Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Oktober 2010
Aktenzeichen: 9 W (pat) 346/06

(BPatG: Beschluss v. 18.10.2010, Az.: 9 W (pat) 346/06)

Tenor

Das Patent wird aufrechterhalten.

Gründe

I.

Gegen das am 25. Oktober 2003 angemeldete und am 17. November 2005 veröffentlichte Patent mit der Bezeichnung

"Bogendruckmaschine und Verfahren zum Betreiben einer Bogendruckmaschine"

ist von der m... AG am 17. Februar 2006 schriftlich mit Begründung Einspruch erhoben worden.

Die Einsprechende meint, die Gegenstände der nebengeordneten Patentansprüche 1, 2 und 8 in der erteilten Fassung seien gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig. Die rückbezogenen Patentansprüche 3 bis 7 und 9 bis 11 enthielten ebenfalls keine patentbegründenden Merkmale.

Zum Stand der Technik verweist sie auf folgende Druckschriften: Nach Ablauf der Einspruchsfrist reicht sie mit Schriftsatz vom 24. September 2010 als weiteren Stand der Technik einen Auszug aus dem Fachbuch "OFFSETDRUCK-Maschinen Verfahrenstechniken Produktionsmittel", Polygraph-Verlag 1991, Seiten 96 und 101 von W. Walenski ein (nachfolgend bezeichnet mit "Offsetdruck").

-DE 24 30 212 A1 -EP 1 190 855 A1

(mit Familien-Dokument US 4 210 078) -EP 0 884 182 A1

-EP 1 323 529 A1 -DE 33 14 465 A1

-DE 30 15 103 A1 -DE 203 13 341 U1

-DE 198 19 491 C1 -DE 197 44 999 A1

-DE 203 03 574 U1 -DE 198 19 490 C1

-EP 0 707 556 B1 -US-PS 26 999.

-GB 2 258 039 A Im Prüfungsverfahren war folgender Stand der Technik in Betracht gezogen worden:

-DE 195 16 352 A1 -DE-OS 1 561 103 -DE 690 07 339 T2.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent aufrecht zu erhalten.

Sie hält die Gegenstände der nebengeordneten Patentansprüche 1, 2 und 8 für patentfähig.

Die Patentansprüche 1, 2 und 8 lauten:

"1. Bogendruckmaschine, umfassend -einen Ausleger (6) mit einem Stapelraum (2), in dem als Folge ankommende Bogen abgelegt werden,

-einen horizontal in den Stapelraum (2) zur vorübergehenden Aufnahme von bedruckten Bogen verlagerbaren Hilfsstapelträger (7),

-einen auf den Hilfsstapelträger (7) einwirkenden, mit einer Steuereinrichtung verbundenen Antrieb,

-mit einer Sensoreinrichtung (1.1, 1.2), die von dem Druckbild eines jeden Bogens Istparameter erfasst und entsprechende Signale erzeugt, die durch Vergleich mit abgespeicherten Sollparametern von der Steuereinrichtung verarbeitbar sind, wobei -die Steuereinrichtung den Antrieb derart steuert, dass dieser den Hilfsstapelträger (7) vor Ablage des ersten Bogens nach dem Anlaufen oder Wiederanlaufen der Druckmaschine, dessen Istparameter den Sollparametern entsprechen, zur Aufnahme der nachfolgenden Bogen in den Stapelraum (2) verlagert."

"2. Bogendruckmaschine umfassend -einen Anleger (3) und einen Ausleger (6) mit einem Stapelraum (2), in dem als Folge ankommende Bogen abgelegt werden,

-einen horizontal in den Stapelraum (2) zur vorübergehenden Aufnahme von Bogen verlagerbaren Hilfsstapelträger (7),

-einen auf den Hilfsstapelträger (7) einwirkenden, mit einer Steuereinrichtung verbundenen Antrieb, eine Sensoreinrichtung (1.1, 1.2)

wobei -die Sensoreinrichtung (1.1, 1.2) auf jedem Bogen die Anwesenheit einer den Bogen kennzeichnenden Markierung erfasst und entsprechende Signale erzeugt, die von der Steuereinrichtung verarbeitbar sind, die den Antrieb derart steuert, dass dieser den Hilfsstapelträger (7) nach der Ablage eines mit der Markierung versehenen Bogens zur Aufnahme der nachfolgenden Bogen in den Stapelraum (2) verlagert."

