Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 4. März 2011
Aktenzeichen: 21 W 1/11

(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 04.03.2011, Az.: 21 W 1/11)

Tenor

Die sofortigen Beschwerden der Antragsteller zu 1) und 2) werden zurückgewiesen.

Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Vergütung des gemeinsamen Vertreters trägt die Antragsgegnerin. Die beschwerdeführenden Antragsteller haben jeweils zu gleichen Teilen die der Antragsgegnerin in der Beschwerdeinstanz entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Im Übrigen findet eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten nicht statt.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 200.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller waren Aktionäre der A € Aktiengesellschaft (im Folgenden A AG). Am 10. Juni 2002 schloss die Antragsgegnerin mit der A AG einen Verschmelzungsvertrag, wonach die A AG auf die Antragsgegnerin verschmolzen werden sollte. Bei beiden nicht börsennotierten Gesellschaften handelte es sich um Beteiligungsgesellschaften (vgl. Verschmelzungsbericht S. 15 und 18 ff.), die jeweils keinen eigenen Geschäftsbetrieb aufwiesen (Prüfbericht S. 15 f.). Die A AG verfügte darüber hinaus auch über keine Beteiligungen. Deren Aktien wurden vor der Verschmelzung im Freiverkehr gehandelt, für die Aktien der übernehmenden Antragsgegnerin bestand hingegen erst Mitte des Jahres 2003 die Möglichkeit einer Veräußerung im Freiverkehr. Mehrheitsgesellschafterin beider Verschmelzungspartner war die A KG aA. Diese verfügte über eine Beteiligung von 100 % an der Antragsgegnerin und über etwa 75 % an der A AG. Die restlichen knapp 25 % befanden sich im Streubesitz (vgl. Verschmelzungsbericht S. 9).

§ 4 des zwischen den Gesellschaften geschlossenen Verschmelzungsvertrages sah ein Umtauschverhältnis von vier Stückaktien der A AG zu einer Aktie der Antragsgegnerin sowie einen Spitzenausgleich von 1,17 € je Stückaktie der A AG vor, sofern die Stückzahl eines Aktionärs der A AG nicht durch vier teilbar sein sollte. Grundlage des festgesetzten Umtauschverhältnisses war ein zum 20. Juni 2002 ermittelter und im Verschmelzungsbericht näher erläuterter Unternehmenswert der A AG in Höhe von 2.421 TEUR bei einem Grundkapital von 2.080 TEUR und ein solcher der Antragsgegnerin von 18.740 TEUR bei einem Grundkapital von 4.000 TEUR. Beim Unternehmenswert der Antragsgegnerin wurde berücksichtigt, dass in diese rückwirkend zum 1. Januar 2002 eine Reihe von Beteiligungen an diversen Immobilienprojektgesellschaften eingebracht worden waren, deren Wert im Einzelnen auf S. 58 des Prüfberichts genannt ist.

Nachdem die Verschmelzungsprüferin, die Dr. B GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft, auf deren Prüfbericht ebenso wie auf den Verschmelzungsbericht Bezug genommen wird, das Umtauschverhältnis als angemessen bestätigt hatte, stimmten die Hauptversammlungen der beteiligten Aktiengesellschaften dem Verschmelzungsvertrag am 20. Juni 2002 zu. Daraufhin wurde die Verschmelzung am ... März 2003 in das Handelsregister der Antragsgegnerin eingetragen. Die Bekanntmachung der Verschmelzung erfolgte am ... April 2003.

