Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 7. Oktober 1999
Aktenzeichen: 12 U 90/99

(OLG Köln: Urteil v. 07.10.1999, Az.: 12 U 90/99)

Rechtsnachfolge bei Vermietung von Gebäudeaußenwandflächen zu Reklamezwecken BGB §§ 535, 571, 578 1. Die Vereinbarung über das Zur-Verfügung-Stellen von Gebäudeaußenwandflächen etc. zu Reklamezwecken ist rechtlich als Vermietung von Teilen eines Grundstücks i.S.v. § 535 BGB einzuordnen, auf die auch die Regelung Veräußerung bricht nicht Miete gemäß § 571 BGB anwendbar ist. 2. Unter dem Begriff der Óberlassung i.S.v. § 571 BGB ist wie unter dem Merkmal der vertragsgemäßen Gewährung des Gebrauchs gemäß §§ 535, 536 BGB grundsätzlich die Verschaffung des unmittelbaren Besitzes an der Mietsache nach § 854 BGB zu verstehen. 3. Auch bei der Vermietung von Außenwandflächen zu Reklamezwecken umfasst die Pflicht des Vermieter-Eigentümers zur vertragsgemäßen Gebrauchsgewährung grundsätzlich die Verschaffung des unmittelbaren Besitzes an der betroffenen Außenwandfläche, jedenfalls aber dann, wenn nach dem Inhalt der Vereinbarung die Reklamemittel auf Werbeträgern angebracht werden, die Werbeträger an der Gebäudeaußenfläche dauerhaft befestigt werden und im Eigentum und Besitz des Mieters verbleiben sollen, so dass die (Mit-) Nutzung der betroffenen Außenfläche durch den Vermieter ausgeschlossen ist, und die Werbeträger für den Mieter frei zugänglich sind. 4. Zur Begründung des unmittelbaren Besitzes an Außenwandflächen reicht nicht schon die bloße Gestattung des Voreigentümers zur Besitzergreifung, zur Anbringung der Werbetafeln, zur Einholung einer Baugenehmigung, zur Führung eines verwaltungsgerichtlichen Prozesses auf Genehmigungserteilung oder das Ausmessen der Wandflächen vor Vertragsschluss.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 3. März 1999 verkündete Urteil des Landgerichts Köln - 23 O 232/98 - wird zurückgewiesen. Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den Beklagten als Rechtsnachfolger des betroffenen Grundstücks auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines Vertrages über die Anmietung von Gebäudeaußenwänden zu Reklamezwecken aus übergegangenem Recht in Anspruch. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin befasst sich gewerblich mit der Errichtung von Werbetafeln und deren Vermietung. Zu diesem Zwecke schloss sie mit einem Herrn J. unter dem 11. Juni 1993 einen "Akquisitionsvertrag", der den "Verkauf" von "Mietverträgen" über die Errichtung und Unterhaltung von Werbeträgern bundesweit zum Gegenstand hatte. Herr J. wiederum schloss unter dem 19. Oktober 1993 mit einem Herrn T. eine "Vereinbarung über Miet- und Vorliegerrechte" über die Anbringung von drei Reklametafeln auf dem Anwesen S.straße in B (Q.-I.) gegen ein Entgelt von 400,00 DM inklusive der gesetzlichen Mehrwertsteuer je baugenehmigter Tafel ab. Die Vereinbarung sollte zunächst auf die Dauer von fünf Jahren ab Errichtung der Werbeträger und auch zwischen den beiderseitigen Rechtsnachfolgern gelten. In der selben Urkunde gestattete Herr T. die Anbringung von drei Werbeträgern gemäß beigefügtem Bauantrag. Dieser wiederum sah zwei Reklametafeln an der Giebelwand und eine Reklametafel vor dem Haus auf zu errichtenden Stützen vor. Wegen der weiteren Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarung wird auf die im Original zu den Akten gelangte Urkunde vom 19. Oktober 1993 (Hülle Bl. 157 d. GA) verwiesen. Im Anschluss daran beantragte die Klägerin, die sich des wirksamen Eintritts in die Rechte und Pflichten des Herrn J. aus der Vereinbarung vom 19. Oktober 1993 berühmt, die Erteilung der Baugenehmigung für die Errichtung der Werbetafeln. Die Stadt Bergheim verweigerte die beantragte Genehmigung. Daraufhin strengte die Klägerin ein verwaltungsgerichtliches Verfahren an, das unter dem 19. August 1997 mit der vergleichsweisen Einigung über die Erteilung der Genehmigung für zwei an dem Giebel anzubringende Werbetafeln endete. Die Stadt B. erteilte die Baugenehmigung unter dem 15. September 1997.

