Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 13. November 2007
Aktenzeichen: I-10 W 33/07

(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 13.11.2007, Az.: I-10 W 33/07)

Tenor

Die weitere Beschwerde der Antragsteller vom 02.02.2007 gegen den Be-schluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 08.01.2007 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren über die weitere Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten wer-den nicht erstattet.

Gründe

I.

Die Antragsteller haben mit Antrag vom 13.12.2004 (Bl. 4 GA) die Festsetzung von Gebühren und Auslagen für Beratungshilfe im Rahmen eines Privatinsolvenzverfahrens geltend gemacht. Das Amtsgericht Neuss hatte insoweit unter dem 03.09.2004 (Bl. 3 GA) einen Berechtigungsschein für Beratungshilfe "durch einen Rechtsanwalt" ausgestellt. Der Festsetzungsantrag trägt den Stempelaufdruck "Dipl.-Finanzwirte G. R. - Steuerberater, J. D. - Rechtsanwalt" und ist unterzeichnet von Herrn R. Der Urkundsbeamte des Amtsgerichts Neuss hat unter dem 15.12.2004 die "dem Rechtsanwalt R." aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung auf EUR 352,64 festgesetzt (Bl. 4R GA).

Auf die Erinnerung des Bezirksrevisors vom 19.07.2006 (Bl. 9 GA) hat der Rechtspfleger des Amtsgerichts Neuss die erfolgte Festsetzung mit Beschluss vom 18.10.2006 (Bl. 14f GA) aufgehoben. Der hiergegen eingelegten Erinnerung der Antragsteller vom 02.11.2006 (Bl. 17 GA) hat das Amtsgericht mit richterlichem Beschluss vom 12.12.2006 (Bl. 21f GA) nicht abgeholfen, was im Sinne einer Zurückweisung auszulegen ist. Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Antragsteller vom 21.12.2006 (Bl. 24 GA) hat das Landgericht mit Beschluss vom 08.01.2007 (Bl. 28ff GA) zurückgewiesen und die weitere Beschwerde zugelassen.

II.

Die weitere Beschwerde der Antragsteller ist gemäß §§ 55 Abs. 4, 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 6 RVG zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.

Die Antragsteller wenden sich ohne Erfolg gegen die im angefochtenen landgerichtlichen Beschluss ausgesprochene Zurückweisung ihrer Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Neuss vom 12.12.2006. Zutreffend hat das Landgericht die Aufhebung des Festsetzungsbeschlusses vom 18.10.2006 für rechtmäßig erachtet. Die landgerichtlichen Ausführungen lassen keine Rechtsfehler erkennen. Die erfolgte Vergütungsfestsetzung zugunsten des Steuerberaters R. war aufzuheben. Eine nach § 44 Satz 1 RVG zu vergütende Beratungshilfe kann nur durch die zur Beratungshilfe nach § 3 BerHG Befugten erbracht und vergütet verlangt werden (vgl. Senat, Rpfleger 2006, 328).

1.

Zur Gewährung von Beratungshilfe im Sinne des BerHG war ausschließlich Herr Rechtsanwalt D. befugt.

Dem durch die Antragsteller beratenen Rechtssuchenden wurde ausweislich des Berechtigungsscheines vom 03.09.2004 (Bl. 3 GA) ausdrücklich "Beratungshilfe durch einen Rechtsanwalt" bewilligt. Wer außer einem Rechtsanwalt zur Gewährung von Beratungshilfe befugt ist, regelt § 3 BerHG. Danach wird Beratungshilfe (außer von den Amtsgerichten) gewährt durch Rechtsanwälte und Rechtsbeistände, die Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer sind, sowie durch aufgrund einer Vereinbarung mit der Landesjustizverwaltung eingerichtete Beratungsstellen. Dementsprechend konnte Beratungshilfe im Sinne des BerHG ausschließlich durch Rechtsanwalt D. erfolgen. Der Steuerberater R. ist zwar Rechtsbeistand, nicht aber zugleich Mitglied in einer Rechtsanwaltskammer.