"8. Verfahren zum Betreiben einer Bogendruckmaschine mit einem Anleger (3) zum Vereinzeln der zu bedruckenden Bogen und einem Ausleger (6), in dessen Stapelraum (2) als Folge ankommende Bogen abgelegt werden und in den ein Hilfsstapelträger (7) zur vorübergehenden Aufnahme von Bogen mit einem Antrieb verlagerbar ist, der mit einer Steuereinrichtung in Verbindung steht, die Signale einer Sensoreinrichtung (1.1, 1.2) verarbeitet, wobei -auf die zu bedruckenden Bogen im Anleger (3) unter Zwischenfügen eines mit einer Markierung versehenen Bogens mehrere Makulaturbogen aufgelegt werden,

-während des Verarbeitungsvorganges von der Sensoreinrichtung (1.1, 1.2) auf jedem Bogen die Anwesenheit einer Markierung detektiert wird,

-bei Anwesenheit einer Markierung auf einem Bogen der Hilfsstapelträger (7) in den Stapelraum (2) verlagert wird, nachdem der mit der Markierung versehene Bogen abgelegt ist, wobei der Hilfsstapelträger (7) die nachfolgenden Bogen aufnimmt.

Den Patentansprüchen 1 und 2 bzw. 8 nachgeordnet sind die rückbezogenen Patentansprüche 3 bis 7 bzw. 9 bis 11.

Mit o. g. Schriftsatz vom 24. September 2010 hat die Einsprechende die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung abgesagt und um Entscheidung im schriftlichen Verfahren gebeten.

Daraufhin hat der Senat nach Prüfung der Sachlage den Termin zur mündlichen Verhandlung aufgehoben.

II.

Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts ist durch § 147 Abs. 3 Satz 1 PatG in den vom 1. Januar 2002 bis 30. Juni 2006 geltenden Fassungen begründet.

Der Einspruch ist zulässig. Er hat aber keinen Erfolg.

1. Das Patent betrifft eine Bogendruckmaschine mit einem Ausleger, der mit einem zur vorübergehenden Aufnahme von Bogen in den Stapelraum verlagerbaren Hilfsstapelträger versehen ist, und ein Verfahren zum Betreiben einer solchen Bogendruckmaschine. In der Beschreibungseinleitung der Streitpatentschrift ist ausgeführt, dass bei der Abwicklung eines Druckauftrags unter Verwendung des Offsetdruckverfahrens dem Auflagendruck stets eine Einstellphase vorausgehe, in der bei laufender Maschine den Druckvorgang beeinflussende Parameter eingestellt würden. Die Einstellung werde aufgrund der Ergebnisse von auf Probebogen erzeugten Druckbildern vorgenommen. Die während der Einstellphase bedruckten Bogen seien für eine weitere Verarbeitung unbrauchbar (Anlaufmakulatur). Zudem entstehe zu Beginn des Druckvorgangs oder bei einer Wiederaufnahme des Druckvorgangs nach beispielsweise störungsbedingter Unterbrechung auch bei optimaler Einstellung der Bogendruckmaschine Makulatur. Die in dieser Phase bedruckten Bogen würden im Stapelraum des Auslegers zu Stapeln abgelegt und die anfallenden Makulaturbogen durch eine Bedienperson entfernt.

Bekannt seien in den Stapelraum des Auslegers verlagerbare Hilfsstapeleinrichtungen, die der vorübergehenden Aufnahme von Bogen während des Stapelwechsels dienten (DE-OS 1 561 103). Der Stapelwechsel werde dabei von der Bedienperson eingeleitet. Bei einer aus der DE 195 16 352 A1 bekannten Vorrichtung zur Inline-Bildinspektion würden Ist-Bilddaten mit Soll-Bilddaten verglichen. Fehlerhafte Bogen würden gekennzeichnet und könnten über eine Makulaturweiche ausgeschleust werden. Bei einem Verfahren und einer Vorrichtung gemäß der DE 690 07 339 T2 würden durch eine blitzlichtgekoppelte Kamera aufgedruckte Registermarken erfasst. Die festgestellte Lage der Registermarken ermögliche die Korrektur von Seitenund Längsregisterfehlern.

