Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 22. Oktober 2008
Aktenzeichen: I-27 U 2/08

(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 22.10.2008, Az.: I-27 U 2/08)

Tenor

Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist unzulässig.

Unter Aufhebung des Urteils der 4. Kammer für Handelssachen des Land-gerichts Düsseldorf vom 06. August 2008 wird das Verfahren an das zu-ständige Sozialgericht München verwiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Antragstellerin.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)

I.

Die Parteien sind Pharmaunternehmen. Sie vertreiben u.a. Arzneimittel zur Bekämpfung von Blutarmut (Anämie). Ursachen von Anämie sind insbesondere chronische Nierenerkrankung (sogenannte nephrologische Indikation), welche regelmäßig eine dauerhafte Behandlung erforderlich macht, und Chemotherapie im Rahmen einer Krebsbehandlung (sogenannte onkologische Indikation) mit meist beschränkter Behandlungsdauer.

Zur Therapie der Anämie werden standardmäßig sogenannte "erythropesestimulierende Proteine" (ESP) verwendet.

Die Antragsgegnerin vertreibt insoweit die Präparate NeoRecormon® und Mircera®. Letzteres ist patentgeschützt. Das Medikament NeoRecormon® enthält den Wirkstoff epoetin beta, Mircera® den Wirkstoff Methoxy Polyethylenelycol - Epoetin beta. Mircera® ist - anders als NeoRecormon®, welches auch eine Zulassung für die onkologische Indikation besitzt - nur für die nephrologische Indikation zugelassen.

Das Präparat der Antragstellerin Aranesp enthält den Wirkstoff Darbepoetin alpha. Es ist sowohl für die nephrologische und die onkologische Indikation zugelassen.

Zwischen den Mitteln der Antragstellerin und den der Antragsgegnerin bestehen Unterschiede in der Dosierung und in der Halbwertzeit (Zeitraum, den die Medikamente im Körper verbleiben). Für den Anwendungsbereich der Frühgeborenen -Anämie ist allein das Präparat NeoRecormon® der Antragsgegnerin zugelassen.

Ohne vorherige Ausschreibung schloss die AOK Baden-Württemberg am 28. April 2008 einen Rabattvertrag gemäß § 130a Abs. 8 SGB V mit der Antragsgegnerin für ihre Präparate NeoRecormon® und Mircera®, wovon die Antragstellerin durch gemeinsame Pressemitteilung der Vertragsschließenden vom 06. Juni 2008 erfuhr.

Die Antragstellerin hat deswegen die Vergabekammer des Bundes angerufen. Diese hat mit Beschluss vom 15. August 2008 (VK 3-107/08) dem Nachprüfungsantrag stattgegeben und der AOK Baden-Württemberg aufgegeben, bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht die Vergabe über Erythroposestimulierende Proteine nur unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer durchzuführen und hierbei die gesetzlichen Bestimmungen für die Vergabe öffentlicher Aufträge einzuhalten. Des Weiteren hat die Vergabekammer die Nichtigkeit des Vertrages vom 28. April 2008 festgestellt.

Zur Begründung hat sie ausgeführt, die AOK Baden-Württemberg sei gehalten gewesen, indikationsbezogen auszuschreiben. Die Voraussetzungen des § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A lägen nicht vor; die Schnittmenge, bei der sämtliche ESP eingesetzt werden könnten, sei dafür zu groß, lediglich in einem Randbereich könnten nur bestimmte Wirkstoffe eingesetzt werden. Dementsprechend seien auch die Voraussetzungen des § 3a Nr. 2 lit. c) VOL/A nicht gegeben. Der zwischen der AOK Baden-Württemberg und der Antragsgegnerin geschlossene Vertrag sei gemäß § 13 VgV unwirksam; die Antragstellerin habe als eines von wenigen Unternehmen Versicherte der AOK Baden-Württemberg beliefert.

Gegen diese Entscheidung hat die AOK Baden-Württemberg Anfechtungsklage vor dem Sozialgericht Stuttgart erhoben (S 10 KR 5657/08). Dieses hat mit Beschluss vom 26. September 2008 (S 10 KR 5932/08 ER) festgestellt, dass die Klage aufschiebende Wirkung hat. Einen Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung des Beschlusses der 3. Vergabekammer des Bundes hat das Sozialgericht zurückgewiesen.

