Amtsgericht Minden:
Urteil vom 22. Juli 2011
Aktenzeichen: 21 C 96/08

(AG Minden: Urteil v. 22.07.2011, Az.: 21 C 96/08)

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger einen Betrag in Höhe von 2.900,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.03.2005 sowie Mahnkosten in Höhe von 3,00 Euro und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 142,85 Euro zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Gründe

I.

Die zulässige Klage ist - bis auf einen Teil der geltend gemachten Nebenkosten - begründet. Demgegenüber ist die Widerklage zwar zulässig aber unbegründet.

1.

Die Kläger haben gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 2.900,00 € brutto gemäß §§ 675 i.V.m. §§ 611, 612 BGB i.V.m. StBGebV.

a.

Der Beklagte hat die Kläger mit der Erstellung der Einnahmen-/Überschussrechnung für das Jahr 2003 beauftragt. Mit Unterzeichnung des mit "Vollmacht [...] und Auftrag" überschriebenen Formulars am 25.05.1993 hat der Beklagte den Kläger zu 1) mit der laufenden Erledigung der Steuer-, Lohnabrechnungs- und Buchführungsangelegenheiten sowie insgesamt mit der Erledigung sämtlicher Steuersachen in allen Instanzen beauftragt. Bereits nach dem Wortlaut des Formulars handelte es sich nicht nur um eine Vollmachterteilung, um für den Beklagten bspw. gegenüber Finanzämtern auftreten zu können, sondern um eine Auftragserteilung. Dabei ergibt sich aus der Formulierung auch, dass es sich um einen unbefristeten und - in der Sache selbst - unbeschränkten Auftrag handelte. Eine Beschränkung auf einzelne Leistungen ist nicht ersichtlich; vielmehr ist von einem umfassenden Auftrag zur Erledigung aller Steuerangelegenheiten auszugehen.

Soweit der Beklagte in dem Zusammenhang eingewendet hat, bspw. die Daten der Buchhaltung seien erst nach ausdrücklichem Auftrag übernommen worden, ebenso wie die Jahresabschlüsse, ist dies unerheblich. Die vom Kläger zu 1) und vom Beklagten unterzeichnete Vollmachts- und Auftragsurkunde hat als Privaturkunde die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich (vgl. Huber in Musielak, ZPO, 8. Auflage 2011, § 416 Rn. 4; BGH NJW 2002, 3164f.). Diese Vermutung hat der Beklagte nicht widerlegt; insoweit wäre es dem Beklagten zumutbar gewesen, substantiiert darzulegen, wann, wie oder bei welcher Gelegenheit die einzelnen Aufträge erteilt worden sein sollen. Dies hat der Beklagte unterlassen.

Eine Beendigung der Vertragsbeziehung vor dem Jahre 2003 ist nicht ersichtlich und vom Beklagten auch nicht behauptet worden. Überdies sind unstreitig die Kläger auch für das Jahr 2004 tätig geworden, für welches der Beklagte das Honorar von pauschal 2.500,00 € netto bezahlt hat.

b.

Der Anspruch der Kläger ergibt sich allerdings nicht aus der behaupteten pauschalen Vergütungsvereinbarung. Diese vermochten die Kläger nicht zur Überzeugung des Gerichts zu beweisen.

Die Zeugin L. bekundete zwar, es sei über 3 Jahre, und zwar 2002 bis 2004 für den Beklagten als Einzelkanzlei der gleiche Betrag in Rechnung gestellt worden, jedoch musste die Zeugin einräumen, dass sie bei Verhandlungen über die Pauschalhonorarvereinbarung nicht dabei gewesen sei. Demgegenüber gab die Zeugin S. an, nachdem der erste Abschluss für den Beklagten als Einzelkanzlei gemacht worden sei, habe es ein persönliches Gespräch zwischen dem Kläger zu 1) und dem Beklagten gegeben; ihr gegenüber sei nochmals ausdrücklich bestätigt worden, dass eine Pauschalvergütung von 2.900,00 € vereinbart worden sei. Allerdings konnte die Zeugin S. auf Nachfrage nicht sagen, ob es ein solches Gespräch anlässlich der 2. Rechnung gegeben habe.

c.

