Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. März 2004
Aktenzeichen: 23 W (pat) 310/02

(BPatG: Beschluss v. 11.03.2004, Az.: 23 W (pat) 310/02)

Tenor

Der Einspruch wird als unzulässig verworfen und deshalb bleibt das Patent aufrechterhalten.

Gründe

I Die Prüfungsstelle für Klasse H 05 K des Deutschen Patent- und Markenamts hat auf die am 12. November 1998 eingereichte Patentanmeldung das am 28. Februar 2002 veröffentlichte Patent 198 52 189 (Streitpatent) mit der Bezeichnung "Kabelverbindungsmodul" erteilt.

Die Einsprechende hat mit Schriftsatz vom 23. Mai 2002, eingegangen am selben Tag, Einspruch erhoben und beantragt, das Patent zu widerrufen.

Zur Begründung ihres Antrags macht die Einsprechende geltend, der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, denn er sei dem Fachmann durch das in den magnetischinduktiven Durchflussmessern der Baureihe "COPA" der B...-F... & P... GmbH vorgesehene Kabelverbindungsmodul nahegelegt. Zum Nachweis der behaupteten Vorbenutzungshandlung hat die Einsprechende - vier Photos [= E1]

des besagten Durchflussmessers eingereicht und Zeugenbeweis dafür angeboten, dass bei diesem Durchflussmesser ein - in den Photos nicht erkennbares - Merkmal des Streitpatentgegenstandes verwirklicht sei. Ferner hat die Einsprechende einen Zeugen benannt, der bestätigen soll, dass die magnetischinduktiven Durchflussmesser der Baureihe "COPA" von B...-F... & P... in der Bundesrepublik Deutschland seit September 1997 frei angeboten und vertrieben worden sind. Hinsichtlich eines Merkmals des Gegenstandes des Anspruchs 1 des angegriffenen Patents hat die Einsprechende die Druckschrift - Katalog "Reihenklemmen 98/99" der Firma Phoenix Contact, Deckblatt und S. 244 - 247 [= E2]

genannt. Mit Schriftsatz vom 19. Januar 2004 hat sie ferner zum Stand der Technik auf die Entgegenhaltung - deutsche Patentschrift 36 23 403 [= E3]

verwiesen und geltend gemacht, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents sei dem Fachmann auch ausgehend von dieser Druckschrift unter Hinzuziehung seines Fachwissens nahegelegt gewesen.

Im Prüfungsverfahren sind die Entgegenhaltungen - deutsche Patentschrift 197 19 730

- deutsche Patentschrift 40 33 052 und - deutsche Offenlegungsschrift 197 33 052 in Betracht gezogen worden.

Die Patentinhaberin ist dem Vorbringen der Einsprechenden mit Schriftsatz vom 8. März 2004 entgegengetreten. Sie hat neue Patentansprüche 1 bis 9 eingereicht und beantragt, das Streitpatent mit diesen Ansprüchen beschränkt aufrechtzuerhalten.

Die Patentinhaberin vertritt den Standpunkt, die von der Einsprechenden vorgelegten Dokumente und Beweismittel seien nicht geeignet, den Gegenstand des neuen Patentanspruchs 1 neuheitsschädlich vorwegzunehmen oder nahezulegen. Sie bestreitet, dass die Durchflussmesser der Baureihe "COPA" vor dem maßgeblichen Zeitrang des Streitpatents der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind. Des weiteren bestreitet sie, dass es sich bei den im Dokument E1 gezeigten Vorrichtungen um die Durchflussmesser dieser Baureihe handelt.

Die Patentinhaberin hat ihr eingeschränktes Patentbegehren in der mündlichen Verhandlung nicht weiterverfolgt.

Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent aufrechtzuerhalten.

