Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 25. August 2014
Aktenzeichen: 9 B 622/14

(OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 25.08.2014, Az.: 9 B 622/14)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 1.334,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.

I. Unabhängig von der Beschwerdebegründung ist der angefochtene Beschluss, durch den das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Widerspruchsgebührenbescheid der Antragsgegnerin vom 4. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2014 abgelehnt hat, bereits deshalb (im Ergebnis) richtig, weil die gerichtliche Zugangsvoraussetzung des § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO im Zeitpunkt der Stellung des Eilantrags beim Verwaltungsgericht nicht erfüllt war. Nach dieser Vorschrift ist bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 4 VwGO ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Die Ablehnung des Aussetzungsantrags durch die Behörde kann schriftlich oder mündlich erfolgen. In der Gewährung der Aussetzung der Vollziehung "bis zum Ergehen der Widerspruchsentscheidung" liegt allerdings keine Ablehnung, sondern lediglich eine Befristung der Aussetzung der Vollziehung und damit letztlich nur eine dem Aussetzungsverfahren immanente Schranke. Denn der Befristung lässt sich kein genereller Ablehnungswille der Behörde für die Zeit nach Ablauf der Frist - etwa für die Dauer eines anschließenden Klageverfahrens - entnehmen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass im Zeitpunkt der Gewährung der Aussetzung der Vollziehung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens noch gar nicht absehbar ist, ob sich an das Widerspruchsverfahren überhaupt ein Klageverfahren anschließen wird. Für die Folgezeit muss daher, wenn und soweit der Widerspruch erfolglos bleibt, zunächst ein erneutes Aussetzungsbegehren an die Behörde gerichtet werden, bevor der Zugang zu den Verwaltungsgerichten eröffnet ist.

Vgl. hierzu jeweils zur mit § 80 Abs. 6 VwGO übereinstimmenden Vorschrift des § 69 Abs. 4 FGO: FG Hamburg, Beschluss vom 13. Juni 2008 - 4 V 119/08 -, juris Rdnr. 9; BFH, Beschlüsse vom 15. Juni 2005 € IV S 3/05 -, juris Rdnr. 9, und vom 6. Mai 2004 - IX S 2/04 -, juris Rdnr. 2; Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Loseblatt, Stand: Juni 2014, § 69 FGO Rdnr. 71 f. m.w.N.

Vorliegend war die gerichtliche Zugangsvoraussetzung des § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO im Zeitpunkt der Stellung des Eilantrags beim Verwaltungsgericht nicht erfüllt, weil die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (im Folgenden: Bundesnetzagentur) die Vollziehung des Widerspruchsgebührenbescheides vom 4. August 2009 lediglich bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides ausgesetzt und damit den Aussetzungsantrag der Antragstellerin nicht "ganz oder zum Teil abgelehnt" hat.

Zunächst hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 19. August 2009 bei der Bundesnetzagentur "gemäß § 80 Abs. 4 VwGO die Aussetzung der Vollziehung" des Widerspruchsgebührenbescheides vom 4. August 2009 beantragt. Dass die Antragsgegnerin nunmehr in dem Schreiben lediglich eine Anregung sehen will, das Widerspruchsverfahren gegen den Gebührenbescheid analog § 94 VwGO bis zur Erledigung eines anderen vorgreiflichen Rechtsstreits auszusetzen, ist angesichts des zuvor zitierten eindeutigen Wortlauts des Schreibens sowie der darin genannten Norm abwegig. Im Übrigen ergibt die "Auslegung" des Schreibens durch die Antragsgegnerin schon deshalb keinen Sinn, weil erst am Montag, dem 7. September 2009 bei der Bundesnetzagentur Widerspruch gegen den Gebührenbescheid vom 4. August 2009, der Antragstellerin zugestellt am 6. August 2009, eingelegt worden ist und damit im Zeitpunkt des Aussetzungsantrags der Antragstellerin an die Bundesnetzagentur am 19. August 2009 dort noch gar kein entsprechendes Widerspruchsverfahren anhängig war.

