Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. Dezember 2004
Aktenzeichen: 10 W (pat) 40/04

(BPatG: Beschluss v. 09.12.2004, Az.: 10 W (pat) 40/04)

Tenor

1. Die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts - Patentabteilung 44 - vom 16. März 2004 sowie des Rechtspflegers beim Bundespatentgericht vom 5. Oktober 2004 werden aufgehoben. Die Sache wird an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I Die beiden Patentinhaber haben am 10. April 2001 eine Erfindung mit der Bezeichnung "Faltbares mit Creme beschichtetes Folienelement (Folienschuh) zur hygienischen Aufbringung von Fußcreme bei der Anwendung von mechanischen Fußmassagevorrichtungen" gemeinsam zum Patent angemeldet und dabei angegeben, dass Sendungen des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) an die Adresse der Patentinhaberin zu 1) zu richten seien. Das Patent ist am 2. Oktober 2002 erteilt worden. Mit Schreiben vom 9. September 2003 teilte das DPMA der Patentinhaberin zu 1) mit, dass die 3. Jahresgebühr nicht innerhalb der zuschlagfreien Zahlungsfrist von zwei Monaten nach Fälligkeit entrichtet worden sei, weshalb das Patent erlösche, wenn nicht bis zum 31. Oktober 2003 die Gebühr (70,-- €) samt Verspätungszuschlag (50,-- €) gezahlt werde. Nachdem am 23. September 2003 lediglich ein Betrag in Höhe von 70,-- € eingezahlt worden war, traf das DPMA die Feststellung, dass das Patent erloschen sei. Dies wurde der Patentinhaberin zu 1) mit Schreiben vom 30. Januar 2004 mitgeteilt.

Am 11. Februar 2004 stellte die Patentinhaberin zu 1) unter gleichzeitiger Zahlung des Verspätungszuschlags einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Patentabteilung 44 des DPMA wies den Wiedereinsetzungsantrag durch einen an die Patentinhaberin zu 1) gerichteten Beschluss vom 16. März 2004 zurück. Dieser Beschluss wurde der Patentinhaberin zu 1) durch einen am 6. April 2004 abgesandten Einschreibbrief zugestellt.

Dagegen legte die Patentinhaberin zu 1) am 14. April 2004 Beschwerde ein. Die Beschwerdegebühr wurde erst am 19. August 2004 entrichtet. Daraufhin stellte der Rechtspfleger durch einen an die Patentinhaberin zu 1) gerichteten und dieser am 19. Oktober 2004 zugestellten Beschluss vom 5. Oktober 2004 fest, dass die Beschwerde wegen fehlender Gebührenzahlung gemäß § 6 Abs. 2 PatKostG als nicht eingelegt gelte. Gegen diesen Rechtspflegerbeschluss wendet sich die Patentinhaberin zu 1) im Wege einer am 2. November 2004 eingelegten Erinnerung.

Mit Schreiben vom 26. Oktober 2004 wurde dem Patentinhaber zu 2) eine Ausfertigung des Beschlusses vom 5. Oktober 2004 übermittelt. Zuvor war der Patentinhaber zu 2) während des gesamten Wiedereinsetzungsverfahrens, sowohl vor dem DPMA als auch vor dem Rechtspfleger beim Bundespatentgericht, nicht beteiligt. Bei den Zustellungen der Beschlüsse vom 16. März 2004 und vom 5. Oktober 2004 ist auch - soweit aus den Akten ersichtlich - kein Exemplar für den Patentinhaber zu 2) beigefügt worden.

II Die Erinnerung gegen den Rechtspflegerbeschluss vom 5. Oktober 2004 und die Beschwerde gegen den Beschluss des DPMA vom 16. März 2004 sind zulässig und führen zur Aufhebung der genannten Beschlüsse.

1. Die Erinnerung gegen den Rechtspflegerbeschluss ist begründet, weil die Beschwerdegebühr nicht zu spät gezahlt worden ist.

