Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 25. November 2011
Aktenzeichen: 4 O 152/94

(LG Düsseldorf: Urteil v. 25.11.2011, Az.: 4 O 152/94)

Tenor

I.

Die Beklagten werden verurteilt,

1.

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,-- DM, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu unterlassen,

Antriebsvorrichtungen für eine, insbesondere im untertägigen Grubenbetrieb, bei Rangier- und/oder Umschlagarbeiten, vorzugsweise hängend, verfahrbare druckluftbetriebene Zugmaschine mit einer pneumatischen Handsteuerung für den Druckluftmotor und das Maschinenbremsaggregat,

im Geltungsbereich des deutschen Patents 28 21 322 herzustellen, anzubie- ten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

bei denen bei mit Druckluft beaufschlagtem Bremsaggregat sowohl die Zufuhr von Frischluft zum Antriebsmotor als auch die Abfuhr der verbrauchten Luft vom Antriebsmotor gleichzeitig für beide Drehrichtungen blockierbar ist;

2.

der Klägerin über die zu 1. bezeichneten Handlungen Rechnung zu legen, und zwar

a) für die Zeit vom 11.11.1979 bis zum 30.6.1990 unter Angabe

aa) der Herstellungsmengen und Herstellungszeiten, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen und Gerätenummern,

bb) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Typen- bezeichnungen, Gerätenummern, Lieferdaten, Lieferpreisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,

cc) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, Typenbezeichnungen, Angebotsdaten, Angebotspreisen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

dd) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Anlässen, Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

ee) der Gestehungskosten unter detaillierter Aufschlüsselung sämtlicher Kos- tenfaktoren sowie des erzielten Gewinns,

b) für die Zeit vom 1.7.1990 unter Angabe

aa) der zu 2 a) genannten Einzeldaten

u n d

bb) der Namen und Anschriften der Auftraggeber sowie der Menge der bestell- ten, zu 1. bezeichneten Erzeugnisse;

w o b e i

c)

sich die Verpflichtung zur Rechnungslegung für die vor dem 1. Mai 1992 be- gangenen Handlungen auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in den bis zum 2. Oktober 1990 bestehenden Grenzen beschränkt,

u n d

d)

den Beklagten nach ihrer Wahl vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer Angebotsempfänger und nicht gewerblichen Abnehmer sowie - für die Zeit vor dem 1. Juli 1990 - auch der gewerblichen Abnehmer statt der Kläge- rin einem von dieser zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur Verschwiegen- heit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklag- ten die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernehmen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob eine bestimmte Lieferung oder ein bestimmter Abnehmer, ein bestimmtes Angebot oder ein bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnung enthalten ist;

II.

Es wird festgestellt, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die vorstehend zu I. 1. bezeichneten und seit dem 11. November 1979 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird, wobei sich die Schadensersatzpflicht für die Zeit vor dem 1. Mai 1992 auf im Gebiet der Bundesrepublik Deutsch- land in den bis zum 2. Oktober 1990 bestehenden Grenzen begangene Hand- lungen beschränkt.

III.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten auferlegt.

IV.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.500.000,-- DM vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, Sicherheit auch durch die unbedingte und selbstschuldnerische Bürgschaft einer im Bundesgebiet ansässigen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse zu erbringen.

Tatbestand

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 28 21 322 (Klagepatent), das am 16.5.1978 angemeldet und dessen Erteilung am 11.10.1979 bekanntgemacht wurde. Das Klagepatent betrifft eine Antriebsvorrichtung für eine druckluftbetriebene Zugmaschine, insbesondere im untertägigen Grubenbetrieb. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des Klagepatents auf Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunftserteilung und Schadensersatz in Anspruch.

Anspruch 1 des Klagepatents hat folgenden Wortlaut:

Antriebsvorrichtung für eine, insbesondere im untertägigen Grubenbetrieb, bei Rangier- und/oder Umschlagarbeiten, vorzugsweise hängend, verfahrbare druckluftbetriebene Zugmaschine (Rangierkatze) mit einer pneumatischen Handsteuerung für den Druckluftmotor und das Maschinenbremsaggregat,

d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß bei mit Druckluft beaufschlagtem

Bremsaggregat (18) sowohl die Zufuhr von Frischluft zum Antriebsmotor (16) als auch die Abfuhr der verbrauchten Luft vom Antriebsmotor gleichzeitig für beide Drehrichtungen blockierbar ist.