Zwischenzeitlich war es zu einer Änderung der Eigentumsverhältnisse an dem betroffenen Hausgrundstück gekommen. Eigentümer des Grundstücks S.straße waren zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung vom 19. Oktober 1993 die Eheleute T. zu je 1/2-Anteil. In dem Anwesen befand sich eine Gaststätte, die sie verpachtet hatten. Ferner hatten sie mehrere Einzelzimmer zu Wohnzwecken vermietet. Mit Vertrag vom 24. Juni 1994 vor Notar I. in B.G. (UR.-Nr. 1142/1994 I) kauften der Beklagte und seine Ehefrau den vorbezeichneten Grundbesitz in Errungenschaftsgemeinschaft italienischen Rechts. § 5 Ziffer 4 des Kaufvertrages hat folgenden Wortlaut:

"Die bestehenden Mietverhältnisse sind dem Käufer bekannt. Sie werden von ihm übernommen. Die vorhandenen Mietverträge werden bis zum 31. Juli 1994 dem Käufer ausgehändigt. Die von Mietern gezahlten Kautionen werden dem Käufer am Tage des Besitzüberganges ausgezahlt."

Die Umschreibung des Eigentums auf den Beklagten und dessen Ehefrau im betroffenen Grundbuch erfolgte am 6. Januar 1995. Von der Rechtsnachfolge erfuhr die Klägerin nach Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Die Klägerin unterrichtete den Beklagten über den Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und teilte ihre Absicht zur alsbaldigen Anbringung der Werbetafeln mit Schreiben vom 22. September 1997 mit. Der Beklagte war jedoch ohne ein höheres Entgelt nicht bereit, die Werbetafeln an seinem Giebel zu dulden. Zu einer Einigung kam es nicht. Der Beklagte verweigerte die Durchführung der Vereinbarung vom 19. Oktober 1993. Unter dem 17. Dezember 1997 berechnete die Klägerin dem Beklagten den ihr wegen der Nichterfüllung der Vereinbarung angeblich entgangenen Gewinn in der Höhe der Klageforderung mit 15.961,17 DM. Gleichzeitig forderte sie den Beklagten - vergeblich - zur Zahlung bis zum 31. Dezember 1997 auf. Wegen der Schadensberechnung im Einzelnen wird auf das Schreiben vom 17. Dezember 1997 (Bl. 88 d. GA) Bezug genommen.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe die Rechte und Pflichten des Herrn J. aus der Vereinbarung vom 19. Oktober 1993 entsprechend dem Inhalt des Aquisitionsvertrages vom 11. Juni 1993 übernommen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Beklagte sei infolge des Grundstückserwerbs in die mietvertragliche Position des Herrn T. eingetreten. Es sei bereits durch die Vereinbarung vom 19. Oktober 1993 zu einer Überlassung des Grundstücks an sie gekommen. Sie hat behauptet, ihr sei infolge der Erfüllungsverweigerung des Beklagten ein Gewinn in Höhe der Klageforderung entsprechend dem Inhalt ihrer Rechnung vom 17. Dezember 1997 entgangen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 15.961,17 DM nebst 10% Zinsen seit dem 16. Januar 1998 zu zahlen,

hilfsweise,

den Beklagten zu verurteilen, an sie

1. 3.192,23 DM und

2. weitere 3.192,23 DM am 31. Dezember 1999, weitere 3.192,23 DM am 31. Dezember 2000, weitere 3.192,23

