Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. Juli 2001
Aktenzeichen: 15 W (pat) 24/00

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse C 07 D des Deutschen Patent- und Markenamts vom 3. April 2000 aufgehoben und das Patent erteilt.

Bezeichnung : Verfahren zur Herstellung von optisch reinem (2S, 3S) -2,3-Dihydro-3-hydroxy-2- (4-methoxyphenyl) -1,5- benzothiazepin-4 (5H) - on Anmeldetag: 11. Juli 1990.

Die Priorität der Anmeldung in Italien Nr. 21166 A/89 vom 12. Juli 1989 ist in Anspruch genommen.

Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 bis 3, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 23. Juli 2001 Beschreibung Seiten 1 bis 7, einschließlich Beiblatt 1 und 2, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 23. Juli 2001.

Gründe

I.

Die Anmelderin reichte am 11. Juli 1990 beim Deutschen Patentamt eine Patentanmeldung mit der Bezeichnung

"Reinigungsverfahren"

ein, die am 17. Januar 1991 in Form der DE 40 21 999 A1 veröffentlicht wurde.

Mit Beschluß vom 3. April 2000 wies die Prüfungsstelle für Klasse C 07 D des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung zurück. Dem Beschluß lagen die am 27. August 1999 eingegangenen Patentansprüche 1 bis 3 zugrunde. Der Patentanspruch 1 hatte folgenden Wortlaut:

"1. Verfahren zur Herstellung von optisch reinem (2S, 3S)-2,3-Dihydro-3-hydroxy-2-(4-methoxyphenyl)-1,5-benzothiazepin-4(5H)-on, dadurch gekennzeichnet, daß man ein Enantiomeren-Gemisch von threo-2-Hydroxy-3-(2-aminophenylthio)-3-(4-methoxyphenyl)-propionsäure oder einen Ester hiervon mit einem Enantiomeren-Verhältnis von (2S,3S):(2R,3R) von über 75:25 in einem aromatischen Kohlenwasserstoff cyclisiert, zur heißen Cyclisationsmischung eine geeignete Menge eines dipolaren, aprotischen Lösungsmittels hinzufügt, die Mischung auf Raumtemperatur abkühlen läßt und gegebenenfalls nach Zugabe von Impfkristallen das Produkt auskristallisiert."

Die Zurückweisung der Anmeldung wurde hauptsächlich damit begründet, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 unter Berücksichtigung des Standes der Technik auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Gegen diesen Beschluß hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt und in der mündlichen Verhandlung am 23. Juli 2001 neue Unterlagen mit 3 Patentansprüchen eingereicht, die wie folgt lauten:

1. Verfahren zur Herstellung von optisch reinem (2S, 3S) -2,3-Dihydro-3-hydroxy-2-(4-methoxyphenyl)-1,5-benzothiazepin-4(5H)-on, wobei manein Enantiomeren-Gemisch von threo-2-Hydroxy-3-(2-aminophenylthio)-3-(4-methoxyphenyl)-propionsäure oder den Methylester hiervon mit einem Enantiomeren-Verhältnis von (2S,3S):(2R,3R) von 90:10 in Anwesenheit von p-Toluolsulfonsäure in einem aromatischen Kohlenwasserstoff oder Chlorbenzol oder o-Dichlorbenzol cyclisiert, zur heißen Cyclisationsmischung eine geeignete Menge eines dipolaren, aprotischen Lösungsmittels hinzufügt, die Mischung auf Raumtemperatur abkühlen läßt, nach Zugabe von Impfkristallen des reinen (2S,3S)-Enantiomeren das Produkt auskristallisiert, unddas optisch reine Produkt in Form von Kristallen abfiltriert.

2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der aromatische Kohlenwasserstoff Xylol oder Toluol ist.

3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß das aprotische, dipolare Lösungsmittel Dimethylsulfoxid, Dimethylformamid oder Sulfolan ist.