Mit ihren allesamt vor dem 1. September 2003 bei Gericht eingegangenen Anträgen haben die Antragsteller die Festsetzung einer angemessenen baren Zuzahlung begehrt. Das Landgericht hat zunächst eine ergänzende Stellungnahme der sachverständigen Prüferin eingeholt, bezüglich deren Inhaltes auf Bl. 312 ff. d. A. Bezug genommen wird. Nach einer anschließenden mündlichen Anhörung des Sachverständigen (Bl. 334 ff. d. A.) hat die Kammer mit der angegriffenen Entscheidung den Antrag des Antragstellers zu 2) als unzulässig und die Anträge der Antragsteller zu 1) und 3) als unbegründet zurückgewiesen. Hierzu hat das Gericht im Wesentlichen ausgeführt, dass auf der Grundlage der für überzeugend gehaltenen Ausführungen der sachverständigen Prüferin das festgesetzte Umtauschverhältnis für angemessen erachtet werde (Bl. 431 ff. d. A.). So sei die übertragende Gesellschaft zutreffend mit dem Wert ihres Eigenkapitals bewertet worden. Zuschläge wegen der Handelbarkeit der Aktien im Freiverkehr vor der Verschmelzung seien nicht vorzunehmen gewesen. Auch die übernehmende Gesellschaft sei jedenfalls nicht zu hoch bewertet worden. Der Wert der Antragsgegnerin vor Übernahme der Objektgesellschaften habe sich € am Eigenkapital orientiert € auf 51.000 € belaufen. Nicht zu beanstanden seien ferner die zu dem Betrag hinzu addierten Ertragswerte der einzelnen, rückwirkend zum 1. Januar 2002 eingebrachten Objektgesellschaften.

Gegen diese Entscheidung haben die Antragsteller zu 1) und zu 2) sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung tragen die Antragsteller im Wesentlichen vor, das Landgericht habe zu Unrecht bei der Bewertung der übertragenden Gesellschaft deren Börsenkurs außer Acht gelassen. Ferner sei die übernehmende Gesellschaft zu hoch bewertet worden, weil die Grundstückswerte nicht richtig erfasst worden seien. Dabei habe das Landgericht nicht ausreichend von Amts wegen ermittelt. Zudem sei der Verschmelzungsprüfer befangen gewesen.

Die Antragsgegnerin verteidigt unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages die angefochtene Entscheidung. Ergänzend wird hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten auf die wechselseitigen Schriftsätze sowie die ihnen beigefügten Anlagen verwiesen.

II.

1. Die sofortigen Beschwerden sind zulässig. Sie sind formgerecht eingelegt worden. Ferner wurde die zweiwöchige Frist des § 22 Abs. 1 Satz 1 FGG iVm § 17 Abs. 1 Satz 1 SpruchG jeweils in der bis zum 31. August 2009 gültigen und hier aufgrund des Eingangs der Beschwerdeschriften nach dem 1. September 2003 anwendbaren (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 2 SpruchG) Fassung (im Folgenden a.F.) gewahrt (vgl. für den Antragsteller zu 1) Bl. 442 u. Bl. 455 sowie für den Antragsteller zu 2) Bl. 446 und Bl. 451).

2. Die Rechtsmittel haben in der Sache aber keinen Erfolg. Mit zutreffender Begründung, auf die ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Anträge nach § 15 UmwG auf Bestimmung einer baren Zuzahlung zurückgewiesen.

a) Wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, war der Antrag des Antragstellers zu 2) bereits unzulässig, weil dieser trotz entsprechender Aufforderung des Landgerichts nicht nachgewiesen hat, dass er bereits Anteilsinhaber der übertragenden Gesellschaft war. Stattdessen hat der Antragsteller zu 2) nur in Form der Vorlage einer Bankbescheinigung dargelegt, Anteilsinhaber der aufnehmenden Gesellschaft gewesen zu sein (vgl. Bl. 52 d. A.). Dies ist € wie das Landgericht überzeugend begründet hat € nicht ausreichend für den Nachweis der Antragsberechtigung, ohne dass der Antragsteller diesen Ausführungen des Landgerichts im Beschwerdeverfahren entgegen getreten wäre oder dass er nunmehr seine Berechtigung nachgewiesen hätte.

b) Auch die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zu 1) ist unbegründet, weil sich das im Verschmelzungsvertrag vorgesehene Umtauschverhältnis als angemessen erweist.

