortlaut orientierte Merkmalsauslegung findet ihre Bestätigung in der Beschreibung bevorzugter Ausführungsbeispiele des Klagepatents. Mehrfach verzichtet das Klagepatent nämlich auf die Darstellung genauer Benennungen der Straßen in Form von "Eigennamen" und zeigt stattdessen ein Straßenmerkmal an. Dies geschieht beispielsweise in Figuren 11, 18 und 22 mittels der Bezeichnung als "Landstraße". Ähnlich dazu heißt es in der Beschreibung des Klagepatents bezüglich Figur 20 (siehe deutsche Übersetzung gem. Anlage KII/2, S. 20, 3. Absatz bis S. 21, 1. Absatz), dass die Straßennamen nur hinsichtlich bestimmter Straßenkategorien angezeigt werden und im Übrigen nur Straßenmerkmale (Landstraße etc.) dargestellt werden. In der Figur 24 wird sogar überhaupt von einer Information zu einzelnen Straßen (Verbindungen) zwischen Verzweigungspunkten abgesehen, also weder der Straßenname noch ein etwaiges Straßenmerkmal dargestellt; gleiches gilt hinsichtlich des Beschreibungstextes auf S. 15, letzter Absatz der deutschen Übersetzung des Klagepatents (Anlage KII/2). Vor diesem Hintergrund ist die These, das Merkmal 9.1 schreibe die Darstellung sämtlicher Straßennamen zwischen den Verzweigungspunkten vor, nicht haltbar.

d)

Unstreitig zeigt die angegriffene Ausführungsform auf dem Display stets mindestens den ersten Straßenamen nach einem Verzweigungspunkt an. Dabei handelt es sich um diejenigen Straßennamen, die von der Steuereinrichtung der angegriffenen Ausführungsform zuvor gesucht wurden, so dass die gesuchten Namen der Straßen zwischen den Verzweigungspunkten auf dem Routeninformationsbildschirmfenster angezeigt werden und damit entsprechend den vorhergehenden Erläuterungen eine wortsinngemäße Verwirklichung zu bejahen ist.

Insbesondere kann die Beklagte dem Vorwurf der wortsinngemäßen Verletzung des Klagepatents nicht mit dem Argument entgehen, dass die angegriffenen Ausführungsformen nur den ersten von zwei Straßennamen angeben, wenn eine Straße ihren Namen im weiteren Verlauf ändert, die Einhaltung der Route jedoch kein Abbiegen etc. an einem dazwischen liegenden Kreuzungspunkt erfordert, wie etwa im nachfolgend eingeblendeten Beispielsfall:

Der Fachmann wird bei der Auslegung des Merkmalsbestandteils "die Namen der Straßen" den Gegenstand des Klagepatents berücksichtigen, der ein Navigationssystem zum Führen und Leiten eines Fahrzeugs über eine vorgegebene Route betrifft (siehe nur Anlage KII/2, S. 2, Zeilen 1 ff.). In Abgrenzung zum Stand der Technik will das Klagepatent ein Routeninformationsbildschirmfenster zur Verfügung stellen, welches einer verbesserten Navigation auf der berechneten Route dient. Daher liegt seine technische Funktion nicht etwa darin, Informationen von lediglich allgemeiner Art zur Verfügung zu stellen. Vielmehr geht es darum, dem Fahrer solche Informationen zu übermitteln, die gerade in Bezug auf die Navigation wesentlich sind. Es interessieren nur diejenigen Straßennamen, deren Kenntnis für die Routeneinhaltung unmittelbar erforderlich ist. In diesem Zusammenhang ist weiter zu beachten, dass das Klagepatent den Begriff "road" im Sinne einer Verbindung zweier Verzweigungspunkte verwendet, ohne dass diese Verbindung zwingend mittels eines bestimmten Straßennamens angegeben werden müsste. Letzteres ergibt sich anhand des Umstandes, dass der Begriff "Straßenname" nicht etwa ausschließlich die Verwendung von Eigennamen erfordert, sondern auch Bezeichnungen wie "prefectural road 491" ("Landstrasse 491") zulässt (vgl. etwa Figuren 5 und 21 des Klagepatents).