Zur Begründung ihrer Beschwerde hat die Anmelderin im wesentlichen vorgetragen, daß das beanspruchte Verfahren durch den entgegengehaltenen Stand der Technik weder vorweggenommen noch nahegelegt werde. Dies gelte sowohl für die im Prüfungsverfahren genannten Druckschriften (1) EP 395 323 A1, (2) EP 395 302 A1, (3) EP 378 455 A1 und (4) EP 343 474 A2, die lediglich als Stand der Technik gemäß § 3 Abs 2 PatG zur Neuheit zu berücksichtigen seien, als auch für die vom Senat in das Verfahren eingeführten vorveröffentlichten Entgegenhaltungen (8) GB 21 39 620 A, (9) US 45 67 175 und (10) US 45 90 188.

Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent zu erteilen auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 3, überreicht in der mündlichen Verhandlung und der Beschreibung Seiten 1 bis 7 einschließlich Beiblatt 1 und 2, ebenfalls überreicht in der mündlichen Verhandlung.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und unter Berücksichtigung des nunmehr vorliegenden Patentbegehrens auch begründet.

Bezüglich ausreichender Offenbarung der Gegenstände der Patentansprüche 1 bis 3 bestehen keine Bedenken, da deren Merkmale aus den ursprünglichen Unterlagen herleitbar sind (vgl Erstunterlagen S 4 Z 1 bis 12 iVm Schema 1, S 3 Z 19 bis 24, Beispiel 17 und Anspruch 4)

Die Neuheit des Verfahrens gemäß Patentanspruch 1 ist anzuerkennen.

Gegenstand dieses Anspruchs ist ein:

(1) Verfahren zur Herstellung von optisch reinem (2S, 3S)-2,3-Dihydro-3-hydroxy-2-(4-methoxyphenyl)-1,5-benzothiazepin-4(5H)-on, wobei man

(2) ein Enantiomerengemisch von threo-2-Hydroxy-3-(2-aminophenylthio)-3-(4-methoxyphenyl)-propionsäure

(2.1) oder den Methylester hiervon

(2.2) mit einem Enantiomeren-Verhältnis von (2S, 3S):(2R, 3R) von 90:10

(3) in Anwesenheit von p-Toluolsulfonsäure

(4) in einem aromatischen Kohlenwasserstoff oder

(4.1) Chlorbenzol oder

(4.2) o-Dichlorbenzol cyclisiert

(5) zur heißen Cyclisierungsmischung eine geeignete Menge eines dipolaren aprotischen Lösungsmittels hinzufügt

(6) die Mischung auf Raumtemperatur abkühlen läßt

(7) nach Zugabe von Impfkristallen des reinen (2S, 3S) -Enantiomeren das Produkt auskristallisiert und

(8) das optisch reine Produkt in Form von Kristallen abfiltriert.

Die im Prüfungsverfahren genannten europäischen Anmeldungen EP 395 323 A1 (1), EP 395 302 A1 (2), EP 378 455 A1 (3) und EP 343 474 A2 (4) sind als Stand der Technik gemäß § 3 Abs 2 Satz 2 PatG nur bei der Beurteilung der Neuheit des Anmeldungsgegenstandes heranzuziehen.

Die gemäß (2) herzustellenden 1,5 - Benzothiazepin-Derivate unterscheiden sich bereits in ihrem Substitutionsmuster (vgl dort Anspruch 1, die Bedeutungen für R1 und R2) vom hier herzustellenden Benzothiazepin gemäß Merkmal (1).

Die Cyclisierung der optisch vorgereinigten Propionsäurevorstufe gemäß den Merkmalen (2), (3) und (4), in einem aromatischen Kohlenwasserstoff bzw in Dichlorbenzol in Gegenwert von p-Toluolsulfonsäure zum Benzothiazipin-Endprodukt gemäß Merkmal (1) wird zwar ua in den Druckschriften (1), (3) und (4) beschrieben (vgl (1) Anspruch 1 und Beispiel 1, (3) Ansprüche 1, 2, 4, 5 und 7 iVm Beispiel 1, sowie (4) Beispiel 14B). Dort findet sich indessen weder das Merkmal (2.2) wonach das Enomtiomerenverhältnis von (2S, 3S):(2R, 3R) im Propionsäureausgangsmaterial 90:10 betragen soll, noch das Merkmal (5) des vorliegenden beanspruchten Verfahrens, wonach man zur heißen Cyclisierungsmischung eine geeignete Menge eines dipolaren aprotischen Lösungsmittels hinzufügt.