11aa) Das Umtauschverhältnis ist dann angemessen, wenn der Wert der Anteile am untergegangenen übertragenden Rechtsträger dem Wert der neuen Anteile am übernehmenden Rechtsträger entspricht bzw. über die Beteiligungsquote aller Anteilseigner am vereinigten Unternehmen die bisherige Investition sich nach der Verschmelzung im Wesentlichen fortsetzt (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 22. September 2009 € 20 W 20/06 -, Juris Rdn. 51; Beschluss vom 8. März 2006 € 20 W 5/05 -, Juris Rdn. 30 u. 33; BayObLGZ 2002, 400, 403; Semler/Stengel/Gehling, UmwG, § 15 Rn. 20; Bungert BB 2000, 1845, 1846; Maier-Reimer ZHR 164 (2000), 563, 564). Hierfür maßgeblich ist das Verhältnis der auf die jeweiligen Beteiligungen bezogenen anteiligen Unternehmenswerte der verschmolzenen Gesellschaften.

bb) Gegen die dem Umtauschverhältnis zugrunde gelegten Unternehmenswerte der beteiligten Gesellschaften bestehen keine durchgreifenden Bedenken.

aaa) Keinen Einwänden begegnet der an der Höhe des Eigenkapitals orientierte Wert der A AG von aufgerundet 2.422 TEUR. Da die Gesellschaft weder über Beteiligungen noch über einen aktiven Geschäftsbetrieb verfügte, bemaß sich ihr Wert € wie von den Antragstellern im Beschwerdeverfahren nicht mehr in Zweifel gezogen - ausschließlich anhand des vorhandenen Nettovermögens in Form von ausgereichten Darlehen.

bbb) Ebenso vermag sich der Senat den von den Antragstellern erhobenen Einwänden gegen den von der Antragsgegnerin ermittelten Unternehmenswert der übernehmenden Gesellschaft in Höhe von 18.740 TEUR nicht anzuschließen.

Dieser Wert errechnet sich aus der Summe des Nettovermögens der Antragsgegnerin in Höhe von 51.000 € zuzüglich der Ertragswerte der zusätzlich erworbenen Beteiligungen an insgesamt 6 Immobilienobjektgesellschaften in einer Gesamthöhe von gerundet 18.689 TEUR. Die Werte dieser Objektgesellschaften sind jeweils anhand des Ertragswertverfahrens methodisch einwandfrei sowie hinsichtlich der konkret angenommenen Erträge und Kosten realistisch von der Antragsgegnerin zum Bewertungsstichtag ermittelt sowie von der sachverständigen Prüferin gebilligt worden.

Konkrete Einwände gegen die im Übertragungs- und Prüfbericht näher dargelegten sowie die vom Landgericht sodann durch Einholung einer ergänzenden schriftlichen und mündlichen Stellungnahme der sachverständigen Prüferin zusätzlich erläuterten Bewertungsansätze machen die Antragsteller im Beschwerdeverfahren nicht mehr geltend. Demgegenüber vermögen die vornehmlich allgemein gehaltenen Ausführungen weder zu einer anderen Bewertung der Antragsgegnerin durch den Senat auf der Grundlage der vorliegenden Informationen zu führen, noch lassen sich hiermit weitergehende Ermittlungen von Amts wegen begründen.

Dabei können entgegen der Auffassung der Antragsteller und des gemeinsamen Vertreters die Ausführungen der sachverständigen Prüferin zum Unternehmenswert der übernehmenden Gesellschaft als Grundlage für eine Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO dienen.

Die Darstellung ist plausibel und hinreichend nachvollziehbar. Insbesondere sind die einzelnen Bewertungsparameter in einer Art und Weise offen gelegt worden, die € wie erforderlich € die Minderheitsaktionäre in die Lage versetzte, konkrete Einwände gegen die Bewertung zu formulieren. Dass sie diese Gelegenheit über die bereits in erster Instanz einer weiteren Klärung zugeführten Aspekte hinaus nicht genutzt haben, geht zu ihren Lasten. Entsprechend besteht keine Notwendigkeit einer umfassenden Neubewertung.

Ebenso ergibt sich keine Unbrauchbarkeit der Prüfungsunterlagen aus der von den Antragstellern geltend gemachten Befangenheit der sachverständigen Prüferin. Durchgreifende Gesichtspunkte für eine Befangenheit im Sinne von § 319 HGB in der bis zum 9. Dezember 2004 gültigen Fassung (im Folgenden a.F.) sind nicht ersichtlich.