Daneben hat die Antragstellerin bei dem Landgericht Düsseldorf einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Antragsgegnerin mit der Begründung gestellt, die Antragsgegnerin habe sich an dem vergaberechtswidrig zustande gekommenen Vertragsschluss beteiligt. Sie hat die Auffassung vertreten, für das Verfahren sei die ordentliche Gerichtsbarkeit zuständig. Die Anträge beträfen keine Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, die nur reflexartig betroffen würden. Die Anträge richteten sich nämlich nicht gegen eine gesetzliche Krankenkasse, sondern gegen einen unmittelbaren Wettbewerber. Zudem stelle sie nicht das Ob, sondern nur das Wie des Abschlusses von Pharma-Rabattverträgen nach § 130a Abs. 8 SGB V in Frage. Auch § 69 SGB V sei nicht einschlägig; bei pharmazeutischen Unternehmern handele es sich schon nicht um Leistungserbringer im Sinne der Vorschrift. Zudem richte sich der geltend gemachte Anspruch nicht gegen eine gesetzliche Krankenkasse. Die Antragsgegnerin habe sich an Rechtsverstößen der AOK Baden-Württemberg beteiligt, so dass ihr - der Antragstellerin - Ansprüche nach § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 97 ff. GWB und aus § 33 GWB gegen die Antragsgegnerin zustünden. Sie hat daher beantragt,

der Antragsgegnerin bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel aufzugeben zu unterlassen,

gegenüber der AOK Baden-Württemberg Rabatte betreffend die Arzneimittel Mircera® und NeoRecormon® zu gewähren, Rabattverträge mit gesetzlichen Krankenkassen betreffend die Präparate Mircera® und/oder NeoRecormon® abzuschließen, Dritte auf den Abschluss von Rabattverträgen und die darin vereinbarte Rabattierung der Arzneimittel Mircera® und NeoRecormon® hinzuweisen,

insbesondere wenn dies zu Nrn. 1. - 3. wie in Anlage ASt 1 wiedergegeben geschieht,

wenn der Nettoauftragswert 206.000,00 Euro erreicht oder übersteigt und dem Abschluss des Rabattvertrages keine Bekanntmachung über die Vergabe eines öffentlichen Auftrags im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vorangegangen ist.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für nicht gegeben erachtet; gemäß § 51 Abs. 2 SGG seien die Sozialgerichte zuständig. Die Voraussetzungen eines lauterkeits- oder kartellrechtlichen Anspruchs gegen sie lägen nicht vor. § 69 SGB V schließe lauterkeitsrechtliche Ansprüche von vornherein aus. Die Vergabe sei im Übrigen im Hinblick auf § 3a VOL/A ordnungsgemäß erfolgt.

Das Landgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Zwar sei der ordentliche Rechtsweg gegeben, ein Anspruch bestehe jedoch nicht. Es sei bereits nicht geklärt, ob gesetzliche Krankenkassen als öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB anzusehen seien. Jedenfalls sei im Hinblick auf die Unterschiede der Wirkstoffe eine freihändige Vergabe nach § 3 Nr. 4 lit. a) VOL/A möglich gewesen.

Dagegen richtet sich die Berufung der Antragstellerin. Sie beruft sich auf die abweichende Entscheidung der 3. Vergabekammer des Bundes vom 15. August 2008. Sie beantragt daher,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils

der Antragsgegnerin bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel aufzugeben zu unterlassen,

1. gegenüber der AOK Baden-Württemberg Rabatte betreffend die Arzneimittel Mircera® und NeoRecormon® zu gewähren,

2. Rabattverträge mit gesetzlichen Krankenkassen betreffend die Präparate Mircera® und/oder NeoRecormon® abzuschließen,

3. Dritte auf den Abschluss von Rabattverträgen und die darin vereinbarte Rabattierung der Arzneimittel Mircera® und NeoRecormon® hinzuweisen,

insbesondere wenn dies zu Nrn. 1. - 3. wie Anlage ASt 1 wiedergegeben geschieht,

wenn der Nettoauftragswert 206.000,00 Euro erreicht oder übersteigt und dem Abschluss des Rabattvertrages keine Bekanntmachung über die Vergabe eines öffentlichen Auftrags im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vorangegangen ist.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält ihre Rechtswegrüge aufrecht und verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Feststellungen des angefochtenen Urteils sowie die Schriftsätze der Parteien verwiesen.

