Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. Juli 2008
Aktenzeichen: 32 W (pat) 80/07

(BPatG: Beschluss v. 23.07.2008, Az.: 32 W (pat) 80/07)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Am 31. März 2006 ist die Wortmarke Purofür die Waren und Dienstleistungen

"05: diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost;

30: Brot, feine Backwaren und Konditorwaren;

43: Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen"

zur Eintragung angemeldet worden.

Die Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung nach vorangegangener Beanstandung in einem ersten Beschluss vom 12. September 2006 mit der Begründung zurückgewiesen, der Eintragung stehe die Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen, da eine die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibende und von daher freihaltebedürftige Sachangabe vorliege. In der Bedeutung "rein, pur, klar" zähle "Puro" zum Grundwortschatz der spanischen Sprache, bei der es sich um eine Welthandelssprache handele. Das Markenwort könne den Hinweis vermitteln, dass die beanspruchten Erzeugnisse frei von Zusätzen künstlicher Art oder von Haltbarkeitsmitteln seien. Im Interesse des Import- und Exportverkehrs mit dem spanischsprachigen Bereich, dem angesichts der zunehmenden Globalisierung und des zwischenstaatlichen Warenhandels, gerade auch innerhalb der Europäischen Union, erhebliche Bedeutung zukomme, bestehe ein Bedürfnis an der ungehinderten Verwendbarkeit der betreffenden spanischsprachigen Angabe. Auf Warenverpackungen werde die Beschriftung oftmals mehrsprachig, u. a. auch in Spanisch, angebracht.

Die - nicht näher begründete - Erinnerung der Anmelderin ist durch Beschluss derselben Markenstelle vom 15. Mai 2007 zurückgewiesen worden. Der Erinnerungsprüfer ist ebenfalls der Auffassung, das spanischsprachige Wort "Puro" könne auf (hohe) Qualität und Beschaffenheit der beanspruchten Waren hinweisen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Zur Beurteilung der Unterscheidungskraft müsse auf das Verständnis des inländischen Verkehrs abgestellt werden. Diesem sei das nicht zum allgemeinen Grundwortschatz der spanischen Sprache zählende Wort "Puro" ganz überwiegend unbekannt. Vielmehr sehe der Verbraucher in "Puro" eine sprachregelwidrige Abwandlung des deutschen Wortes "pur", nicht aber einen beschreibenden Begriff aus einer anderen Sprache. Aber selbst für den kleinen Kreis der inländischen Verbraucher, welcher der spanischen Sprache mächtig sei, ergebe sich wegen der Mehrdeutigkeit von "Puro" (u. a. "Zigarre") kein klarer Sinngehalt. Die Markenstelle habe keine Feststellungen getroffen, dass der Gebrauch des angemeldeten Markenwortes in Zusammenhang mit den beanspruchten Waren im spanischen Sprachraum tatsächlich üblich sei; es sei auch nicht begründet worden, weshalb ein solcher in absehbarer Zeit erfolgen könne.

Die Anmelderin beantragt (sinngemäß), die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 30 vom 12. September 2006 sowie vom 15. Mai 2007 aufzuheben und die angemeldete Marke für sämtliche beanspruchten Waren und Dienstleistungen in das Markenregister einzutragen, hilfsweise, die angemeldete Marke für die Waren "Brot, feine Backwaren und Konditorwaren" einzutragen.

Die betreffenden Waren in Klasse 30 seien für Spanien nicht regionaltypisch, es sei angesichts der Entfernung zu diesem Land auch nicht mit einem Transport zu rechnen.

Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil das angemeldete Markenwort für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen als beschreibende und deshalb freihaltebedürftige Angabe gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dienen kann.

Nach dieser Bestimmung dürfen Marken nicht eingetragen werden, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, des Wertes oder sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können, für welche die Eintragung beantragt wird. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verfolgt die mit Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Ersten Richtlinie des Rates der EG Nr. 89/104 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (Markenrichtlinie) übereinstimmende Bestimmung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass sämtliche Zeichen oder Angaben, die Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, von allen frei verwendet werden können; sie erlaubt es daher nicht, dass solche Zeichen oder Angaben aufgrund ihrer Eintragung nur einem Unternehmen vorbehalten werden (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, 725, Nr. 25 - Chiemsee; GRUR 2004, 146, 147, Nr. 31 - DOUBLEMINT; GRUR 2004, 674, 676, Nr. 54, 56 - Postkantoor; GRUR 2004, 680, 681, Nr. 36 - BIOMILD). Als eine in diesem Sinn für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen merkmalsbeschreibende Angabe, an deren freien ungehinderten Verwendung die Konkurrenten der Anmelderin ein berechtigtes Interesse haben, ist die angemeldete Marke zu beurteilen.