Das dem Patent zugrundeliegende und mit der Aufgabe formulierte technische Problem besteht darin (Absatz 0007), eine Bogendruckmaschine sowie ein Verfahren zum Betreiben einer Bogendruckmaschine zu schaffen, durch die das Aussondern der beim Anfahren/Wiederanfahren der Bogendruckmaschine entstehenden Makulaturbogen erleichtert wird.

Dieses Problem wird durch die jeweilige Bogendruckmaschine nach den Patentansprüchen 1 und 2 sowie durch das Verfahren zum Betreiben einer Bogendruckmaschine nach Patentanspruch 8 gelöst.

Allen drei Lösungen nach diesen Patentansprüchen gemein ist die Verwendung eines vorübergehend in den Stapelraum verlagerbaren Hilfsstapelträgers, der -im Lichte der Aufgabenstellung "Aussondern der Anlaufmakulatur erleichtern" gesehen -in die Bildung eines Stapels aus "Gut-Bogen" und eines davon getrennten Stapels aus Makulatur-Bogen einbezogen ist.

In einem "zur vorübergehenden Aufnahme von Bogen in den Stapelraum verlagerbaren Hilfsstapelträger" sieht der Fachmann -ein Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau, der bei einem Hersteller von Bogendruckmaschinen bzw. einem Zulieferer mit der Entwicklung von Stapelauslagen beschäftigt ist und auf diesem Gebiet über mehrjährige Erfahrung verfügt -eine Einrichtung, die für den Fall der kurzzeitig notwendigen Betriebsunterbrechung der Hauptstapeleinrichtung während des Stapelwechsels konzipiert ist und nur während dieser Zeit zur Beladung zur Verfügung steht. Sie dient nach dem Verständnis des Fachmanns der Gewährleistung des sogenannten Non-Stop-Betriebs im ununterbrochenen Fortdruck. Dabei unterstellt er -wenn wie hier nicht ausdrücklich anders angegeben -die übliche Bauart und Betriebsweise. Deshalb weist die Streitpatentschrift bezüglich der Ausgestaltung zu Recht lediglich auf die "an sich bekannte Weise" hin (Absatz 0024). Hilfsstapelträger dieser üblichen Ausgestaltung übergeben zu ihrer Entleerung und anschließenden Zurückverlagerung aus dem Stapelraum den Hilfsstapel an den Hauptstapelträger und verfügen nicht über einen gesonderten Abförderweg. Nach dem Abladen auf den Hauptstapelträger ist der Hilfsstapelträger nicht mehr aufnahmebereit, so dass eine wahlweise Ablage auf Hauptoder Hilfsstapelträger in dieser Betriebsphase nicht möglich ist. Demnach ist Patentanspruch 1 dahin zu verstehen, dass die Steuereinrichtung den wie geschildert beschaffenen Hilfsstapelträger bei Detektierung der Gutbogen-Produktion so in den Stapelraum verlagert und damit aufnahmebereit stellt, dass auch der letzte Makulaturbogen noch dem Hauptstapelträger zugeführt und ab dem unmittelbar nachfolgenden, ersten Gutbogen auf dem Hilfsstapelträger gestapelt wird. In dem markierten Bogen gemäß Patentanspruch 2 sieht der Fachmann den letzten Bogen einer -im Fachgebiet seit langem üblichen (vgl. DE 24 30 212 A1, Seite 2, 2. Absatz) -Vorsatzmakulatur. Ein anderes Verständnis ist unter dem Aspekt der Makulaturabsonderung nicht möglich. Demnach steuert die Steuereinrichtung nach Ablage aller Bogen der Vorsatzmakulatur auf dem Hauptstapelträger den Hilfsstapelträger an, wodurch vom ersten darauf folgenden Gut-Bogen an auf den Hilfsstapelträger gestapelt wird, bis der Makulaturstapel vom Hauptstapelträger entfernt ist. In Patentanspruch 8 sieht der Fachmann den durch Patentanspruch 2 gekennzeichneten Sachverhalt, entsprechend dargestellt in verfahrenstechnischer Formulierung.