Keine Befangenheit folgt aus dem Umstand, dass die sachverständige Prüferin unter anderem als Abschlussprüferin bei den fusionierenden Gesellschaften tätig war (vgl. KK/Simon, UmwG, § 11 Rdn. 9; Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 11 Rdn. 4; Kallmeyer/Müller, UmwG, 4. Aufl., § 11 Rdn. 5; grundsätzlich ebenso Stratz, in: Schmitt/Hörtnagel/Stratz, UmwG, 5. Aufl., § 11 Rdn. 3, sowie für den umgekehrten Fall BGH, NJW 2003, 970, 971; LG München, ZIP 1999, 2152, 2154). Dies ergibt sich bereits aus dem Unterschied zwischen den geplanten Barwerten des im Rahmen der Unternehmensbewertung zu erstellenden Ertragswertgutachtens und den Ist-Zahlen der Jahresabschlussrechnung (vgl. BGH, NJW 2003, 970, 972).

Dass die Prüferin Steuerberatungsleistungen erbracht hat, die sich auf den Verschmelzungsvertrag unmittelbar und nicht nur unwesentlich ausgewirkt haben, ist von den Antragstellern nicht dargelegt worden und resultiert auch nicht allein daraus, dass die Prüferin die Steuererklärungen für die Antragsgegnerin erstellte ( vgl. dazu Kallmeyer/Müller, UmwG, 3. Aufl., § 11 Rdn. 6).

Ferner ergibt sich aus dem Umstand, dass die sachverständige Prüferin zuvor die Werthaltigkeit einiger der in die Antragsgegnerin eingebrachten Projektgesellschaften einschließlich deren Grundstücke als Sacheinlage- und Nachgründungsprüferin geprüft hat, keine mangelnde Verwertbarkeit ihres Prüfberichts im vorliegenden Spruchverfahren. Eine Selbstprüfung entsprechend § 319 Abs. 2 Nr. 5 HGB a.F. in dem Sinne, dass die Verschmelzungsprüferin mit der Abfassung des Verschmelzungsvertrages oder Vorbereitungshandlungen hierzu befasst gewesen wäre (vgl. dazu Kallmeyer/Müller, UmwG, 4. Aufl., § 11 Rdn. 5), ergibt sich hieraus nicht, denn weder die Sacheinlage- noch die Nachgründungsprüfung waren eine Vorbereitung des Verschmelzungsvertrages. Unabhängig davon war zwar die sachverständige Prüferin durch ihre Bestellung gehalten, im Rahmen der Bewertung der am Verschmelzungsvertrag beteiligten Gesellschaften teilweise eigene frühere Werthaltigkeitsaussagen einer erneuten Überprüfung zuzuführen. Gleichwohl gibt dies keinen Anlass für eine komplette Neubewertung der beteiligten Gesellschaften. Denn bereits zuvor war die sachverständige Prüferin, die damals als Sacheinlageprüferin gemäß § 183 Abs. 3 AktG und als Nachgründungsprüferin gemäß § 52 Abs. 4 AktG, jeweils in Verbindung mit §§ 33 f. AktG, eingesetzt war, in der Rolle einer unabhängigen, vom Gericht bestellten Prüferin tätig. Entsprechend war sie keine Gehilfin der Antragsgegnerin, sondern erfolgte nur eine partielle Vorbefassung als unabhängige Sachverständige und beschränkte sich hierauf auch die erneute Prüfung. Der Verdacht einer Parteinahme für die Antragsgegnerin vermag aus einem solchen Umstand nicht zu resultieren (vgl. zu diesem Aspekt Kallmeyer/Müller, UmwG, 4. Aufl., § 11 Rdn. 5). Zwar ist zu konstatieren, dass eine Korrektur der im Rahmen der Tätigkeit als Nachgründungsprüferin gewonnenen eigenen Ergebnisse nunmehr in der Rolle als Verschmelzungsprüferin unwahrscheinlich ist. Jedoch ist in dem € wenngleich hier bei der Bestellung noch nicht einschlägigen, für Wertungsfragen aber dennoch heranziehbaren - Spruchverfahrensgesetz eine derartige Überprüfung eigener Ergebnisse in der Rolle als gerichtlich bestellte Sachverständige als Möglichkeit vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehen (vgl. BTDrucks 15/371 S. 15). Zudem soll die sachverständige Prüferin erneut im gerichtlichen Verfahren insbesondere zur Klärung offener Fragen schriftlich und mündlich befragt werden, wobei hiervon dem Willen des Gesetzgebers zufolge zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung sogar vorrangig Gebrauch zu machen ist (vgl. BTDrucks 15/371 S. 15). Jeweils erfolgt dabei eine nochmalige Prüfung eigener Ergebnisse. Entsprechend dieser Wertung des Gesetzgebers des Spruchverfahrensgesetzes lässt sich allein aus der als unabhängige Nachgründungsprüferin resultierenden Vorbeschäftigung mit einigen Bewertungsfragen, die keine Mitwirkung an dem Verschmelzungsvertrag darstellt, keine fehlende Verwertbarkeit der Prüfungsunterlagen ableiten.