Die nachfolgend wiedergegebene Zeichnung ist der Klagepatentschrift entnommen und zeigt als Figur 3 das Schaltbild einer erfindungsgemäßen Zugmaschinensteuerung:

- hier folgt ein Bild -

Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2) ist, stellt her und vertreibt unter der Typenbezeichnung PSM 90.62-15.200 eine sog. pneumatische Steigkatze (angegriffene Ausführungsform). Nachfolgend wird ein Schaltbild der angegriffenen Ausführungsform der Beklagten wiedergegeben, das von der Klägerin mit Bezugsnummern entsprechend obigem Ausführungsbeispiel der Erfindung versehen und von der Beklagten mit den Bezugszeichen „Ü“ für eine Überbrückungsleitung zwischen der Zuluftleitung 46 und dem Zylinder „Z“ sowie dem Bezugszeichen „W“ für eine Wechselventil, mit dem die sog. Betriebsbremse mit den Steuerleitungen (43) und (51) verbunden ist:

- hier folgt ein Bild -

Die Klägerin sieht das Klagepatent durch die Herstellung und den Vertrieb der pneumatischen Steigkatze der Beklagten als verletzt an. Insbesondere sei, während das Bremsaggregat mit Druckluft beaufschlagt bleibe, sowohl die Zufuhr von Frischluft zum Antriebsmotor als auch die Abfuhr der verbrauchten Luft vom Antriebsmotor gleichzeitig für beide Drehrichtungen blockierbar.

Die Klägerin beantragt,

wie zuerkannt.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie stellen eine Verletzung des Klagepatents in Abrede. Bei der angegriffenen Ausführungsform werde das Zuluftventil (47) über eine gesonderte Steuerleitung (43/45) vom Ventil (25) gesteuert. Die Steuerleitung (43/45) betätige außerdem das Ventil (50). Werde auf diese Weise das Ventil (50) geöffnet, so werde über die Überbrückungsleitung (Ü) mit dem in der Zuluftleitung (46) anstehenden Arbeitsmedium auch der Zylinder (Z) betätigt, welcher seinerseits das Abluftventil (D) öffne. Das Abluftventil (D) werde also nicht über die Steuerleitung (43/45), sondern über die Zuluftleitung (46) mit dem Arbeitsmedium betätigt.

Bei Talfahrt habe diese Funktionsweise zur Folge, daß das Abluftventil (D) unabhängig von einer Betätigung des Betätigungsventils (25) bereits dann schließe, wenn der Antriebsmotor aufgrund der durch die Hangabtriebskraft bewirkten Fahrgeschwindigkeit so schnell drehe, daß er von der in der Zuluftleitung (46) anstehenden Druckluft nicht mehr angetrieben werde, sondern im Gegenteil Zuluft ansauge. In diesem Fall werde - obwohl das Ventil (50) durch die Steuerleitung (43/45) noch beaufschlagt werde - das Abluftventil geschlossen, weil durch den Druckabfall in der Zuluftleitung (46) der Zylinder (Z) zurückfahre und dadurch das Abluftventil (D) schließe. Gerade bei Talfahrt werde die Zufuhr von Frischluft zum Antriebsmotor und die Abfuhr verbrauchter Luft also nicht - wie erfindungsgemäß vorgesehen - gleichzeitig blockiert, weil sich das Abluftventil schon vorher durch Druckabfall in der Zuluftleitung (46) geschlossen habe.

Außerdem verfüge die angegriffene Ausführungsform nicht nur über eine Schienenbremse, die als Feststellbremse - vergleichbar einer Handbremse beim PKW - wirke, sondern auch über eine Betriebsbremse. Letztere komme insbesondere bei der hier interessierenden Talfahrt zum Einsatz. Da sowohl die Steuerleitung zur Betriebsbremse als auch die Ventile (47) und (50), welche die Zuluft freigäben und damit auch den Zylinder (Z) für das Abluftventil steuerten, von ein- und derselben Steuerleitung (43) beaufschlagt würden, sei bei mit Druckluft beaufschlagtem Bremsaggregat die Zufuhr von Frischluft zum Antriebsmotor und die Abfuhr der verbrauchten Luft vom Antriebsmotor nicht blockierbar, wie es der Erfindung entsprechen würde. Da die Steuerventile (26) und (25) stets vor dem Steuerventil (24) geschlossen würden und damit die Betriebsbremse aktivierten, könne die lediglich als Feststellbremse dienende Schienenbremse zeitlich zwangsläufig immer erst danach betätigt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Der Klägerin stehen die gegenüber den Beklagten geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunftserteilung und Schadensersatz zu, §§ 6, 6a, 47 Abs. 1 und 2 PatG (1978), § 140 b PatG (1981), §§ 242, 259 BGB.