2.

Die erteilten Patentansprüche sind zulässig.

Die Gegenstände der erteilten Patentansprüche sind in den ursprünglichen Unterlagen offenbart. Die erteilten Patentansprüche 1 und 8 stimmen mit den ursprünglichen Patentansprüchen 1 und 8 inhaltlich überein. Die Ausgestaltung der Bogendruckmaschine nach Patentanspruch 2 ergibt sich aus einer Zusammenschau der Merkmale des ursprünglichen Patentanspruchs 2 mit Angaben aus der ursprünglichen Beschreibung (Seite 3, Zeilen 16 bis 21). Die erteilten Patentansprüche 3 bis 7 und 9 bis 11 stimmen mit den ursprünglichen Patentansprüchen 3 bis 7 und 9 bis 11 überein.

3.

Die zweifelsohne gewerblich anwendbaren Druckmaschinen nach den Patentansprüchen 1 und 2 sowie das ebenso gewerblich anwendbare Verfahren nach Patentanspruch 8 sind patentfähig.

3.1 Die Druckmaschinen nach den Patentansprüchen 1 und 2 sowie das Verfahren nach Patentanspruch 8 sind neu.

Aus keiner der insgesamt in Betracht gezogenen Druckschriften ist eine Druckmaschine bzw. ein Verfahren mit allen im jeweiligen der Patentansprüche 1, 2 und 8 angegebenen Merkmalen bekannt. Hilfsstapelträger im Sinne obenstehender Definition zeigen lediglich die Druckschriften EP 0 707 556 B1 (Spalte 7, Zeilen 7 bis 13), DE 198 19 490 C1 (Spalte 4, Zeilen 44 bis 47) und DE-OS 1 561 103 (Seite 1, 1. Absatz). Diese Hilfsstapelträger dienen allerdings ausschließlich dem Non-Stop-Stapelwechsel und gerade nicht der Makulaturabsonderung. Eine Aktivierung des Hilfsstapelträgers in Abhängigkeit von Abtastergebnissen des Druckerzeugnisses, wie es in allen drei Patentansprüchen gefordert ist, ist demnach aus diesen Druckschriften nicht bekannt. Die übrigen Druckschriften offenbaren Druckmaschinen, bei denen bereits der in den Stapelraum des Auslegers verlagerbare Hilfsstapelträger fehlt. Aus diesen Druckschriften kann deshalb auch grundsätzlich kein Verfahren zum Betreiben einer Druckmaschine mit einem entsprechenden Hilfsstapelträger hervorgehen, erst recht kein Verfahren mit den im Patentanspruch 8 konkret angegebenen Merkmalen.

3.2 Die Gegenstände der Patentansprüche 1, 2 und 8 beruhen auf erfinderischer Tätigkeit.

3.2.1 Patentanspruch 1 Zur Erleichterung von Bezugnahmen ist Patentanspruch 1 nachstehend in Form einer Merkmalsgliederung wiedergegeben:

1.

Bogendruckmaschine, 2.

die Bogendruckmaschine umfasst einen Ausleger (6) mit einem Stapelraum (2), in den als Folge ankommende Bogen abgelegt werden, 3.

die Bogendruckmaschine umfasst einen horizontal in den Stapelraum (2) zur vorübergehenden Aufnahme von bedruckten Bogen verlagerbaren Hilfsstapelträger (7), 4.

die Bogendruckmaschine umfasst einen auf den Hilfsstapelträger (7) einwirkenden Antrieb, 5.

der Antrieb ist mit einer Steuereinrichtung verbunden, 6.