Entsprechendes gilt für den Einsatz der Verschmelzungsprüferin als Nachgründungsprüferin im Rahmen des Abschlusses des Verschmelzungsvertrages. Der Umstand, dass auf den vorliegenden Verschmelzungsvertrag gemäß § 67 AktG die Nachgründungsvorschriften des § 52 AktG Anwendung fanden, begründete die gesetzliche Verpflichtung zu einer Nachgründungsprüfung. Dass die hiermit zur Verschmelzungsprüfung zusätzlich erforderliche Nachgründungsprüfung von unterschiedlichen Prüfungsgesellschaften durchgeführt werden müsste, ist gesetzlich nicht geboten. Im Gegenteil liegt zum Zwecke der Beschleunigung des Prozesses sowie der Kostenersparnis die Bestellung derselben Prüferin nahe und wird vom Schrifttum allgemein gebilligt (vgl. Kallmeyer/Marsch-Barner, UmwG, 4. Aufl., § 67 Rdn. 7; Lutter/Grunewald, UmwG, 4 Aufl., § 67 Rdn. 14; KK/Simon, UmwG, § 67 Rdn. 23).

Überdies folgen keine Bedenken an der ordnungsgemäßen Erfüllung des Prüfauftrages durch die gerichtlich bestellte Prüferin aus dem Umstand, dass gegen die von ihr geprüften Konzernabschlüsse der Geschäftsjahre 2002 und 2003 eine Nichtigkeitsklage erhoben worden ist. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Klage mittlerweile rechtskräftig abgewiesen worden ist (vgl. BGH, AG 2008, 325; OLG Frankfurt, Urteil vom 21. November 2006 € 5 U 115/05 -, AG 2007, 282) und andernfalls € worauf die Antragsgegnerin zutreffend hinweist € es die Minderheitsaktionäre in der Hand hätten, die gerichtliche Bestellung der Verschmelzungsprüferin zu unterlaufen, indem sie im Ergebnis unbegründete Klagen gegen Jahres- oder Konzernabschlüsse erheben, mit denen die bestellte Prüferin befasst war.

Schließlich bedurfte es auch keiner weiteren Ermittlungen von Amts wegen, konnte sich vielmehr das Landgericht entgegen der Auffassung der Antragstellerin zu 1) über eine inhaltliche Kontrolle der eingereichten Bewertungsunterlagen hinaus auf eine vertiefte Auseinandersetzung mit den von den Antragstellern erhobenen Bewertungsrügen konzentrieren. Anderes ergibt sich nicht aus dem zutreffenden Hinweis der Antragstellerin, dass auf das vorliegende Spruchstellenverfahren das Spruchverfahrensgesetz mit den darin enthaltenen Einschränkungen des Amtsermittlungsgrundsatzes noch keine Anwendung findet, § 17 Abs. 2 Satz 1 SpruchG. Denn bereits nach dem bisherigen, hier anwendbaren Recht bestand für die Gerichte im Spruchstellenverfahren als streitigem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit keine Pflicht zu Ermittlungen ins Blaue hinein ohne ausreichende Anhaltspunkte im Vortrag der Beteiligten (vgl. BGHZ 16, 378, 383 f.; KK/Puszkajler, Vorb. §§ 7 bis 11 SpruchG, Rdn. 20; Simon/Winter, SpruchG, Vor § 7 Rdn. 12.). Entsprechend bedarf es nur dort weitergehender Ermittlungen, wo der Vortrag der Beteiligten Anlass dazu bietet.