Der erteilte Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Kabelverbindungsmodul mit einem Gehäuse (12), innerhalb dem eine Strom-/Spannungsbegrenzungseinrichtung (18) angeordnet ist, an welche Eingangsleitungen (14) und Ausgangsleitungen (16) angeschlossen sind, dadurch gekennzeichnet, dass das Gehäuse (12) derart mit einem Vergussmittel (20) gefüllt ist, dass die Strom-/Spannungsbegrenzungseinrichtung (18) von dem Vergussmittel (20) umgeben ist und dass die eingangs- und Ausgangsleitungen [muss heißen: Eingangs- und Ausgangsleitungen ] (14,16) aus dem Vergussmittel (20) herausragen, wobei die Ausgangsleitungen (16) aus dem Gehäuse (12) geführt sind zum Anschluß an eine in einem explosionsgefährdeten Bereich befindliche Sensor-/Aktoreinheit und wobei die Eingangsleitungen (14) mit einer innerhalb des Gehäuses (12) nachgeordneten in der Schutzart erhöhte Sicherheit ausgeführte [muss heißen: ausgeführten] Anschlussklemme (22) verbunden sind, an die wiederum ein Kabel eines nicht eigensicheren Stromkreises anschließbar ist."

Hinsichtlich der erteilten Unteransprüche 2 bis 12 wird auf die Streitpatentschrift, hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den Einspruch ergibt sich aus § 147 Abs 3 Satz 1 Nr 1 PatG.

III Der Einspruch ist zwar form- und fristgerecht eingelegt worden. Nach dem Ergebnis der mündliche Verhandlung erweist er sich jedoch aus anderen Gründen als unzulässig.

1. Nach § 59 Abs 1 Satz 4 PatG sind die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, im einzelnen anzugeben. Ausreichend substantiiert ist eine auf offenkundige Vorbenutzung gestützte Einspruchsbegründung, wenn darin konkret angegeben ist, was, wo, wann und durch wen geschehen ist und wodurch es der Öffentlichkeit zugänglich geworden ist (vgl Busse, Patentgesetz, 6. Aufl, § 59 Rdn 84 mwN).

Dieser Anforderung genügt der Einspruch nicht. Denn die Einsprechende hat es versäumt, innerhalb der Einspruchsfrist darzulegen, wie und in welcher Form der angeblich vorbenutzte Durchflussmesser der Baureihe "COPA" der Firma B...-F... & P... GmbH öffentlich zugänglich gemacht worden ist. Die pau- schale Feststellung im Einspruchsschriftsatz (S 4, drittle Abs), bei den besagten Durchflussmessern handle es sich um Geräte, die wenigstens seit September 1997 bis heute zumindest auf dem deutschen Markt von der B...-F... & P... GmbH selbst frei vertrieben worden sind, lässt die konkreten Umstände, aus denen sich die behauptete Benutzung hinsichtlich ihres Zugänglichwerdens im Sinne des § 3 Abs 1 Satz 2 ergeben soll, jedenfalls nicht erkennen (vgl hierzu BGH BlPMZ 1987, 203, 204, II. 2. c) - "Streichgarn"). Hinsichtlich dieses Erfordernisses nämlich fehlen jegliche Angaben, auf welche Art und Weise - beispielsweise durch Prospekte, Zeitungsannoncen, Ausstellung auf Messen etc. - die Öffentlichkeit vor dem Prioritätszeitpunkt des Streitpatents von dem angeblich vorbenutzten Durchflussmesser Kenntnis erlangt haben soll. Die Angabe, dass die Geräte seit September 1997 auf dem deutschen Markt vertrieben worden seien, erscheint auch in Bezug auf das wann und wo der offenkundigen Vorbenutzung nicht hinreichend substantiiert.

Eine solche ausdrückliche Substantiierung der Umstände wäre allenfalls dann entbehrlich, wenn sich die öffentliche Zugänglichkeit aus der geschilderten Benutzung implizit ergäbe, was insbesondere bei einem Serienprodukt der Fall wäre (vgl hierzu BPatG Mitt 1984, 115, Ls1, II. 1.). Den Nachweis, dass es sich bei dem in Rede stehenden Durchflussmesser tatsächlich um ein solches Serienprodukt handelt, hat die Einsprechende jedoch nicht erbracht. Es wurden weder Stückzahlen genannt, anhand derer auf das Vorliegen eines Serienprodukts geschlossen werden könnte, noch wurden Belege, beispielsweise in Form von Lieferscheinen oder dergleichen vorgelegt, aufgrund derer sich diese Stückzahlen verifizieren ließen. Der diesbezügliche Mangel an substantiiertem Sachvortrag kann durch den von der Einsprechenden als Beweis angebotenen Zeugen (Einspruchsschriftsatz S 5, le Abs) nicht behoben werden. Denn die Benennung von Zeugen vermag die tatsächlichen Angaben nicht zu ersetzen, die innerhalb der Einspruchsfrist vorgebracht werden müssen (vgl Busse, Patentgesetz, 6. Aufl, § 59 Rdn 71 mwN).