Es leuchtet dem Fachmann mit Rücksicht darauf ohne weiteres ein, dass der zweite Name derselben Straße eine für die erfolgreiche Navigation unbedeutende Information beinhaltet und deswegen bereits allein die Angabe des ersten Straßenamens im Routeninformationsbildschirmfenster eine Darstellung des Straßenamens zwischen den Verzweigungspunkten im Sinne des Klagepatents darstellt. Soweit die Beklagte dagegen einwendet, bei mit Straßennamen arbeitenden Navigationssystemen bestehe hier die Gefahr, dass der Fahrer den Übergang in einer andere Straße übersehe, vermag dies allenfalls die Annahme einer sog. verschlechterten Ausführungsform zu begründen, nicht jedoch aus der wortsinngemäßen Verletzung des Klagepatents herauszuführen.

e)

Auch das erstmals im Haupttermin erfolgte Vorbringen der Beklagten, wonach im Falle einer Route mit abknickender Vorfahrtsstraße bei geradeaus verlaufender Nebenstraße die angegriffene Ausführungsform keinen Richtungswechsel unter Angabe des Namens der Vorfahrtsstraße in deren weiterem Verlauf anzeige, steht der hier vertretenen Wertung nicht entgegen. Aus diesem - streitigen - Umstand kann insbesondere nicht hergeleitet werden, die Pfeilsymbole seien von den Verzweigungspunkten im Sinne des Klagepatents "entkoppelt". Da der Fahrer in einem solchen Falle auf der vorgegebenen Route verbleibt, insbesondere die befahrende Straße nicht wechseln muss, ist die Angabe des sich ändernden Namens der - wenn auch abknickenden - Vorfahrtsstraße nicht erforderlich.

IV.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch gemäß Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG. Mit der Herstellung und dem Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform hat die Beklagten das Klagepatent in zumindest fahrlässiger Weise verletzt, so dass sie gemäß Art. 64 EPÜ,

§ 139 Abs. 2 PatG im aus dem Tenor näher ersichtlichen Umfang zum Schadenersatz verpflichtet ist. Da die konkrete Schadenshöhe derzeit noch nicht feststeht, ist ein berechtigtes Interesse der Klägerin daran anzuerkennen, die Schadenersatzverpflichtung der Beklagten zunächst dem Grunde nach feststellen zu lassen (§ 256 ZPO). Die Beklagte hat im zuerkannten Umfang über ihre Verletzungshandlungen Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140b PatG, §§ 242, 259 BGB). Der Beklagten als Wettbewerberin der Klägerin war allerdings der aus dem Urteilstenor näher ersichtliche Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen (vgl. OLG Düsseldorf, InstGE 3, 176 - Glasscheibenbefestiger).

V.

Dem hilfsweise erfolgten Antrag der Beklagten auf Aussetzung des Verletzungsrechtsstreits gem. § 148 ZPO im Hinblick auf die Nichtigkeitsklage vom 14.11.2007 (Anlage B II/2) war nicht stattzugeben.

Die Entscheidung über die Aussetzung steht im Ermessen des Verletzungsgerichtes, wobei dieses summarisch anhand des ihm vorgelegten Sachverhaltes die Erfolgsaussichten der Nichtigkeitsklage überprüft. Die Prognose, ob sich das Klageschutzrecht im anhängigen Nichtigkeitsverfahren als rechtsbeständig erweisen wird, kann notwendigerweise nur vor dem Hintergrund des Sach- und Streitstandes in eben diesem Verfahren angestellt werden.

Aufgrund der Tatsache, dass die Aussetzung für die Klägerin wegen der langen Verfahrensdauer von Nichtigkeitsklagen einen erheblichen Einschnitt in ihre Rechte, vor allem den zeitlich begrenzten Unterlassungsanspruch bedeutet und außerdem ein Missbrauch vermieden werden soll, kommt eine Aussetzung in der Regel nach der derzeit gültigen Rechtsprechung in der 1. Instanz nur dann in Betracht, wenn es in hohem Maße wahrscheinlich erscheint, dass das Klagepatent aufgrund des Einspruchs oder der Nichtigkeitsklage vernichtet werden wird (vgl. BGH, GRUR 1987, 284 - Transportfahrzeug).

Diese Voraussetzungen liegen hier unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vor.