Dem Markenwort "Puro", verstanden als spanischsprachiger Begriff, kommt die - adjektivische bzw. adverbiale - Bedeutung "rein, pur, klar" zu; dies ergibt sich aus sämtlichen dem Senat zur Verfügung stehenden spanischdeutschen Wörterbüchern (vgl. PONS, Großwörterbuch für Experten und Universität, Spanisch-Deutsch, 2001, S. 687; Wörterbuch der spanischen und deutschen Sprache, bearbeitet von C. Illig, 5. Aufl., 2001, S. 1022; Langenscheidts Handwörterbuch Spanisch, Teil I Spanisch-Deutsch, 5. Aufl., 1990, S. 508; Langenscheidts Millennium-Wörterbuch Spanisch, Spanisch-Deutsch, 1. Aufl., 2000, S. 412; Navarro/Ramil, Thematischer Grund- und Aufbauwortschatz Spanisch, neue Ausgabe, S. 18). Ob das betreffende Wort - als Substantiv - weitere Bedeutungen (z. B. "Zigarre") aufweist, wie die Anmelderin geltend macht, ist im vorliegenden Zusammenhang ohne Bedeutung, weil der Sinngehalt eines fremdsprachigen Markenworts stets im Blick auf die konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu ermitteln ist (Ströbele in: Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 8 Rn. 21, 202). Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass "Puro" auch in der italienischen Sprache, bei der es sich in gleicher Weise wie bei der spanischen um eine Welthandelssprache handelt (vgl. Ströbele in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rn. 258), die Bedeutung "rein, echt, klar" aufweist (Langenscheidts Handwörterbuch Italienisch, Teil I, Italienisch-Deutsch, 8. Aufl., 1991, S. 388).

Für sämtliche beanspruchten Waren und Dienstleistungen kann die Reinheit (oder Klarheit) ein wesentliches Merkmal darstellen. Bei diätetischen Erzeugnissen für medizinische Zwecke und Babykost legt der Verbraucher Wert darauf, dass diese frei sind von Zusätzen, welche die Wirkungsweise negativ beeinflussen oder gar, etwa für das Kleinkind, schädlich sind. Auch bei Brot, feinen Backwaren und Konditorwaren kann der Begriff "Puro" (= rein) auf die Qualität, vor allem auf unverfälschte Ausgangsstoffe bei der Herstellung (wie z. B. Mehl, Zucker, Körner) hinweisen. Im Zusammenhang mit der Dienstleistung "Verpflegung von Gästen" legt der Kunde im allgemeinen großen Wert auf Reinlichkeit, sowohl bei der Zubereitung der Speisen in der Küche wie bei deren Präsentation im Gastraum. Entsprechendes gilt für die Beherbergungsdienstleistungen.

Zur Merkmalsbeschreibung der fraglichen Waren und Dienstleistungen im Verkehr können dabei nicht nur die deutschen Wörter "rein, pur, klar" dienen, sondern auch das angemeldete sinngleiche spanische (bzw. italienische) Wort "Puro". Denn die beteiligten Verkehrskreise in Deutschland sind - entgegen der Annahme der Anmelderin - ohne weiteres in der Lage, die Bedeutung des zum Grundwortschatz der spanischen (und italienischen) Sprache zählenden Wortes zu erkennen (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 413, Nr. 26, 32 - Matratzen Concord). Anders als bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft (gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG; auf diesen Schutzversagungsgrund hat die Markenstelle ihre Entscheidung in den angefochtenen Beschlüssen letztlich nicht gestützt), kommt es im Rahmen des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht in erster Linie auf das Verständnis der Endverbraucher entsprechender Erzeugnisse bzw. der Nachfrager derartiger Dienstleistungen an - wobei auch diese, selbst soweit sie über keine Kenntnisse des Spanischen oder Italienischen verfügen, wegen der Nähe von "Puro" zum deutschen Wort "pur" und zum englischen "pure" (= rein; PONS, Wörterbuch für Schule und Studium, Teil 1, Englisch-Deutsch, S. 1030) den Bedeutungsgehalt, zumindest intuitiv, meist richtig erfassen werden -, sondern auf das der Fachkreise, insbesondere auch des am grenzüberschreitenden Verkehr beteiligten Handels (Ströbele, MarkenR 2006, 433, 434; Ströbele in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rn. 254, 258). Vor dem Hintergrund, dass am Warenverkehr mit Spanien und Italien beteiligte inländische Handelsunternehmen ihre für den Export in diese Länder bestimmten Waren vor dem Versand (noch im Inland) mit den erforderlichen fremdsprachigen Sachangaben versehen oder Waren von dort mit Originalbeschriftung nach Deutschland einführen, kann mithin das Markenwort "Puro" im - inländischen - Verkehr zur Bezeichnung von Merkmalen der mit der Anmeldung beanspruchten Waren dienen. Da - wie ausgeführt - "Puro" gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG im Verkehr als Beschaffenheitsangabe dienen kann, war die Markenstelle - entgegen der Ansicht der Anmelderin - nicht gehalten, einen Nachweis, z. B. anhand von Belegen aus dem Internet, für einen bereits erfolgten tatsächlichen Gebrauch dieses Begriffs zu führen (vgl. Ströbele in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rn. 199 m. w. N.).

Soweit die Anmelderin - hilfsweise - eine Eintragung nur für die beanspruchten Waren in Klasse 30 erstrebt, kann sie gleichfalls keinen Erfolg haben, weil ein grenzüberschreitender Verkehr auch auf dem Sektor der Back- und Süßwaren nicht ungewöhnlich ist (z. B. erfreuen sich bestimmte deutsche Brotsorten in Spanien und Italien, nicht nur bei dort lebenden Deutschen, großer Beliebtheit, ebenso wie es Feinbackwaren- und Süßwarenspezialitäten aus diesen Ländern im inländischen Angebot gibt (vgl. allgemein auch BPatG BlPMZ 2005, 241 - Zeffir; BGH GRUR 2005, 414 - Russisches Schaumgebäck).

Die Beschwerde der Anmelderin war somit, mit dem Haupt- ebenso wie mit dem Hilfsantrag, zurückzuweisen.

Prof. Dr. Hacker Dr. Kober-Dehm Viereck Hu






BPatG:
Beschluss v. 23.07.2008
Az: 32 W (pat) 80/07


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