Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. November 2003
Aktenzeichen: 8 W (pat) 29/00

(BPatG: Beschluss v. 04.11.2003, Az.: 8 W (pat) 29/00)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat mit Beschluss vom 4. November 2003 festgestellt, dass der vorherige Beschluss des Senats vom 8. Oktober 2003 unwirksam ist. In dem Beschluss vom 8. Oktober 2003 wurde die Anmeldung abgelehnt. Jedoch wurde die Zustellung an die falsche Person vorgenommen. Obwohl sich im Beschwerdeverfahren ein anderer Anwalt als Prozessbevollmächtigter der Anmelderin bestellt hatte, wurde die Entscheidung an die falsche Adresse an die Anmelderin persönlich zugestellt. Der eigentliche Prozessbevollmächtigte war zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben. Die neue Prozessbevollmächtigte hat angegeben, dass sie den Beschluss bis dahin nicht erhalten hatte und eine Weiterleitung seitens der Anmelderin verhindern wird. Aus diesem Grund ist die Zustellung mangels Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften unwirksam und konnte bisher nicht geheilt werden. Daher war es erforderlich, die Unwirksamkeit des vorherigen Beschlusses festzustellen, um den Schein einer rechtskräftigen Entscheidung zu beseitigen. Der Beschluss vom 8. Oktober 2003 wurde somit nicht wirksam erlassen. Die Feststellung der Unwirksamkeit ist auch nicht durch die Bindungswirkung gemäß § 318 ZPO gehindert, da diese erst ab Erlass einer Entscheidung eintritt, was hier nicht der Fall ist.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 04.11.2003, Az: 8 W (pat) 29/00


Tenor

Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Senats vom 8. Oktober 2003 unwirksam ist.

Gründe

I Am 8. Oktober 2003 hat der Senat im schriftlichen Verfahren einen verfahrensbeendenden Beschluss mit folgendem Tenor gefasst:

Die Anmeldung wird zurückgewiesen.

Entsprechend der Verfügung der Geschäftsstelle vom 9. Oktober 2003 wurde die Entscheidung am 16. Oktober 2003 (ausschließlich) der Anmelderin 1 unter der Adresse "Ingenieurbüro M..., Kiefernweg in M1..." zugestellt, obwohl sich im Beschwerdeverfahren Patentanwalt Dr. M2... als Prozessbevollmächtigter der Anmelder bestellt hatte.

Wie dem Gericht am 14. Oktober 2003 bekannt wurde, ist Dr. M2... am 9. Oktober 2003 verstorben. Die (nicht in der Kanzlei Dr. M2... & Kollegen tätige) nunmehrige Prozessbevollmächtigte hat in einem Telefonat vom 22. Oktober 2003 angegeben, der Beschluss vom 8. Oktober 2003 sei nach ihrer Kenntnis bis dato nicht an Frau M... zugestellt, jedenfalls aber nicht an sie, die Prozessbevollmächtigte, weitergeleitet worden; einen künftigen Zugang werde sie durch Rücksprache mit der Adressatin Frau M... verhindern.

II.

Der Beschluss des Senats vom 8. Oktober 2003 ist mangels gesetzmäßiger Zustellung nicht wirksam erlassen. Da eine Heilung des Zustellungsmangels bislang nicht eingetreten und auch für die Zukunft ausgeschlossen ist, war die deklaratorische Feststellung der Unwirksamkeit geboten, um den durch die fehlerhafte Zustellung gesetzten Anschein einer (mit Bindungswirkung ausgestatteten, § 318 ZPO) Endentscheidung zu beseitigen.

Im Einzelnen: Die Entscheidung bedarf, insofern sie im schriftlichen Verfahren ohne Verkündung (§ 94 S. 5 PatG) ergangen ist, zu ihrem Erlass der Zustellung an die Beteiligten. Ist ein Prozessbevollmächtigter für den Rechtszug bestellt, so hat die Zustellung an ihn zu erfolgen, § 127 Abs. 2 PatG (n.F.) i.V.m. § 172 Abs. 1 ZPO (n.F.). Ein Verstoß gegen die zwingende Norm des § 172 Abs. 1 ZPO zieht die Unwirksamkeit der Zustellung nach sich (Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 172 Rdnr. 13; vor § 166 Rdnr. 16, 18) - mit der Folge, dass auch die Entscheidung selbst noch nicht erlassen (§ 94 Abs. 1 PatG) und damit rechtlich noch nicht existent ist (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation BGH NJW 1996, S. 1969 f.).

So liegt der Fall hier: Da die Anmelder im Beschwerdeverfahren patentanwaltlich vertreten waren, hätte auch die Zustellung des Beschlusses vom 8. Oktober 2003 nach § 172 Abs. 1 ZPO zwingend an den Prozessbevollmächtigten bewirkt werden müssen. Soweit Dr. M2... bereits am 9. Oktober 2003 verstorben war, kann dies keine abweichende rechtliche Beurteilung dahingehend begründen, dass das in § 172 Abs. 1 ZPO normierte Gebot unbeachtlich gewesen und daher wirksam auch an die Beteiligten persönlich hätte zugestellt werden können. Denn der Umstand des Ablebens des Prozessbevollmächtigten war im Zeitpunkt der Zustellungsverfügung am 9. Oktober 2003 nicht aktenkundig.

Der Zustellungsmangel wurde auch nicht durch nachträglichen Zugang des Beschlusses an den Prozessbevollmächtigen als den wahren Adressaten geheilt, § 127 Abs. 2 PatG (n.F.) i.V.m. § 189 ZPO (n.F.). Soweit Dr. M2... betroffen ist, scheidet dies bereits angesichts der Chronologie der Ereignisse aus. Auch die nunmehrige Prozessbevollmächtigte Dr. L... hat angegeben, eine - bislang nicht stattgehabte - Weiterleitung des Beschlusses an sie zu unterbinden, so dass auch insoweit eine Heilung nach § 189 ZPO ausgeschlossen ist. Desgleichen liegen Anhaltspunkte für eine rückwirkende Genehmigung der fehlerhaften Zustellung bzw. für einen Rügeverzicht nicht vor.

Hat es demnach bei der Unwirksamkeit der Zustellung sein Bewenden, fehlt es auch an einem - nach § 94 Abs. 1 S. 5 PatG für die rechtliche Existenz der Entscheidung erforderlichen - Erlass des am 8. Oktober gefassten Beschlusses - mit der Folge, dass dieser Scheinbeschluss nicht wirksam geworden ist. Um allerdings den durch die (fehlerhafte) Zustellung an die Beschwerdeführerin 1 gesetzten Anschein zu beseitigen, war die Unwirksamkeit deklaratorisch festzustellen. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Senat an dieser Feststellung auch nicht aufgrund der Bindungswirkung des § 318 ZPO gehindert ist. Denn das dort normierte Abänderungsverbot greift erst mit (wirksamem) Erlass einer Entscheidung (§ 310 ZPO, § 94 PatG) ein - an dem es, wie oben dargelegt, hier gerade fehlt.

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BPatG:
Beschluss v. 04.11.2003
Az: 8 W (pat) 29/00


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