1)

Der Anspruch 1 des Klagepatents enthält keine unzulässige Erweiterung gegenüber der ursprünglich eingereichten Fassung des Klagepatents (Anlage NK6), welche ein Merkmal enthielt, wonach eine Datenbank (Speichereinrichtung) zum Speichern von Straßennamen und Verzweigungspunktnamen vorhanden ist, und das "erste Bildmittel" (nunmehr Visualisierungseinrichtung) zum Anzeigen eines Routen- Informationsbildschirms vorhanden ist, das zumindest die Straßennamen und die Verzweigungspunktnamen auflistet. Außerdem war ursprünglich in Anspruch 1 angegeben, dass Steuermittel (nunmehr Steuereinrichtung) vorgesehen sein sollten, um die Anzeige des Informationsbildschirms durch Auflisten zumindest der Straßennamen und der Verzweigungspunktenamen zu steuern.

Soweit die erteilte Fassung von Anspruch 1 des Klagepatents das Merkmal, wonach auf dem Routeninformationsbildschirmfenster außer den Straßennamen auch Verzweigungspunktnamen dargestellt werden müssen, nicht mehr enthält, und das Merkmal 9.2 des Klagepatents insoweit lediglich das voraussetzt, dass Routeninformationsbildschirmfenster die Verzweigungspunkte auf der Fahrtroute und die Straßennamen zwischen den Verzweigungspunkten zum Ziele darstellt, begründet dies keine unzulässige Erweiterung, weil damit kein erfindungswesentlicher Umstand weggefallen ist (vgl. dazu Benkard/Schäfers, PatG, 10. Auflage, § 38 Rn 36 a.E.). Auch die ursprüngliche Anmeldung enthielt nämlich - siehe vor allem Fig. 21 und auch Fig. 24 - Ausführungsformen, die dem Fachmann zeigten, dass die Angabe der Verzweigungspunktnamen nicht zwingend war. Die Verwendung von Verzweigungspunktnamen war auch nicht (konkludent) Gegenstand der Aufgabe in der Fassung der ursprünglichen Anmeldung. Es kann auch nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass in Fig. 21 allein aus darstellerischen Gründen auf die Angabe der Namen der Verzweigungspunkte verzichtet worden sei.

2)

Auch dem Neuheitseinwand der Beklagten kann keine überwiegende Erfolgsaussicht attestiert werden. Zwar dürfte der Beklagten noch insoweit zu folgen sein, als dass der Fachmann die - auch gemeinsam abgedruckten - Veröffentlichungen Anlagen K7 A-C auch hinsichtlich der Frage der Neuheit als zusammenhängende Offenbarung betrachten wird, da sie sich mit demselben TravTek-Navigationssystem befassen und die 7A auf die Entgegenhaltungen 7B und 7C verweist (vgl. Benkard/Melullis, § 3 Rn 20).

Jedoch kann nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass die Anlagen 7A, 7B und 7C insbesondere auch die Merkmale 8 und 9.1 in neuheitsschädlicher Weise neuheitsschädlich offenbarten.

Die Figur 11 der Anlage 7A, auf welche die Beklagte bezüglich der Vorwegnahme des Merkmals 8 verweist, zeigt ein Display mit lediglich einem Verzweigungspunkt auf, während das Klagepatent mindestens deren zwei verlangt. Letzteres ergibt sich jedenfalls daraus, dass nach dem Klagepatent ein Straßenname zwischen Verzweigungspunkten auf der Displayeinrichtung darstellbar sein muss.

Das Merkmal 9.1 ist darüber hinaus deshalb nicht vorweggenommen, weil für dessen Verwirklichung die Anzeige mehrerer Verzweigungspunkte bloß hintereinander auf jeweils nachfolgenden Bildschirmfenstern nicht genügt. Es bedarf vielmehr der simultanen Anzeige mehrerer Verzweigungspunkte, was auch der technische Sinngehalt des Begriffs "Routeninformationsbildschirmfenster" nahe legt. Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt diesem Begriff auch eine quantitative Bedeutung zu.

Soweit die Beklagte - unter Hinweis auf S. 6 der Anlage BII/5 - darauf verweist, Merkmal 8 setze nur die grundsätzliche Eignung der ersten Visualisierungseinrichtung zur Darstellung mehrerer Verzweigungspunkte voraus, gilt diese Einschränkung bereits dem Wortlaut nach jedenfalls nicht für die Displaysteuereinrichtung der Merkmalsgruppe 9.