Ebensowenig sind diese Merkmale (2.2) und (5) dem vorveröffentlichte Stand der Technik gemäß GB 21 39 620A (8), US 45 67 175 (9) und US 45 90 188 (10) zu entnehmen. Darüber hinaus fehlt dort auch das anmeldungsgemäße Merkmal (3) wonach die Cyclisierung in Anwesenheit von p-Toluolsulfonsäure durchgeführt wird (vgl (8) S 2 Z 40 bis 55 iVm S 4 Z 24 bis 29 und Z 66 bis 70, (9) Sp 8 Z 65 bis Sp 9 Z 3, Sp 21, Z 32 bis 40 und Sp 21 Preparation 4 insbes Sp 22 Z 44 bis 50 und (10) Sp 6 Z 23 bis Sp 7 Z 16 und Sp 29 Z 49 bis 60).

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist von der Aufgabe auszugehen ein Verfahren zur Herstellung von (2S, 3S)-2,3-Dihydro-3-hydroxy-2-(4-methoxyphenyl)-1,5-benzothiazepin-4(5H)-on bereitzustellen, bei dem man diese Verbindung in optisch reiner Form und in sehr guter Ausbeute erhält.

Gelöst wird diese Aufgabe durch das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 mit den vorstehenden Merkmalen (1) bis (8).

Wie aus den vorveröffentlichten Druckschriften hervorgeht, ist es auf dem vorliegenden Fachgebiet üblich, zur Herstellung derartiger 1,5 - Benzothiazepin-Derivate in optisch reiner Form die dazu erforderlich Racemat-Trennung an der threo-Propionsäure-Vorstufe entsprechend der Formel V gemäß vorliegendem Schema 1 durchzuführen. Das dabei angereicherte (2S, 3S) - Enantiomere analog der Formel V-Threo wird anschließend durch Rückflußkochen, zB in Xylol cyclisiert. Das bei dieser Cyclisierung anfallende 1,5-Benzothiazepin-Derivat zB aus Essigsäureethylester oder aus einer Mischung aus Dimethylformamid und Ethanol umzukristallisieren, entspricht dabei ebenfalls dem üblichen fachmännischen Vorgehen. Im einzelnen wird auf (8) (vgl S 2 Z 40 bis 55 iVm S 4 Z 24 bis 29 und Z 66 bis 70), (9) (Sp 8 Z 65 bis Sp 9 Z 3, Sp 21 Z 32 bis 40 und Sp 21 Preparation 4 insbes Sp 22 Z 44 bis 50) und (10) (vgl Sp 6 Z 23 bis Sp 7 Z 16 und Sp 29 Z 49 bis Sp 30 Z 40) verwiesen.

In keiner dieser Druckschriften findet sich indessen ein Hinweis darauf, die Cyclisierung in Anwesenheit von p-Toluolsulfonsäure gemäß Merkmal (3) des vorliegend beanspruchten Verfahrens durchzuführen.

Gerade der Zusatz dieses Katalysators zum Cyclisierungsgemisch führt jedoch ausweislich der Angaben in Druckschrift (1) zu einer erheblichen Verkürzung der Reaktionszeit und zu verbesserten Ausbeuten (vgl (1) Tab 1 und 2). Ein gegenüber dem vorveröffentlichten Stand der Technik zu erzielender überraschender vorteilhafter technischer Effekt, der für das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit spricht, ist somit anzuerkennen.

Nach § 4 Satz 2 PatG 1981 werden Unterlagen im Sinne des § 3 Abs 2 und damit die Druckschriften (1) bis (4) bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht in Betracht gezogen.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist somit nicht nur neu, sondern beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, so daß dieser Anspruch gewährbar ist.

Das gleiche gilt für die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 und 3, die bevorzugte Ausführungsformen betreffen.

Kahr Niklas Jordan Richterin Schroeter ist wegen Erkrankung an der Unterschriftsleistung verhindert Kahrprö






BPatG:
Beschluss v. 23.07.2001
Az: 15 W (pat) 24/00


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