Auch der in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Einwand der Einsprechenden, sie selbst sei im Besitz eines Durchflussmessers der Baureihe "COPA" der B...-F... & P... GmbH gewesen, kann die mangelnde Substantiierung ihrer Einspruchsbegründung nicht heilen. Denn weder hat die Einsprechende den Nachweis erbracht, wann sie das Gerät erworben hat, noch sind die konkreten Umstände dargelegt worden, wie sie von der Existenz dieses Gerätes erfahren haben will. Der Hinweis der Einsprechenden, sie hätte über einen Katalog der Herstellerfirma verfügt, reicht nicht aus. Denn der fragliche Katalog ist innerhalb der gesetzlichen Frist nicht vorgelegt worden. Somit überlässt es die Einsprechende dem Patentamt bzw. dem hier zuständigen Patentgericht und der Patentinhaberin, die Richtigkeit ihrer Behauptung durch eigene Ermittlungen zu überprüfen.

Der Einspruch ist nach alledem als unzulässig zu verwerfen. Daher bleibt das Patent aufrechterhalten.

2. Die vorstehenden Feststellungen zur Unzulässigkeit des Einspruchs werden auch in dem vom Senat gewählten Entscheidungsausspruch deutlich gemacht.

a) Die Frage der korrekten und gesetzeskonformen Tenorierung bei unzulässigen Einsprüchen war in jüngster Zeit wieder Gegenstand patentgerichtlicher Entscheidungen.

aa) Im Anschluss an die Entscheidung des 4. Senats vom 23. März 1984 in dem Verfahren 4 W (pat) 27/83 (BPatGE 26, 143) war es allerdings fast 20 Jahre lang in Literatur und Rechtsprechung unbestritten, dass Einsprüche als unzulässig zu verwerfen sind, wenn eine Zulässigkeitsvoraussetzung fehlte. Dies ist zudem ständige Praxis beim Deutschen Patent- und Markenamt. Dies wurde damit begründet, dass § 61 Abs 1 Satz 1 PatG keine Regelung für die Frage des Entscheidungsausspruchs in den Fällen treffe, in denen kein zulässiger Einspruch vorliege und deshalb ein Einspruchsverfahren erst gar nicht in Gang gesetzt werde (vgl BPatGE 26, S 149 le Abs). Mangels ausdrücklicher Regelung zum Entscheidungsausspruch bei unzulässigen Einsprüchen sei die im Gesetz bestehende Lücke durch einen Rückgriff auf allgemeine Rechtsgrundsätze zu schließen. Danach sei in Fällen dieser Art allein über die Zulässigkeit des Einspruchs zu entscheiden; ein Ausspruch über die Aufrechterhaltung des Patent habe zu unterbleiben (vgl BPatGE 26, Leitsätze 1 und 2 und S 151, 3. und 4. Abs). Ausgehend von dieser Tenorierungsanweisung wurde dann aus dem Wortlaut des § 67 Abs 1 PatG geschlossen, dass für Beschwerden gegen Entscheidungen der genannten Art nicht der technische Beschwerdesenat, sondern der juristische Beschwerdesenat zustädig sei. Denn der technische Beschwerdesenat sei bei Einspruchsbeschwerdeverfahren nur dann zuständig, wenn zuvor über die Aufrechterhaltung, den Widerruf oder die Beschränkung eine Entscheidung getroffen worden sei.

