Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 5. März 1993
Aktenzeichen: 6 U 115/92

(OLG Köln: Urteil v. 05.03.1993, Az.: 6 U 115/92)

Bewirbt ein Anbieter von Geräten der elektronischen Unterhaltung in einer Anzeige, in der zahlreiche Geräte dieser Art angeboten werden, im Obersatz "Einzelstücke, Restposten, Auslaufmodelle, Lackfehler", ohne anzugeben, bei welchen Modellen es sich um "Auslaufmodelle" oder solche mit "Lackfehlern" handelt, verstößt er gegen § 3 UWG. Ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise wird bei einer solcher Werbung relevant über die wahre Beschaffenheit des den jeweiligen Kunden jeweils interessieren Gerätes getäuscht. Eine derart gestaltete Werbung enthält ein beachtliches Informationsdefizit, das durch Aufklärung der Werbende zu beseitigen verpflichtet ist.

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 5. Juni 1992 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Aachen - 43 O 44/92 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Antragsgegnerin auferlegt.

Gründe

E n t s c h e i d u n g s g r ü n

d e

Die Berufung ist zulässig; sie hat

jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat die einstweilige

Verfügung vom 8. März 1992 im Ergebnis zu Recht bestätigt. Dem

Antragsteller steht gegenüber der Antragsgegnerin der geltend

gemachte Unterlassungsanspruch gem. §§ 3, 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG zu.

Die Werbeankündigung "Einzelstücke, Restposten, Auslaufmodelle,

Lackfehler" ist in der konkreten Form der beanstandeten Werbung -

wie in der einstweiligen Verfügung vom 8. März 1992 wiedergegeben -

irreführend im Sinne von § 3 UWG, da diese Angaben für eine

Vielzahl der in dieser Anzeige beworbenen Produkte ohne Hinweis,

bei welchem der angebotenen Waren es sich um Auslaufmodelle oder um

solche mit Lackfehlern handelt, zumindest unklar und

mißverständlich und so geeignet sind, bei den angesprochenen

Verkehrskreisen relevante Fehlvorstellungen hervorzurufen.

Ein nicht unbeachtlicher Teil der

Verbraucher sieht in dem Angebot von "Einzelstücken" oder

"Restposten" zu niedrigeren als den üblichen Verkaufspreisen viel

eher einen Kaufanreiz als bei dem Angebot entsprechend reduzierter

"Auslaufmodelle" oder Modelle mit "Lackfehlern". Während nach

allgemeinem Verständnis bei "Einzelstücken" und "Restposten"

unbeschädigte, original verpackte Waren erwartet werden, die dem

neuesten Stand der Technik entsprechen, handelt es sich bei

Modellen mit "Lackfehlern" um ausgepackte und - wenn auch nur

leicht - beschädigte Waren und bei "Auslaufmodellen" um Produkte,

die schon technisch überholt sind, weil Nachfolgemodelle oder

technisch verbesserte Produkte auf dem Markt angeboten werden.

Entsprechend wird ein nicht

unbeachtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise sich von der

Ankündigung, daß "Einzelstücke" und "Restposten", also

unbeschädigte, original verpackte Produkte, die dem neuesten Stand

der Technik entsprechen, günstig angeboten werden besonders

angesprochen fühlen. Dies gilt vor allem bei den von der

Antragsgegnerin beworbenen Kameras und Geräten der

Unterhaltungselektronik. Lackfehler - gleich in welchem Umfang oder

an welcher Stelle - werden bei derartigen Geräten vielfach als

besonders störend empfunden, weil gerade bei Kameras und Geräten

der Unterhaltungselektronik der optische Eindruck nicht unerheblich

für den Kaufentschluß ist. "Auslaufmodelle" bieten schon deshalb

nicht den vollen Preisvorteil, weil sie technisch nicht auf dem

neuesten Stand sind. Dabei ist besonders zu berücksichtigen, daß

gerade auf dem Gebiet der Unterhaltungselektronik der Verbraucher

großen Wert auf den Erwerb des jeweils neuesten Modells legt, da

solche Geräte in zeitlich kurzen Abständen technische Ànderungen

und Neuerungen erfahren und damit schneller überholt sind als

andere Gebrauchsgüter. Darüber hinaus dienen diese Geräte häufig

als Prestigeobjekt, wozu sich nur jeweils die neuesten Modelle

eignen. Schon aus diesen Gründen wird der Verbraucher, der ein

preisgünstiges Objekt erwerben will, sich von der Ankündigung

"Einzelstücke" und "Restposten" in besonderer Weise angesprochen

fühlen. Wird aber bei den einzelnen Geräten, deren Hersteller, Typ

und Preis in der konkret angegriffenen Werbeanzeige genannt sind,

nicht im einzelnen kenntlich gemacht, daß es sich um ein

"Auslaufmodell" oder ein Modell mit "Lackschäden" handelt, so geht

der flüchtige Verbraucher bei dem ihn interessierenden Gerät

aufgrund der generellen Anpreisung "Restposten" und "Einzelstücke"