II.

Der Senat hat nach § 17a Abs. 2 GVG den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig zu erklären und das Verfahren an das zuständige Sozialgericht zu verweisen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist nämlich die Sozialgerichtsbarkeit zuständig. Da das Landgericht in der Sache durch Urteil entschieden hat, ist durch Beschluss des Senates zugleich dieses Urteil aufzuheben (vgl. BGH NJW 1999, 651).

1.

Der Rechtsweg ist vom Senat zu überprüfen. Zwar schließt § 17a Abs. 5 GVG an sich eine weitere Prüfung bei Rechtsmittelverfahren über die Hauptsache aus; dies gilt jedoch nicht, wenn das Gericht erster Instanz - wie hier - entgegen § 17a Abs. 3 S. 2 GVG eine - nach § 17a Abs. 4 GVG anfechtbare - Entscheidung über den Rechtsweg nicht getroffen hat (vgl. Gummer in Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 17a GVG Rdnr. 17). Eine Überprüfung hat jedenfalls dann zu erfolgen, wenn - wie hier - auch im Rechtsmittelzuge die Rechtswegrüge weiterverfolgt wird; in diesem Fall hat das Berufungsgericht vorab durch Beschluss über den Rechtsweg zu entscheiden (vgl. BGH NJW 1999, 651).

2.

Die Vergabekammer und der Vergabesenat sind nicht zuständig. Die Vorschrift des § 104 Abs. 2 GWB gilt nur für gegen den Auftraggeber gerichtete Ansprüche, nicht aber für Ansprüche gegen Auftragnehmer (vgl. BGH WRP 2008, 1182 Rdnr. 10). Auf die umstrittenen Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Überprüfung des Abschlusses von Pharma-Rabattverträgen nach § 130a Abs. 8 SGB V im Vergabenachprüfungsverfahren kommt es nicht an.

3.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist nicht der Rechtsweg zur ordentlichen Gerichtsbarkeit, sondern derjenige zur Sozialgerichtsbarkeit eröffnet.

Die Zuständigkeit der Sozialgerichte ergibt sich aus § 51 Abs. 2 S. 1 SGG. Nach dieser Vorschrift entscheiden die Sozialgerichte auch über privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, und zwar auch dann, soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden. Entscheidend ist daher allein, ob es sich um eine Streitigkeit in einer Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung handelt, nicht dagegen, ob die Streitigkeit öffentlichrechtlicher oder privatrechtlicher Natur ist (zuletzt BGH NJW 2008, 1389).

Die Streitigkeit betrifft unmittelbar die Rechtsbeziehungen zwischen einer gesetzlichen Krankenkasse und einem Leistungserbringer im Sinne des § 69 SGB V (zur Einstufung pharmazeutischer Unternehmer als Leistungserbringer s. u. unter III.2.). Die Antragstellerin möchte die Antragsgegnerin an einer bestimmten Art und Weise des Abschlusses eines Rabattvertrages nach § 130a Abs. 8 SGB V und die Durchführung eines derartigen - nach Ansicht der Antragstellerin allerdings nichtigen - Vertrages hindern. Dabei kommt es entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht darauf an, dass die Antragstellerin die AOK Baden-Württemberg nicht generell an dem Abschluss von Rabattverträgen hindern will. Die Anträge berühren die gesetzliche Krankenkassen nicht nur reflexartig, wie die Antragstellerin meint, vielmehr soll unmittelbar in das Rechtsverhältnis zwischen gesetzlicher Krankenkasse und Leistungserbringer eingegriffen werden.