I.

Das Klagepatent betrifft eine Antriebsvorrichtung für eine Zugmaschine (Rangierkatze),

(1)

die insbesondere im untertägigen Grubenbetrieb, bei Rangier- und/oder Um- schlagarbeiten, vorzugsweise, hängend, verfahrbar und

(2)

druckluftbetrieben ist;

(3)

die Vorrichtung weist eine pneumatische Handsteuerung für den Druckluftmo- tor und das Maschinenbremsaggregat auf.

In der Klagepatentschrift heißt es dazu, daß solche Zugmaschinen, die in vielen Bereichen, insbesondere des untertägigen Grubenbetriebes, eingesetzt werden, einen Mangel aufweisen, der sich besonders auf einem geneigten Streckenabschnitt bemerkbar macht. Bei Talfahrt der Zugmaschine und erhöhter Hangabtriebskraft tritt eine Betriebssituation ein, in welcher die dem Antriebsmotor zugeführte Frischluft zwar angenommen, jedoch nicht zum Erzeugen des Druckmomentes umgesetzt wird. Die Ursache für dieses Betriebsverhalten ist die erhöhte Hangabtriebskraft, durch die der zum Aufbau des notwendigen Arbeitsdrucks im Antriebsmotor erforderliche Widerstand auf der abtreibenden Seite fehlt. Die dem Antriebsmotor zugeführte Frischluft kann vielmehr ungehindert expandieren mit dem Ergebnis, daß der Motor durchdreht. Hierdurch erhält die Zugmaschine eine unzulässige sowie unkontrollierbare Geschwindigkeit, die zu einer erheblichen Gefährdung des von der Zugmaschine befahrbaren Streckenbereichs, und zwar der dort arbeitenden Bergleute sowie der hier vorhandenen Aggregate und Vorrichtungen führt.

Der Erfindung liegt deshalb das Problem (die Aufgabe) zugrunde, die bekannte Antriebsvorrichtung so zu verbessern, daß auch eine gleich durch welche Ursachen hervorgerufene erhöhte Hangabtriebskraft kein Betriebsverhalten der Zugmaschine bewirkt, welches die ohnehin bestehenden Gefahrenmomente im untertägigen Streckenbereich noch zusätzlich verschärft.

Dies soll durch folgendes weiteres Merkmal erreicht werden:

(4)

Bei mit Druckluft beaufschlagtem Bremsaggregat (18) ist sowohl die Zufuhr von Frischluft zum Antriebsmotor (16) als auch die Abfuhr der verbrauchten Luft vom Antriebsmotor gleichzeitig für beide Drehrichtungen blockierbar.

Durch eine entsprechende Ausbildung kann nunmehr unabhängig von der Drehrichtung des Antriebsmotors eine Situation geschaffen werden, in welcher der Antriebsmotor ausschließlich unter dem Einfluß der Hangabtriebskraft steht. Diese versucht, die Motorausgangswelle zu drehen und komprimiert hierdurch die im Antriebsmotor befindliche Luft. Ein Komprimieren ist deshalb möglich, weil sowohl jegliche Zufuhr von Frischluft zum Antriebsmotor unterbunden als auch das Abführen von Luft aus dem Antriebsmotor verhindert werden kann. Der Antriebsmotor wird damit zur Bremse mit der Möglichkeit einer völligen Blockade. Diese kann durch gezieltes Zuführen von Frischluft über die Handsteuerung, gegebenenfalls im Sinne einer Ansteuerung des Antriebsmotors zum Zwecke der Bergfahrt, äußerst feinfühlig geregelt aufgehoben werden. Der die erfindungsgemäße Zugmaschine begleitende Bergmann kann also ohne Betätigen des Bremsaggregats den Transportzustand der Zugmaschine und der daran gehängten Lasten sicher beherrschen.