bb) Dieser Auffassung zum Entscheidungsausspruch und damit verknüpft zur Zuständigkeitsfrage ist in jüngster Zeit der 20. Senat mit seiner Entscheidung vom 30. Oktober 2003 im Verfahren 20 W (pat) 344/02 (vgl GRUR 2004, 357 ff - Streulichtmessung) entgegengetreten. Dem hat sich inzwischen auch der 34. Senat in der ebenfalls zur Veröffentlichung vorgesehenen Entscheidung 34 W (pat) 334/03 vom 15. Dezember 2003 angeschlossen. In beiden Entscheidungen ist ausgeführt, dass in § 61 Abs 1 Satz 1 PatG abschließend geregelt sei, durch welche Art der Entscheidung das Einspruchsverfahren zu beenden sei. Es sei durch Beschluss zu entscheiden, ob und in welchem Umfang das Patent aufrechterhalten oder widerrufen werde. Eine Verwerfung des Einspruchs als unzulässig sei - im Gegensatz zur Regelung bei der Beschwerde gemäß § 79 Abs 2 PatG - nicht vorgesehen (vgl BPatG GRUR 2004, 359 unter 1.b). Ausgehend davon hatte der 20. Senat folgendermaßen tenoriert:

Das Patent bleibt unverändert aufrechterhalten.

Der 34. Senat hatte in seiner Entscheidung tenoriert:

Das Patent wird infolge der Unzulässigkeit des Einspruchs aufrechterhalten.

Ebenso wie der 4. Senat in seiner Entscheidung vom 23. März 1984 ziehen der 20. und der 34. Senat ohne weitere inhaltliche Betrachtung der angefochtenen Entscheidung aus dem bloßen Wortlaut des Entscheidungsausspruchs Konsequenzen in Bezug auf die Zuständigkeit. Aus der Tenorierung, wonach das Patent aufrechterhalten bleibe, folgern sie entsprechend dem Wortlaut des § 67 Abs 1 PatG, dass bei Beschwerde gegen solche Entscheidungen der technische und nicht der juristische Beschwerdesenat zuständig ist.

cc) Der 11. Senat vertritt in der ebenfalls zur Veröffentlichung vorgesehenen Entscheidung vom 15. Dezember 2003 im Verfahren 11 W (pat) 347/03 die Auffassung, bei Unzulässigkeit des Einspruchs sei lediglich die Verwerfung des Einspruchs auszusprechen. Gleichwohl sei in diesen Fällen eine alleinige Zuständigkeit der technischen Beschwerdesenate anzunehmen, und zwar auch für Beschwerden gegen Entscheidungen, in denen bereits das Patentamt den Einspruch als unzulässig verworfen habe. Im Ergebnis stimmt der erkennende Senat dieser Auffassung zu.

dd) Bei dieser Diskussion um die korrekte Tenorierung zwischen dem 4. Senat einerseits und dem 20. und 34. Senat andererseits geht es letztlich um die Frage, welcher Senat für Beschwerden von Einsprechenden zuständig sein soll, deren Einspruch vor dem Patentamt wegen Unzulässigkeit erfolglos blieb.

b) Sowohl die Diskussion zur Tenorierung als auch die Diskussion zur Zuständigkeitsfrage werden vom 4. Senat einerseits und vom 20. und 34. Senat andererseits formal und mit einer in erster Linie am Wortlaut der Vorschriften orientierten Auslegung geführt. Nach Auffassung des erkennenden Senats kommen dabei sowohl systematische als auch teleologische Überlegungen zu kurz. Insbesondere bei der Frage der Zuständigkeit nach § 67 Abs 1 PatG (technischer oder juristischer Beschwerdesenat) kann es nach Auffassung des erkennenden Senats nicht formal darauf ankommen, in welcher Form die Entscheidung tenoriert ist. Denn ansonsten würde das Patentamt angesichts der divergierenden Auffassungen zur richtigen Tenorierung und damit im Zusammenhang stehend zur Zuständigkeit allein durch die von ihm - unter Umständen sogar irrtümlich - gewählte Tenorierung über die Zuständigkeit entscheiden. Eine solche rein formale und ausschließlich am Wortlaut anknüpfende Betrachtungsweise wird dem Problem nicht gerecht.

aa) Unabhängig von der Frage der Tenorierung sprechen folgende Überlegungen für eine Zuständigkeit des technischen Beschwerdesenats bei Beschwerden gegen die auf Unzulässigkeit des Einspruchs gestützten Entscheidungen des Patentamts.