DM am 31. Dezember 2001 und weitere 3.192,23 DM am

31. Dezember 2002 nebst 4% Zinsen ab jeweiligem

Fälligkeitsdatum zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat eine Vertragsübernahme durch die Klägerin von Herrn J. mit Nichtwissen bestritten. Er hat die Auffassung vertreten, er sei auch nicht passiv legitimiert, da es zu einer Überlassung des Grundstücks im Rechtssinne an Herrn J. beziehungsweise an die Klägerin nie gekommen sei. Insoweit hat er behauptet, Werbetafeln seien an seinem Hausgiebel - wie auch unstreitig ist - nie angebracht worden. Er hat die Höhe des geltend gemachten Anspruchs bestritten und insoweit die Auffassung vertreten, die Klägerin mache zum überwiegenden Teil einen zukünftigen Schaden geltend, den zu fordern sie jedenfalls derzeit nicht berechtigt sei.

Mit dem am 3. März 1999 verkündeten Urteil hat das Landgericht Köln - 23 O 232/98 - die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagte sei nicht passiv legitimiert, weil der Klägerin die zum Zwecke der Anbringung von Werbeträgern vermieteten Flächen im Zeitpunkt des Eigentumserwerbs durch den Beklagten nicht im Sinne von § 571 BGB überlassen gewesen seien. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf das angefochtene Urteil (Bl. 94 ff. d. GA) Bezug genommen.

Gegen dieses ihr am 15. März 1999 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 6. April 1999 bei Gericht eingegangenen anwaltlichen Schriftsatz vom 29. März 1999 Berufung eingelegt und die Berufung mit einem am Montag, den 7. Juni 1999 bei Gericht eingegangenen anwaltlichen Schriftsatz vom 4. Juni 1999 nach entsprechender Fristverlängerung bis zum 6. Juni 1999 begründet.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren weiter. Im Anschluss an die Ergänzung der Berufungserwiderung mit Schriftsatz vom 12. Juli 1999, mit dem der notarielle Kaufvertrag zwischen den Eheleuten T. und dem Beklagten und dessen Ehefrau überreicht worden ist, hat die Klägerin zunächst mit Schriftsatz vom 30. Juli 1999 dahingehend repliziert, aus dem vorgelegten notariellen Kaufvertrag ergebe sich, dass die bestehenden Mietverhältnisse "dem Käufer bekannt" gewesen seien. Mit weiterem Schriftsatz vom 17. August 1999 hat die Klägerin sodann vorgetragen, die Tatsache, dass der Beklagte und auch seine Ehefrau Kenntnis von dem bestehenden Mietvertrag für die Werbetafel gehabt hätten und hiermit einverstanden gewesen seien, werde durch Zeugnis des Herrn T. unter Beweis gestellt. Zur Begründung ihres diesbezüglichen erstmaligen Beweisantrages hat die Klägerin ausgeführt, sie sei bisher von der Unauffindbarkeit des Zeugen T. ausgegangen; ihr Geschäftsführer habe "soeben erfahren", dass der Zeuge unter der in der Vereinbarung vom 19. Oktober 1993 und in dem notariellen Kaufvertrag angegebenen Adresse wohne; Herrr T. habe seine Identität am Telefon geleugnet. Im Übrigen wiederholt sie im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Köln vom 03.03.1999

abzuändern und den Beklagten nach ihren erstinstanz-

lichen Schlussanträgen zu verurteilen, hilfsweise für

den Fall der Anordnung einer Sicherheitsleistung der Klägerin zu gestatten, diese auch durch Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Genossenschaftsbank zu erbringen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch der Beklagte wiederholt zunächst sein erstinstanzliches Vorbringen. Insbesondere bestreitet er weiterhin eine Vertragsübernahme durch die Klägerin von Herrn J.. Hierzu vertritt er die Auffassung, die Klägerin habe für einen Eintritt in die Rechtsposition des Herrn J. nicht substantiiert vorgetragen. Er behauptet, er habe von dem Abschluss eines Nutzungsvertrages zu Werbezwecken erstmals aufgrund des Schreibens der Klägerin vom 22. September 1997 erfahren. Er bestreitet die Richtigkeit der Schadensberechnung weiterhin und behauptet in diesem Zusammenhang, der angegebene Mietzins von 400 DM verstehe sich vierteljährlich und nicht entsprechend der Berechnung der Klägerin jährlich. Letzteres macht sich die Klägerin hilfsweise zu eigen (Bl. 156 GA).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst allen überreichten Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig.

