Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. März 2011
Aktenzeichen: 9 W (pat) 347/06

(BPatG: Beschluss v. 09.03.2011, Az.: 9 W (pat) 347/06)

Tenor

Das Patent wird aufrechterhalten.

Gründe

I.

Gegen das durch Teilung aus der Patentanmeldung DE 195 03 110.5 (Stammanmeldung) hervorgegangene, am 17. November 2005 veröffentlichte Patent mit der Bezeichnung

"Bogenleiteinrichtung für Druckmaschinen"

ist von der K... Aktiengesellschaft am 15. Februar 2006 schriftlich mit Begründung Einspruch erhoben worden. Als Anmeldetag gilt der 1. Februar 1995.

Die Einsprechende meint, die Bogenleiteinrichtung nach dem erteilten Patentanspruch 1 sei nicht patentfähig gegenüber dem Stand der Technik. Die schriftsätzlich in Abrede gestellte Neuheit gesteht sie in der mündlichen Verhandlung zu und macht fehlende erfinderische Tätigkeit geltend. Sie verweist dazu auf folgende Druckschriften:

-DE 42 09 067 A1 -DE 19 07 083 C3.

Schriftsätzlich hat die Einsprechende außerdem auf die Druckschriften -DE 94 16 106 U1 -DE 36 29 720 A1 -DE 89 15 626 U1 verwiesen.

Im Prüfungsverfahren war darüber hinaus weiterer Stand der Technik in Betracht gezogen worden:

-DE 28 02 610 A1 -DE 29 11 685 B1 -EP 0 183 928 A2 -DD-PS 125 394 -DE 44 27 448 A1 (nachveröffentlicht) -DE 44 06 844 A1 (nachveröffentlicht).

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent aufrecht zu erhalten, hilfsweise das Patent aufrecht zu erhalten mit -Patentansprüchen 1 bis 7 gemäß Patentschrift,

-Beschreibung gemäß Patentschrift unter Streichung der Textpassage "ggf. auch anderen Blasrichtungen" in Absatz 0024 der Patentschrift,

-Figuren 1 bis 8 gemäß Patentschrift.

Sie hält den Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 für patentfähig.

Der erteilte Patentanspruch 1 lautet:

"1. Bogenleiteinrichtung einer Druckmaschine, mit einer dem Leiten von Bogen (4) entlang einer Bogenlaufbahn (17) dienenden Leitfläche (1), welche von mit Blasluft beaufschlagbaren Schlitzdüsen (2, 18) durchsetzt ist, die mit im Wesentlichen senkrecht zu der Bogenlaufrichtung (24) verlaufenden Blasrichtungen (50) zu einander entgegengesetzten Seitenrändern der Leitfläche (1) hin ausgerichtet sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Leitfläche (1) eine von ihrer Mitte zu den Seitenrändern hin abnehmende Flächenbelegung mit den Schlitzdüsen (2, 18) aufweist."

Dem Patentanspruch 1 nachgeordnet sind die rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 7 in der erteilten Fassung.

II.

Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts ist durch § 147 Abs. 3 Satz 1 PatG in den vom 1. Januar 2002 bis 30. Juni 2006 geltenden Fassungen begründet.

Der Einspruch ist zulässig. Er hat aber keinen Erfolg.

1. Das Patent betrifft eine Bogenleiteinrichtung einer Druckmaschine, die eine von mit Blasluft beaufschlagbaren Schlitzdüsen durchsetzte Leitfläche zum Leiten der Bogen entlang einer Bogenlaufbahn aufweist.

In der Beschreibungseinleitung der Streitpatentschrift ist ausgeführt, dass bei einer derartigen Bogenleiteinrichtung nach der DE 44 27 448 A1 die Flächenbelegung mit den Schlitzdüsen zu den Seitenrändern der Leitfläche hin zunehme.

Bei einer weiteren Bogenleiteinrichtung gemäß der DE 42 09 067 A1 solle eine sichere Schwebeführung der Bogen durch unterschiedliche Blasrichtungen der Düsen erzielt werden. Bei labilen Papieren, insbesondere bei Papieren mit niedrigem Flächengewicht, könne eine Schwebeführung nur schlecht oder überhaupt nicht erreicht werden. Die bei hohen Maschinengeschwindigkeiten auf die Bogen einwirkenden Fliehkräfte könnten überdies eine saubere Schwebeführung der Bogen unmöglich machen (Streitpatentschrift Absätze 0002, 0003).

