Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. Mai 2010
Aktenzeichen: 8 W (pat) 305/06

(BPatG: Beschluss v. 20.05.2010, Az.: 8 W (pat) 305/06)

Tenor

Das Patent 199 18 082 wird widerrufen.

Gründe

I.

Die Patentinhaberin hat das Patent 199 18 082 am 21. April 1999 beim Patentamt angemeldet. Die Erteilung des Patents mit der Bezeichnung "Universal-Werkzeugmaschine" wurde am 8. September 2005 veröffentlicht.

Dagegen hat am 6. Dezember 2005 die Firma mit der seinerzeitigen Bezeichnung E... GmbH in S..., Einspruch erhoben. Sie hat ihren Einspruch auf die Gründe des § 21 PatG gestützt und unter anderem auf die EP 0 614 724 A2 (E1), die DE 30 19 666 C2 (E2) und die JP 57-132936 A (E3) verwiesen und ausgeführt, dass der Gegenstand des Patents demgegenüber nach den §§ 1 bis 5 PatG nicht patentfähig sei. Darüber hinaus hat die Einsprechende in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 gegenüber den Ursprungsunterlagen an mehreren Stellen unzulässig erweitert worden sei, weil unter anderem das Teilmerkmal, wonach der Rotor mit seiner oberen Stirnseite an der Unterseite des Drehtisches befestigt sei, den Ursprungsunterlagen so nicht entnehmbar sei. Insbesondere erschließe sich mangels entsprechender Ausführungen in der Beschreibung des Streitpatents aus der Figur 5 nicht die genaue Art und Weise der Befestigung des Rotors wie sie im erteilten Patentanspruch 1 beansprucht werde.

Die Patentinhaberin ist dem Vorbringen des Einsprechenden entgegengetreten. Sie hat mit Eingabe vom 14. Mai 2010 einen Hilfsantrag 1 vorgelegt, mit dem sie das Patent hilfsweise in beschränkter Fassung verteidigt.

Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet:

"Universal-Werkzeugmaschine zur Fräsund Drehbearbeitung, bestehend aus -einem auf einem Maschinenbett (1) motorisch in einer Koordinatenachse horizontal verfahrbaren Werkstückschlitten (20), -einem auf einer Konsole (21) des Werkstückschlittens (20) über ein Ringlager (23) montierten Drehtisch (22) mit einem getriebelosen Antriebsmotor (25) dessen Stator (26) mit der Konsole (21) und dessen Rotor (27) mit dem Drehtisch (22) fest verbunden sind, und -einer in mehreren Koordinatenachsen motorisch bewegbaren Bearbeitungseinheit (14) mit einer Arbeitsspindel (15) zur wahlweisen Aufnahme eines Fräsoder Drehwerkzeugs, dadurch gekennzeichnet, dass -der Antriebsmotor (25) des Drehtisches (22) in einem in der Konsole (21) ausgebildeten Ringraum (24) angeordnet ist, -der innere Stator (26) als langgestreckter Ring hochkant im Ringraum (24) angeordnet und mit seiner Mantelfläche an einer inneren Umfangswand des Ringraumes (24) befestigt ist und -der äußere Rotor (27) als langgestreckter Ring hochkant im Ringraum (24) angeordnet und mit seiner oberen Stirnseite an der Unterseite des Drehtisches (22) befestigt ist."

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet: Die Patentinhaberin hat zu dem Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag vorgetragen, dass dieser insbesondere für die 5-seitige Komplettbearbeitung von sperrigen und schwergewichtigen Werkstücken in einer Aufspannung ausgelegt sei, wobei insbesondere die beanspruchte Anordnung von Stator und Rotor aufgrund der geometrischen Verhältnisse erhöhte Drehmomente ergebe. Weiterhin könnten durch die vertikal gedrungene Bauweise des Tischsystems die vom Rotor erzeugten Drehmomente direkt in den Drehtisch übertragen werden.

Die in den Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag zusätzlich aufgenommenen Merkmale bildeten diese aus dem Stand der Technik nicht bekannte Universal-Werkzeugmaschine weiter aus, so dass sich ein noch größerer Abstand zum bekannten Stand der Technik ergebe.

Nach einem entsprechenden Hinweis des Senats stellt die Patentinhaberin den Antrag, das Patent aufrecht zu erhalten (Hauptantrag), hilfsweise auf Grundlage der am 14. Mai 2010 eingereichten Patentansprüche, jeweils mit der Maßgabe, dass aus dem Teilmerkmal "mit seiner oberen Stirnseite" in den jeweiligen Ansprüchen 1 keine Rechte hergeleitet werden.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent 199 18 082 zu widerrufen.