Die gemäß §§ 511, 511 a ZPO statthafte Berufung ist insbesondere fristgerecht im Sinne von § 519 Abs. 2 Satz 2 ZPO begründet worden. Die Monatsfrist, die nach Eingang der Berufung am 6. April 1999 originär mit Ablauf des 6. Mai 1999 geendet hätte, ist von dem Vorsitzenden des erkennenden Senats auf den am 30. April 1999 eingegangenen Antrag vom 29. April 1999 bis zum 6. Juni 1999 verlängert worden. Da der letztgenannte Tag ein Sonntag war, lief die Berufungsbegründungsfrist an dem darauf folgenden Montag, dem 7. Juni 1999, an dem die Berufungsbegründung der Klägerin bei Gericht auch eingangen ist, ab.

In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Denn die Klage ist im Hauptantrag wie auch mit dem Hilfsantrag unbegründet.

Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von Schadenersatz in der Höhe von 15.961,17 DM aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Dabei kann dahinstehen, ob sich der geltend gemachte Anspruch aus § 538 Abs. 1 Var. 3 oder § 326 Abs. 1 BGB, je nach dem, ob die Mietsache überlassen worden ist oder nicht (vgl.: Palandt-Putzo, BGB, 58. Auflage, § 537 Rdnr. 7, § 538 Rdnr. 3), oder aus dem Gesichtspunkt der Verletzung vertraglicher Pflichten aufgrund der Vereinbarung vom 19. Oktober 1993 (im Folgenden: p.F.V.) rechtfertigen kann. Für die Anwendung der letztgenannten Anspruchsgrundlage spricht, dass der Beklagte die Erfüllung der Vereinbarung vom 19. Oktober 1993 gegenüber der Klägerin ernsthaft verweigert hat, ohne dass die Klägerin dessen Erfüllung zuvor ausdrücklich angemahnt und dieserhalb eine Nachfrist verbunden mit einer Ablehnungsandrohung gesetzt hat (so auch: Wolf/Eckert, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 7. Auflage, Rnr. 91). Ferner bedarf keiner Entscheidung, ob die Vereinbarung vom 19. Oktober 1993 nicht wegen eines (versteckten) Dissenses gemäß § 155 BGB unwirksam ist, weil über den zu entrichtenden Mietzins eine Einigung nicht zustande gekommen ist. Denn der Beklagte ist aus der Vereinbarung vom 19. Oktober 1993 jedenfalls nicht passiv legitimiert.

Der Beklagte war an der Vereinbarung vom 19. Oktober 1993 nicht beteiligt. Er ist auch nicht über die in der Urkunde vom 19. Oktober 1993 getroffene Abrede, dass die Vereinbarung zugleich mit den beiderseitigen Rechtsnachfolgern zustande komme, wirksam in den Vertrag eingebunden worden. Die Rechtsnachfolgebestimmung ist dahingehend auszulegen, dass die Zustimmung in eine Übernahme der vertraglichen Beziehungen durch einen Dritten antizipiert sein sollte. Bei einer unmittelbaren Verpflichtung des Rechtsnachfolgers hätte es sich um einen von der Rechtsordnung nicht gebilligten Vertrag zu Lasten Dritter gehandelt, der den Beklagten nicht hätte binden können. Es ist davon auszugehen, dass die Vertragspartner im Zweifel wirksame Vereinbarungen treffen wollten. Schließlich ist der Beklagte auch nicht aufgrund des Erwerbs des betroffenen Hausgrundstücks in die Rechte und Pflichten aus der Vereinbarung vom 19. Oktober 1993 gemäß § 571 Abs. 1 BGB eingetreten.