Das dem Patent zugrundeliegende und mit der Aufgabe formulierte technische Problem besteht darin (Absatz 0004), eine Bogenleiteinrichtung der genannten Art derart auszugestalten, dass eine die genannten Nachteile vermeidende Schwebeführung der Bogen auch bei Papieren mit einem niedrigeren Flächengewicht möglich ist.

Dieses Problem wird durch die Bogenleiteinrichtung mit den Merkmalen nach dem erteilten Patentanspruch 1 gelöst.

Nach dieser Lösung sind die in der Leitfläche angebrachten Schlitzdüsen zum einen so ausgerichtet, dass ihre Blasrichtungen im wesentlichen senkrecht zur Bogenlaufrichtung zu entgegengesetzten Seitenrändern der Leitfläche hin verlaufen.

Zum anderen nimmt die Flächenbelegung der Leitfläche mit diesen Schlitzdüsen von der Mitte der Leitfläche zu ihren Seitenrändern hin ab.

Dabei versteht der Fachmann -ein Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau, der bei einem Hersteller von Bogendruckmaschinen mit der Konstruktion bzw. Entwicklung der Bogenleiteinrichtungen beschäftigt ist und auf diesem Gebiet über mehrjährige Erfahrung verfügt -den Wortlaut des Patentanspruchs 1 wie folgt: Eine Schlitzdüse ist eine Düse mit zumindest im Austrittsquerschnitt schlitzförmiger Gestalt. Sie weist einen Mündungsquerschnitt mit einer in einer ersten Richtung größeren Erstreckung gegenüber einer in einer zur ersten senkrecht verlaufenden zweiten Richtung vorliegenden Erstreckung auf.

Die einzelne Schlitzdüse ist dabei so ausgerichtet, dass die Richtung des aus ihr austretenden Blasluftstrahls bezogen auf die Bogenlaufrichtung eine zu den Seitenrändern gerichtete Komponente aufweist, die groß ist gegen eine -möglicherweise vorhandene -parallel zur Bogenlaufrichtung gerichtete Komponente. Mit diesem Verständnis des Anspruchswortlauts -das im Übrigen durch den beschriebenen Sachzusammenhang und die figürliche Darstellung bestätigt ist (Figur 3) wertet der Fachmann den in der Beschreibung der Streitpatentschrift gegebenen Hinweis auf weitere Ausführungsformen mit anderen Blasrichtungen (Seite 3/7, Absatz 0024) ohne Weiteres als zu dem durch Patentanspruch 1 gekennzeichneten Sachverhalt in Widerspruch stehend und somit als für den geschützten Gegenstand unbeachtlich.

Schließlich ist nach dem Verständnis des Fachmanns eine konkrete Verteilung dieser Schlitzdüsen innerhalb der Leitfläche vorgesehen derart, dass die Anzahl der Schlitzdüsen bezogen auf die Flächeneinheit von der Mitte der Leitfläche in Richtung zu jedem der beiden Seitenränder gesehen abnimmt.

2. Zum Hauptantrag 2.1 Die erteilten Patentansprüche sind zulässig.

Die Gegenstände der erteilten Patentansprüche sind sowohl in den Anmeldeunterlagen des Streitpatents als auch in denen der Stammanmeldung (195 03 110.5) offenbart.

Unzulässige Erweiterung gegenüber der Ursprungsoffenbarung hat die Einsprechende im Übrigen nicht geltend gemacht.

2.2 Die zweifelsohne gewerblich anwendbare Bogenleiteinrichtung nach dem erteilten Patentanspruch 1 ist unstreitig neu.

Keine der aus dem insgesamt in Betracht gezogenen Stand der Technik bekannten Bogenleiteinrichtungen weist Schlitzdüsen mit im Wesentlichen zu den Seitenrändern hin gerichteten Blasrichtungen und dazu eine von der Mitte zu den Seitenrändern hin abnehmende Flächenbelegung der Leitfläche mit derartigen Schlitzdüsen auf.

2.3 Die Bogenleiteinrichtung nach dem erteilten Patentanspruch 1 beruht auf erfinderischer Tätigkeit.

Zur Erleichterung von Bezugnahmen ist der erteilte Patentanspruch 1 nachstehend in Form einer Merkmalsgliederung wiedergegeben:

1.