Eine analoge Anwendung des § 3 BerHG auf im Sinne von § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO anerkannte Stellen für Verbraucherinsolvenzberatung kommt nicht in Betracht. Eine Analogie setzt eine planwidrige Lücke im Gesetz voraus, an der es fehlt. Art. 1 § 3 Nr. 9 RBerG wurde durch Art. 1 Nr. 3 EGInsOÄndG vom 19.12.1998 (BGBl. I, 3836) angefügt. § 3 Abs. 1 BerHG wurde zeitlich später, namentlich durch Art. 18 des Gesetzes zur Änderung des Rechts der Vertretung durch Rechtsanwälte vor den Oberlandesgerichten vom 23.07.2002 (BGBl. I, 2850), erweitert. Die Erweiterung erfolgte ausdrücklich nur auf Rechtsbeistände, die Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer sind. Hätte der Gesetzgeber eine Ausdehnung der Befugnis zur Gewährung von Beratungshilfe auf weitere Personen oder Stellen, insbesondere die in Art. 1 § 3 Nr. 9 RBerG genannten anerkannten Stellen für Verbraucherinsolvenzberatung gewollt, hätte er dieses in der Erweiterung des § 3 Abs. 1 BerHG zum Ausdruck gebracht. Es kann nicht davon ausgegangen werden, der Gesetzgeber habe die in Art. 1 § 3 Nr. 9 RBerG genannten Stellen versehentlich nicht in die Erweiterung des § 3 Abs. 1 BerHG aufgenommen. Aus der Begründung des Gesetzentwurfs zur Änderung des § 3 BerHG (BT-Drucksache 14/8763, S. 13 zu Artikel 18) geht hervor, dass allein bezweckt wurde, die bis dato unterschiedliche Behandlung der Kammerrechtsbeistände im Sinne des § 209 BRAO bei der Prozesskostenhilfe und der Beratungshilfe zu beseitigen. Im Rahmen der Prozesskostenhilfe durften diese tätig werden, soweit kein Anwaltszwang besteht, §§ 25 EGZPO, 121 Abs. 2 ZPO. Im Rahmen der Beratungshilfe war dies bis zur Änderung des § 3 Abs. 1 BerHG nicht der Fall. Für §§ 25 EGZPO, 121 Abs. 2 ZPO - dem Pendant zu §§ 3 Abs. 1, 6 Abs. 1 BerHG auf dem Gebiet der Prozesskostenhilfe - hat der BGH bereits entschieden, dass eine über die Gleichstellung von Rechtsanwälten und Kammerrechtsbeistände hinausgehende Gleichstellung in Bezug auf sonstige Rechtsbeistände nicht in Betracht komme (BGH; NJW 2003, 2244, 2245 = MDR 2003, 949, 950). Die Ausführungen sind auf die Beratungshilfe übertragbar (vgl. Senatbeschluss vom 23.02.2006, I-10 W 115/05).

2.

Nur eine Beratungshilfetätigkeit des Rechtsanwalts D. könnte gegenüber der Staatskasse abgerechnet werden.

Rechtsgrundlage für den gegen die Staatskasse gerichteten Anspruch auf Zahlung einer Vergütung nach dem RVG ist ausschließlich § 44 Satz 1 RVG. Danach kann nur "der Rechtsanwalt" für seine Tätigkeiten im Rahmen der Beratungshilfe eine Vergütung nach dem RVG aus der Landeskasse beanspruchen. Hierzu gehört weder der Steuerberater R. noch die aus den Antragstellern bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts.

§ 1 RVG bestimmt insoweit, wer einem Rechtsanwalt gleichsteht. Dies sind nach Satz 3 andere Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer, Partnergesellschaften und sonstige Gesellschaften. Zu den Gesellschaften gehören alle gesetzlich zulässigen Formen des Zusammenschlusses von Anwälten mit eigener Rechtspersönlichkeit auf dem Gebiet zumindest auch der Rechtsberatung, wie z.B. die Rechtsanwaltsgesellschaft als Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder als GmbH (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl., § 1 RVG Rn. 6). Ein Steuerberater oder eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit einem Steuerberater gehört nicht hierzu.

3.

Rechtsanwalt D. könnte nur persönlich erbrachte Tätigkeiten gegenüber der Staatskasse abrechnen.

Nach § 5 RVG kann für Tätigkeiten, die der Rechtsanwalt nicht persönlich vornimmt, eine Vergütung nach dem RVG nur gewährt werden, wenn der Rechtsanwalt durch einen Rechtsanwalt, den allgemeinen Vertreter (im Sinne des § 53 BRAO), einen Assessor bei einem Rechtsanwalt oder einen zur Ausbildung zugewiesenen Referendar vertreten wird. Selbst wenn sich Rechtsanwalt D. im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit durch den Steuerberater R., die E.-Consulting GmbH oder die aus den Antragstellern bestehende GbR vertreten haben lassen sollte, hat Rechtsanwalt D. insoweit keinen gesetzlichen Vergütungsanspruch. Infolge der abschließenden Aufzählung der gebührenrechtlich dem Anwalt gleich stehenden Personen sind andere als die in § 5 RVG genannten nicht geeignet, eine gesetzlich Vergütung des Anwalts auszulösen (vgl. Hartmann, § 5 RVG, Rn. 6).