Dieser sich aus dem Amtsermittlungsgrundsatz resultierenden Aufklärungspflicht ist das Landgericht ordnungsgemäß nachgekommen, indem es zu den sich aus dem Vorbringen der Antragsteller und insbesondere des gemeinsamen Vertreters ergebenden Unklarheiten die sachverständige Prüferin schriftlich und mündlich angehört hat und € zutreffend - auf dieser Grundlage die erhobenen Einwände für ausgeräumt erachtet hat, wobei insoweit auf die erstinstanzlichen Ausführungen verwiesen werden kann. Zusätzlicher Ermittlungen bedurfte es mangels Anhaltspunkte hierzu im Vortrag der Antragsteller entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer nicht, zumal diese hierzu im Beschwerdeverfahren ebenfalls keine weiteren, konkreten Gesichtspunkte hinzugefügt haben.

Demgegenüber sind die von der Antragstellerin zu 1) nach der Anhörung der sachverständigen Prüferin vorgebrachten Einwände ersichtlich nicht durchgreifend bzw. für die Bewertung der verschmolzenen Gesellschaften ohne merkbare Relevanz. Soweit die Antragsstellerin zu 1) sich pauschal gegen die in Ansatz gebrachten Liegenschaftszinsen wendet, steht dem nicht nur die Beurteilung der Verschmelzungsprüferin entgegen. Vielmehr setzt die Antragstellerin sich darüber hinaus auch in Widerspruch zu der Einschätzung des Vertreters der außenstehenden Aktionäre, wonach die Zinsen bei den einzelnen Immobilien in realistischer Höhe von der Antragsgegnerin veranschlagt worden seien. Anlass, an der Angemessenheit der Höhe der Liegenschaftszinsen zu zweifeln, besteht vor diesem Hintergrund für den Senat nicht. Im Übrigen wirken sich die vorgebrachten Einwände auf die Verschmelzungsrelation bereits nicht merkbar aus. Dies gilt für den Einwand eines Barwertes der laufenden Gesellschaftskosten von 200.000 DM statt 142.857 DM ebenso wie für die Bedenken betreffend zu geringe Verwaltungskosten von nur einem Prozent bei dem Objekt C (C K GmbH) oder für den Einwand, der Wert der E GmbH sei zu hoch. Alle vorerwähnten Einwände zusammengenommen ergeben selbst in der Summe nur eine Abweichung des Umtauschverhältnisses von weniger als vier Prozent und sind damit in Anbetracht der Unsicherheit bei jeder Unternehmenswertermittlung, die sich im Rahmen der Bildung einer Verschmelzungswertrelation sogar noch potenziert, zu vernachlässigen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 26. August 2009 € 5 W 49/09 -, Juris Rdn. 34).

Zudem war auch nicht im Wege weiterer Ermittlungen von Amts wegen der Anregung des gemeinsamen Vertreters zur Beiziehung der Gerichtsakten betreffend das in der Berufungsinstanz unter dem Aktenzeichen 5 U 115/06 geführte Verfahren nachzugehen. Eine Entscheidungserheblichkeit der dort gewonnenen Erkenntnisse für das hiesige Spruchverfahren und insbesondere für die Bewertung der an der Verschmelzung beteiligten Unternehmen ist weder aufgezeigt noch ersichtlich. Unabhängig davon, dass die Bedeutung der etwaigen, in dem dortigen Verfahren vom Antragsteller zu 3) geltend gemachten Nichtigkeit späterer Konzernabschlüsse für die hiesige Bewertung ohnehin nicht plausibel ist - die Irrelevanz ergibt sich bereits daraus, dass die Unternehmenswerte der Beteiligungsgesellschaften aus den jeweiligen Jahresabschlüssen der Objektgesellschaften für das Jahr 2001 abgeleitet worden sind, in dem genannten Klageverfahren hingegen die Fehlerhaftigkeit der Konzernbilanzen für die Jahre 2002 und 2003 wegen unzutreffender Ausweisung der Kapitalrücklagen geltend gemacht wird -, wurde zudem die Klage aus vorwiegend formalen Gründen, nämlich der mangelnden Übertragbarkeit der in § 256 AktG verankerten Grundsätze auf einen Konzernabschluss, abgewiesen (vgl. BGH, AG 2008, 325; OLG Frankfurt, Urteil vom 21. November 2006 € 5 U 115/05 -, AG 2007, 282). Aus den genannten Erwägungen lassen sich keine Erkenntnisse für die Bewertung der beiden verschmolzenen Gesellschaften ableiten.

