Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. Dezember 2000
Aktenzeichen: 29 W (pat) 216/99

(BPatG: Beschluss v. 20.12.2000, Az.: 29 W (pat) 216/99)

Tenor

Auf die Beschwerde des Anmelders werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 20. Oktober 1998 und vom 9. Juni 1999 insoweit aufgehoben.

Gründe

I Die Bezeichnung HEUHOTEL ist als Wortmarke für die Waren und Dienstleistungen Klasse 42: Beherbergung und Verpflegung von Gästen;

Klasse 29: Fleisch; Fisch; Geflügel und Wild; Fleischextrakte;

konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse;

Gallerten (Gelees); Konfitüren; Marmeladen; Fruchtsaucen;

Eier;

Milch und Milchprodukte;

Speiseöle und -fette;

Klasse 31: Land-, garten- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse sowie Samenkörner, soweit in Klasse 31 enthalten, insbesondere lebende Tiere, frisches Obst und Gemüse, Sämereien, lebende Pflanzen und natürliche Blumen, Futtermittel, Malzzur Eintragung in das Register angemeldet worden.

Die Markenstelle für Klasse 42 hat die Anmeldung durch zwei Beschlüsse, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen, weil der angemeldeten Bezeichnung jegliche Unterscheidungskraft fehle und sie ausschließlich aus einer freihaltebedürftigen beschreibenden Angabe bestehe.

Die angemeldete Marke besage, daß die beanspruchten Dienstleistungen in einem Hotel erbracht werden, in dem mit Heu gekocht und im Heu geschlafen werde, und daß die beanspruchten Waren mit Heu garniert seien oder selbst Heu darstellen. Auf dem Gastronomie- und Lebensmittelsektor sei "Heu" ein hochaktuelles Thema. Die angemeldete Bezeichnung werde vom Verkehr ohne weiteres als Fachbegriff verstanden und verwendet. Hierzu hat die Markenstelle Zeitungsberichte vom 31. Dezember 1997 und aus dem Jahr 1998 beigefügt, auf die im Erinnerungsbeschluß näher eingegangen worden ist. Der Erinnerungsprüfer hat die Frage eines Freihaltebedürfnisses offen gelassen und die Zurückweisung der Erinnerung auf das Fehlen der erforderlichen Unterscheidungskraft gestützt. Der im Vordergrund stehende beschreibende Bedeutungsgehalt beziehe sich sowohl auf die beanspruchten Dienstleistungen als auch auf die Waren der Klassen 29 und 31, für die die Anmeldung bestimmt sei. Das angemeldete Zeichen weise nicht das zur Begründung der Unterscheidungskraft notwendige Mindestmaß an phantasievoller Eigenart auf.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders, mit der er sinngemäß die Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse beantragt.

Mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2000 hat der Anmelder auf die Dienstleistungen der Klasse 42 verzichtet.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II Die Beschwerde ist zulässig und auch begründet.

Nach der Erklärung des Anmelders vom 18. Dezember 2000, die eine zulässige Einschränkung des Verzeichnisses der Waren und Dienstleistungen der Anmeldung gemäß § 39 Abs 1 MarkenG enthält und die Beschwerde bzgl der Dienstleistungen gegenstandslos gemacht hat, wird die angemeldete Marke nurmehr für die Waren der Klassen 29 und 31 beansprucht. Der Eintragung der angemeldeten Marke steht insoweit weder das absolute Schutzhindernis des Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft noch des Ausschlusses von freihaltebedürftigen beschreibenden Angaben entgegen (§ 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG).

Die Beurteilung der Eintragungshindernisse hängt in erster Linie davon ab, ob eine als Marke angemeldete Bezeichnung gerade in bezug auf die konkret beanspruchten Waren bzw Dienstleistungen diese in einer Weise beschreibt, daß sie dem Verkehr als unmittelbarer freizuhaltender Sachhinweis dienen kann und auch sonst nicht als betriebliches Unterscheidungsmerkmal aufgefaßt oder verstanden wird (st.Rspr BGH GRUR 1997, 627, 628 "à la carte"; MarkenR 1999, 347, 348 "ABSOLUT"; WRP 1999, 1167 - "YES"; MarkenR 1999, 292 - HOUSE OF BLUES").