zunächst - entsprechend seiner Wunschvorstellung - davon aus, daß

es sich bei diesem um ein unbeschädigtes Produkt auf dem neuesten

Stand der Technik handelt. Dies ist jedoch nicht bei allen

angebotenen Geräten der Fall, da sich unter den einzeln

aufgeführten Produkten unstreitig auch "Auslaufmodelle" und solche

mit "Lackfehlern" befinden.

Es besteht somit die Gefahr, daß die

Werbeanzeige in ihrer konkreten Form eine nicht unerheblichen Teil

der Verbraucher über die wahre Beschaffenheit des den jeweiligen

Kunden interessierenden beworbenen Geräts täuscht, wenn nicht diese

Geräte besonders als "Auslaufmodelle" oder solche mit "Lackfahlern"

einzeln gekennzeichnet sind oder unter bestimmten Rubriken unter

den Óberschriften "Auslaufmodelle" und/oder "Lackfehler" aufgeführt

werden.

Diese Feststellungen kann der Senat,

dessen Mitglieder zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören,

aus eigener Lebenserfahrung und Sachkunde beurteilen.

Soweit die Antragsgegnerin einwendet,

die streitbefangene Werbeanzeige sei nur eingeschränkt

angegriffen worden, da mit dem Antrag des Antragstellers

lediglich beanstandet sei, daß die Preisreduzierungsgründe

"Auslaufmodell" und "Lackfehler" nicht den Produkten zugeordnet

sei, so war gleichwohl die gesamte Anzeige in ihrer konkreten

Gestaltung zu verbieten. Auch wenn nach der Antragsfassung

lediglich gefordert wird, die Preisreduzierungsgründe

"Auslaufmodell" und "Lackfehler" bestimmten beworbenen Produkten

zuzuordnen, so kann der Verbraucher ohne diese Kennzeichnung nicht

erkennen, ob die angepriesenen Produkte zu diesen Gruppen oder zu

den beiden anderen Gruppen "Einzelstücke" oder "Restposten", die

nach der Anzeige ebenfalls zu einer Preisreduzierung führen,

gehören. Im Vergleich zu "Einzelstücken" und "Restposten" lösen

sowohl "Auslaufmodelle" als auch solche mit "Lackfehlern" auch bei

erheblicher Preisreduzierung zweifellos keinen so großen

Kaufanreiz dar, wie die reduzierten Waren der beiden anderen

Gruppen. Sind aber die beiden zuletzt genannten Gruppen nicht

besonders gekennzeichnet, besteht die Gefahr, daß jedes einzelne

reduzierte Gerät den beiden erstgenannten Gruppen zugeordnet

wird.

Entgegen der Auffassung der

Antragsgegnerin werden die Käufer von Kameras und Geräten der

Unterhaltungselektronik nicht etwa allein durch die günstigen

Preise angelockt, da sie der Meinung seien, es handele sich ohnehin

bei den beworbenen Produkten um Geräte der zweiten Wahl. Aus Sicht

des Verbrauchers sind nämlich Einzelstücke und Restposten gerade

nicht mit dem Nachteil behaftet, daß es sich um "zweitklassige"

Waren handelt. Hierbei ist es auch unbeachtlich, welchen

Personenkreis die Antrgsgegnerin mit der Formulierung "Warum mehr

zahlen als nötig€" ansprechen wollte, da es gerade bei den Geräten

der Unterhaltungselektronik für den Kaufentschluß eines

Kaufinteressenten wesentlich ist, ob ein bestimmter Artikel ein

gängiges Modell oder ein beschädigtes Modell oder ein

"Auslaufmodell" ist (vgl. BGH GRUR 1982, 374, 375 -

"Ski-Auslaufmodelle").