Bogenleiteinrichtung, 2.

die Bogenleiteinrichtung gehört zu einer Druckmaschine, 3.

die Bogenleiteinrichtung weist eine dem Leiten von Bogen (4) entlang einer Bogenlaufbahn (17) dienende Leitfläche (1) auf, 4.

die Leitfläche (1) ist mit Schlitzdüsen (2,18) durchsetzt, 5.

die Schlitzdüsen (2,18) sind mit Blasluft beaufschlagbar, 6.

die Schlitzdüsen (2,18) sind mit im wesentlichen senkrecht zu der Bogenlaufrichtung (24) verlaufenden Blasrichtungen zu einander entgegengesetzten Seitenrändern der Leitfläche (1) hin ausgerichtet,

-Oberbegriff 7. die Leitfläche (1) weist eine von ihrer Mitte zu den Seitenrändern hin abnehmende Flächenbelegung mit den Schlitzdüsen (2,18) auf.

-Kennzeichen -

Aus der DE 42 09 067 A1 ist eine Bogenleiteinrichtung bekannt, die an einer Schönund Widerdruckmaschine zum Einsatz kommen kann (Spalte 1, Zeilen 3 bis 6; --> Merkmale 1, 2). Diese Bogenleiteinrichtung weist eine Leitfläche 11 auf, die dem Leiten von Bogen 9 entlang einer Bogenlaufbahn dient (Spalte 2, Zeilen 22 bis 25; --> Merkmal 3). Die Leitfläche 11 ist mit Düsen 12 durchsetzt (vgl. hier wiedergegebene Figur 2), die mit Blasluft beaufschlagbar sind und unter einem spitzen Winkel -somit nicht normal zur Leitfläche -auf den Bogen 9 blasen (Spalte 1, Zeilen 66 bis 68; Spalte 2, Zeilen 29, 30; Anspruch 1). Im Sinne des o. a. fachmännischen Begriffsverständnisses handelt essich bei den Düsen 12 demnach um Schlitzdüsen (--> Merkmale 4, 5). Wie aus der hier wiedergegebenen Figur 2 ersichtlich, sind benachbart zur in Transportrichtung (Pfeil) verlaufender Längsmitte der Leitfläche 11 mehr Schlitzdüsen 12 angeordnet als zu den Seitenrändern hin. Somit kann auch die abnehmende Flächenbelegung der Leitfläche mit Schlitzdüsen zu ihren Seitenrändern hin bei dieser Bogenleiteinrichtung als verwirklicht angesehen werden (--> Merkmal 7). Über die Blasrichtung der einzelnen Schlitzdüsen in Bezug zur Bogenlaufrichtung ist der Wortbeschreibung der DE 42 09 067 A1 nichts zu entnehmen. Eine solche Blasrichtung ist nur aus der hier wiedergegebenen Figur 2 ersichtlich. Danach weisen die Schlitzdüsen 12 in einem Winkel von ca. 45¡ sowohl zur Bogenlaufrichtung als auch senkrecht dazu orientierte Blasrichtungen auf. Zwar wird eine zu den Seitenkanten hin gerichtete Hauptströmung erzeugt (Anspruch 1), was aber erkennbar auf die entlang zur Bogenlaufrichtung gegensinnig gerichteten Komponenten (gegenseitige Aufhebung) und den quer dazu -von der Mitte aus gesehen -gleichsinnig und sich daher addierenden Komponenten der Blasluftstrahlen zurückzuführen ist. Denn dabei ergibt sich im Zusammenwirken die zu den Rändern hin gerichtete Hauptströmung.

Der Fachmann erhält aus der DE 42 09 607 A1 im Hinblick auf die Orientierung der einzelnen Schlitzdüsen somit die Lehre, zum Erzielen einer zu den Seitenrändern der Leitfläche hin gerichteten Gesamtströmung die einzelnen Düsen in einem Winkel von ca. 45¡ zur Bogenlaufrichtung auszurichten (DE 42 09 067 A1 Spalte 1, Zeilen 13 bis 16 sowie Anspruch 1 Zeilen 12 bis 16 i. V. m. Figur 2). Eine Anregung, zu demselben Zweck (zu den Seitenrändern hin gerichtete Strömung) die Düsen mit Blasrichtung im Wesentlichen zu den Seitenrändern hin auszurichten, wird dem Fachmann mit der vorbekannten Düsenorientierung somit gerade nicht gegeben.

Die DE 42 09 067 A1 allein für sich vermag den Fachmann daher nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 zu führen.