§ 571 BGB ist auf Vereinbarungen über die Nutzung von Gebäudeaussenwänden oder Reklameflächen anwendbar. Die mietvertraglichen Vorschriften gelten nicht nur hinsichtlich der unmittelbaren Grundstücksfläche, in die nach der bei Vertragsschluss vorgesehenen Planung zwei Pfosten eingebracht werden sollten, um alsdann eine der drei Reklametafeln zu tragen, sondern auch hinsichtlich der Gebäudegiebelflächen. Ungeachtet dessen, dass die Parteien die Nutzungsüberlassung ohnehin als Vermietung bezeichnet haben, stellt sich das Zur-Verfügung-Stellen von Gebäudeaussenwänden etc. zu Reklamezwecken als Vermietung von Teilen eines Grundstücks dar (OLG Hamm MDR 1976, 143 f.; NJW-RR 1992, 270 f.; OLG München NJW 1972, 1995 f.; Palandt-Putzo, a.a.O., § 571 Rdnr. 2; MünchenerKommentar-Voelskow, BGB, 3. Auflage, § 571 Rdnr. 6; Staudinger-Emmerich, BGB, 12. Auflage, § 571 Rdnr. 14). Die Voraussetzung dieser Vorschrift, dass dem Mieter der Gebrauch vor Veräusserung überlassen sein muss, liegt indes nicht vor.

Unter dem Begriff der Überlassung im Sinne des § 571 BGB ist dasselbe zu verstehen wie unter dem Merkmal der vertragsgemäßen Gebrauchsüberlassung im Sinne von §§ 535, 536 BGB (BGHZ 65, 137 ff., 140; BGH NJW-RR 1989, 589 f.; Palandt-Putzo, a.a.O., § 571 Rdnr. 9; MünchenerKommentar-Voelskow, a.a.O., § 571 Rdnr. 14). Voraussetzung ist also, dass der Vermieter dem Mieter den Gebrauch der Mietsache gewährt hat. Der Mieter muss in die Lage versetzt sein, die Sache vertragsgemäß zu gebrauchen. Dies wiederum erfordert grundsätzlich die Verschaffung des unmittelbaren Besitzes (BGH a.a.O.; MünchenerKommentar-Voelskow, a.a.0., §§ 535, 536 Rdnr. 41; Staudinger-Emmerich, a.a.O., §§ 535, 536 Rdnr. 22). Durch den Besitz der Mietsache wird der Kaufinteressent auf das Bestehen eines Nutzungsverhältnisses hingewiesen und veranlasst, sich darüber zu informieren, in welche Vertragsverhältnisse er mit dem Erwerb eintritt (Eckert, EWiR 1989, 665 f.). Die Verschaffung des unmittelbaren Besitzes richtet sich nach § 854 BGB (BGHZ 65, 137 ff., 141) und erfordert die Übertragung der tatsächlichen Gewalt über die Sache. Hieran fehlt es. Ob jemand die Herrschaft über eine Sache erworben hat, ist anhand der Verkehrsanschauung zu beurteilen (BGH LM Nr. 172 zu § 1 UWG Bl. 2R). Die Begründung des unmittelbaren Besitzes an Außenflächen erfolgt - und zwar bei Anmietung zugleich von Räumlichkeiten zu Gewerbezwecken spätestens - mit der Anbringung der Außenwerbung (RGZ 80, 281 ff., 284). Die bloße Gestattung der Besitzergreifung reicht hierfür nicht aus (Palandt-Bassenge, a.a.O., § 854 Rdnr. 7 mit Einzelfällen und Rspr.-Nachw.). Die Besitzverschaffung kann weder in der vertraglichen Gestattung der Anbringung der Werbetafeln durch den Voreigentümer des Grundstücks noch in der Gestattung zur Einholung einer Baugenehmigung im eigenen Namen und zur Führung eines entsprechenden Verwaltungsprozesses noch in der Erteilung der Erlaubnis zur Untervermietung gesehen werden. Diese Vorgänge geben einem Mieter noch nicht die bei einer Besitzüberlassung entstehenden Abwehrrechte der §§ 858 ff. BGB in die Hand. Auf die in diesem Zusammenhang in der angefochtenen Entscheidung gemachten Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen ergänzend Bezug genommen. Es genügte auch nicht, dass der Rechtsvorgänger des Beklagten Herrn J. das Ausmessen des Hausgiebels gestattete. Das Ausmessen der Wandfläche erfolgte vor Vertragsschluss. Dessen Gestattung durch Herrn T. geschah nicht in der Absicht der Gebrauchsüberlassung, sondern einmalig, um Herrn J. in die Lage zu versetzen, einen Bauantrag zu entwerfen und mit dessen Hilfe den ins Auge gefassten Vertrag inhaltlich bestimmt aufzusetzen. Soweit die Klägerin im Termin vor dem Senat keine Möglichkeiten der Verschaffung des unmittelbaren Besitzes an den betroffenen Giebelflächen gesehen hat, sei sie - ungeachtet der Möglichkeit der Übertragung der Sachherrschaft durch Errichtung der Werbeträger - beispielhaft auf die Anbringung eines Hinweisschildes auf die künftige Errichtung des Werbeträgers unmittelbar vor der Wand oder etwa der Befestigungsvorrichtung für die Werbeträger mit Zustimmung des Eigentümers hingewiesen. Dass die Überlassung eines Grundstücks als Voraussetzung für den Eintritt in ein Mietverhältnis die Kennzeichnung der Besitzerlangung durch den Mieter nicht erfordert (BGHZ 65, 137 ff., 140 f.; Soergel-Heintzmann, BGB, 12. Auflage, § 571 Rdnr. 10), ist entgegen der Auffassung der Klägerin mit der vorstehenden Argumentation vereinbar. Es handelt sich um bloß exemplarisch genannte, indes praktische Fälle, wie sich der Mieter von Reklameflächen wirksam vor Rechtsverlust schützen kann.