Die Einsprechende hat ihren Angriff auf das Streitpatent auch im Hinblick auf den eingereichten, beschränkten Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag aufrecht erhalten. Sie hat diesbezüglich ausgeführt, dass der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag lediglich eine Aggregation von Merkmalen enthalte, die nicht erfinderisch sei. Insbesondere sei das im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag ergänzte Merkmal, wonach die Bearbeitungseinheit ein Schwenkfräskopf ist, in dem die Arbeitsspindel zwischen einer vertikalen und horizontalen Betriebsstellung verschwenkbar gelagert ist, ein übliches, beispielsweise aus der EP 0 664 176 B1 bekanntes Merkmal, das in keinem Zusammenhang mit der Ausgestaltung eines Antriebsmotors stehe.

Hinsichtlich des Wortlauts der jeweiligen Unteransprüche gemäß Hauptantrag bzw. gemäß Hilfsantrag und weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Über den Einspruch, der nach dem 1. Januar 2002 und vor dem 1. Juli 2006 eingelegt worden ist, hat der zuständige Technische Beschwerdesenat gemäß § 147 Abs. 3 Nr. 1 PatG a. F. zu entscheiden, da die mit der Einlegung des Einspruchs begründete Entscheidungsbefugnis durch die spätere Aufhebung der Vorschrift nicht entfallen ist (vgl. auch BGH GRUR 2007, 859, 861 und 862 ff. -Informationsübermittlungsverfahren I und II; bestätigt durch BGH GRUR 2009, 184 -185 -Ventilsteuerung).

2.

Der Einspruch ist fristund formgerecht erhoben und auch im Übrigen zulässig; er ist auch begründet, denn er führt zum Widerruf des angegriffenen Patents.

3.

Der Patentgegenstand betrifft nach dem jeweiligen Patentanspruch 1 des Hauptbzw. des Hilfsantrags eine Universal-Werkzeugmaschine zur Fräsund Drehbearbeitung mit einem auf einem Maschinenbett motorisch in einer Koordinatenachse horizontal verfahrbaren Werkstückschlitten und mit einem auf einer Konsole des Werkstückschlittens über ein Ringlager montierten Drehtisch. Der Drehtisch weist einen getriebelosen Antriebsmotor auf, dessen Stator mit der Konsole und dessen Rotor mit dem Drehtisch fest verbunden sind. Eine in mehreren Koordinatenachsen motorisch bewegbare Bearbeitungseinheit weist eine Arbeitsspindel zur wahlweisen Aufnahme eines Fräsoder Drehwerkzeugs auf. In der Beschreibungseinleitung des Streitpatents sind mehrere Universal-Werkzeugmaschinen genannt, mit denen jedoch entweder keine Drehbearbeitungen mit rotatorischer Hauptschnittbewegung durch das Werkstück möglich sind oder die Verfahrmöglichkeiten und Zerspanleistungen der Fräsköpfe begrenzt und deren Antrieb vergleichsweise kompliziert sind. Die Aufgabe der Erfindung ist gemäß der Streitpatentschrift Absatz [0006] darin zu sehen, eine Universal-Werkzeugmaschine zu schaffen, die Bohrund Fräsbearbeitungen mit hoher Spanleistung und Genauigkeit in beliebigen Winkelstellungen sowie auch die Drehbearbeitung mit hoher Dynamik auch sperriger und schwergewichtiger Werkstücke in einer Aufspannung ermöglicht.

3.1 Die Lösung dieser Aufgabe erfolgt beim Streitpatent durch die Merkmale des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag, dessen Merkmale sich folgendermaßen gliedern lassen, wobei das antragsgemäß mit Disclaimer versehene Merkmal in Klammern gesetzt ist:

1.