die Bogendruckmaschine umfasst eine Sensoreinrichtung (1.1,1.2), die von dem Druckbild eines jeden Bogens Istparameter erfasst, 7.

die Sensoreinrichtung (1.1,1.2) erzeugt entsprechende Signale, die durch Vergleich mit abgespeicherten Sollparametern von der Steuereinrichtung verarbeitbar sind, 8.

die Steuereinrichtung steuert den Antrieb derart, dass dieser den Hilfsstapelträger (7) vor Ablage des ersten Bogens nach dem Anlaufen oder Wiederanlaufen der Druckmaschine, dessen Istparameter den Sollparametern entsprechen, zur Aufnahme der nachfolgenden Bogen in den Stapelraum (2) verlagert.

Gemäß Einspruchschriftsatz sieht die Einsprechende die DE 24 30 212 A1 schon allein für sich als zumindest der erfinderischen Tätigkeit entgegenstehend an. Diese Druckschrift offenbart eine Bogendruckmaschine mit einem Ausleger zur Stapelablage von als Folge ankommenden Bogen (--> Merkmale 1, 2). Es ist eine Sensoreinrichtung (Farbdichtemesser 17 am Gegendruckzylinder 3, vgl. hier wiedergegebene Figur 1) vorgesehen, die von dem Druckbild eines jeden Bogens Istparameter erfasst (Farbdeckung; --> Merkmal 6) und entsprechende Signale erzeugt, die durch Vergleich mit abgespeicherten Sollparametern von der Steuereinrichtung verarbeitbar sind (Seite 5, 2. Absatz; Seite 6, 2. Absatz; --> Merkmal 7). Es sind zwei separate Stapelauslagen 9 und 12 vorgesehen, wobei die Bogen je nach festgestellter Farbdeckung der einen oder der anderen Stapelauslage zugeleitet werden (Anspruch 1). Dazu ist im Transportweg der Bogen eine Weiche 13 angeordnet, die von der Steuereinrichtung 20 entsprechend angesteuert wird. Außerhalb eines Toleranzbereichs liegende Bogen werden sämtlich auf die eine der Stapelauslagen (12) abgelegt, wobei Bogen mit zu geringer Farbdeckung zusätzlich markiert werden können (Seite 4, 2. Absatz; Ansprüche 2, 4).

Die so geschilderte Ausgestaltung der vorbekannten Druckmaschine ist wie beim Streitpatent Ergebnis einer zum Zwecke der Erleichterung des Aussonderns von Anfahrmakulatur durchgeführten Weiterbildung (vgl. streitpatentgemäße Aufgabe). Der oben definierte Fachmann findet demnach in diesem Stand der Technik eine fertige Lösung der ihm gestellten Aufgabe und hat von daher keinen Anlass zur Abänderung desselben. Gerade diese Lösung verzichtet aber auf die Einbeziehung eines Hilfsstapelträgers der streitpatentgemäßen Art, so dass von einer Anregung, einen solchen Hilfsstapelträger in die Makulaturabsonderung einzubeziehen, nicht die Rede sein kann. Mit der aus dieser Druckschrift entnehmbaren Lehre kann der Fachmann somit nicht naheliegend zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 kommen.

Ein weiterer Stand der Technik, der sich mit der Trennung von Makulaturund Gutbogen bei einer Bogendruckmaschine befasst, ist aus der EP 0 707 556 B1 bekannt. Für die Trennung von Gutund Makulaturbogen sind separate Stapelauslagen 10, 11, 46 vorgesehen, deren eine (10, 46) der Aufnahme von Makulatur 34 dienen und deren andere (11) der Aufnahme von Gutbogen 33 dient (Spalte 6, Zeilen 50 bis 55; Spalte 8, Zeilen 30 bis 40; Spalte 9, Zeilen 33 bis 54). Diese Stapelauslagen sind übereinander bzw. nebeneinander angeordnet (Figuren 1, 2, 4). Die Stapelauslage 11 für die Gutbogen ist mit einem Hilfsstapelträger (Non-Stop-Einrichtung 35; vgl. hier wiedergegebene Figur 1) der streitpatentgemäß bekannten Art versehen, der allerdings ausschließlich dem Wechsel des Gutbogen-Stapels 33 dient und demnach gerade nicht in die Makulaturabsonderung einbezogen ist (Spalte 7, Zeilen 7 bis 14; Anspruch 11). Obwohl somit die vorbekannte Druckmaschine einen Hilfsstapelträger aufweist, sind für die Makulaturabsonderung von diesem gesonderte Ablageeinrichtungen vorgesehen. Eine solche Ausgestaltung drängt dem Fachmann die ausschließliche Verwendung des Hilfsstapelträgers für den Non-Stop-Betrieb im Fortdruck geradezu auf und führt ihn so von der streitpatentgemäß beanspruchten Lehre weg.