Nachdem die Kläger eine Vergütungsvereinbarung nicht zur Überzeugung des Gerichts darlegen und beweisen konnten, richtet sich die Vergütung nach § 64 Abs. 1 StBerG i.V.m. StBGebV. Hierüber verhält sich die von den Klägern aufgestellte Vergleichsrechnung vom 06.03.2008.

aa.

Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Kläger die in der Vergleichsrechnung abgerechneten Leistungen erbracht haben. Dabei ist für die Überzeugungsbildung des Gerichts nicht eine mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich; es reicht ein unter Berücksichtigung der Denk- und Beweisgesetze für das Leben brauchbarer Grad an Gewissheit, der vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet (vgl. Foerste in Musielak, ZPO, 8. Auflage 2011, § 286 Rn. 19).

Die Zeugin L. hat die Erbringung der abgerechneten Leistungen vollumfänglich bestätigt. Sie hat bekundet, die Leistungen selbst erbracht zu haben oder unmittelbar an deren Erbringung beteiligt gewesen zu sein. Auch hat sie erklärt, die Vergleichsrechnung selbst anhand der Zeiterfassung (Anlage kwm8, Bl. 78 - 79 d. A.) erstellt zu haben und insbesondere erklärt, dass die dort aufgelisteten Arbeiten auch erbracht worden seien. Soweit die Zeugin L. erklärte, der Beklagte habe den Jahresabschluss für 2003 unterzeichnet und die Rechnungspositionen 1 - 7 auf Seite 1 der Vergleichsrechnung seien Standardleistungen im Zusammenhang mit dem Jahresabschluss, deckt sich dies mit dem Beklagtenvorbringen; der Beklagte selbst hat Auftragserteilung und Ausführung der abgerechneten Leistungen bzgl. der Positionen auf Seite 1 der Rechnung nicht in Abrede gestellt.

Gleiches gilt für die Positionen 1 sowie 4 - 6 auf Seite 2 und die Position 2 auf Seite 3 der Vergleichsrechnung, welche der Beklagte nicht bestritten hat; die Zeugin L. hat bekundet, diese Leistungen zum Teil selbst erbracht zu haben oder jedenfalls das vom Kläger zu 1) erstellte Arbeitsergebnis gesehen zu haben.

Die Zeugin L. vermochte zu sämtlichen Rechnungspositionen der Vergleichsrechnung Angaben zu machen und sich auch noch an die Erbringung der einzelnen Leistungen bzw. die Arbeitsergebnisse zu erinnern.

Der Umstand, dass die Zeugin L. Mitarbeiterin der Kläger ist, spricht nicht per se gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin bzw. die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage; das Gericht muss sich lediglich kritischer mit der Aussage auseinandersetzen.

Das Gericht ist schließlich an der Würdigung der Aussage und Berücksichtigung bei der Urteilsfindung nicht gehindert, auch wenn die Beweisaufnahme durch das Gericht in anderer Besetzung durchgeführt worden ist.

Der in § 309 ZPO zum Ausdruck kommende Grundsatz der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit der Verhandlung ist nicht verletzt, solange das Urteil von dem Gericht gefällt wird, das der sog. Schlussverhandlung beigewohnt hat (vgl. Musielak in Musielak, ZPO, 8. Auflage 2011, § 309 Rn. 2). Auch bei einem Richterwechsel nach durchgeführter Beweisaufnahme bleibt diese bindend; eine Wiederholung der Beweisaufnahme ist nicht zwingend erforderlich (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 28. Auflage 2010, § 309 Rn. 1, 4); hieran ändert auch die Rüge des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 22.07.2011 nichts. Schließlich hat auch der Beklagte weder auf einem erneuten Vorspielen der in Gegenwart der Zeugen und Parteien protokollierten Aussage bestanden noch hat der Beklagte die Berichtigung der Protokolle vom 11.03.2009 und/oder vom 21.04.2010 beantragt. Die Protokolle der Sitzungen begründen gemäß § 418 Abs. 1 ZPO vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen (vgl. Geimer in Zöller, ZPO, 28. Auflage 2010, § 418 Rn. 1). Mangels Zweifeln an der ordnungsgemäßen Protokollierung der Zeugenaussagen sind diese im Wege des Urkundsbeweises verwertbar.

Eine Unverwertbarkeit ergibt sich auch nicht vor dem Hintergrund der vom Beklagten behaupteten Verletzung der Verschwiegenheitspflicht durch die Kläger.