Ein aus der DE 19 07 083 C3 bekannter Blaskasten zum schwebenden Führen und/oder Fördern von Bahnen und Bogen (Spalte 1, Zeilen 4, 5) an Maschinen nicht näher bezeichneter Art weist eine der Transportebene zugewandte Leitfläche (Begrenzungswand 2) auf (vgl. hier wiedergegebene Figuren 1, 3). Derartige Blaskästen werden häufig in der Führung/Förderung von Druckerzeugnissen auch an Druckmaschinen eingesetzt und können daher als dem auf dem Gebiet der Druckmaschinen tätigen Fachmann bekannt unterstellt werden (--> Merkmale 1 bis 3). Die Begrenzungswand 2 ist mit Schlitzdüsen bildenden Blasluftöffnungen 1 durchsetzt (vgl. Figur 3; --> Merkmale 4, 5). Eine im Wesentlichen in Förderrichtung verlaufende Strahlrichtung der Schlitzdüsen ist nur unter der Bedingung der Förderwirkung verlangt (Spalte 2, Zeilen 44 bis 48). Die Strahlrichtung des Blasstrahls kann aber offenbar auch so verlaufen, dass lediglich eine Kraft zum Straffen des Bogens ohne Förderwirkung ausgeübt wird (Spalte 2, Zeilen 38 bis 44). Der Fachmann mag daraus die Anregung erhalten, zum Erzielen einer solchen Kraft zum Straffen des Bogens die Düsen mit ihrer Hauptblasrichtung anders als die Förderrichtung auszurichten. Diese andere als in Förderrichtung orientierte Ausrichtung der Düsen ist in der DE 19 07 083 C3 allerdings nicht konkretisiert. Überdies weist die vorbekannte Leiteinrichtung eine von der Mitte zu den Seitenrändern der Leitfläche (Begrenzungswand 2) gleichbleibende Flächenbelegung mit Schlitzdüsen auf. Die streitpatentgemäß vorgesehene Ausgestaltung der Leitfläche mit zu den Seitenrändern hin ausgerichteten Schlitzdüsen und dazu von der Mitte zu den Seitenrändern hin abnehmender Flächenbelegung vermag die DE 19 07 083 C3 allein für sich dem Fachmann nicht nahezulegen.

Eine entsprechende Kombination von Düsenausrichtung und Flächendichte der Düsen ergibt sich aber auch nicht aus der von der Einsprechenden entgegengehaltenen Zusammenschau der beiden vorstehend dargelegten Bogenleiteinrichtungen. Mangels in der DE 19 07 083 C3 angegebener Konkretisierung der Blasrichtung der Düsen zum Zwecke der Bogenstraffung wird der Fachmann sich an die im Stand der Technik zu eben diesem Zweck vorgeschlagenen Lösungen halten. Dies führt im Falle der von der Einsprechenden geltend gemachten Zusammenschau dieser beiden vorbekannten Leiteinrichtungen auf die Lösung nach der DE 42 09 067 A1, nämlich die Orientierung der Schlitzdüsen unter einem Winkel von ca. 45¡ zur Förderrichtung. Die Düsenorientierung und -anordnung im Sinne der Merkmale 6 und 7 ist auf diese Weise gerade nicht nahe gelegt.

Die DE 94 16 106 U1 zeigt ein Bogenleitblech für die Bogenwendeeinrichtung einer Druckmaschine (Seite 1, Zeilen 1 bis 4; --> Merkmale 1 bis 3). Die Luftaustrittsöffnungen 3 des Bogenleitblechs 1, 1' haben vorbestimmte Blasrichtungen (vgl. hier wiedergegebene Figur 2) und sind nach oben dargelegtem Verständnis des Fachmanns als Schlitzdüsen anzusehen (--> Merkmal 4). Die Blasrichtung ist allerdings "vorwiegend in Bewegungsrichtung des Bedruckstoffs" und nur "zusätzlich von der Mitte des Bedruckstoffes her symmetrisch zu den Seitenrändern gerichtet" (Seite 2, Zeilen 14 bis 19; Seite 4, Zeilen 13 bis 19; Anspruch 5). Zudem ist eine von der Mitte zu den Seitenrändern der Leitfläche hin gleichbleibende Flächenbelegung vorgesehen.