3)

Auch für eine mangelnde erfinderische Tätigkeit sieht die Kammer keine überwiegenden Anhaltspunkte.

a)

Soweit die Beklagte unter Hinweis auf die Entscheidung "Fahrzeugleitsystem" (BGH, GRUR 2004, 407, 410) meint, die Darstellung in Listenform sei ein nichttechnisches Merkmal (Art. 52 Abs. 2 d) EPÜ) und könne schon deshalb nicht die Erfindungshöhe gegenüber der Figur 11 der Anlage K 7A begründen, ist diese Auffassung nicht zwingend. Wie der Entgegenhaltung gemäß Anlage K 7A (vgl. S. 750, rechte Sp., 2. Abs., 1./2. Satz) selbst entnommen werden kann, unterliegt ein Navigationssystem generell dem Problem, aus einer Vielfalt an Informationen in vorausschauender Weise - d.h.: ohne Kenntnis der konkret zu navigierenden Route oder konkreten Fahrsituation - eine sinnvolle Auswahl durch das Navigationssystem zu treffen. Es lässt sich unter Berücksichtigung dessen ebenso vertreten, dass die patentgemäße Auswahl von Verzweigungspunkten sowie die Anzeige von Verzweigungspunkten und der Namen von Straßen zwischen Verzweigungspunkten nicht einer bloßen Ausgabe einer vollständigen Straßenliste gleichzusetzen ist und keine reine Implementierungstätigkeit voraussetzt.

b)

Auch unter Rückgriff auf die weiteren Entgegenhaltungen NK 8 bis NK 11 besteht kein Anlass zur Annahme einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für eine mangelnde erfinderische Tätigkeit.

Die Entgegenhaltung NK8, NK9 und NK11 beziehen sich jeweils auf einfache Listen von Straßennamen. Die Seite 2, Sp. 15 - 19 der NK8 legt jedenfalls keine Auswahl oder Ausgabe von Verzweigungspunkten nahe; eine solche Auswahl liegt dem Klagepatent entgegen der Ansicht der Beklagten insoweit zugrunde, als laut Merkmal 9.2 die dargestellten Verzweigungspunkte durch die Steuereinrichtung gesucht werden. Auch die Entgegenhaltung NK9, die im Übrigen eine nicht in einem Fahrzeug zu installierende Vorrichtung betrifft - offenbart keine Ausgabe von Verzweigungspunkten, so dass der Anlass für den Fachmann, mittels dieser die Vorrichtung gem. den Vorveröffentlichungen NK 7A bis 7C zu modifizieren, zweifelhaft ist.

Schließlich gibt auch die Vorrichtung gemäß Entgegenhaltung NK 11 nur Listen aus, ohne dass zuvor wesentliche Punkte auf der Fahrtroute gesucht wurden.

VI.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 709, 108 ZPO.

Die Höhe der von der Klägerin zu erbringenden Sicherheitsleistung war - abweichend von dem in der Entscheidung OLG Düsseldorf, NJOZ 2007, 451, 455 - Sicherheitsleistung/Kaffeepads ausgeführten Grundsatz der Kongruenz zwischen Streitwert und Vollstreckungsschaden - vorliegend deshalb deutlich höher als der zugrunde gelegte Streitwert zu bemessen, da das von der Klägerin mit der Klage verfolgte Interesse deutlich niedriger liegt als der der Beklagten drohende Vollstreckungsschaden im Falle einer Abänderung dieses Urteils. Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass sie im Jahre 2006 allein mit den Modellen "TomTom One" einen Umsatz in Höhe von 160.000.000 EUR erzielte. Vor diesem Hintergrund ist unter der Prognose, dass mit einer Entscheidung des Rechtsstreits in zweiter Instanz nicht vor Ablauf von ... Jahren zu rechnen sein dürfte, ...

... anpassen an zusprechendes Urteil im Parallelverfahren...

Vollstreckungsschutz nach § 712 ZPO war der Beklagten nicht zu gewähren, da sie die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen weder dargetan noch glaubhaft gemacht hat.

Voß Lambrecht Rinken






LG Düsseldorf:
Urteil v. 29.05.2008
Az: 4b O 188/07


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