Die Verschwiegenheitspflicht gemäß § 57 StBerG hindert den Steuerberater nicht, einen Prozess um seine Gebühren zu führen und hindert insbesondere auch nicht die Vernehmung eines Mitarbeiters des Steuerberaters, auch wenn der Mitarbeiter vom Mandanten nicht von der Verschwiegenheitspflicht entbunden worden ist. Der Mandant, der die Honorarrechnung nicht bezahlt, bewirkt durch dieses Verhalten eine Gefahr für den Vergütungsanspruch und das Vermögensinteresse des Steuerberaters. In einem solchen Fall tritt das Geheimhaltungsinteresse des Mandanten hinter den Interessen des Steuerberaters, eine berechtigte Gebührenforderung durchzusetzen, zurück (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 21.11.2001, Az. 7 U 216/00 = MDR 2002, 905; OLG Stuttgart, Beschluss vom 27.08.1998, Az. 12 W 50/98 = MDR 1999,192; BGH, Urteil vom 25.03.1993, IX ZR 192/92 dort Rz. 18 = NJW 1993, 1638).

bb.

Die Abrechnung der einzelnen durch die Kläger erbrachten Leistungen ist auch angemessen. Gemäß § 11 StBGebV ist die Gebühr, soweit es sich um eine Rahmengebühr handelt, unter Berücksichtigung aller Umstände, v.a. des Umfangs und der Schwierigkeit der beruflichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen zu bestimmen. Grundsätzlich ist der Steuerberater bereits mit dem Überschreiben der Mindestgebühr verpflichtet, die zugrunde liegenden Umstände darzulegen und zu beweisen, welche die Gebührenbestimmung als billig im Sinne von § 315 BGB erscheinen lassen (vgl. OLG Hamm NJW-RR 1999, 510; OLG Düsseldorf NJW-RR 2005, 1152). Die Mittelgebühr ist dann als billig und angemessen anzusehen, wenn es sich um eine Angelegenheit durchschnittlicher Bedeutung und durchschnittlichen Umfangs sowie durchschnittlicher Schwierigkeit handelt (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O.; BGH NJW-RR 2001, 494; BGH NJW-RR 1996, 375). Den Klägern ist der Nachweis einer diese Grundsätze berücksichtigenden angemessenen Berechnung gelungen.

Der Sachverständige Dr. Lemm, dessen überzeugenden Ausführungen das Gericht folgt, hat festgestellt, dass die Beratung des Beklagten durch die Kläger insgesamt weder als überdurchschnittlich noch als unterdurchschnittlich anzusehen ist, so dass die Mittelgebühr im Ergebnis angemessen ist. Nach den Feststellungen des Sachverständigen liegen die von den Klägern für die einzelnen Leistungen berechneten Gebühren zum Teil sogar unterhalb der Mittelgebühr. Bei durchgehendem Ansatz der Mittelgebühr ergäbe sich ein um 579,30 € brutto höheres bereinigtes Honorar. Insgesamt sind die Darstellungen des Sachverständigen überzeugend und nachvollziehbar; der Sachverständige geht von zutreffenden Tatsachen aus und stellt die daraus gezogenen sachverständigen Schlüsse widerspruchsfrei und logisch dar. Nach den Ausführungen des Sachverständigen ist nach der bereinigten Vergleichsberechnung ein Honorar in Höhe von 3.682,35 € netto bzw. 4.271,53 € brutto berechtigt.

Da die Kläger ihren Vergütungsanspruch konsequent auf das behauptete Pauschalhonorar von 2.900,00 € brutto begrenzen, kommt es im Ergebnis nicht darauf an, ob die als Position 11 auf Seite 2 der Vergleichsberechnung mit einem Betrag von 744,70 € netto eingestellte Besprechung mit dem Zeugen C. im Zusammenhang mit der Steuerberatertätigkeit der Kläger für den Beklagten stand. Auch bei Abzug dieser Position aus der bereinigten Rechnung verbleibt ein Betrag oberhalb von 2.900,00 € brutto.

2.

Der Durchsetzbarkeit des Anspruchs steht die vom Beklagten erhobene Einrede der Verjährung nicht entgegen. Für den Beginn der Verjährung von Honoraransprüchen des Steuerberaters ist auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die einzelnen, nach der StBGebV selbständig abrechenbaren Leistungen erbracht und beendet waren (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 26.07.2006, Az. 1 U 604/05 ). Dabei obliegt die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich der Eintritt der Verjährung ergibt, dem Mandanten des Steuerberaters (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.06.1996, Az. 13 U 68/95 ).