Die sprachüblich zusammengesetzte Wortverbindung "HEUHOTEL" ist wie vergleichbare, seit langem existierende Hotelbezeichnungen (Sporthotel, Golfhotel, Kurhotel, Tagungshotel etc.) gebildet und ohne weiteres verständlich. Der Begriff wird bereits verwendet (vgl Artikel "Bettenmachen mit der Heugabel" in SZ v. 14. Juli 1998 Reisejournal). Die Markenstelle hat den Bericht zu Recht herangezogen, auch wenn er erst nach dem Zeitpunkt der Anmeldung erschienen ist. Denn für die Beurteilung der Frage, welchen erkennbaren Sinngehalt eine neue Wortschöpfung hat, ist nicht der Zeitpunkt der Anmeldung ausschlaggebend. Vielmehr sind alle Erkenntnisse und Umstände zu berücksichtigen, die bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Eintragung der angemeldeten Marke auf die maßgebliche Verkehrsauffassung einwirken.

Mit dem Wort "Heuhotel" wird ein neuartiger Hoteltyp bezeichnet, bei dem auf eine bestimmte Art der Übernachtung (Übernachten im Heu bzw in mit Heu gefüllten Betten) und der Zubereitung der Speisen für die Verpflegung der Gäste (Heuküche; gedämpft oder serviert auf bzw mit Heu) hingewiesen und damit eine für den angesprochenen Verkehr bedeutsame Eigenschaft eines entsprechenden Dienstleistungsangebots beschrieben wird.

Dagegen hat der Senat aufgrund von Recherchen im Internet nicht feststellen können, daß die angemeldete Bezeichnung zur Beschreibung von Eigenschaften der nurmehr beanspruchten Waren der Klassen 29 und 31 verwendet wird oder ernsthaft geeignet erscheint. Bei diesen handelt es sich in erster Linie um Waren der bäuerlichen Urproduktion. Auch wenn die Übernachtungsart "Heuhotel" vorrangig im Zusammenhang mit Ferien auf dem Bauernhof als spezielles Urlaubserlebnis angeboten wird, so läßt dieser Umstand nicht den Schluß zu, daß der Begriff "Heuhotel" mit dem Begriff "Bauernhof" gleichgesetzt und etwa als Qualitätshinweis wie "Fleisch, Eier, Konfitüren, Tiere vom Bauernhof" lediglich beschreibend verstanden und verwendet wird. Der Begriffsgehalt der angemeldeten Bezeichnung "Heuhotel" bezieht sich auf das Dienstleistungsangebot, das der Verkehr typischerweise mit einem Hotelbetrieb und dessen spezieller Ausrichtung (Beherbergung und Verpflegung der Gäste) verbindet, zu dem die selbständige Veräußerung der noch beanspruchten Grundprodukte üblicherweise nicht zählt. Es fehlt daher an einem im Vordergrund stehenden unmittelbaren Warenbezug.

Daß beispielsweise die Waren "Fisch, Milch, frisches Obst etc." - wie im Hotel üblich - für die Verpflegung der Gäste verwendet werden, macht die angemeldete Marke nicht zu einer Bestimmungsangabe iSv § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG, zumal nicht die Bezeichnung "Heu", sondern die Kombination "Heuhotel" angemeldet ist. Aus diesem Grund ist auch kein Bedürfnis zu erkennen, die zu veräußernden Waren künftig in einer beschreibenden Weise mit "Heuhotel" zu bezeichnen.

Meinhardt Baumgärtner Pagenberg Cl/Hu






BPatG:
Beschluss v. 20.12.2000
Az: 29 W (pat) 216/99


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/a7621b5d4fcd/BPatG_Beschluss_vom_20-Dezember-2000_Az_29-W-pat-216-99




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share