Im Rahmen von Einspruchsbeschwerden gegen Entscheidungen des Patentamts, bei denen der Einspruch als zulässig beurteilt und das Patent in Bezug auf die Widerrufsgründe nach § 21 Abs 1 PatG sachlich geprüft worden ist, haben die technischen Beschwerdesenate nach einhelliger Auffassung grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren die Frage der Zulässigkeit des Einspruchs in eigener Zuständigkeit erneut zu prüfen (vgl BGH BlPMZ 1972, 173 "Sortiergerät" und auch BGH BlPMZ 1985, 304). Darüber hinaus sind sie aufgrund der Regelung des § 147 Abs 3 PatG in dem Zeitraum von 1. Januar 2002 bis 31. Dezember 2004 zur Entscheidung über die Einsprüche nach § 59 PatG berufen. Auch bei diesen Entscheidungen müssen sie über die Zulässigkeit der Einsprüche befinden. Ausgehend von dieser unbestrittenen Zuständigkeit und Prüfungskompetenz der technischen Beschwerdesenate gibt es keinen sachlichen Grund, für Beschwerden der hier diskutierten Art eine andere Zuständigkeit anzunehmen. Vielmehr sprechen - abweichend von der 20 Jahre lang geübten Praxis - die vorgenannten Prüfungskompetenzen bzw -pflichten der technischen Beschwerdesenate aus systematischen Gründen für deren Zuständigkeit auch in den Fällen der hier diskutierten Art.

In den Fällen unzulässiger Einsprüche ist zudem häufig auch technische Sachkunde erforderlich. Dies gilt jedenfalls in jenen Fällen, in denen es nicht nur um Frist- oder Formversäumnisse, sondern vielmehr darum geht, ob die Einspruchsschrift den Anforderungen des § 59 Abs 1 Satz 4 PatG genügt. Die auf die Unzulässigkeit des Einspruchs gestützten Entscheidungen werden erfahrungsgemäß in der Mehrzahl der Fälle auf einen diesbezüglichen Mangel gestützt. In diesen Fällen spricht auch der Sinn und Zweck der Besetzungsvorschriften des § 67 Abs 1 PatG (teleologische Auslegung), nämlich die Senate insoweit mit technischen Richtern zu besetzen, als deren Sachkunde bei technischen Fragestellungen gefordert ist, für eine Zuständigkeit des technischen und gegen die des juristischen Bechwerdesenats.

Bei den auf die Unzulässigkeit des Einspruchs gestützten Entscheidungen des Patentamts sind in der Beschwerdeinstanz dann regelmäßig technische Fragen zu beantworten, wenn die Beschwerdesenate die Beurteilung des Patentamts nicht teilen und den Einspruch als zulässig ansehen. Dann ist die Entscheidung darüber eröffnet, ob Widerrufsgründe nach § 21 PatG vorliegen oder nicht. Bei einer Zuständigkeit des mit drei Juristen besetzten juristischen Beschwerdesenats kann eine solche Sachentscheidung häufig nicht ohne Hinzuziehung von Sachverständigen getroffen werden. Rein faktisch würde es in Fällen dieser Art auf eine Aufhebung und Regelzurückverweisung hinauslaufen, die in § 79 Abs 3 Nr 1 PatG so nicht vorgesehen ist. Denn § 79 Abs 3 PatG eröffnet zwar die Möglichkeit der Aufhebung und Zurückverweisung, sieht eine solche Verfahrensweise aber keineswegs als Regelfall vor.