Die Kläger haben vor Ablauf des Jahres 2007, beim Mahngericht eingegangen am 28.12.2007 den Erlass eines Mahnbescheides beantragt, der auch demnächst im Sinne des § 167 ZPO dem Beklagten am 17.01.2008 - nach Erlass am 15.01.2008 - zugestellt wurde. Aufgrund der demnächstigen Zustellung war gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB der Ablauf der Verjährungsfrist bereits mit Eingang des Antrages auf Erlass eines Mahnbescheides gehemmt.

Soweit der Beklagte die Einrede der Verjährung ausdrücklich unter Hinweise auf die mit Schriftsatz vom 30.04.2008 übersandte Vergleichsrechnung der Kläger erhebt, ergibt sich nichts anderes. Der Steuerberater ist im Falle einer nicht formwirksamen oder einer vom Mandanten bestrittenen Pauschalhonorarvereinbarung nicht gehindert, die Gebühren nach der StBGebV zu berechnen. Zudem wird die Verjährungsfrist auch durch eine unzulässige, unsubstantiierte oder unschlüssige Klage gehemmt und auch, wenn bspw. bei einer Klage auf Rechtsanwaltsvergütung die nach § 18 BRAGO - vergleichbar § 9 Abs. 1 StBGebV - für die Durchsetzbarkeit erforderliche Rechnung noch nicht gestellt ist (vgl. OLG Saarbrücken a.a.O.; Heinrichs in Palandt, BGB, 69. Auflage 2010, § 204 Rn. 5; BGH NJW-RR 1996, 1409; NJW 1983, 2813; BGH NJW 1998, 3486, 3488). Die Vergleichsrechnung ist hier lediglich eine von der Pauschalhonorarvereinbarung abweichende Begründung; auf die Verjährung hat dies keinen Einfluss.

3.

Der Anspruch der Kläger ist auch nicht durch die von dem Beklagten hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Gebührenansprüche nach §§ 389, 387 BGB erloschen.

Soweit der Beklagte zunächst auch wegen einer Gebührenrechnung in Sachen S. ./. N. vom 30.03.2009, Rechnungs-Nr. 0900030 in Höhe von 400,14 € hilfsweise die Aufrechnung erklärt hatte, hat er in der mündlichen Verhandlung vom 22.07.2011 erklärt, dass diese Rechnung nach Kostenfestsetzung ausgeglichen worden sei.

Die Rechnung Nr. 0700220 vom 09.11.2007 bezieht sich ausgehend von den abgerechneten Gebühren auf eine Bußgeldsache sowie unter Berücksichtigung des Betreffs auf eine Geschwindigkeitsüberschreitung; Adressat ist Herr Steuerberater X. S.. Der Sache nach betrifft die Rechnung eine persönliche Angelegenheit des Klägers zu 1) nicht jedoch der aus dem Kläger zu 1) und der Klägerin zu 2) bestehenden Steuerberatergesellschaft. Einer Aufrechnung mit einer nur gegen einen Gesellschafter gerichteten Forderung gegen eine Forderung der Gesellschaft steht die Regelung des § 719 Abs. 2 BGB entgegen. Insoweit fehlt es nämlich an der erforderlichen Gegenseitigkeit (vgl. Sprau in Palandt, BGB, 69. Auflage 2010, § 719 Rn. 5; Grüneberg in Palandt, BGB, 69. Auflage 2010, § 387 Rn. 6).

Die Aufrechnung greift auch nicht durch, soweit der Beklagte mit Rechnungen vom 08.03.2010 in Sachen S. ./. T. 2, Q. GmbH, T., C.+Q. und Q. 2 Gebühren für Zwangsvollstreckungsmaßnahmen sowie in Sachen S. ./. Ordnungswidrigkeitenverfahren Gebühren für Bußgeldverfahren geltend macht. Hinsichtlich der letztgenannten Rechnung Nr. 1000009 gilt das eingangs zu Rechnung Nr. 0700220 Gesagte. Hinsichtlich der weiteren Rechnungen vom 08.03.2010 fehlt es bereits an substantiiertem Vortrag des Beklagten; überdies greift die von den Klägern erhobene Einrede der Verjährung.