Universal-Werkzeugmaschine zur Fräsund Drehbearbeitung 2.

mit einem auf einem Maschinenbett (1) motorisch in einer Koordinatenachse horizontal verfahrbaren Werkstückschlitten (20);

3.

mit einem auf einer Konsole (21) des Werkstückschlittens

(20) über ein Ringlager (23) montierten Drehtisch (22);

4.

mit einem getriebelosen Antriebsmotor (25), 4.1 dessen Stator (26) mit der Konsole (21) und 4.2 dessen Rotor (27) mit dem Drehtisch (22) fest verbunden sind;

5 mit einer in mehreren Koordinatenachsen motorisch bewegbaren Bearbeitungseinheit (14);

6.

mit einer Arbeitsspindel (15) zur wahlweisen Aufnahme eines Fräsoder Drehwerkzeugs;

-Oberbegriff 7.

der Antriebsmotor (25) des Drehtisches (22) ist in einem in der Konsole (21) ausgebildeten Ringraum (24) angeordnet;

8.

wobei der Stator (26)

8.1 als innerer Stator (26) ausgebildet ist, 8.2 als langgestreckter Ring hochkant im Ringraum (24) angeordnet ist und 8.3 mit seiner Mantelfläche an einer inneren Umfangswand des Ringraumes (24) befestigt ist;

9.

wobei der Rotor (27)

9.1 als äußerer Rotor (27) ausgebildet ist, 9.2 als langgestreckter Ring hochkant im Ringraum (24) angeordnet ist und 9.3 (mit seiner oberen Stirnseite) an der Unterseite des Drehtisches (22) befestigt ist.

-Kennzeichen -

Während die Merkmale 1 bis 7 des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag des Streitpatents weitgehend selbsterklärend sind und keiner näheren Erläuterung bedürfen, beschreiben die Merkmale 8 und 9 weitere Einzelheiten des Antriebsmotors der streitpatentgemäßen Universal-Werkzeugmaschine zur Fräsund Drehbearbeitung. Insbesondere die Merkmale 8.1 und 9.1 legen den streitpatentgemäßen Antriebsmotor als sogenannten Außenläufer fest, bei dem der drehende Teil des Antriebsmotors, der sogenannte Rotor, in radialer Richtung gesehen außen angeordnet ist, während der stationäre Teil des Antriebsmotors, der sogenannte Stator, in radialer Richtung gesehen innen angeordnet ist. Dabei sind sowohl der Rotor als auch der Stator jeweils als langgestreckter Ring ausgebildet und nebeneinander liegend hochkant im Ringraum angeordnet. Gemäß Merkmal 8.3 ist der Stator mit seiner Mantelfläche an einer inneren Umfangswand des Ringraumes und der Rotor an der Unterseite des Drehtisches befestigt. Nach antragsgemäßer Einfügung des Disclaimers, wonach aus dem Teilmerkmal "mit seiner oberen Stirnseite" keine Rechte hergeleitet werden, erübrigen sich weitere Ausführungen bezüglich dieses Teilmerkmals.

Nach den Ausführungen in Absatz [0009] der Streitpatentschrift ermöglicht die erfindungsgemäße Ausbildung des kompakten Drehtisches eine feste und genaue Positionierung des Werkstücks in beliebigen Winkellagen bei der Durchführung von Bohrund Fräsarbeiten sowie auch hohe Drehzahlen auch sperriger und relativ schwerer Werkstücke bei der Drehbearbeitung und bietet die Möglichkeit, zusätzlich zu einer Fräs-, Bohrund Gewindeschneidbearbeitung mit rotatorischer Hauptschnittbewegung durch das Werkzeug auch eine Drehbearbeitung mit einer rotatorischen Hauptschnittbewegung durch das Werkstück durchzuführen.

3.2 Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 des Streitpatents weist neben den Merkmalen des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag die zusätzlichen Merkmale auf:

7.1 der Antriebsmotor des Drehtisches ist ein kollektorloser Torquemotor;

10. die Bearbeitungseinheit (14) ist ein Schwenkfräskopf, in dem die Arbeitsspindel (15) zwischen einer vertikalen und horizontalen Betriebsstellung verschwenkbar gelagert ist.