ccc) Auf der Grundlage der nach § 287 Abs. 2 ZPO vom Senat überprüften Schätzung der Unternehmenswerte der Antragsgegnerin als übernehmender Gesellschaft in Höhe von 18.740 TEUR und der A AG als übertragender Gesellschaft in Höhe von 2.422 TEUR sowie ferner unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das Grundkapital der Gesellschaften in 4.000.000 respektive 2.080.000 auf den Inhaber lautende Stückaktien mit einem rechnerischen Anteil am Grundkapital von jeweils einem Euro eingeteilt ist, ergibt sich hieraus € wie im Verschmelzungsvertrag vorgesehen - ein Umtauschverhältnis von einer Stückaktie der A AG zu vier Aktien der Antragsgegnerin. Da sich hierdurch die Investition der Antragsteller wertmäßig gleichbleibend an der übernehmenden Gesellschaft nach der Verschmelzung fortsetzt, ist das Umtauschverhältnis angemessen, bedarf es zu seiner Korrektur keiner baren Ausgleichszahlung.

ddd) Dieses Ergebnis ist keiner Modifikation aufgrund eines höheren Börsenwertes der übertragenden Gesellschaft zuzuführen.

Insoweit ist bereits fraglich, ob die Börsenkursrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die anhand des Abschlusses eines Unternehmensvertrages entwickelt wurde, überhaupt auf Verschmelzungen Anwendung findet (vgl. BVerfG, NJW 2007, 3266, 3267 mwNachw). Eine mangelnde Übertragbarkeit ergibt sich zwar vorliegend nicht bereits aus einem fehlenden Konzernkonflikt im Fall einer Verschmelzung voneinander unabhängiger Gesellschaften (vgl. dazu OLG Stuttgart, AG 2006, 421; BayObLG, BB 2003, 275, 277 ff.). Denn bei der hier vorliegenden Verschmelzung zweier Schwestergesellschaften hat aufgrund der spezifischen Beteiligungsstruktur die Mehrheitsgesellschaft der übertragenden A AG, die zugleich Alleingesellschafterin der übernehmenden Antragsgegnerin ist, anders als die Minderheitsgesellschafter der übertragenden Gesellschaft ein wirtschaftliches Interesse an einem möglichst geringen Umtauschverhältnis von Aktien der A AG in Aktien der Antragsgegnerin. Entsprechend besteht vorliegend ein Bedürfnis der Minderheitsgesellschafter nach verfassungsrechtlicher Absicherung ihrer Eigentumsposition. Gleichwohl können einer Übertragbarkeit die eventuell ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Interessen der Aktionäre der übernehmenden Gesellschaft entgegenstehen (hierauf abstellend OLG Stuttgart, AG 2007, 705).

Die vorstehend angerissene Fragestellung kann aber dahingestellt bleiben. Einer Heranziehung des Börsenkurses der übertragenden Gesellschaft zur Ermittlung des angemessenen Umtauschverhältnisses steht nämlich vorliegend nicht nur der Grundsatz der Methodengleichheit entgegen (vgl. OLG München, Beschluss vom 14.05.2007 - 31 Wx 87/06 -, Juris Rdn. 34; OLG Stuttgart AG 2006, 420/427; OLG Karlsruhe AG 2006, 463/464; OLG Düsseldorf AG 2003, 329/334; BayObLGZ 2002, 400/403; Piltz ZGR 2001, 185/209 f.; Lutter/Drygalla § 5 UmwG Rn. 25 f; Widmann/Mayer § 5 UmwG Rn. 100.1; Paschos ZIP 2003, 1017, 1024). Vielmehr entbehrt der Börsenkurs darüber hinaus jeglicher Aussagekraft, weswegen er auch aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zur Wahrung der Rechte der Minderheitsaktionäre herangezogen werden muss (vgl. BVerfGE 100, 289, 309).