Dem Beklagten ist zuzugeben, dass die Darlegungs- und Beweislast für Beginn und Ablauf der Verjährungsfrist grundsätzlich der Schuldner trägt, also hier die Kläger (vgl. Ellenberger in Palandt, BGB, 69. Auflage 2010, Überbl v § 194 Rn. 23). Allerdings obliegen Darlegung und Beweis für das Entstehen und die Berechtigung des Gebührenanspruchs dem Gläubiger, also dem Beklagten. Dieser Beweis ist nicht gelungen.

Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass die Kläger dem Beklagten am 25.03.2004 einen Auftrag erteilt haben, zeitlich unbefristet und unbegrenzt bis zur vollständigen Befriedigung aus den Vollstreckungstiteln, die dem Beklagten unstreitig übergeben wurden, die Zwangsvollstreckung zu betreiben. Für eine solche Auftragserteilung hat der Beklagte keinen Beweis angeboten. Auch lassen die Ausführungen der Kläger in der als Anlage 12 mit Schriftsatz vom 21.07.2011 zur Akte gereichten Klageschrift, wonach der Beklagte die im dortigen Klageantrag aufgeführten Verfahren in Auftrag gehabt habe, keinen sicheren Schluss darauf zu, dass es sich um einen unbefristeten und umfassenden Auftrag gehandelt habe.

Selbst wenn man unterstellte, dass dem Beklagten nach Übersendung der Vollstreckungstitel durch die Kollegen T.+Partner am 25.03.2004 von den Klägern ein umfassender, einheitlicher Auftrag erteilt worden ist und der Beklagte auch unmittelbar Vollstreckungsmaßnahmen durchgeführt hat und selbst wenn man lediglich abrechnungsfähige Vorbereitungsmaßnahmen (vgl.Walter Gierl in Mayer/Kroiß, RVG, 4. Auflage 2009, Nr. 3309 VV Rn. 6) annehmen wollte, wären die dafür angefallenen Gebühren zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung im März 2010 bereits verjährt gewesen.

Für die Fälligkeit der anwaltlichen Gebühr im Sinne von § 8 RVG kommt es nicht auf die Beendigung eines evtl. einheitlichen Auftrages an; maßgeblich ist vielmehr die gebührenrechtliche Angelegenheit nach § 15 RVG. So stellt gemäß § 18 Nr. 1 RVG jede Vollstreckungsmaßnahme bis zur Befriedigung des Gläubigers gebührenrechtlich eine neue Angelegenheit dar, die selbständig fällig wird und verjährt (vgl. Walter Gierl in Mayer/Kroiß, RVG, 4. Auflage 2009, § 8 Rn. 24 - 26). Dies gilt auch, wenn man zugunsten des Beklagten weiter unterstellte, er habe bspw. auch in 2005 und 2006 vollstreckt. Fälligkeit und Beginn der Verjährungsfrist für die einzelne Zwangsvollstreckungsmaßnahme werden nicht dadurch gehemmt, dass der Rechtsanwalt zeitlich nachfolgend weitere Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durchführt; vielmehr ist davon auszugehen, dass mit Beginn der neuen Maßnahme spätestens die vorangegangene beendet ist und die diesbezügliche Vergütung fällig wird (vgl. Walter Gierl a.a.O.).

Die Gebühren für etwaige Vollstreckungsmaßnahmen in 2004 waren mit Ablauf des 31.12.2007 verjährt. Dass der Beklagte in 2006 noch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durchgeführt hat, insbesondere wann und welche - bspw. Auftrag zur Abnahme der Eidesstattlichen Versicherung, Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zwecks Kontenpfändung o.ä. - hat der Beklagte nicht im Einzelnen dargelegt. Dies darzulegen wäre dem Beklagten jedoch zumutbar gewesen und auch vor dem Hintergrund der - unbestrittenen - Unkenntnis der Kläger erforderlich gewesen.