Da nach der Rechtsprechung Patentdokumente im Hinblick auf die dort gebrauchten Begriffe gleichsam ihr eigenes Lexikon darstellen (BGH GRUR 1999, 909 (Ls 1 u 2) -Spannschraube; vgl. auch BGH GRUR 2001, 232 -Brieflocher; GRUR 1984, 425 -Bierklärmittel), wird der Fachmann, ein Diplomingenieur (FH) der Fachrichtung Maschinenbau, mit Erfahrungen auf dem Gebiet der Konstruktion und Auslegung von Universal-Werkzeugmaschinen zur Fräsund Drehbearbeitung bei einer gewissen Unschärfe von Begriffen und/oder von Merkmalen eines Patentanspruchs im Zweifelsfall die Beschreibung und die Zeichnungen zu Rate ziehen, um deren Bedeutung zutreffend im Sinne des Patents zu erfassen. Im vorliegenden Fall ist hinsichtlich der Bedeutung des Merkmals 7.1 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents nach Hilfsantrag, wonach der Antriebsmotor des Drehtisches als kollektorloser Torquemotor ausgebildet, auf die Ausführungen in Absatz [0022], letzter Satz, der Streitpatentschrift zu verweisen. Demnach sind "Torquemotoren" ringförmige Antriebsmotoren ohne Kupplung oder Getriebe, die eine hohe Dynamik aufweisen und auch eine exakte Positionierung in unterschiedlichen Winkelstellungen ermöglichen. Dies deckt sich auch weitgehend mit der heute allgemein üblichen Bedeutung des Begriffes "Torquemotor" als ein getriebeloser Direktantrieb mit hohen Drehmomenten und relativ kleinen Drehzahlen. Unter kollektorlos versteht der Fachmann, dass der Antriebsmotor keinen Kollektor oder Kommutator aufweist, der in Verbindung mit Bürsten oder Schleifkontakten eine Umpolung (Stromwendung) von elektrischen Gleichstrommotoren ermöglicht. Demzufolge erschließt sich dem Fachmann aus diesem Merkmal, dass der streitpatentgemäße Antriebsmotor weder einen Kollektor noch Bürsten oder Schleifkontakte aufweist und somit beispielsweise entweder die vielfach bekannten Drehstrommotoren oder Gleichstrommotoren mit elektronischem Umrichter verwendet werden.

4.

Gegen die Zulässigkeit hinsichtlich der ursprünglichen Offenbarung der Anspruchsfassungen gemäß Hauptantrag bzw. Hilfsantrag bestehen seitens des Senats nach Einfügung des Disclaimers keine Bedenken, da sich deren verbleibende Merkmale aus den ursprünglichen Ansprüchen sowie auch aus den erteilten Unterlagen ergeben. Insbesondere ist das von der Einsprechenden beanstandete Merkmal, wonach der Stator bzw. der Rotor hochkant im Ringraum angeordnet ist, deutlich aus der Figur 5 des Streitpatents ersichtlich und daher offenbart. Das Merkmal 7.1 des neuen Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag ergibt sich aus dem ursprünglichen Anspruch 8 bzw. dem erteilten Anspruch 2. Das ergänzte Merkmal 10 ergibt sich aus dem Absatz [0017] der Streitpatentschrift bzw. aus den gleichlautenden Textstellen in Spalte 3, Zeilen 21 bis 43 der Offenlegungsschrift.

5.

Die ohne Zweifel gewerblich anwendbare streitpatentgemäße Universal-Werkzeugmaschine zur Fräsund Drehbearbeitung nach dem Patentanspruch 1