Dies gilt ohnehin, wenn man den Börsenkurs nur dann als Untergrenze heranzieht, wenn er den Verkehrswert des Unternehmensanteils zuverlässig widerspiegelt (vgl. dazu etwa Simon/Leverkus, in: Simon, SpruchG, Anh § 11 Rdn. 209 ff.). Die im maßgeblichen Zeitraum bestehende sehr geringe Marktliquidität mit den damit verbundenen, teilweisen hohen Kurssprüngen von mehrmals über 10 %, einmal sogar 20 %, von einem Handelstag auf den anderen bedingen, dass der Kurs nicht als Verkehrswert der Aktien angesehen werden kann.

Dem Börsenkurs fehlt es aber auch dann an Relevanz, wenn man mit Blick auf das verfassungsrechtlich tragende Argument einer freien Deinvestitionsentscheidung allein auf die Möglichkeit des Minderheitsaktionärs abstellt, seine Aktien zu dem festgestellten Börsenkurs veräußern zu können (so etwa OLG München, Beschluss vom 11. Juli 2006 € 31 Wx 41/05 u.a. -, Juris Rdn. 22 f.). Aufgrund des extrem geringen Handelsvolumens € die Aktie der A AG wurde in dem Zeitraum vom 1. März 2002 bis zum Bewertungsstichtag lediglich an sechs Tagen mit einer durchschnittlichen Stückzahl von weniger als 650 Aktien gehandelt, was insgesamt weit weniger als ein Prozent des gesamten Streubesitzes ausmacht € ist eine realistische Möglichkeit zur Veräußerung zu einem hieraus abgeleiteten Durchschnittskurs praktisch ausgeschlossen. Hinzu kommt vorliegend noch erschwerend, dass es sich bei den notierten Kursen € von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen € nicht nur vorwiegend um Taxkurse ohne Umsätze gehandelt hat. Die übrigen Kursnotierungen beinhalteten fast ausschließlich Briefkurse und damit Kurse, zu denen zwar ein Angebot, aber keine entsprechende Nachfrage bestand. Hieraus folgt, dass zu den Kursnotierungen gerade keine Möglichkeit bestand, die Aktien zu veräußern, weswegen sie auch - unabhängig von den bereits angesprochenen Problemen - nicht zur Gewährleistung einer freien Deinvestitionsentscheidung des Minderheitsaktionärs bei der Bildung der Verschmelzungsrelation zu berücksichtigten waren.

3. Die Verteilung der Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 15 SpruchG in Verbindung mit § 17 Abs. 2 SpruchG sowie auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG in Verbindung mit § 17 Abs. 1 SpruchG jeweils a.F.

Die Gerichtskosten einschließlich der Vergütung des gemeinsamen Vertreters waren gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 SpruchG der Antragsgegnerin aufzuerlegen. Es entsprach nicht der Billigkeit, von der Ausnahmeregelung in § 15 Abs. 2 Satz 2 SpruchG Gebrauch zu machen.

Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der antragstellenden Beschwerdeführer findet nicht statt, da dies aufgrund der Erfolglosigkeit des Rechtsmittels ebenfalls nicht der Billigkeit entsprochen hätte, § 15 Abs. 4 SpruchG. Demgegenüber haben die Antragsteller die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin zu gleichen Teilen zu tragen. Dies ergibt sich aus § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG a. F., der im Beschwerdeverfahren über die allgemeine Verweisungsnorm des § 17 Abs. 1 SpruchG zur Anwendung gelangt (vgl. OLGR Düsseldorf 2009, 438, 443; OLG Zweibrücken, ZIP 2005, 948, 951 sowie KK/Rosskopf § 15 Rdn. 53, Simon/Winter, SpruchG, § 15 Rdn. 103, jeweils mwNachw).

Die Kosten des gemeinsamen Vertreters können derzeit nicht festgesetzt werden, weil sie noch nicht geltend gemacht worden sind. Nach § 6 Abs. 2 SpruchG gehört dazu ein Verlangen des gemeinsamen Vertreters, das bislang nicht gestellt worden ist. Überdies ist die Höhe der Auslagen nicht bekannt.

Die Festsetzung des Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 15 Abs. 1 Satz 2 SpruchG. Da es zu keiner Erhöhung der festgesetzten Abfindung gekommen ist, war der gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 SpruchG vorgesehene Mindestbetrag in Höhe von 200.000 € anzusetzen.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.






OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 04.03.2011
Az: 21 W 1/11


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