II.

Die pneumatische Steigkatze „PSM 90.62-15.200“ verwirklicht die in Anspruch 1 beschriebene technische Lehre des Klagepatents. Es handelt sich dabei zunächst um eine Antriebsvorrichtung für eine Zugmaschine, die insbesondere im untertägigen Grubenbetrieb bei Rangier- und/oder Umschlagarbeiten verfahrbar sowie druckluftbetrieben ist und eine pneumatische Handsteuerung für den Druckluftmotor und das Maschinenbremsaggregat aufweist. Das ist zwischen den Parteien unstreitig und bedarf daher keiner weiteren Erläuterungen.

Darüber hinaus entspricht die angegriffene Ausführungsform aber - entgegen der Ansicht der Beklagten - auch Merkmal 4. Danach muß zunächst sowohl die Zufuhr von Frischluft zum Antriebsmotor (16) als auch die Abfuhr der verbrauchten Luft vom Antriebsmotor (16) gleichzeitig für beide Drehrichtungen blockierbar sein. Der Durchschnittsfachmann, aus dessen Sicht das Merkmal auszulegen ist, entnimmt dem, daß es möglich sein muß, die Luftzu- und abfuhr zum und vom Antriebsmotor gleichzeitig zu blockieren. Aus dem in der Beschreibung erläuterten Ausführungsbeispiel ergibt sich für ihn, daß dieser Zustand etwa durch das Zurückschwenken des Fahrhebels (31) des Steuergerätes (23) bewirkt werden kann. Dadurch wird das Betätigungsventil (24) fast in Nullstellung gebracht, was wiederum bewirkt, daß die zuvor geöffneten Druckminderventile, z.B. (47) und (50), schließen, das Bremsaggregat (18) jedoch weiterhin gelüftet bleibt. Der Druckluftmotor (16) ist durch das Schließen sämtlicher Druckminderventile (47, 50, 54 und 55) dann allseitig eingespannt, so daß die in ihm befindliche Luft im Sinne einer Pumpe komprimiert wird (vgl. Sp. 6, Z. 36 ff.).

Dem entspricht die angegriffene Ausführungsform. Wird bei dieser der Fahrhebel zurückgeschwenkt, weil beispielsweise die Fahrgeschwindigkeit zu hoch ist, führt dies dazu, daß das Vorsteuerventil (25) bis auf Null geschlossen wird. Dadurch wird die Frischluftzufuhr über die Leitung (43) und - nach der Abzweigung - über die Leitungen (44) und (45) unterbrochen. Entsprechend schließen sich die Druckminderventile (47) und (50). Die Frischluftzufuhr zum Antriebsmotor (16) über die Zuleitung (46) ist damit blockiert. Zudem wird gleichzeitig die Abfuhr der gebrauchten Luft über die Ableitung (48) unterbrochen, weil die Schließung des 3/2-Wegeventils (50) die Frischluftzufuhr an den Zylinder (Z) blockiert hat, was den Verschluß der Drossel (D) am Ende der Ableitung (48) zur Folge hat. Die Zufuhr von Frischluft zum Antriebsmotor (16) und die Abfuhr der verbrauchten Luft vom Antriebsmotor (16) sind also - entsprechend der Erfindung - gleichzeitig blockierbar.