(Hauptantrag) mag gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik nach der E1 neu sein; sie beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die E1, die zweifellos den nächstliegenden Stand der Technik bildet, hat eine Universal -Fräsund Bohrmaschine zum Inhalt, mit der gemäß den Ausführungen beispielsweise in Spalte 4, Zeilen 45 bis 49 auch Drehbearbeitungen möglich sind, wodurch diese Werkzeugmaschine somit eine Universal-Werkzeugmaschine für Fräsund Drehbearbeitungen ist (Merkmal 1).Diese bekannte Werkzeugmaschine weist einen auf einem Maschinenbett (10) motorisch in einer Koordinatenachse horizontal verfahrbaren Werkstückschlitten (42) auf (Merkmal 2). Auf einer Konsole des Werkstückschlittens (42) ist über ein Ringlager (306) ein Drehtisch (50) montiert (Merkmal 3). Der Drehtisch (50) weist einen Direktantrieb und somit einen getriebelosen Antriebsmotor (308) auf, dessen Stator (310) gemäß Figur 5 mit der Konsole und dessen Rotor (312) mit dem Drehtisch (50) fest verbunden sind (Merkmale 4 bis 4.2). Die Werkzeugmaschine hat weiterhin eine in mehreren Koordinatenachsen motorisch bewegbare Bearbeitungseinheit (Schlitten 18), die eine Arbeitsspindel (16) aufweist (Merkmal 5). Gemäß den Ausführungen in Spalte 5, Zeilen 35 bis 47 kann auf dem Schlitten (18) wahlweise ein Fräsoder ein Drehwerkzeug aufgenommen werden (Merkmal 6). Der Antriebsmotor (308) des Drehtisches (50) ist, wie in Figur 5 ersichtlich, in einem in der Konsole ausgebildeten Ringraum angeordnet (Merkmal 7). Dabei ist der Stator (310) als langgestreckter Ring hochkant im Ringraum angeordnet (Merkmale 8.2) und mit seiner Mantelfläche an einer äußeren Umfangswand des Ringraumes befestigt. Der Rotor (312) ist als langgestreckter Ring hochkant im Ringraum angeordnet (Merkmal 9.2) und an der unteren Seite des Drehtisches und somit an dessen Unterseite befestigt (Merkmal 9.3). Anders als beim Streitpatentgegenstand, bei dem der Stator innen und der Rotor außen an einer äußeren Umfangswand des Ringraums angeordnet ist, ist der Antriebsmotor der bekannten Universal-Werkzeugmaschine somit als sogenannter Innenläufer ausgebildet, bei dem der Stator außen und der Rotor innen an einer inneren Umfangswand des Ringraums angeordnet ist. Das Vertauschen von Stator und Rotor eines Antriebsmotors stellt jedoch keine erfinderische Tätigkeit dar. Denn gerade wenn aufgabengemäß sperrige und schwergewichtige Werkstücke bearbeitet werden sollen, wird der Fachmann den aus der E1 bekannten Drehtisch zwangsläufig hinsichtlich Lagerung und Tragfähigkeit überarbeiten. Dabei bietet sich vor allem der an sich bekannte Außenläufer als erste Wahl an, da dort der Drehtisch konstruktionsbedingt größer und hinsichtlich Lagerung stabiler dimensioniert werden kann als ein Innenläufer bei sonst gleichen Außenabmessungen. Auch die üblichen und gebräuchlichen, im Stand der Technik genannten und als Außenläufer ausgebildeten Antriebsmotoren bei Werkzeugmaschinen weisen weitere spezifische Vorteile auf, so dass der Fachmann ausreichend Anlass hat, diese bei Bedarf je nach Anwendungsfall in Betracht zu ziehen. Insbesondere ist diesbezüglich auf das englischsprachige Abstract der E3 hinzuweisen, die ausweislich ihrer Benennung einen Drehtisch (turn table) mit Außenläufer aufweist, der sich durch besonders kurze Ansprechzeiten auszeichnet. Entgegen der Auffassung der Patentinhaberin, die diesem Stand der Technik wegen fehlender Übersetzungen des Originaldokuments die technische Relevanz hinsichtlich Werkzeugmaschinen abspricht, erschließt sich für den Senat bereits aus der Benennung "Drehtisch" als terminus technicus die technische Relevanz bei Werkzeugmaschinen, da der Fachmann den Drehtisch als Teil einer Werkzeugmaschine kennt, auf dem das Werkstück aufgespannt wird. Letztlich ist auch die Klassifizierung der Druckschrift in die Klasse B 23 Q der IPC ein klares Indiz hierfür, so dass der Senat diesbezüglich keinerlei Zweifel hat und eine Übersetzung des Gesamtdokuments für nicht erforderlich erachtet. Ferner zeigt auch die von der Einsprechenden weiter genannte E2 einen Revolverkopf für Werkzeugmaschinen, dessen als Außenläufer ausgebildeter Rotor einen besonders einfachen Aufbau verspricht. Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass der Fachmann bei Auslegung einer Universal-Werkzeugmaschine zur Fräsund Drehbearbeitung, die besonders für sperrige und schwergewichtige Werkstücke geeignet sein soll, ausgehend von der bekannten Universal-Werkzeugmaschine zur Fräsund Drehbearbeitung von herkömmlichen Werkstücken nach der E1, unter anderem insbesondere auch die Lagerung und den Antrieb des Drehtellers überprüft und bei Bedarf auf eine stabilere Bauweise ändern wird, wozu sich dem Fachmann der an sich bekannte Außenläufer anbietet. Auch andere als Außenläufer ausgebildete bekannte Antriebe bei ähnlichen Anwendungsfällen (E2 oder E3) versprechen weitere Vorteile, so dass dem Fachmann alle Merkmale des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag des Streitpatents aus der E1 unter Anwendung seines Fachwissens oder in Verbindung mit der technischen Lehre nach der E2 oder der E3 erschließen. Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag beruht daher nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

6. Auch die ohne Zweifel gewerblich anwendbare Universal-Werkzeugmaschine zur Fräsund Drehbearbeitung nach dem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag mag gegenüber dem Stand der Technik nach der E1 neu sein; sie beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag nur durch die Merkmale 7.1 und 10. Daher ist das mangelnde Vorliegen der Patentfähigkeit hinsichtlich der Merkmale 1 bis 7 und 8 bis 9.3 übereinstimmend zu beurteilen. Auf die entsprechenden Ausführungen zum Hauptantrag wird verwiesen.

