Hessischer Verwaltungsgerichtshof:
Urteil vom 9. Dezember 2010
Aktenzeichen: 3 B 2365/10

(Hessischer VGH: Urteil v. 09.12.2010, Az.: 3 B 2365/10)

Für die gerichtliche Entscheidung zur Vollstreckung eines verwaltungsgerichtlichen Vergütungsfestsetzungsbeschlusses nach § 11 Abs. 3 RVG ist das Verwaltungsgericht als titulierendes Gericht zuständig.Aus der Titulierungsbefugnis folgt die Vollstreckungsbefugnis des Verwaltungsgerichts, das insoweit zuständiges Vollstreckungsgericht im Sinne des § 167 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist.

Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 8.November 2010 - 8 N 3753/10.F - wird aufgehoben und die Sache andas Verwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidungvorbehalten.

Gründe

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Rückgabe der Sache an das Verwaltungsgericht. Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht seine Zuständigkeit für den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bezogen auf den von ihm erlassenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 21. April 2010 - 8 L 2737/09.F € verneint. Das Verwaltungsgericht hat dabei ausgeführt, für die Vollstreckung aus dem Beschluss des Gerichtes über die Kostenfestsetzung der Gebühren des Rechtsanwaltes gegen seinen Mandanten nach dem RVG sei nicht der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, da eigenständige materielle Grundlage das zivilrechtliche Auftragsverhältnis zwischen dem bevollmächtigten Rechtsanwalt und seinem Mandanten sei.

Dem folgt der Senat nicht.

Unstreitig ist, dass das der Vollstreckung zugrundeliegende Rechtsverhältnis zwischen dem Bevollmächtigten und dem Mandanten privatrechtlicher Natur ist und insoweit der Zivilrechtsweg eröffnet ist. Seit der Kostenrechtsreform 1957 ist daneben als vereinfachte, billige und schnelle Alternative das Vergütungsfestsetzungsverfahren beim Urkundsbeamten des Verwaltungsgerichts (vormals § 19 Abs. 3 Satz 1 BRAGO, jetzt § 11 Abs. 3 Satz 1 RVG) eröffnet. Dieser €kleine Gebührenprozess€ ist auf gebührenrechtliche Fragen beschränkt und schließt im Umfang seiner Zulässigkeit das Rechtsschutzbedürfnis für die Gebührenklage im Zivilprozess aus (vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, Stand Mai 2010, § 168 Rdnr. 29 m.w.N.). Die Titulierungsbefugnis des Verwaltungsgerichts über die gesetzlichen Gebühren des Rechtsanwaltes gegen seinen Mandanten aus Verfahren vor dem Verwaltungsgericht ist ebenfalls unstreitig und ergibt sich nunmehr aus § 11 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 RVG. Danach wird der Vergütungsanspruch eines Rechtsanwaltes durch das Gericht des ersten Rechtszugs, gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 RVG im Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit, der Finanzgerichtsbarkeit und der Sozialgerichtsbarkeit durch den jeweiligen Urkundsbeamten des Gerichts festgesetzt. Der Gesetzgeber hat damit die Entscheidung über den unstreitig dem Privatrecht zugehörigen Vergütungsanspruch eines Rechtsanwaltes gegen seinen Mandanten in den in § 11 Abs. 3 RVG genannten Fällen der für das Verfahren zuständigen Gerichtsbarkeit zugewiesen.

Umstritten ist dagegen die Frage, ob hinsichtlich der Vollstreckung des von dem Verwaltungsgericht festgesetzten Titels ebenfalls der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist oder es sich insoweit um eine zivilrechtliche Angelegenheit handelt, die vor den Zivilgerichten geltend zu machen ist.