Schließlich kommt es bei der Bejahung der Zuständigkeit des juristischen Beschwedesenats für Beschwerden in Fällen die Verwerfung eines Einspruchs - wie sie in der Vergangenheit praktiziert wurde - dann zu einer Verfahrensaufspaltung, wenn weitere zulässige Einsprüche vorliegen und auch gegen hierzu ergangene Entscheidungen Beschwerden eingelegt werden. Für Beschwerden gegen die Einspruchsverwerfung ist der juristische, für Beschwerden gegen Entscheidungen zu den Widerrufsgründen nach § 21 PatG der technische Beschwerdesenat zuständig. Es bedarf keiner weiteren Erläuterungen, dass eine solche Aufspaltung der Verfahren weder verfahrensökonomisch noch aus anderen Gründen sinnvoll ist. Auch dieser Gesichtspunkt spricht gegen eine Zuständigkeit des juristischen Beschwerdesenats in den Fällen der hier diskutierten Art.

Abgesehen von diesen systematischen und teleologischen Überlegungen, kann und darf es bei der Auslegung der Besetzungs- bzw Zuständigkeitsvorschrift des § 67 Abs 1 PatG nicht darauf ankommen, in welcher Form die mit der Beschwerde angefochtenen und auf Unzulässigkeit des Einspruchs gestützten Entscheidungen des Patentamts letztlich tenoriert sind. Denn eine solche rein formale Anknüpfung ohne jede inhaltliche Betrachtung der angefochtenen Entscheidung führt zu dem unter dem Gesichtspunkt des gesetzlichen Richters abzulehnenden Ergebnis, dass für inhaltlich identische Entscheidungen je nach Tenorierung verschiedene Senate in zudem unterschiedlicher Besetzung zuständig sind (so aber im Ergebnis jedenfalls BPatG, GRUR 2004, 357 ff - "Streulichtmessung"). Auch die Verwerfung des Einspruchs als unzulässig bedeutet im Übrigen im Ergebnis rein tatsächlich, dass das Patent aufrechterhalten bleibt. Insofern steht der Wortlaut des § 67 Abs 1 PatG einer Auslegung im Sinne der hier bejahten Zuständigkeit der technischen Beschwerdesenate in Fällen dieser Art nicht entgegen.

bb) Ausgehend von der hier vertretenen Auffassung zur Zuständigkeit verliert die Frage der richtigen Tenorierung bei den wegen Unzulässigkeit erfolglosen Einsprüchen an Bedeutung. Die Argumentation, es sei in § 61 Abs 1 Satz 1 PatG abschließend geregelt, durch welche Art der Entscheidung das Einspruchsverfahren zu beenden sei, knüpft ohne jede inhaltliche Betrachtung der angefochtenen Entscheidung an die formale und nach Auffassung des erkennenden Senats nicht überzeugende Argumentation des 4. Senats zu § 67 Abs 1 PatG an (vgl Entscheidung vom 23. März 1984, BPatGE aaO). Allerdings verfolgt sie unter Übernahme dieser rein formalen Kriterien in Bezug auf die Zuständigkeitsfrage das richtige Ziel. Mit der oben vorgenommenen Auslegung zu § 67 Abs 1 PatG überzeugt diese Argumentation allerdings nicht mehr. Mit dem 4. Senat ist der erkennende Senat der Auffassung, dass § 61 Abs 1 PatG keine Regelung über den Entscheidungsausspruch in den Fällen trifft, in denen kein zulässiger Einspruch vorliegt. Aus dem Zusammenhang der Vorschriften, insbesondere aus der expliziten Bezugnahme auf den § 61 PatG im § 21 Abs 1 PatG, der sich mit den Widerrufsgründen befasst, wird nach Auffassung des erkennenden Senats vielmehr deutlich, dass es bei der Entscheidung im Sinne des § 61 Abs 1 Satz 1 PatG um die sachliche Prüfung der Widerrufsgründe des § 21 Abs 1 PatG geht, nämlich darum, ob das Patent im Hinblick auf Widerrufsgründe zu widerrufen oder ob es mangels solcher Gründe aufrechtzuerhalten ist. Auch der Wortlaut der in § 61 Abs 1 Satz 1 PatG enthaltenen "Tenorierungsanweisungen" (Aufrechterhaltung oder Widerruf des Patent) legt insbesondere ohne weiteren Zusatz bei unbefangener Betrachtungsweise nahe, dass ein solcher Ausspruch das Ergebnis einer sachlichen Prüfung der Widerrufsgründe widerspiegelt.