Auch die Tatsache, daß sich in der

Kopfzeile der angegriffenen Anzeige ferner die Ankündigungen

"Auslaufmodelle" und "Lackfehler" befinden, ändert an dieser

Beurteilung nichts. Zwar hat die Antragsgegnerin damit insgesamt

nichts Falsches angekündigt; die angegriffene Werbeanzeige

hinterläßt aber in ihrer konkreten Form ein beachtliches

Informationsdefizit. Es gilt zwar der Grundsatz, daß der Werbende,

der sich nur mit eigener Ware befaßt, nicht zur vollständigen

Aufklärung über seine Waren verpflichtet ist, so daß sich der

Verkehr nur auf die positiven Aussagen verlassen muß (BGH GRUR

1964, 269, 271 - "Grobdessin" m.w.N.). Etwas anderes gilt aber

dann, wenn der Werbende etwas verschweigt, obwohl ihn eine

Aufklärungspflicht trifft und durch die Unvollständigkeit der

Werbung die konkrete Gefahr einer Täuschung der angesprochenen

Verkehrskreise begründet wird (OLG Köln WRP 1984, 107, 109; OLG

Frankfurt WRP 1982, 98, 99). Eine Aufklärungspflicht ist dann

gegeben, wenn die verschwiegene Tatsache nach der Auffassung des

Publikums wesentlich, also den Kaufentschluß zu beeinflußen

geeignet ist (BGH GRUR 1982, 374, 375 - "Ski-Auslaufmodelle"). Daß

es einem nicht unbeachtlichen Teil der Verbraucher gerade bei

technischen Produkten wie bei Geräten der Unterhaltungselektronk

besonders darauf ankommt, das jeweil neueste Modell zu erwerben,

ist bereits oben dargelegt. Insofern ist es für den Verbraucher

auch kaufentscheidend, ob er tatsächlich ein unbeschädigtes,

original verpacktes Produkt auf dem neuesten Stand der Technik oder

lediglich ein - wenn auch nur leicht - beschädigtes Modell oder gar

ein "Auslaufmodell" zu einem günstigen Preis erwerben kann. Deshalb

beruft sich die Antragsgegnerin zu Unrecht auf die Entscheidung

des erkennenden Senats (WRP 1984, 107 ff.) sowie auf die

Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte (OLG Hamm WRP 1982, 41;

OLG Koblenz WRP 1982, 657; OLG Stuttgart WRP 1984, 356), denn in

allen zitierten Entscheidungen ging es um die Werbung ohne Angabe

der Herstellerin und/oder der Typenbezeichnungen einer Ware, bei

denen jeweils die erforderlichen zusätzliche Momente verneint

wurden, die die konkrete Gefahr einer Täuschung der durch die

Werbung angesprochenen Verkehrskreise hervorrufen könnten. In allen

Entscheidungen, so insbesondere in der Entscheidung des erkennenden

Senates (WRP 1984, 107, 109) ist jedoch ausgeführt, daß eine

Irreführung insbesondere dann vorliegen kann, wenn die Anzeige

aufgrund der besonderen Marktverhältnisse geeignet ist, bei dem

Verbraucher den unrichtigen Eindruck hervorzurufen, es handele sich

um bestimmte Geräte mit zusätzlichen technischen Eigenschaften,

die sie über die Geräte mit der in der Anzeige angegebenen

Grundausstattung qualitativ nicht unwesentlich hinausheben. Diese

Besonderheit, über die in den von der Antragsgegnerin angegebenen

Entscheidungen gerade nicht zu entscheiden war, liegt in dem

vorliegend zu entscheidenden Fall vor, denn die Werbung mit

"Einzelstücken" und "Restposten" ruft bei einem nicht

unbeachtlichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise die irrige

Vorstellung hervor, daß alle angebotenen Produkte technisch auf dem

neuesten Stand seien und sich damit von anderen reduzierten

"Auslaufmodellen" und/oder beschädigten Modellen (Lackfehlern)

qualitativ nicht unwesentlich unterscheiden, solange nicht die

Produkte, die tatsächlich "Lackfehler" aufweisen oder bei denen es

sich um "Auslaufmodelle" handelt, auch tatsächlich in der

Werbeanzeige kenntlich gemacht sind. Da diese Kenntlichmachung in

der beanstandeten Werbeanzeige fehlt, ist die Anzeige insgesamt

geeignet, die angesprochenen Verbraucher über die Eigenschaften der

beworbenen Produkte zu täuschen.

Da somit bereits ein

Unterlassungsanspruch aus § 3 UWG begründet ist, kann es

dahinstehen, ob darüber hinaus auch ein Verstoß gegen die

Preisangabenverordnung vorliegt oder ein Unterlassungbegehren aus

§ 1 UWG gerechtfertigt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97

Abs. 1 ZPO.

Das Urteil ist mit der Verkündung

rechtskräftig, § 545 Abs. 2 ZPO.






OLG Köln:
Urteil v. 05.03.1993
Az: 6 U 115/92


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