Der Fachmann erhält somit die Lehre, zum Zwecke einer berührungslosen Führung der Bogen unter Straffung derselben (Seite 2, Zeilen 1 bis 5) mit Blasrichtung im Wesentlichen in Bogenlaufrichtung (und nicht wie streitpatentgemäß beansprucht quer dazu) orientierte Düsen anzuordnen und zudem eine gleichmäßige Flächenbelegung über die gesamte Leitfläche vorzusehen. Dies führt von der Anordnung der Düsen im Sinne der o. g. Merkmale 6 und 7 weg.

Eine Zusammenschau dieses Standes der Technik und desjenigen der DE 42 09 067 A1 kann schon deshalb nicht zur streitpatentgemäßen Bogenleiteinrichtung führen, weil bei beiden vorbekannten Leiteinrichtungen die vorwiegende Blasrichtung der Düsen nicht quer zur Bogenlaufrichtung verläuft. Entsprechendes gilt für eine Zusammenschau dieses Standes der Technik und desjenigen nach der DE 19 07 083 C3, wobei noch außerdem für diese beiden Leiteinrichtungen gleichmäßige Flächenbelegung vorgesehen ist und somit durch diese Zusammenschau auch die streitpatentgemäße Flächenbelegung nicht erhalten wird.

Bei einer Vorrichtung zum schwebenden Führen von zu fördernden Materialbahnen oder Materialbogen nach der DE 89 15 626 U1 sind Düsenleisten L mit einer Mehrzahl von Schlitzdüsen 4 vorgesehen. Die Düsen können so angeordnet sein, dass sie eine zum Breitstrecken ausnutzbare Zugkraft ausüben (Seite 2, Zeilen 1 bis 5; Seite 4, 2. Absatz). Eine entsprechende Anordnung ist aus der hier wiedergegebenen Figur 7 ersichtlich. Dabei weisen die Düsen unterschiedliche Blasrichtungen auf, und zwar abgestuft von senkrecht zur Leistenachse orientierter Blasrichtung in der Mitte bis parallel zur Leistenachse orientierter Blasrichtung an den Enden. Wie diese Düsenleiste in Bezug zur Förderrichtung orientiert ist, lässt sich nach Auffassung des Senats der DE 89 15 626 U1 nicht gesichert entnehmen. Unterstellt man, dass die Förderrichtung der Bogen quer zur Längserstreckung dieser Düsenleiste verläuft, ergäbe sich zwar eine überwiegend zu den Seitenrändern hin gerichtete Hauptströmung. Es läge aber nicht eine einheitliche Orientierung der einzelnen Düsen mit im Wesentlichen zu den Seitenrändern gerichteter Blasrichtung vor.

Auch eine zu den Seitenrändern von der Mitte aus abnehmende Flächenbelegung mit Düsen kann -entgegen der Auffassung der Einsprechenden -dieser Leiteinrichtung nicht zugeschrieben werden. Zwar ist in der Beschreibung darauf hingewiesen, dass "eine mehr oder weniger dichte Bestückung des Düsenkörpers mit Düsen" vorgesehen sein kann (Seite 4, 2. Absatz). Dies bezieht der unvoreingenommene Fachmann jedoch auf die Gesamtzahl der in der Leitfläche vorhandenen Düsen, nicht dagegen auf eine innerhalb der Leitfläche unterschiedliche Flächenbelegung. Eine solche Interpretation hält der Senat nur bei rückschauender Betrachtung in Kenntnis der streitpatentgemäßen Erfindung für möglich.

Somit vermag diese Druckschrift weder die zu den Seitenrändern hin abnehmende Flächenbelegung noch die Ausrichtung der einzelnen Düsen mit seitwärts gerichteter Blasrichtung nahezulegen, geschweige denn die Kombination dieser Merkmale. Eine Zusammenschau mit einer oder mehreren der vorgenannten Druckschriften führt daher ebenfalls nicht naheliegend zum Gegenstand des Patentanspruchs 1.