Die Kläger haben dargelegt, dass ihnen etwaige Tätigkeiten des Beklagten nicht bekannt seien, dass ihnen mangels Einsicht in die Unterlagen nicht bekannt sei, wann der Beklagte welche Tätigkeiten entfaltet habe. Dies hat der Beklagte nicht in Abrede gestellt. Vielmehr hat der Beklagte bestätigt, dass in den Verfahren, auf die sich die streitgegenständlichen Gebührenrechnungen beziehen, er die Herausgabe der Handakten der Kläger verweigere. Sofern den für den Eintritt der Verjährung grundsätzlich beweisbelasteten Klägern substantiierter Vortrag mangels detaillierter Information des Beklagten zu den vermeintlich durchgeführten Vollstreckungsmaßnahmen nicht möglich ist, verstößt es gegen den auch im Zivilprozessrecht anwendbaren Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB (vgl. Grüneberg in Palandt, BGB, 69. Auflage 2010, § 242 Rn. 17) und stellt einen Fall unzulässiger Rechtsausübung dar, wenn sich der Beklagte auf die ihm formal eingeräumte Position als Gläubiger und Einwendungsgegner zurückzieht.

Der Beklagte hätte im Rahmen der ihn als Anspruchsteller treffenden Darlegungslast zunächst substantiiert vortragen müssen, wann welche Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ergriffen worden sind. Derartiger Vortrag wäre dem Beklagten auch zumutbar gewesen, da es sich - unterstellt man entsprechende Zwangsvollstreckungsmaßnahmen - um Vorgänge seiner eigenen Wahrnehmung und eigenen Tätigkeit handelt, die der Beklagte ohne großen Aufwand hätte darstellen können. Entsprechende Angaben hat der Beklagte jedoch unterlassen. Soweit er seine Mitarbeiterin Frau U. X. zum Beweis dafür benannt hat, sämtliche Tätigkeiten seien unmittelbar nach Auftragserteilung in allen Angelegenheiten ausgeführt worden, ist dies bereits unsubstantiiert, weil der Kläger auch hier nicht darlegt, wann welche Maßnahmen durchgeführt worden sein sollen; die Zeugenvernehmung hätte eine unzulässige Ausforschung dargestellt.

Zweifel an wiederholter Zwangsvollstreckungstätigkeit des Beklagten bestehen auch vor dem Hintergrund, dass bei vermeintlicher Tätigkeit in der angegebenen Leistungszeit vom 23.03. bzw. 24.03.2004 bis 09.04.2009 keinerlei Auslagen bspw. für Gerichtsvollzieherkosten enthalten sind. Darüber hinaus datiert die Leistungszeit auf einen Zeitpunkt vor der vom Beklagten behaupteten Auftragserteilung am 25.03.2004.

4.

Der Zinsanspruch steht den Klägern unter dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß §§ 286 Abs. 3, 288 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 247 BGB zu. Soweit der Beklagte behauptet hat, die Rechnung wäre nicht zeitnah zum Erstellungsdatum zugestellt worden sondern erst Anfang 2006, ist dies rechtlich unerheblich; dem Beklagten wäre zumutbar gewesen darzulegen, wann genau eine Zustellung erfolgt sei. Unter Berücksichtigung der Ausstellung der Rechnung am 28.02.2005 sowie der Regelung des § 286 Abs. 3 BGB ist der Beklagte spätestens mit Ablauf des 29.03.2005 in Verzug geraten.

Der Zinssatz ergibt sich aus §§ 288 Abs. 2, 247 BGB.

Die Mahnkosten erachtet das Gericht gemäß § 287 ZPO ohne nähere Darlegung des Mahnaufwandes lediglich in Höhe von 3,00 € für angemessen.

Vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 142,85 € sind als Verzugsschaden gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 3, 249 BGB zu ersetzen, nachdem das anwaltliche Mahnschreiben erst am 20.12.2007, mithin nach Verzugseintritt erfolgte.

5.

Der vom Beklagten mit der Widerklage geltend gemachte Schadensersatzanspruch scheidet mangels unberechtigter Inanspruchnahme des Beklagten durch die Kläger aus. Insoweit kann dahinstehen, ob der Beklagte die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auch dann verlangen kann, wenn er vorgerichtlich nach außen gegenüber den Klägern bzw. den Bevollmächtigten der Kläger nicht aufgetreten ist.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Soweit die Klage wegen der Nebenkosten abgewiesen worden ist, liegen diese unterhalb von 10 % des fiktiven Streitwerts, bestehend aus Hauptforderung, Zinsen und Kosten und verursachen mangels Berücksichtigung bei der Wertbemessung nach § 4 ZPO auch keine höheren Gebühren; überdies war die Bemessung der Mahnkosten nach § 287 ZPO vorzunehmen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.






AG Minden:
Urteil v. 22.07.2011
Az: 21 C 96/08


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