Die Verschaffung des unmittelbaren Besitzes an den betroffenen Giebelflächen war vorliegend auch nicht entbehrlich. Es ist anerkannt, dass die Gebrauchsüberlassung bei der Miete nicht in jedem Fall voraussetzt, dass dem Mieter auch der Besitz an der Sache verschafft wird. Wenn der Gebrauch der Mietsache nach dem Inhalt des Vertrages ausnahmsweise nicht die Verschaffung des Besitzes erfordert, setzt auch die Anwendung des § 571 BGB eine Besitzverschaffung nicht voraus (BGHZ 65, 137 ff., 140). In diesem Sinne ist eine Gebrauchsüberlassung trotz fehlender Besitzübertragung in der Gestattung der stundenweisen Benutzung eines Klaviers, das in den Räumen des Vermieters steht, in der Vereinbarung der stundenweisen Benutzung des Hausgartens des Vermieters zum Wäschetrocknen (BGHZ a.a.0.), der Erlaubnis zur Anbringung von Reklameschriften an Straßenbahnwagen oder zur Aufhängung von Schaukasten in einem nur vom Hauseigentümer verschließbaren und oft verschlossenen Torweg wie auch in der gegenseitigen Gestattung der Überfahrt einer gemeinsamen Garageneinfahrt gesehen worden (RGZ 141, 99 ff., 102; BGH NJW-RR 1989, 589 f., 590, m.w.Beisp.). In diesen Fällen genügt es, wenn dem Mieter die Sache zugänglich gemacht wird, indem der Vermieter ihm einmalig oder wiederholt den ungestörten, die vorgesehene Benutzung ermöglichenden Zutritt zu der Sache gewährt (BGH a.a.O.; Wolf/Eckert, a.a.O., Rdnr. 177). Umstritten ist, ob es bei der Vermietung von Wand- oder Dachflächen zu Reklamezwecken genügt, dass dem Mieter nur der zeitweise Mitgebrauch eingeräumt wird, indem diesem die Wandfläche zugänglich gemacht wird (so neuerlich Emmerich in Staudinger, BGB, 13. Auflage, § 571 Rdnr. 66, unter Berufung auf OLG Hamm MDR 1976, 143 f. und ohne Erwähnung seiner gegenteiligen Auffassung in der Vorauflage unter §§ 535, 536 Rnr. 22) oder die Pflicht zur vertragsgemäßen Gebrauchsgewährung die Verschaffung des unmittelbaren Besitzes umfasst (MünchenerKommentar-Voelskow, a. a. O., § 536 Rnr. 41; Roquette, Das Mietrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Tübingen 1966, § 535 Rdnr. 212). Veröffentlichte Rechtsprechung, insbesondere höchstrichterliche, zu dieser Rechtsfrage gibt es - bis auf die des Oberlandesgerichts Hamm (MDR 1976, 143 f.), auf die noch einzugehen sein wird - nicht. Der Senat teilt - jedenfalls unter Zugrundelegung des hier zur Beurteilung anstehenden Sachverhalts - die zuletzt wieder gegebene Auffassung.