Dem steht auch nicht entgegen, daß die angegriffene Ausführungsform nach dem Vorbringen der Beklagten bei schneller Talfahrt ein anderes Hydraulikverfahren zeigen kann. Selbst wenn insoweit mit den Beklagten davon ausgegangen wird, daß das Abluftventil (D) unabhängig von einer Betätigung des Betätigungsventils (25) bereits dann schließt, wenn der Antriebsmotor aufgrund der durch die Hangabtriebskraft bewirkten Fahrgeschwindigkeit so schnell dreht, daß er von der in der Zuluftleitung (46) anstehenden Druckluft nicht mehr angetrieben wird, sondern - im Gegenteil - Zuluft ansaugt, was zur Folge hat, daß der Zylinder (Z) aufgrund des Druckabfalls in der Zuluftleitung (46) bzw. der Überbrückungsleitung (Ü) zurückfährt und das Abluftventil (D) schließt, während die Ventile (47 und 50) noch über die Steuerleitung (43, 44/45) beaufschlagt werden, so führt auch dies die angegriffene Ausführungsform nicht aus dem Schutzbereich der Erfindung heraus. Denn danach ist es allein erforderlich, daß die Zu- und Abfuhr von Luft für den Antriebsmotor gleichzeitig blockier- b a r ist. Das ist aber auch nach dem Vorbringen der Beklagten nicht ausgeschlossen und zwar solange, wie der Antriebsmotor nicht aufgrund des Einwirkens erhöhter Hangabtriebskraft die gesamte durch das Ventil 47 ankommende Zuluft absaugt und dadurch den Druck in der Überleitung (Ü) soweit abfallen läßt, daß die Feder des Zylinders (Z) diesen zurückfährt und demzufolge die Drossel (D) geschlossen wird. Bis zu diesem Punkt - und damit auch bei erhöhter Hangabtriebskraft aufgrund einer Talfahrt - kann die Zufuhr von Frischluft und die Abfuhr von verbrauchter Luft auch bei der angegriffenen Ausführungsform durch Rückschwenken des Steuerhebels entsprechend den obigen Darlegungen erfindungsgemäß gleichzeitig blockiert werden.

Ob darin - worüber die Parteien streiten - im praktischen Betrieb ein Ausnahme- oder Regelfall gesehen werden kann, ist für die Frage der Verwirklichung der technischen Lehre des Klagepatents ohne Belang und bedarf daher keiner Feststellungen. Ebenfalls dahinstehen kann, ob die technische Lehre des Klagepatents - wie die Beklagten meinen - aus technischer Sicht falsch ist. Denn dies entzieht sich der Prüfungskompetenz der Kammer, die ausgehend von dem erteilten Klagepatent allein über die Benutzung der patentierten Erfindung zu entscheiden hat.

Daß die gleichzeitige Blockierbarkeit der Antriebsmotorzu- und abluft in dem oben erläuterten Sinne für beide Drehrichtungen erfolgen kann, ist wiederum zwischen den Parteien nicht streitig und braucht deshalb nicht weiter begründet zu werden.

Entgegen der Ansicht der Beklagten findet die gleichzeitige Blockierung der Zu- und Abluft bei mit Druckluft beaufschlagtem Bremsaggregat statt. Insoweit ist es ausreichend, wenn ein Bremsaggregat vorhanden ist, das nicht parallel zur Betätigung der „Motorbremse“ durch Blockierung der Luftzu- und -abfuhr zum Antriebsmotor betätigt wird, sondern den Fällen „echten Druckluftmangels“ bei entsprechender Betätigung oder wegen Schlauchbruchs - vorbehalten bleibt. Der Fachmann entnimmt dies der im Patentanspruch 1 niedergelegten technischen Lehre, wenn er sich die Funktion des Bremsaggregats im Gegensatz zur Funktion des Antriebsmotors, dessen Luftzu- und -abfuhr ganz oder teilweise blockiert sind, vergegenwärtigt. Der Antriebsmotor, so wird ihm in der Beschreibung der Kern der Erfindung erläutert, versuche unter dem Einfluß der Hangabtriebskraft die Motorausgangswelle zu drehen und komprimiere hierdurch die im Antriebsmotor befindliche Luft. Ein Komprimieren sei möglich, weil sowohl jegliche Zufuhr von Frischluft zum Antriebsmotor als auch das Abführen von gebrauchter Luft verhindert werden könne. Der Antriebsmotor werde damit zur Bremse mit der Möglichkeit einer völligen Blockade (Sp. 2, Z. 61 ff.; Sp. 3, Z. 1 ff.). Der die Zugmaschine begleitende Bergmann könne also ohne Betätigen des Bremsaggregates dennoch den Transportzustand der Zugmaschine und der daran gehängten Lasten sicher beherrschen (Sp. 3, Z. 11 ff.). Das knüpft an die Beschreibung des Bremsaggregats im Stand der Technik an, wonach im entlüfteten Zustand des Bremsaggregats oder bei fehlender Druckluft, beispielsweise durch Schlauchbruch, die Federkraft wirksam werde und das Abbremsen der Rangierkatze bis zum Stillstand bewirke (Z. 2, Sp. 8 ff.).