Diese Einschätzung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Senats. Der Bundesgerichtshof (GRUR 2004, 444 - Arzneimittelsubstitution) hat den Sozialgerichtsweg für den Anspruch eines pharmazeutischen Unternehmens gegen Leistungserbringer bzw. deren Repräsentanten bejaht, in denen es sich gegen eine seiner Ansicht nach unzutreffende Information über die Auswirkungen des § 129 SGB V und eines Rahmenvertrages zwischen letzteren und den gesetzlichen Krankenkassen auf ein von ihm vertriebenes Arzneimittel wandte. Im Anschluss daran hat der Senat (Beschluss vom 21.07.2008, I-27 W 1/08) die Auffassung des Landgerichts Düsseldorf in seinem Beschluss vom 28.03.2008 (14c O 59/08) gebilligt, wonach bei Verfahren eines Pharmaunternehmers gegen Apotheken bzw. deren Verbände über Informationen zu abgeschlossenen - nach Ansicht des Pharmaunternehmens aber wegen Verstoßes gegen das Vergaberecht nichtigen - Pharma-Rabattverträgen die Sozialgerichte zuständig seien (vgl. auch OLG München, OLGR 2008, 386 zur Zuständigkeit für Klagen gegen eine - nach Ansicht des Klägers wettbewerbs- und berufsordnungswidrige - Klausel in einem Rahmenvertrag nach §§ 140a ff. SGB V). Dass sich der Antrag nicht gegen die gesetzliche Krankenkasse richtet, ist unerheblich; § 51 Abs. 2 SGG erfasst nicht nur derartige Verfahren (vgl. BGH GRUR 2004, 444 - Arzneimittelsubstitution).

Aus den Entscheidungen des BGH vom 09.11.2006 (NJW 2007, 1819 - Gesamtzufriedenheit) und vom 30.01.2008 (NJW 2008, 1389 - Treuebonus) ergibt sich nichts anderes. Der erstgenannte Fall betraf nicht die Rechtsbeziehungen zu Leistungserbringern, worauf der BGH in Rdnr. 14 ausdrücklich hinwies; des Weiteren wird der Anspruch auf einen Verstoß gegen Normen gestützt, deren Beachtung nur gesetzliche Krankenkassen, nicht aber privaten Mitbewerbern obliegt. Die zweitgenannte Fallgestaltung betraf das Rechtsverhältnis der gesetzlichen Krankenkasse zu ihren Mitgliedern nur mittelbar (Rdnr. 19).

Für die Zuständigkeit der Sozialgerichte spricht im Übrigen, dass materiellrechtlich die lauterkeitsrechtlichen Vorschriften im Hinblick auf § 69 SGB V nicht gelten (vgl. dazu näher unter III.2.a.). Soweit das LG Hamburg (Urteil vom 25.06.2008 - 315 O 229/05) zwar die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit bejaht, aber dennoch von der Anwendbarkeit des § 69 SGB V ausgeht, ist dies widersprüchlich, denn § 69 SGB V dient in materiellrechlicher Hinsicht gerade der Absicherung der sozialgerichtlichen Zuständigkeit nach § 51 Abs. 2 SGG (vgl. BTDr. 14/1245 zu Nummer 29). Für etwaige Ansprüche gegen die AOK Baden-Württemberg wegen kartellrechtswidriger Handlungsweisen, an denen die Antragsgegnerin beteiligt gewesen sein soll, sind gemäß § 51 SGG gleichfalls die Sozialgerichte zuständig.

Örtlich zuständig ist gemäß § 57 Abs. 1 S. 1 SGG das Gericht am Sitz der Antragstellerin, mithin das Sozialgericht München.

Eines Antrages - der bisher nicht gestellt worden ist - bedarf die Anordnung des Gerichts nicht, § 17a Abs. 2 GVG.

III.

Im Übrigen weist der Senat auf Folgendes hin:

1.

An sich wäre ein Rechtsschutzbedürfnis für die Anträge, jedenfalls soweit sie das konkrete Vergabeverfahren betreffen, zu verneinen.

Sieht das Gesetz für den einstweiligen Rechtsschutz ein besonderes Verfahren vor, ist dieses Verfahren einzuleiten; Anträge auf Erlass einstweiliger Verfügungen nach allgemeinen Regeln sind dann unzulässig (vgl. zum Verhältnis zwischen einstweiligen Verfügungen und einstweiligen Anordnungen nach der ZPO Vollkommer, in Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 935 Rdnr. 3; Reichold, in Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl., § 935 Rdnr. 2). Diese besonderen Vorschriften berücksichtigen die Besonderheiten des betreffenden Rechtsgebiets (z.B. Zuständigkeit, Inhalt, Zeitdauer).