Auch der Umstand, dass § 79 Abs 2 Satz 1 PatG eine ausdrückliche Regelung dahingehend enthält, eine unzulässige Beschwerde zu verwerfen, führt zu keiner anderen Beurteilung. Wie immer bei solchen Gesetzeskonstellationen stellt sich die Frage, ob die eine Vorschrift analog anzuwenden ist (hier § 79 Abs 2 Satz 1 PatG bei unzulässigem Einspruch), oder ob im Umkehrschluss zu folgern ist, dass eine Vorschrift nicht anzuwenden ist. Der Umkehrschluss ist dabei nur dann berechtigt, wenn er mit dem Gesetzeszweck im Einklang steht bzw nach dem Gesetzeszweck anzunehmen ist, dass eine analoge Anwendung nicht gewollt ist (vgl zu Analogie und Umkehrschluss Palandt, BGB, 63. Aufl Einleitung vor § 1 BGB, Rdn 57, 58 und 60). Gegen eine analoge Anwendung sprechende Gesetzeszwecke sind nicht ersichtlich. Insbesondere handelt es sich bei der Regelung in § 79 Abs 2 Satz 1 PatG auch nicht um eine Ausnahmevorschrift, die im Zweifel eng auszulegen ist und deshalb regelmäßig auch nicht analog angewendet werden darf. Vielmehr ist die Regelung in § 79 Abs 2 Satz 1 PatG Ausdruck der in vielen Verfahrensordnungen allgemein gültigen Regel, wonach unzulässige Rechtsmittel oder Rechtsbehelfe zu verwerfen sind (vgl dazu nur beispielhaft einige Vorschriften aus der ZPO, nämlich § 522 Abs 1, § 552 Abs 1, § 572 Abs 2, 577 Abs 1, § 341 Abs 1 und § 589 Abs 1). Da nach der obigen Analyse zu § 61 Abs 1 Satz 1 PatG eine Regelung über den Entscheidungsausspruch bei unzulässigen Einsprüchen nicht enthalten ist, spricht auch nichts dagegen, diese bestehende Regelungslücke durch eine analoge Anwendung von § 79 Abs 2 Satz 1 PatG bzw der oben genannten ZPO-Vorschriften zu schließen.

Die Verwerfung des Einspruchs als unzulässig bringt im Übrigen schon im Entscheidungsausspruch klar zum Ausdruck, dass der Einspruch bereits im ersten Abschnitt der in zwei Abschnitte unterteilten Gesamtprüfung von Zulässigkeit und Begründetheit an der fehlenden Zulässigkeit scheitert und eine inhaltliche Prüfung des Patents nicht stattgefunden hat. Kein Patentinhaber kann in Fällen dieser Art sein Patent damit bewerben, dass es sogar nach Einspruch aufrechterhalten wurde. Möglichen Missverständnissen, Irrtümern und Missbräuchen wird vorgebeugt, weil ohne Studium der Entscheidungsgründe von vorn herein klargestellt ist, dass eine Sachprüfung in Bezug auf die Widerrufsgründe nach § 21 Abs 1 PatG nicht stattgefunden hat.

Soweit der erkennende Senat bei seinem Ausspruch neben der Einspruchsverwerfung auch die Feststellung getroffen hat, dass das Patent aufrechterhalten bleibt, ist dieser Ausspruch - wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt - eigentlich nicht erforderlich. Gleichwohl soll damit die Rechtsauffassung verdeutlicht werden, dass bei Entscheidungen der vorliegenden Art der technische Beschwerdesenat nach § 67 Abs 1 PatG zuständig ist, wenn sich die Beschwerde gegen eine entsprechende Entscheidung des Patentamts richtet.

Dr. Tauchert Knoll Lokys Dr. Häußler Be






BPatG:
Beschluss v. 11.03.2004
Az: 23 W (pat) 310/02


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