Amtsgericht Hagen:
Urteil vom 11. November 2004
Aktenzeichen: 10 C 275/04

(AG Hagen: Urteil v. 11.11.2004, Az.: 10 C 275/04)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Klägerin darf die Vollstreckung des Beklagten wegen der

Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 130 % des

beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die

Gegenseite Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt aus abgetretenem Recht nach dem Zahnarzt Dr. T Honorar für zahnärztliche Behandlung aufgrund behaupteter Privatpatientenbehandlung nach Maßgabe der Leistungen in der Rechnung vom 08.09.2003 über 117,74 EUR sowie der weiteren Rechnung von diesem Tage über 1.297,15 EUR.

Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe, wenn auch unstreitig sozialversichert, mit dem als Zeugen bezeichneten Dr. T vereinbart, dass er sich in Abweichung des bereits bei der Krankenkasse genehmigten Heil- und Kostenplanes privatzahnärztlich habe behandeln lassen. Dementsprechend seien die in der Rechnung aufgeführten Leistungen erbracht worden.

Die Klägerin stützt sich auf die entsprechenden Aufzeichnungen und Unterschriften des Beklagten.

Sie beruft sich hinsichtlich ihrer Aktivlegitimation auf die anläßlich einer anderen Behandlung im Jahre 2000 von dem Beklagten unterzeichneten Erklärung vom 01.08.2000 (Anlage K 2 der Klageschrift, Bl. 6 der Akten)

"Ich erkläre mich ausdrücklich einverstanden mit der

- Weitergabe der zum Zwecke der Abrechnung und Geltendmachung jeweils

erforderlichen Informationen, insbesondere von Daten aus der Patientenkartei

(Name, Geburtsdatum, Anschrift, Befunde, Behandlungsdaten und -verläufe)

an das ZR Zahnärztliches Rechenzentrum Dr. G. GmbH.

- Abtretung der sich aus der Behandlung ergebenden Forderungen an das ZR.

- Weiterabtretung der Forderungen an das ZR an die refinanzierende Bank.

Diese Zustimmung gilt auch für zukünftige Behandlungen.

Ich wurde darüber aufgeklärt, daß das ZR die Leistungen meines Zahnarztes

mir gegenüber im eigenen Namen in Rechnung stellen und für eigene

Rechnung einziehen wird. Sollte es über die Berechtigung der Forderung

unterschiedliche Auffassungen geben, kann der Zahnarzt in einer etwaigen

Auseinandersetzung als Zeuge gehört werden.

Ich entbinde meinen Zahnarzt von seiner ärztlichen Schweigepflicht, soweit

dies für die Abtretung und Geltendmachung der Forderungen erforderlich ist.

Eine Mehrfertigung dieser Einverständniserklärung habe ich erhalten".

Auf sie wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.

Sie beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.414,89 EUR nebst

Zinsen hieraus seit dem 09.10.2003 in Höhe von 5 % über dem

Basiszins nach § 247 Abs. 1 BGB i. d. F des Schuldrechtsmoderni-

sierungsgesetz sowie 20,-- EUR vorgerichtliche Mahnkosten zu

zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er behauptet, er sei bei der Unterzeichnung des Privatbehandlungsvertrages überrumpelt worden. Ihm seien mehrere Unterlagen vorgelegt worden mit dem Hinweis, dass es nur noch um Unterschriften wegen der bereits genehmigten Heil- und Kostenplanbehandlung gehe.

Auch verweist der Beklagte darauf, dass - unstreitig - er einen sogenannten Eigenanteil sozialversicherungsrechtlicher Art aufgrund der Rechnung Nr. ......#/......- die nicht vorgelegt worden ist, bezahlt habe, und behauptet, diese rechnungsmäßig geltend gemachten Leistungen beträfen dieselbe Behandlung, die Dr. T nach der Behauptung der Klägerin aufgrund der privatrechtlichen, an die Stelle der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung getretenen Vereinbarung geltend mache.

Wie sich die Eigenanteilsrechnung mit der Abrechnung über die angebliche privatärztliche Behandlung verhalte, sei für den Patienten völlig unklar.

Er sei durch den Arzt nicht genügend aufgeklärt worden, dass er anstelle der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung eine reine Behandlung als Privatpatient in Auftrag gegeben habe.