Ohne Erfolg verweisen die Antragsteller darauf, dass das Qualifikationsprofil des Steuerberaters R. denen der in § 5 RVG genannten mindestens gleichwertig sei. Die Regelung in § 5 RVG ist für den Senat bindend, eine analoge Anwendung auf Steuerberater oder/und Rechtsbeistände ohne Kammermitgliedschaft kommt angesichts der als abschließend anzusehenden ausdrücklichen Aufzählung nicht in Betracht. Auf den Umfang der Beauftragung durch den Rechtssuchenden kann es insoweit nicht ankommen; die tatsächliche Auftragserteilung kann den Kreis derjenigen, die ihre Vergütung für Beratungshilfe gegenüber der Staatskasse geltend machen können, nicht erweitern.

4.

Der Festsetzungsantrag der Antragsteller vom 13.12.2004 kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass der unterzeichnende Steuerberater R. oder die aus dem Briefkopf hervorgehende, aus den Antragstellern bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts hier ausschließlich eine Vergütung für Beratungshilfeleistungen des Rechtsanwalts D. geltend macht.

Es ist nicht feststellbar, welche Gebühren auslösende Leistung Rechtsanwalt D. erbracht hat. Die Antragsteller haben in ihrem Schriftsatz vom 23.04.2007 zunächst dargelegt, dass die GbR in umfassender Art und Weise für den Beratungshilfeberechtigten tätig geworden und mit dieser Tätigkeit auch jederzeit Rechtsanwalt D. betraut gewesen sei. Rechtsanwalt D. habe - soweit die E.-Consulting GmbH gehandelt habe - im Hintergrund mitgewirkt, die Tätigkeit überwacht und darauf Einfluss genommen und - soweit der Steuerberater R. als Gesellschafter allein unterschrieben habe - die dahinter stehenden Maßnahmen gemeinsam mit diesem vorbereitet und konzipiert. In ihrem Schriftsatz vom 30.10.2007 haben die Antragsteller vorgetragen, dass die Beratungshilfeangelegenheiten von dem Steuerberater R. bearbeitet worden seien. Aufgrund ihres Vortrags ist mithin davon auszugehen, dass Rechtsanwalt D. allenfalls im Hintergrund gewirkt, Tätigkeiten überwacht und hierauf Einfluss genommen hat. Eine derartige Hintergrundtätigkeit, ohne nach Außen gegenüber den am Verfahren Beteiligten in Erscheinung zu treten, genügt jedoch nicht, Vergütungsansprüche bei Beratungshilfe nach dem RVG auszulösen.

5.

Auf eine Verwirkung können die Antragsteller sich nicht berufen. Die Erinnerung ist nach der gesetzgeberischen Wertung des § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG, der für die Erinnerung gerade nicht auf die Fristbestimmung des § 33 Abs. 3 RVG verweist, unbefristet.

Für eine Verwirkung muss neben das Zeitmoment das sog. Umstandsmoment treten. Der Verpflichtete - hier die Antragsteller - müssen sich auf Grund des Verhaltens des Berechtigten - hier der Landeskasse - darauf eingerichtet haben, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen und wegen des geschaffenen Vertrauenstatbestandes muss die verspätete Geltendmachung des Rechts als eine mit Treu und Glauben unvereinbare Härte erscheinen. Derartige Umstände sind hier jedoch nicht feststellbar.

Die Antragsteller haben zwar mit Schriftsatz vom 30.10.2007 vorgetragen, dass die Bearbeitung durch den Steuerberater R. und die Abrechnung nach dem Beratungshilfegesetz mit dem zuständigen Rechtspfleger abgesprochen gewesen und praktiziert worden sei, und dieser angegeben habe, dies sei mit dem Bezirksrevisor abgestimmt. Hieraus folgt jedoch allenfalls eine Absprache im Rahmen bzw. Vorfeld der zu Unrecht erfolgten Vergütungsfestsetzung; diese reicht nicht aus, das für eine Verwirkung nötige Umstandsmoment zu begründen. Hier ist vielmehr ein nachfolgendes Verhalten erforderlich, welches ein schutzwürdiges Vertrauen begründet, der Anspruch auf Rückzahlung der zu Unrecht festgesetzten Vergütung werde nicht mehr geltend gemacht.

Entsprechendes gilt für die vorgetragene geübte Praxis in einer ganzen Reihe ähnlicher Verfahren, in denen die Festsetzungsanträge durch den Steuerberater R. nicht beanstandet, sondern diesen stets entsprochen wurde. Die geübte Praxis in Parallelfällen stellt kein Verhalten dar, das in Bezug auf das vorliegende Verfahren ein schutzwürdiges Vertrauen darauf zu begründen vermag, die Landeskasse werde die zu Unrecht erhaltene Vergütung nicht zurückfordern. Auch insoweit fehlt ein Verhalten der rückforderungsberechtigten Landeskasse in Bezug auf die konkret zu Unrecht erhaltene Vergütung.

III.

Der Kostenausspruch folgt aus § 56 Abs. 2 Sätze 2,3 RVG.






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Beschluss v. 13.11.2007
Az: I-10 W 33/07


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