Bei der Bogenleiteinrichtung für eine Druckmaschine (Anspruch 1; --> Merkmale 1, 2) nach der DE 36 29 720 A1 werden die Bogen 8 entlang einer Bogenlaufbahn (Transportrichtung 21) transportiert, wobei sie auf sich in Bogenlaufrichtung erstreckenden, quer zur Bogenlaufrichtung beabstandeten Bogenleitstäben 14, 15 aufliegen (Spalte 3, Zeilen 21 bis 27; vgl. hier wiedergegebene Figuren 3, 4). Die Bogenleitstäbe 14, 15 sind in ihrer Position quer zur Bogenlaufrichtung verstellbar und werden -wegen des Schleifkontaktes zwischen Bogen und Leitstäben -auf jeweilige druckfreie Korridore des Druckbildes eingestellt (Spalte 3, Zeilen 12 bis 16). Sie weisen mit Blasluft beaufschlagbare Düsen 16 mit im Wesentlichen quer zur Bogenlaufrichtung und parallel zur Transportebene orientierter Blasrichtung auf (Spalte 3, Zeilen 1 bis 5). Auf der von der Transportebene abgewandten Seite der Bogenleitstäbe 14, 15 ist ein geschlossenes Begrenzungsblech 22 angeordnet, dass offenbar der Kanalisierung der Blasluft zwischen sich und dem Bogen dient.

Die Bogenleitstäbe 14, 15 zusammen mit dem Begrenzungsblech 22 mögen im weiten Sinn des Wortes als Leitfläche verstanden werden (--> Merkmal 3), von einem "Durchsetzen" derselben mit Düsen kann jedoch nicht die Rede sein. Zudem ist die Ausbildung der Düsen als Schlitzdüsen dieser Druckschrift nicht entnehmbar, bei der dargestellten Ausgestaltung der Leiteinrichtung sieht der Fachmann solches auch nicht als notwendig an. Auch eine bestimmte Verteilung der Düsen (Leitstäbe) innerhalb der Leitfläche ist nicht vorgeschrieben. Vielmehr ist bei der in Abhängigkeit von der Lage druckfreier Zonen des Druckbildes vorzunehmenden Positionierung der Bogenleitstäbe quer zur Bogenlaufrichtung die Flächenbelegung mit Düsen von Fall zu Fall unterschiedlich. Dabei kann sich sowohl eine zu den Seitenrändern hin abnehmende als auch eine gleichbleibende als auch eine zunehmende Flächenbelegung mit Düsen ergeben. Der unvoreingenommene Fachmann kann daraus nur den Schluss ziehen, dass es in Richtung quer zur Bogenlaufrichtung gesehen auf eine bestimmte Verteilung der Düsenanzahl je Flächeneinheit der Leitfläche überhaupt nicht ankommt.

Anregung zur Verwendung von Schlitzdüsen, zur Anordnung derselben mit bestimmter Flächenbelegung je Flächeneinheit, geschweige denn von der Mitte zur Seite hin abnehmend, ist dem Fachmann mit diesem Stand der Technik nicht gegeben.

Eine Zusammenschau mit den Leiteinrichtungen nach den übrigen oben dargelegten Druckschriften hält der Senat schon als solche für ausgeschlossen. Denn die streitpatentgemäß beanspruchte Ausgestaltung der Leiteinrichtung ist für die berührungslose Führung (Schwebeführung) der Bogen vorgesehen (Absatz 0004), die Leiteinrichtung nach der DE 36 29 720 A1 dagegen -wie ausgeführt -für die kontaktierende Führung (Spalte 3, Zeilen 21 bis 27). Dabei liegen Förderbedingungen vor, die der Fachmann als für eine Schwebeführung ungeeignet ansieht. Bei dieser Sachlage kann sich eine dennoch unterstellte Zusammenschau mit dem Ergebnis der streitpatentgemäßen Bogenleiteinrichtung nach Überzeugung des Senats nur in Kenntnis derselben durch gezieltes "Zusammenklauben" von Einzelmerkmalen aus verschiedenen vorbekannten Ausgestaltungen ergeben.

Der übrige, im Prüfungsverfahren in Betracht gezogene und von der Einsprechenden nicht aufgegriffene Stand der Technik kommt zumindest nicht näher als der vorstehend dargelegte Stand der Technik und steht dem Gegenstand des Streitpatents somit ebenfalls nicht entgegen.

Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung hat demnach Bestand.

2.4 Die Unteransprüche 2 bis 7 betreffen zweckmäßige Weiterbildungen der Bogenleiteinrichtung nach Patentanspruch 1 und enthalten keine Selbstverständlichkeiten. Sie haben daher ebenfalls Bestand.

3.

Zum Hilfsantrag Zum Hilfsantrag bedurfte es keiner Entscheidung, nachdem wie vorstehend ausgeführt dem Hauptantrag stattzugeben war.

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BPatG:
Beschluss v. 09.03.2011
Az: 9 W (pat) 347/06


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