Nach § 6 Abs. 1 PatKostG ist die Beschwerdegebühr innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist zu zahlen. Diese Frist beginnt gemäß § 73 Abs. 2 PatG mit der Zustellung des angefochtenen Beschlusses des Patentamts.

Im vorliegenden Fall war die Zustellung des Beschlusses vom 16. März 2004 nicht wirksam, weil in dem am 6. April 2004 abgesandten Einschreibbrief entgegen § 127 Abs. 1 PatG i.V.m. § 8 Abs. 2 VwZG kein Beschlussexemplar für den Patentanmelder zu 2) beigefügt war.

Wenn ein Patent wie im vorliegenden Fall für zwei Patentinhaber erteilt worden ist, sind beide Patentinhaber verfahrensrechtlich als notwendige Streitgenossen i.S.d. § 62 ZPO zu betrachten (vgl Busse, PatG, 6. Aufl, § 47 Rdn 55). Dies hat zur Folge, dass durch die Stellung eines Wiedereinsetzungsantrags seitens eines Pateninhabers auch der andere Patentinhaber zum Beteiligten des Wiedereinsetzungsverfahrens wird (Benkard, PatG, 9. Aufl, § 123 Rdn 59). Patentamtliche Beschlüsse, die in dem Wiedereinsetzungsverfahren ergehen, müssen somit beiden Patentinhabern zugestellt werden.

Da nach dem Patenterteilungsantrag vom 10. April 2001 Sendungen des DPMA an die Patentinhaberin zu 1) gerichtet werden sollen, ist diese als Zustellungsbevollmächtigte des Patentinhabers zu 2) anzusehen. Gemäß § 8 Abs. 2 VwZG hätten der Patentinhaberin zu 1) demnach zwei Beschlussausfertigungen zugestellt werden müssen. Die Verletzung dieser zwingenden Vorschrift macht die Zustellung unwirksam (vgl BPatG, GRUR 1999, 702 - Verstellvorrichtung; BPatGE 45, 159, 161 - Verkleidungsplatten Schulte, PatG, 6. Aufl, § 127 Rdn 52; Sadler, VwVG VwZG, 5. Aufl, § 8 Rdn 20; Engelhardt/App, VwVG VwZG, 6. Aufl, § 8 Rdn 9).

Auch eine Heilung des Zustellungsmangels gemäß § 9 VwZG kommt nicht in Betracht. Hierfür genügt es nicht, dass die Patentinhaberin zu 1) den Beschluss nachweislich erhalten hat. Wenn gemäß § 8 Abs. 2 VwZG mehrere Beschlussexemplare zugestellt werden müssen, setzt die Anwendung des § 9 VwZG nämlich voraus, dass seitens der Behörde der Wille hierzu überhaupt vorhanden war (vgl Engelhardt/App, aaO § 9 Rdn 2; Sadler, aaO, § 9 Rdn 19 ff.; VG Koblenz, ZMR 2002, 237). Davon kann hier aber nicht ausgegangen werden.

Mangels wirksamer Zustellung hat die Beschwerdefrist somit nicht zu laufen begonnen, weshalb die Zahlung der Beschwerdegebühr am 19. August 2004 nicht verspätet war.

2. Die unterbliebene Beteiligung des Patentinhabers zu 2) am Wiedereinsetzungsverfahren der Patentabteilung stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel dar. Dies berechtigt den Senat gemäß § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses vom 16. März 2004. Dadurch soll das DPMA in die Lage versetzt werden, in formell korrekter Weise noch einmal über den Wiedereinsetzungsantrag zu entscheiden.

3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr beruht auf § 80 Abs. 3 PatG. Sie erscheint im Hinblick auf den vom Patentamt zu verantwortenden Verfahrensfehler als angemessen.

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BPatG:
Beschluss v. 09.12.2004
Az: 10 W (pat) 40/04


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