Nach dem Inhalt der Vereinbarung vom 19. Oktober 1993 schuldete der Rechtsvorgänger des Beklagten Herrn J. nicht bloß den einmaligen oder zeitweiligen Gebrauch der Außenmauerflächen. Die vertragsgemäße Nutzung erforderte vielmehr deren dauerhafte Überlassung. Die Werbeträger für Plakate sollten an der Außengiebelwand dauerhaft befestigt werden. Mit der Anbringung der Werbeträger, die nach dem Inhalt der Vereinbarung vom 19. Oktober 1993 im Alleineigentum und -besitz des Mieters verbleiben sollten, war der Hauseigentümer von der (Mit-) Nutzung der Außenflächen der betroffenen Giebelwand im Umfange des dem Mieter eingeräumten Gebrauchs ausgeschlossen (vgl.: RGZ 80, 281 ff., 284). Insoweit unterscheidet sich der zu beurteilende Sachverhalt entscheidend von den genannten Ausnahmefällen. Hinzu kommt, dass der Mieter anders als in den Vergleichsfällen hier jederzeit freien Zutritt zur Mietsache haben sollte; der Hausgiebel war frei zugänglich. Unter diesen Umständen ist ein triftiger Grund dafür, die Publizitätswirkung der Gebrauchsgewährung (so ausdrücklich auch: Eckert, EWiR 1989, 665f., 665) bei der Überlassung von Wandflächen zur Errichtung und Unterhaltung von Werbeträgern einzuschränken, nicht ersichtlich. In diesem Sinne versteht der Senat auch - anders als Emmerich (in der 13. Auflage von Staudinger, a.a.O.) - die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vom 14. Juli 1975 - 5 U 211/74 - (abgedruckt in MDR 1976, 143 f.). Dort ist die Voraussetzung der Gebrauchsüberlassung im Sinne von § 571 BGB bei einem Vertrag über die Gestattung der Errichtung von Reklametafeln auf einer Mauer u.a. damit begründet worden, dass die Reklametafeln zur Zeit des Ankaufs des Grundstücks durch den Kläger bereits angebracht waren und für diesen damit das Bestehen eines Vertragsverhältnisses augenscheinlich gewesen sei (OLG Hamm MDR 1976, 144).