Entsprechend weist auch die angegriffene Ausführungsform ein Bremsaggregat (Schienenbremse) auf, das mit Druckluft beaufschlagt bleibt, wenn - entsprechend den obigen Erläuterungen - die Luftzu- und -abfuhr zum bzw. vom Antriebsmotor blockiert wird. Daß die Steigkatze der Beklagten darüber hinaus über eine sogenannte Betriebsbremse verfügt, führt diese nicht aus dem Schutzbereich der Erfindung. Diese wird zwar - wie die Ventile (47 und 50 bzw. 54 und 55) über das Wechselventil von der in der Steuerleitung (43 bzw. 51) einfließenden Druckluft beaufschlagt und folglich ebenso wie diese druckentlastet, wenn das Steuerventil (25 bzw. 26) geschlossen wird. Dies steht einer Verwirklichung der Lehre des Klagepatents aber nicht entgegen, weil diese bei blockierter Luftzu- und -abfuhr zum Antriebsmotor lediglich das Vorliegen e i n e s mit Druckluft beaufschlagtem Bremsaggregats vorschreibt, ohne daß es auf den Betriebszustand weiterer vorhandener Bremsaggregate ankommt. Nichts anderes ergibt sich für den Fachmann auch bei Berücksichtigung einer - von den Beklagten ausdrücklich zitierten - Stelle in der Beschreibung, in der es heißt, daß durch die erfindungsgemäße Ausbildung unabhängig von der Drehrichtung des Antriebsmotors eine Situation geschaffen werden könne, in welcher der Antriebsmotor ausschließlich unter dem Einfluß der Hangabtriebskraft stehe (Sp. 2, Z. 61 ff.). Dem entnimmt der Fachmann lediglich, daß die Wirkung der Hangabtriebskraft (Durchdrehen des Antriebsmotors) gerade nicht, wie dies noch im Stand der Technik in solchen Situationen einzig möglich war, durch das Bremsaggregat gehemmt werden soll, sondern aufgrund der gleichzeitigen Blockierung der Luftzu- und -abfuhr durch den Antriebsmotor als Bremse. Daß diese Bremswirkung des Motors noch durch eine weitere Betriebsbremse - wie bei der angegriffenen Ausführungsform bei der es sich gerade um eine S t e i g -katze handelt - verstärkt wird, ist dadurch nicht ausgeschlossen. Darin mag eine verbesserte Ausführungsform liegen; die Verwirklichung des Klagepatents hindert dies nicht.

III.

1.) Da die Beklagte zu 1) die angegriffene Ausführungsform herstellt und vertreibt, besteht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch im zuerkannten Umfang, § 47 Abs. 1 PatG (1978). Dabei haftet der Beklagte zu 2) aufgrund eigenen Verhaltens. Die Beklagte zu 1) muß sich das Verhalten des Beklagten zu 2) als ihrem Geschäftsführer zurechnen lassen.

2.) Darüber hinaus sind die Beklagten der Klägerin zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet, § 47 Abs. 2 PatG (1978). Die Beklagten hätten die Verletzung des Klagepatents bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können. Nach §§ 830, 840 BGB haften beide Beklagten als Gesamtschuldner. Da es überdies zumindest hinreichend wahrscheinlich ist, daß der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, die Klägerin diesen Schaden aber noch nicht beziffern kann, weil ihr der Umfang dieser Handlungen noch nicht bekannt ist, ist der Klägerin ein rechtliches Interesse daran zuzubilligen, daß die Verpflichtung zur Schadensersatzleistung zunächst nur festgestellt wird, § 256 ZPO.

3.) Schließlich sind die Beklagten verpflichtet, der Klägerin über den Umfang ihrer Verletzungshandlungen Rechnung zu legen, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Denn einerseits ist die Klägerin auf diese Angaben, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, angewiesen, andererseits werden die Beklagten durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet, §§ 242, 259 BGB. Der Anspruch auf Angabe der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer, der Auftraggeber mit der Menge der hergestellten Erzeugnisse der angegriffenen Art ergibt sich aus § 140 PatG 1981.

IV.

1.) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO.

2.) Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709 S. 1, 108 ZPO.

Streitwert: 1.500.000,-- DM

Dr. Becker Schuh-Offermanns Dr. Grabinski






LG Düsseldorf:
Urteil v. 25.11.2011
Az: 4 O 152/94


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