Im Vergabenachprüfungsverfahren können nach § 115 Abs. 3 GWB einstweilige Anordnungen ergehen. Nach der Rechtsprechung des Senats (zuletzt Beschluss vom 30.04.2008 - VII-Verg 23/08, NZBau 2008, 461) können auch Anordnungen zur Verhinderung der Praktizierung eines nichtigen Vertrages ergriffen werden, und zwar nicht nur gegenüber der Vergabestelle, sondern auch gegenüber dem erfolgreichen Bieter; derartige Anordnungen können nicht nur von der Vergabekammer, sondern auch von dem Vergabesenat getroffen werden.

Dies würde im Allgemeinen dazu führen, dass während eines laufenden Vergabenachprüfungsverfahrens ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unzulässig wäre. Diese Auffassung hat auch den Vorteil, dass jedenfalls im summarischen Verfahren kein anderes Gericht unmittelbar oder mittelbar auf das Vergabenachprüfungsverfahren Einfluss nehmen kann, dieses vielmehr allein in der Hand von Vergabekammer und -senat liegt.

Dem stünde entgegen der im Termin vom 08. Oktober 2008 geäußerten Auffassung der Antragstellerin nicht eine Bestandskraft des Beschlusses der 3. Vergabekammer des Bundes und damit eine Beendigung des Vergabenachprüfungsverfahrens, in dessen Rahmen nur eine einstweilige Anordnung ergehen könnte, entgegen. Zwar kann auch nach Auffassung des Senats (als Vergabesenat) gegen die Entscheidung der Vergabekammer ausschließlich das Oberlandesgericht angerufen werden (VergabeR 2008, 73; zuletzt Beschluss vom 16.06.2008 - VII-Verg 13/08; ebenso BGH, NZBau 2008, 662). Der Senat ist jedoch in seiner Rechtsprechung (vgl. Beschlüsse vom 30.04.2008 - VII-Verg 57/08 und VII-Verg 3/08; vom 16.06.2008 - VII-Verg 7/08) davon ausgegangen, dass die Vergabeinstanzen einstweilige Anordnungen gerichtet auf Durchführung des nichtigen Vertrages auch gegenüber dem erfolgreichen Auftragnehmer erlassen kann.

Allerdings hat das Sozialgericht Stuttgart mit Beschluss vom 26. September 2008 die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage der AOK Baden-Württemberg gegen den Beschluss der 3. Vergabekammer des Bundes vom 15. August 2008 festgestellt und zudem eine Anordnung der sofortigen Vollziehung abgelehnt. Dabei hat es eine Anwendung der Grundsätze des Vergaberechts ausdrücklich abgelehnt. Was § 115 Abs. 1 GWB betrifft, hat es der übersehen, dass das Zuschlagsverbot nach dieser Vorschrift unabhängig davon eintritt, ob die Vergabekammer überhaupt für das Vergabenachprüfungsverfahren zuständig war oder nicht und ob das Vergaberecht überhaupt gilt (vgl. Byok, in Byok/Jaeger, VergabeR, 2. Aufl., § 115 Rdnr. 1098; Otting, in Bechtold, GWB, 5. Aufl., § 115 Rdnr. 1). Die Ablehnung einer Anwendung des § 118 Abs. 3 GWB kann nicht allein damit gerechtfertigt werden, diese Vorschrift gelte nicht für die Vergabe von Aufträgen gesetzlicher Krankenkassen an Leistungserbringer. Auch das BSG (VergabeR 2008, 693) hat unter Rz. 76 a.E. die analoge Anwendung "bewährter" Vorschriften des GWB für erwägenswert gehalten; dementsprechend gehen die Überlegungen zum Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung in § 69 Abs. 2 SGB V - E und § 142a Abs. 1 SGG-E ohne Weiteres von der Sachgerechtigkeit der Anwendung des Kartellvergaberechts (u.a. auch der §§ 115, 118 GWB) auch in diesem Bereich aus. Ob der Beschluss des Sozialgerichts damit der Verpflichtung gerecht wird, "so schnell wie möglich im Wege der einstweiligen Verfügung vorläufige Maßnahmen" zu ergreifen, "um ... weitere Schädigungen der betroffenen Interessen zu verhindern" (Art. 2 Abs. 1 lit. a) der Richtlinie 69/665/EWG, sog. Rechtsmittelrichtlinie) und für eine wirksame Durchsetzung der Entscheidungen der für die Nachprüfungsverfahren zuständigen Instanzen zu sorgen (Art. 2 Abs. 7 der Rechtsmittelrichtlinie), ist danach zweifelhaft.