Auch eine Zusammenschau der beiden vorgenannten Druckschriften vermag nicht zu der Druckmaschine nach Patentanspruch 1 zu führen. Denn beide Druckschriften lehren den Einsatz zweier separater Stapelauslagen für die Makulaturaussonderung, die EP 0707 556 B1 sogar trotz Einsatz eines Hilfsstapelträgers der oben geschilderten Art. In der Zusammenschau wird dem Fachmann die Bereitstellung zweier separater Stapelplätze umso mehr nahegelegt.

Die übrigen, von der Einsprechenden zahlreich entgegengehaltenen und die weiteren im Prüfungsverfahren in Betracht gezogenen Druckschriften kommen zumindest nicht näher als der vorstehend geschilderte Stand der Technik.

So zeigen die US 4 210 078 (Familienmitglied zu DE 24 30 212 A1), die EP 1 323 529 A1, die DE 30 15 103 A1, die DE 198 19 491 C1 und die EP 1 190 855 A1 allesamt die Verwendung von zwei separaten Auslageplätzen für die Makulaturaussonderung und entsprechen diesbezüglich der Druckmaschine nach der oben dargelegten DE 24 30 212 A1 ohne Hilfsstapelträger der hier in Rede stehenden Art. Die Druckmaschine nach der DE 198 19 490 C1 verwendet für die Makulaturaussonderung trotz vorhandenem in den Stapelraum verlagerbarem Hilfsstapelträger separate Stapelplätze. Sie entspricht insoweit der Druckmaschine nach der oben dargelegten EP 0 707 556 B1. Die DE-OS 1 561 103 offenbart die Konstruktion eines Hilfsstapelträgers und dessen Verwendung für den Non-Stop-Betrieb. Makulaturaussonderung ist nicht Gegenstand dieser Druckschrift. Gemäß der DE 203 03 574 U1, der GB 2 258 039 A, der EP 0 884 182 A1 und der DE 195 16 352 A1 ist für die Aussonderung von Makulatur eine Einrichtung (z. B. Makulaturweiche) zum Ausschleusen der Fehlbogen aus dem Bogenstrom vorgesehen. Angaben zu Ort und Gestaltung einer Ablageeinrichtung sind nicht gemacht. Die Druckschriften DE 197 44 999 A1, DE 33 14 465 A1 sowie die DE 690 07 339 T2 betreffen die Detektierung von Bildfehlern bzw. Registermarken und die Ausgabe von Fehlermeldungen bzw. Korrektursignalen. Eine Trennung qualitativ unterschiedlicher Druckerzeugnisse durch gesonderte Ablage ist nicht angesprochen. Die US-PS 26 999 aus dem Jahre 1860 zeigt eine Stapeleinrichtung mit zwei wechselweise bedienbaren Ablageplätzen B, C. Das Problem der Makulaturabsonderung ist nicht Gegenstand dieser Druckschrift. Aus der nach Ablauf der Einspruchsfrist eingereichten Fachliteratur "Offsetdruck" ist eine Makulatur-Vorsatzeinrichtung für den Anleger sowie ein Hilfsstapelträger für den Non-Stop-Betrieb bekannt. Dieser kann -wie im Übrigen jeder andere gattungsgleiche Hilfsstapelträger auch -für die Ablage kleiner Lagen verwendet werden, wobei dies gemäß "Offsetdruck" allerdings empfindliche Bedruckstoffe betrifft zur Vermeidung des Ablegens (Abbildung 12.1). Demnach handelt es sich bei diesen Bedruckstoffen um Gutbogen, denn bei Makulaturbogen bedarf es keiner besonderen Maßnahmen zur Verhinderung des Ablegens. Die DE 203 13 341 U1 befasst sich mit der konstruktiven Gestaltung eines Telekommunikationsanschluss. Ein Bezug zum Gegenstand des Streitpatents ist nicht erkennbar und von der Einsprechenden auch nicht erläutert.