Der Senat folgt der ganz überwiegend in der Kommentarliteratur zur Verwaltungsgerichtsordnung geäußerten Auffassung sowie der Auffassung einiger Oberverwaltungsgerichte und Landgerichte, dass aus der Titulierungsbefugnis des Verwaltungsgerichts (§ 11 Abs. 3 Satz 1 RVG/§ 19 Abs. 3 Satz 1 BRAGO) auch seine Vollstreckungsbefugnis folgt. Vergütungsfestsetzungsbeschlüsse des Urkundsbeamten sind vollstreckungsrechtlich wie Kostenfestsetzungsbeschlüsse nach § 168 Abs. 1 Nr. 4 VwGO zu behandeln und werden von dem Verwaltungsgericht erster Instanz vollstreckt, nicht aber vom Amtsgericht als Vollstreckungsgericht (vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 168 Rdnr. 30; vgl. Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, Großkommentar, 3. Aufl. Januar 2010, § 168 Rdnr. 52, 53; Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 16. Aufl. 2009, § 168 Rdnr. 6; Redeker/von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 15. Aufl. 2010, § 168 Rdnr. 12; OVG Münster, Beschluss vom 8. Dezember 2003 - 18 E 391/03 - in juris online; OVG Münster, Beschluss vom 20. Februar 1984 - 18 B 21544/83 - in juris online; LG Bonn, Beschluss vom 7. Dezember 1976 - 4 T 631/76 - in juris online; LG Bochum, Beschluss vom 29. Juni 1977 - 7 T 228/77 - in juris online). Dies folgt zum einen aus § 11 Abs. 3 Satz 2 RVG, wonach auch im Erinnerungsverfahren die für das Verfahren zuständige Gerichtsbarkeit nach den für sie geltenden Vorschriften entscheidet. Zum Anderen erklärt § 11 Abs. 2 Satz 3 RVG die Vorschriften der jeweiligen Verfahrensordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren für entsprechend anwendbar und bestimmt, dass die Vorschriften der ZPO über die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen für die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs i.S.v. § 11 Abs. 1 RVG - über § 11 Abs. 3 RVG also auch für das Verwaltungsgericht - entsprechend gelten.

Daraus wird hinreichend deutlich, dass die Rechtswegzuständigkeit richtigerweise für das Vollstreckungsverfahren an die Herkunft des Titels, nicht jedoch an seine Rechtsnatur anknüpft, was sich auch aus der abstrakten Natur des Vollstreckungstitels ergibt (vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 168 Rdnr. 2). Im Übrigen würde der § 11 Abs. 3 Satz 1 RVG zu Grunde liegende Vereinfachungsgedanke konterkariert, würde die Vollstreckung des von dem Verwaltungsgericht festgesetzten Vergütungsanspruchs abgetrennt und der Zivilgerichtsbarkeit zugewiesen. Dies wird insbesondere daran deutlich, dass, soweit nachträglich Einwendungen oder Einreden erhoben werden, die im Gebührenrecht ihren Grund haben, das Verwaltungsgericht als das Gericht, das den Vollstreckungstitel geschaffen hat, Prozessgericht im Sinne der §§ 767, 769 ZPO, § 167 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist (vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 168 Rdnr. 29; Sodan/Ziekow, a.a.O., § 168 Rdnr. 53).

Der gegenteiligen in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Auffassung, wonach für die Vollstreckung eines Vergütungsfestsetzungsbeschlusses nach § 11 Abs. 3 RVG auch dann die Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit zuständig sind, wenn der Beschluss vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eines Verwaltungsgerichts erlassen wurde (vgl. Schneider/Wolf, Anwaltkommentar RVG 4. Aufl. Bonn 2008 § 11 Rdnr. 262; insoweit offen von Eicken/Hellstab/Lappe/Madert/Mathias, Die Kostenfestsetzung, 20. Aufl. Köln 2010, § 11 Rdnr. 49 ff.; OVG Münster, Beschluss vom 29. August 2000 - 7 a D 38/98.NE - in juris online; OVG Rheinland Pfalz, Beschluss vom 18. März 1980 - 9 E 1/80 - in juris online, OVG Lüneburg, Beschluss vom 21. Februar 1984 - 8 B 39/83 - in juris online) folgt der Senat aus den genannten Gründen nicht.

Bleibt mithin die Vollstreckungsbefugnis aufgrund der Titulierungsbefugnis bei dem Verwaltungsgericht, hat dies nunmehr als zuständiges Vollstreckungsgericht (§ 167 Abs. 1 Satz 2 VwGO) über den beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zu befinden.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).






Hessischer VGH:
Urteil v. 09.12.2010
Az: 3 B 2365/10


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