2.

Ein Verfügungsanspruch ist bisher allerdings nicht dargetan.

a) Auf das UWG gestützte Ansprüche stehen der Antragstellerin nicht zu.

Zwar hat der Bundesgerichtshof (WRP 2008, 1182 - Kommunalversicherer) entschieden, dass dem übergangenen Unternehmen gegen den Auftragnehmer eines öffentlichen Auftraggebers im Sinne des § 98 GWB ein lauterkeitsrechtlicher Anspruch bei Verstößen gegen das Vergaberecht zustehen kann. Das setzt aber voraus, dass sich der öffentliche Auftraggeber mit der Vergabe wettbewerbsrechtlich unlauter verhalten und der Auftragnehmer zu diesem Verhalten entweder angestiftet oder Beihilfe geleistet hat, wobei es sich allerdings bei den Vergabevorschriften um Marktverhaltensregeln im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG handelt.

Ein Verstoß der AOK Baden-Württemberg gegen § 4 Nr. 11 UWG scheidet aber schon deswegen aus, weil das UWG auf den Vertragschluss und sein Zustandekommen nicht anwendbar ist. Die Vorschrift des § 69 SGB V schließt die Anwendbarkeit des UWG zumindest auf die vertraglichen Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu ihren Leistungserbringern von vornherein aus (BGH GRUR 2006, 517 - Blutdruckmessungen). Zu den Leistungserbringern gehören - im Rahmen von Pharma-Rabattverträgen - entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch die Pharmaunternehmen, wie sich bereits aus § 130a Abs. 8 SGB V ergibt; die Vorschrift steht im Kapitel "Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern" und im Abschnitt "Beziehungen zu Apotheken und pharmazeutischen Unternehmern". Entgegen der Darstellung der Antragstellerin im Termin vom 08. Oktober 2008 ergibt sich aus der Entscheidung des BVerfG vom 17. Dezember 2002 (1 BvL 28 - 30/95) nichts anderes; diese Entscheidung befasst sich zum einen nicht mit dem Begriff des Leistungserbringers im Sinne des - aus zeitlichen Gründen bereits nicht einschlägigen - § 69 SGB V; zum anderen bezeichnet auch das BVerfG die Pharmaunternehmen teilweise als Leistungserbringer (z.B. in Rdnr. 4 im Entscheidungsabdruck insoweit in NJW 2003, 1132 nicht abgedruckt). Dementsprechend geht die umfangreiche und höchst streitige Diskussion zum Verhältnis zwischen § 69 SGB V und dem Vergaberecht auch im Bereich von Pharma-Rabattverträgen ohne Weiteres davon aus, dass es sich bei den pharmazeutischen Unternehmern um Leistungserbringer im Sinne des § 69 SGB V handelt.

Auch schließt § 69 SGB V nicht nur die Anwendung des UWG unmittelbar im Verhältnis zu den gesetzlichen Krankenkassen, sondern auch im Verhältnis zu den beteiligten Leistungserbringern aus (vgl. BGH GRUR 2006, 517).

Das steht nicht im Gegensatz zur Rechtsprechung des Senats als Vergabesenat. Zwar ist er der Auffassung, dass § 69 SGB V die Geltung der §§ 97 ff. GWB nicht ausschließt (vgl. VergabeR 2008, 73). Letzteres gründet sich auf eine richtlinienkonforme Auslegung des Gesetzes vor dem Hintergrund der VKR und der Rechtsmittelrichtlinie. Diese Richtlinien regeln aber nur das Vergabeverfahren und seine Kontrolle gegenüber dem Auftraggeber durch Nachprüfungsinstanzen. Sie erfordern aber keine weitergehenden Rechtsbehelfe auch in gegen den Auftragnehmer gerichteten Verfahren.