Vorstehende Ausführungen zeigen, dass der entgegengehaltene Stand der Technik eine Anregung zur Einbeziehung eines Hilfsstapelträgers der oben geschilderten Art in den Vorgang der Trennung von Gutbogen und Anlaufmakulatur nicht zu geben vermag. Gerade die große Zahl der von der Einsprechenden zitierten, der Patentfähigkeit des Gegenstands des Streitpatents jedoch nicht einmal in Zusammenschau entgegenstehenden Dokumente macht in eindrucksvoller Weise bewusst, dass die Fachwelt sich ausgiebig mit dem Problem der Makulaturabsonderung beschäftigt, dabei aber die streitpatentgemäße Lösung gerade nicht aufgefunden hat. Die Vielzahl der Entgegenhaltungen spricht unübersehbar für eine im Fachgebiet vorherrschende Entwicklungsrichtung, nämlich die Makulaturabsonderung mittels eines gesonderten Ablageplatzes. Unter Abkehr von dieser Entwicklungsrichtung beschreitet die Erfindung nach Patentanspruch 1 trotz offensichtlich intensiver Suche durch die Fachwelt nach Lösungsansätzen bisher nicht in Betracht gezogene Wege.

Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung hat demnach Bestand.

3.2.2 Patentanspruch 2 Die Bogendruckmaschine nach Patentanspruch 2 unterscheidet sich von der nach Patentanspruch 1 dadurch, dass die Sensoreinrichtung jeden Bogen auf das Vorhandensein einer Markierung abtastet (anstelle der Erfassung von Istparametern des Druckbilds) und den Hilfsstapelträger nach Ablage des mit Markierung versehenen Bogens aktiviert (anstelle der Aktivierung vor dem ersten Gutbogen). Wie oben einleitend ausgeführt, sieht der Fachmann im Lichte der Aufgabe "Aussondern von Anlaufmakulatur erleichtern" hierin ebenfalls die Einbeziehung des Hilfsstapelträgers in die Trennung von Gutund Makulaturbogen. Unabhängig von der konkreten, von der nach Patentanspruch 1 abweichenden Realisierung sieht der Senat auch hier die Patentfähigkeit begründet durch die prinzipielle Verwendung des Hilfsstapelträgers für die Makulaturabsonderung, wie bei Patentanspruch 1 im Einzelnen dargelegt.

3.2.3 Patentanspruch 8 Patentanspruch 8 kennzeichnet in verfahrenstechnisch formulierten Merkmalen die Einfügung von Vorsatzmakulatur unter Kennzeichnung der Trennstelle zu den unbedruckten Bogen durch Zwischenfügen eines markierten Bogens und im Übrigen die durch Patentanspruch 2 beanspruchte Arbeitsweise der Druckmaschine. Diese ist, wie zu Patentanspruch 2 ausgeführt, patentbegründend. Das Verfahren nach Patentanspruch 8 ist demnach ebenfalls patentfähig.

3.3 Die Unteransprüche 3 bis 7 bzw. 9 bis 11 betreffen zweckmäßige Weiterbildungen der Druckmaschinen nach den Patentansprüchen 1 und 2 bzw. des Verfahrens nach Patentanspruch 8 und enthalten keine Selbstverständlichkeiten. Sie haben daher ebenfalls Bestand.

Pontzen Guthermuth Bülskämper Reinhardt Ko






BPatG:
Beschluss v. 18.10.2010
Az: 9 W (pat) 346/06


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