§ 571 kommt auch nicht über die in § 578 BGB spezial gesetzlich geregelte Rechtsfigur der Erfüllungsübernahme im Falle der Veräußerung des vermieteten Grundstücks vor dessen Überlassung an den Mieter zur Anwendung. Der Beklagte und dessen Ehefrau haben dem Vermieter der Reklameflächen und den Veräußerern des betroffenen Grundstücks, nämlich den Eheleuten T. gegenüber, nicht die Erfüllung der sich aus der Vereinbarung vom 19. Oktober 1993 ergebenden Verpflichtungen übernommen. § 5 Ziffer 4 des zwischen den Eheleuten T. einerseits und dem Beklagten und seiner Ehefrau andererseits geschlossenen notariellen Kaufvertrages erfasst die Vereinbarung vom 19. Oktober 1993 nicht. Dabei kann dahinstehen, ob der Beweisantrag im Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 17. August 1999 auf Vernehmung des Herrn T. als Zeugen - entsprechend dem im Termin erteilten Hinweis - als verspätet zurückzuweisen ist. Denn die Klägerin ist für eine entsprechende Erfüllungsübernahmevereinbarung zwischen den vorgenannten Vertragsparteien schon darlegungsfällig geblieben. Die Klägerin ist für ihre Behauptung, der Beklagte und auch dessen Ehefrau hätten von dem bestehenden Mietvertrag für die Werbetafel Kenntnis gehabt und seien mit diesem einverstanden gewesen, darlegungspflichtig. Im Zivilrecht ist als Beweislastprinzip im Allgemeinen der Grundsatz anerkannt, dass jede Partei, die den Eintritt einer Rechtsfolge geltend macht, die Voraussetzungen des ihr günstigen Rechtssatzes zu beweisen hat (BGH NJW 1991, 1052 ff., 1053). Dementsprechend hat die Klägerin als Anspruchsstellerin den ihr günstigen, die Passivlegitimation des Beklagten begründenden und damit zugleich den den von ihr geltend gemachten Anspruch rechtfertigenden Sachverhalt zu beweisen. Mit der Beweislast korrespondiert die Darlegungslast (BGH NJW 1991, 2707 ff., 2709; Zöller-Greger, ZPO, 20. Auflage, § 138 Rdnr. 8c). Das Vorbringen der Klägerin zur Übernahme der Rechte und Pflichten aus der Vereinbarung vom 19. Oktober 1993 durch den Beklagten ist unsubstantiiert. Dieses stellt sich als bloße Schlussfolgerung aus der vorgenannten Vertragsregelung dar. In der Berufungsreplik hat die Klägerin ausdrücklich vorgetragen, aus dem von dem Beklagten vorgelegten notariellen Kaufvertrag gehe hervor, dass die bestehenden Mietverhältnisse "dem Käufer bekannt" gewesen seien. In Ergänzung dieses Vorbringens im Schriftsatz vom 17. August 1999 ist dieses Zitat aus der Erwerbsurkunde zur "Tatsache, dass der Beklagte und auch seine Ehefrau Kenntnis von dem bestehenden Mietvertrag für die Werbetafel hatten und hiermit einverstanden waren", erhoben worden, ohne dass mitgeteilt worden ist, wie sie - die Klägerin - zu dieser Erkenntnis gekommen ist. Es ist gerade eingeräumt, dass ein Kontakt zu dem als Zeugen benannten Herrn T. nicht zustande gekommen ist. Dementsprechend fehlt es auch an Erklärungen der Klägerin, wann und bei welcher Gelegenheit es zu einer entsprechenden Information des Beklagten und dessen Ehefrau gekommen ist. Die der Klägerin obliegende Substantiierung ist nicht aufgrund des Inhalts der notariellen Kaufvertragsurkunde verkürzt. Für sie streitet insbesondere nicht die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der urkundlich aufgenommenen Erklärungen (vgl. zuletzt: BGH NJW 1999, 1702 ff., 1704). Die Auslegung des § 5 Ziffer 4 des Kaufvertrages ergibt nicht, dass dem Beklagten die Vermietung der Hausgiebelflächen zu Werbezwecken bekannt war und er die Verpflichtungen aus der Vereinbarung vom 19. Oktober 1993 gegenüber der Klägerin (oder Herrn J.) übernehmen wollte. Es spricht vielmehr alles dafür, dass mit den "bestehenden Mietverhältnisse", die dem Käufer nach dem Inhalt der vorgenannten Regelung bekannt sein und von ihm übernommen werden sollten, nur die im vierten und letzten Satz der genannten Passage spezifizierten gemeint sein sollten, also nur die Mietverhältnisse, auf die die jeweiligen Mieter Kautionen gezahlt haben. Hierbei handelte es sich zum einen um den Pachtvertrag über die Gaststättenräumlichkeiten nebst Inventar, zum anderen um die Mietverträge betreffend mehrere einzelne Zimmer. Ohne ausdrücklichen Hinweis vor oder bei Vertragsabschluss durfte der Beklagte die Geltung der notariellen Übernahmeklausel alleine auf die Mietverträge über die Räumlichkeiten beziehen; mit dem Abschluss eines Mietvertrages über Außenwandflächen zu Reklamezwecken brauchte der Beklagte von sich aus nicht zu rechnen (§§ 133, 157 BGB).

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Wert des Berufungsgegenstandes:

- bezogen auf den Hauptantrag 15.961,17 DM

- bezogen auf den Hilfsantrag bis 15.961,17 DM

- gesamt gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 und 3 GKG 15.961,17 DM

Beschwer der Klägerin durch dieses Urteil: 15.961,17 DM






OLG Köln:
Urteil v. 07.10.1999
Az: 12 U 90/99


Link zum Urteil:
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