Den zunächst richtigerweise als Aussetzungsantrag verstandenen Antrag der Antragstellerin hat die Bundesnetzagentur in der Folgezeit telefonisch dahingehend beschieden, dass die Vollziehung des Gebührenbescheides vom 4. August 2009 mit Blick auf einen anderen vorgreiflichen Rechtsstreit vorerst und nach dessen rechtskräftigem Abschluss bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides ausgesetzt wurde. Zwar existieren keine entsprechenden Telefonvermerke der Bundesnetzagentur, obwohl derartige Aktenvermerke - unabhängig von der Frage nach der Vollständigkeit des Verwaltungsvorganges - allein zu Beweiszwecken schon geboten gewesen wären, jedoch kann auf den Inhalt der Telefonate aus anderen Schriftstücken im Verwaltungsvorgang sowie in der Gerichtsakte rückgeschlossen werden: So heißt es in einem Schreiben der Bundesnetzagentur an die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin vom 11. Juli 2011, dass mit Blick auf das andere vorgreifliche Gerichtsverfahren "die Vollziehung" des Widerspruchsgebührenbescheides vom 4. August 2009 "vorerst ausgesetzt" und bei der Bundeskasse Trier die Setzung einer Mahnsperre veranlasst worden sei. Inzwischen sei jedoch der Grund für die Aussetzung der Vollziehung weggefallen, da das andere vorgreifliche Gerichtsverfahren rechtskräftig abgeschlossen sei. Es sei daher beabsichtigt, die derzeit noch bestehende Mahnsperre aufheben zu lassen. Vorher werde jedoch Gelegenheit gegeben, den gegen den Widerspruchsgebührenbescheid eingelegten Widerspruch vom 4. August 2009 zu begründen. Ferner heißt es in einer mit Schriftsatz der Beklagten vom 29. April 2014 in Kopie zur Gerichtsakte gereichten E-Mail der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin an die Bundesnetzagentur, dass Herr Regierungsdirektor Stark von der Bundesnetzagentur in einem Telefonat am 26. Juli 2011 mit Frau Rechtsanwältin Dr. Nacimiento "bestätigt" habe, "dass es bis zum Erlass eines Widerspruchsbescheides bei der Aussetzung der Vollziehung bleiben wird." Gleiches ergibt sich aus dem von Frau Rechtsanwältin Dr. Nacimiento mit Schriftsatz vom 25. Juli 2014 in Kopie zur Gerichtsakte gereichten Vermerk über das Telefonat vom 26. Juli 2011 ("Aussetzung bleibt bis Abschluss Wspr.verfahren").

Ferner liegt hier auch nicht die Ausnahme von der gerichtlichen Zugangsvoraussetzung des § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO gemäß § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO vor. Nach dieser Vorschrift gilt § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO nicht, wenn eine Vollstreckung droht. Die Vollstreckung i.S.d. § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO droht nicht bereits schon dann, wenn alle tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Einleitung der Zwangsvollstreckung vorliegen, sondern erst dann, wenn die Behörde konkrete Schritte zur zwangsweisen Beitreibung der Schuld angekündigt oder bereits eingeleitet hat. Die (formularmäßige) Mahnung der streitigen Abgabenforderung genügt hierfür nicht.

Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 13. Juli 2012 € 9 B 818/12 -, NVwZ-RR 2012, 748 sowie jeweils m.w.N.: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Auflage 2014, § 80 Rdnr. 181; Schoch/Schneider/ Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Loseblatt, Stand: März 2014, § 80 Rdnr. 515.

Vorliegend hat die Antragsgegnerin die streitige Widerspruchsgebührenforderung i.H.v. 5.336,00 Euro lediglich bei der Antragstellerin mit Schreiben der Bundeskasse Trier vom 24. März 2014 (formularmäßig) angemahnt. Konkrete Schritte zur zwangsweisen Beitreibung der Forderung hat sie danach bis zur Eilantragstellung beim Verwaltungsgericht am 15. April 2014 jedoch nicht mehr angekündigt.

II. Ungeachtet des Nichtvorliegens der gerichtlichen Zugangsvoraussetzung des § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO stellt auch die Beschwerdebegründung, die das Gericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein prüft, die Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses, mit dem das Verwaltungsgericht den Eilantrag der Antragstellerin wegen Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. i.V.m. Abs. 4 Satz 3 VwGO als unbegründet abgelehnt hat, nicht durchgreifend in Frage.