Der Drehantrieb des Drehtisches der bekannten Universal-Werkzeugmaschine zur Fräsund Drehbearbeitung nach der E1 weist gemäß den Ausführungen in Spalte 4, Zeilen 45 bis 58 einen Direktantrieb mit hoher Dynamik und ohne zwischengeschaltetes Getriebe auf, damit das Werkstück einerseits in verschiedenen Drehstellungen zur Bohrund Fräsbearbeitung genau positionierbar ist oder andererseits zur Drehbearbeitung drehantreibbar ist. Während die Anforderung an eine genaue Positionierbarkeit zwangsläufig eine relativ geringe Drehgeschwindigkeit mit sich bringt, vermittelt die Eignung als Drehantrieb für die Drehbearbeitung gleichzeitig das Erfordernis von höheren Drehmomenten. Somit weist auch der bekannte getriebelose Direktantrieb nach der E1 bereits alle Eigenschaften auf, die gemäß den Ausführungen in Absatz [0022], letzter Satz der Streitpatentschrift dem streitpatentgemäßen Torquemotor zugeschrieben werden, weshalb es sich nach Überzeugung des Senats auch bei dem bekannten getriebelosen Direktantrieb nach der E1 um einen Torquemotor im Sinne des Streitpatents handelt. Auch erkennt der Fachmann bereits aus der zeichnerischen Darstellung nach der Figur 5 der E1 ohne weiteres einen üblichen kollektorlosen Antrieb, weil weder ein Kollektor noch die damit notwendigerweise zu kontaktierenden Bürsten, Kohlen oder sonstigen Schleifkontakte erkennbar sind. Auch in den gesamten Beschreibungsunterlagen der E1 gibt es keinerlei Hinweise darauf. Somit erschließt sich dem Fachmann auch das Merkmal 7.1 des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag aus der E1, wenngleich die Begriffe "kollektorloser Torquemotor" wörtlich in der E1 nicht genannt sind. Auch das weiter im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag ergänzte Merkmal 10 kann eine Patentfähigkeit nach Überzeugung des Senats nicht begründen. Denn bereits aus der EP 0 664 176 B1 (E7) ist dem Fachmann eine Universal -Fräsund Bohrmaschine bekannt geworden, die gemäß den Ausführungen in Spalte 3, Zeilen 58 bis Spalte 4, Zeilen 6 einen Schwenkfräskopf (3) aufweist, dessen Arbeitsspindel (6) zwischen einer vertikalen und horizontalen Betriebsstellung verschwenkbar ist, um auf diese Weise ein Werkstück mittels vertikaler als auch mittels horizontaler Arbeitsspindel zu bearbeiten. Nach den Ausführungen in Spalte 2, Zeilen 51 bis Spalte 3, Zeilen 12 der EP 0 664 176 B1 (E7) wird durch eine derartige Anordnung des Schwenkfräskopfes ein besonders einfacher Aufbau bei geringem Bauvolumen erreicht. Daher wird der Fachmann, der ausgehend von der bekannten Universal-Werkzeugmaschine zur Fräsund Drehbearbeitung nach der E1 eine Komplettbearbeitung von Werkstücken beabsichtigt, bei Bedarf den aus der E7 bekannten Schwenkfräskopf vorsehen, dessen Arbeitsspindel zwischen einer vertikalen und horizontalen Betriebsstellung verschwenkbar ist.

Unter Verweis auf die Ausführungen zum Hauptantrag erschließen sich daher dem Fachmann auch alle Merkmale des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag in nahe liegender Weise aus einer Zusammenschau der E1 und der E7. Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag beruht daher auch nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

7. Mit den Patentansprüchen 1 nach Hauptantrag und Hilfsantrag fallen auch alle anderen Patentansprüche der jeweiligen Anträge, ohne dass es einer Prüfung und Begründung dahin bedarf, ob diese übrigen Patentansprüche etwas Schutzfähiges enthalten (BGH, GRUR 1997, 120 -Elektrisches Speicherheizgerät).

Das Patent hat somit insgesamt keinen Bestand.

Dehne Reker Dr. Huber Rippel Cl






BPatG:
Beschluss v. 20.05.2010
Az: 8 W (pat) 305/06


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/a958c4f82064/BPatG_Beschluss_vom_20-Mai-2010_Az_8-W-pat-305-06




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share