Außerdem sei die im Jahre 2000 erteilte Einlegung überraschend und unwirksam.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Die Abtretung an die Klägerin ist bereits unwirksam gem. § 134 BGB i. V. m. § 4 a

Abs. 1 BDSG. Danach ist eine Einwilligung nur wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung des Betroffenen beruht. Der Betroffene, hier der Beklagte, um dessen persönliche Daten es geht, ist für den vorgesehenen Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung sowie, soweit nach den Umständen des Einzelfalls erforderlich oder auf Verlangen auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung hinzuweisen.

Die Einwilligung bedarf der Schriftform, soweit nicht wegen besonderer Umstände eine andere Form angemessen ist. Soll die Einwilligung zusammen mit anderen Erklärungen schriftlich erteilt werden, ist sie besonders hervorzuheben.

Hier fehlt es bei der Einwilligung bereits an der Angabe der Klägerin. Eine andere Unternehmung ist als Adressat in der Weiterleitung der persönlichen Daten genannt.

Es ist im Jahre 2000 überhaupt nicht absehbar gewesen, wie weit nach Abschluß der damaligen Behandlung möglicherweise in einer Behandlungskette im Jahre 2003 die Einwilligung in die spätere Weitergabe später erhobener Daten etwa über weitere Behandlungsumstände bereits erforderlich war. Außerdem fehlt es an dem Umstand, dass die Einwilligungserklärung besonders hervorgehoben ist. Die Erklärung (Anlage K 2 der Klageschrift) enthält nämlich neben der datenschutzrechtlichen Einwilligung weitere rechtlich erhebliche Erklärungen, nämlich dass der Zahnarzt in einer etwaigen Auseinandersetzung als Zeuge gehört werden kann, worüber der Patient aufgeklärt wurde, vor allem aber auch die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht. Zudem ist die Einwilligungserklärung völlig unbestimmt hinsichtlich der Weiterabtretung der Forderung durch das Rechenzentrum an eine nicht genannte refinanzierende Bank,

wobei jede Bank weltweit theoretisch in Frage käme, die auf die Art und Weise in die Patientendaten eingeweiht würde. Zudem ist die Erklärung als offensichtliche allgemeine Geschäftsbedingung - die Erklärung hat unstreitig auch gegenüber weiteren Patienten, wie den Angehörigen des Beklagten Anwendung gefunden - wegen Überraschungscharakter hinsichtlich aller zukünftigen Behandlungen unwirksam

(§ 3 AGB, heute 305 c BGB i. d. F. des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes).

Wie die Klägerin bereits selbst mit dem Zitat des BGH-Urteils vom 20.05.1992 (NJW 1992 2348, 2350) zu erkennen gibt, ist ihr auch bewußt, welche Anforderungen an Abtretungen und Einverständniserklärungen des Patienten erforderlich sind. Es fehlt nämlich daran, dass der Einwilligende eine im wesentliche zutreffende Vorstellung davon hat, worin er einwilligt und er vermag auch die Bedeutung und die Tragweite seiner Entscheidung gerade nicht zu überblicken. Das gilt jedenfalls für die zukünftigen Behandlungen, die ganz ohne jeglichen Zusammenhang mit der Anlassbehandlung im Jahre 2002 in der Zukunft stattfinden mögen. Es fehlt gerade auch die Angabe, aus welchem Anlaß und welche Zielsetzung er für die zukünftigen Behandlungen er welche konkreten Personen -hier unter anderem auch das Rechenzentrum hinsichtlich der Weitergabe an irgendwelche Banken- er von seiner Schweigepflicht entbindet. Insofern ist er auch nicht über Art und Umfang der Einschaltung Dritter unterrichtet worden.

Zudem ist die Klageforderung durch den unstreitig gewordenen Umstand, dass Behandlungen mit der Rechnungs-Nr. ......#/......abgerechnet worden sind und der Beklagte ausdrücklich geltend gemacht hat, dass es sich um dieselben Behandlungen handele, die nunmehr privatzahnärztlich abgerechnet werden, unschlüssig geworden. Es hätte der konkreten Darlegung bedurft, welche Behandlungen mit der Rechnung, die der Beklagte anzieht, und den streitgegenständlichen Rechnungen verbunden ist.

Die streitgegenständlichen Rechnungen lassen auch wie auch der bisherige Vortrag der Klägerin in keiner Weise erkennen, dass überhaupt neben diesen Rechnungen weitere Rechnungen über die zahnärztliche Behandlung existierten, geschweige denn, wie sich die Rechnungen voneinander abgrenzen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Das Urteil ist gem. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO vorläufig vollstreckbar.

Dr. C






AG Hagen:
Urteil v. 11.11.2004
Az: 10 C 275/04


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