Das Verwaltungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, dass die Rechtmäßigkeit des im Klageverfahren angefochtenen Widerspruchsgebührenbescheides der Antragsgegnerin vom 4. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2014 nicht "ernstlich zweifelhaft" i.S.d. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO sei, da die Rechtswidrigkeit dieses Bescheides derzeit nicht ohne Weiteres festgestellt werden könne. Die Entscheidung des Rechtsstreits hänge nämlich maßgeblich von der Beantwortung schwieriger Rechtsfragen ab, die sich einer abschließenden Klärung im Eilverfahren entzögen und dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben müssten. Als rechtlich nicht einfach gelagert stelle sich insbesondere die Rechtsfrage dar, wie die von der Bundesnetzagentur als Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung herangezogene Vorschrift des § 146 Satz 3 TKG (in der vorliegend maßgeblichen Fassung) und dort das Tatbestandsmerkmal "anfallen" auszulegen sei. Nach dieser Vorschrift bestimmt sich die Gebühr für ein Vorverfahren in den Fällen, in denen für die angefochtene Amtshandlung der Bundesnetzagentur keine Gebühr anfällt, nach Maßgabe des § 34 Abs. 1 GKG. Die Auslegung des § 146 Satz 3 TKG sei bislang von der Rechtsprechung nicht behandelt worden und in der einschlägigen Fachliteratur auch nicht im Sinne der Antragstellerin geklärt. Den von der Antragstellerin zitierten Kommentarstellen lasse sich lediglich (die Selbstverständlichkeit) entnehmen, dass die Regelung Fälle erfasse, in denen nicht gebührenpflichtige Amtshandlungen der Bundesnetzagentur angefochten würden. Die genannten Kommentarstellen verhielten sich hingegen nicht zu der - bei Annahme einer Gebührenpflicht für die von der Antragstellerin mit dem Widerspruch angefochtenen Frequenzverlagerungsentscheidungen der Bundesnetzagentur - voraussichtlich entscheidungserheblichen Fragestellung, ob § 146 Satz 3 TKG auch Fälle erfasse, in denen die Behörde für eine an sich gebührenpflichtige Amtshandlung tatsächlich keine Gebühr festgesetzt habe. Letzeres lasse sich entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht ohne Weiteres verneinen, da die Beschränkung der Anwendbarkeit des § 146 Satz 3 TKG auf Fälle der Anfechtung nicht gebührenpflichtiger Amtshandlungen aus den im Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2014 genannten Gründen zu einer Lücke in der durch § 146 Satz 1 TKG geregelten Gebührenpflichtigkeit des Vorverfahrens führe, die vom Gesetzgeber möglicherweise nicht gewollt sei und deshalb eingehender rechtlicher Überprüfung bedürfe, die dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten sei. Schwierige Rechtsfragen stellten sich ferner - sofern eine Gebührenpflicht der Antragstellerin dem Grunde nach bejaht werde - auch in Bezug auf die Gebührenhöhe, soweit die Antragstellerin moniere, dass die Gebührenfestsetzung sich entgegen gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben nicht ausschließlich am Verwaltungsaufwand orientiert habe.

Dem hat die Antragstellerin in ihrer Beschwerdebegründung vom 13. Juni 2014 lediglich ihre eigene, an Wortlaut, Gesetzessystematik sowie Sinn und Zweck orientierte Auslegung des § 146 Satz 3 TKG entgegengesetzt und im Übrigen im Wesentlichen auf ihre (hilfsweisen) Ausführungen zur (Gemeinschafts-) Rechtswidrigkeit der Gebührenfestsetzung der Höhe nach in der Eilantragsbegründung vom 15. April 2014 Bezug genommen. Jedoch zeigen schon Umfang und Argumentationstiefe dieser Ausführungen der Antragstellerin eindeutig, dass es sich insoweit nicht mehr um eine bloß summarische Prüfung der Rechtslage handelt. Vielmehr sind hierfür die bereits vom Verwaltungsgericht benannten schwierigen Rechtsfragen zu klären, die einer eingehenden und umfassenden rechtlichen Überprüfung bedürfen. Diese muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, dessen Ausgang nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand offen erscheint. Demnach verbleibt es vorliegend bei der gesetzlichen Wertung des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO, wonach bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten das Vollziehungsinteresse der öffentlichen Hand überwiegt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Der Senat legt gemäß seiner ständigen Spruchpraxis mit Blick auf den nur vorläufigen Charakter des Eilverfahrens ein Viertel der streitigen Gebührenforderung zu Grunde.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).






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