Aus diesem Grunde kann offen bleiben, ob die AOK Baden-Württemberg auch in Wettbewerbsförderungsabsicht gehandelt hat, was bei der Vergabe von Beschaffungsaufträgen nur unter besonderen Umständen der Fall ist (vgl. BGH WRP 2008, 1182 Rdnr. 33) und wozu die Absicht einer möglichst billigen Beschaffung alleine nicht ausreicht.

b) Auch Ansprüche wegen einer Teilnahme der Antragsgegnerin an einem kartellrechtswidrigen Verhalten der AOK Baden-Württemberg stehen der Antragstellerin nicht zu.

Zwar sind auf das Verhalten der AOK Baden-Württemberg gemäß § 69 S. 2, 1. Halbsatz SGB V die §§ 19 bis 21 GWB entsprechend anzuwenden; auf die vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 11.07.2008 - C-205/03 - FENIN) und des EuG (Urteil vom 12.12.2006 - T-155/04 - Selex) umstrittene Frage, ob auf das Nachfrageverhalten des Staates für nichtwirtschaftliche Zwecke das Kartellrecht anzuwenden ist (zuletzt offen gelassen von BGH, WuW DE-R - 2161 ff. - Tariftreueerklärung III; vgl. auch Bornkamm, Festschrift für Hirsch, S. 231 ff.), kommt es nicht an, da insoweit in § 69 S. 2 SGB V eine ausdrückliche Anwendungsbestimmung vorliegt.

aa) Näherer Vortrag dazu, ob die AOK Baden-Württemberg hinsichtlich des fraglichen Medikaments marktbeherrschend im Sinne der § 19 Abs. 2, 3, § 20 Abs. 1 GWB oder ob die Antragstellerin zu den kleinen oder mittleren Unternehmen mit einer Abhängigkeit von der Antragsgegnerin im Sinne des § 20 Abs. 2 GWB gehört und ob die AOK Baden-Württemberg ihre Marktmacht missbraucht (wobei zu berücksichtigen ist, dass die Nachfrageentscheidung nicht von ihr selbst, sondern von Dritten getroffen wird und diese Entscheidung nur in gewissem - von der Vergabekammer näher beschriebenen - Maße beeinflusst wird) (zu dem Missbrauch auf dem Nachfragermarkt s. Bechtold, GWB, 5. Aufl., § 19 Rdnr. 5, 20, § 20 Rdnr. 57; K. Westermann, in Münchener Kommentar GWB, § 20 Rdnrn. 49, 106 ff.; Scharen, in Willenbruch/Bischoff, Vergaberecht, § 126 GWB Rdnrn. 77 ff.), fehlt. Bei der Beurteilung einer Marktmacht auf der Nachfrageseite ist u.a. auf die Ausweichmöglichkeiten des Anbieters abzustellen. Es wird aber bereits nicht vorgetragen, welcher Anteil von Aranesp auf bei der AOK Baden-Württemberg versicherte Patienten entfällt.

bb) Ansprüche nach § 33 GWB i.V.m. § 97 GWB bestehen von vornherein nicht. Zwar ist es nach dem Wortlaut des § 33 GWB möglich, auch § 97 GWB als "eine Vorschrift dieses Gesetzes" anzusehen; entsprechendes wird zu § 87 GWB in der Tat angenommen (vgl. Kessler, in Münchener GWB-Kommentar, § 87 Rdnr. 10 m.w.N.). Dagegen sprechen jedoch systematische Erwägungen. Unterlassungsansprüche gegen den öffentlichen Auftraggeber bestehen unmittelbar aus § 97 Abs. 7 GWB, dazu bedarf es keiner Vermittlung durch § 33 Abs. 1 GWB, auch ist die Antragsbefugnis selbständig in § 107 Abs. 2 GWB geregelt; über Schadensersatzansprüche gegen den öffentlichen Auftraggeber verhält sich § 126 GWB. Dementsprechend werden - soweit ersichtlich - Ansprüche aus § 33 GWB i.V.m. § 97 GWB in Rechtsprechung und Literatur nirgends angesprochen und geht der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 03. Juli 2008 (WRP 2008, 1182) unter Rdnr. 11 ohne Weiteres von einer Geltung des § 33 GWB nur für den ersten Teil des GWB aus.

cc) Fraglich ist außerdem, ob die Antragsgegnerin mit Teilnehmervorsatz, insbesondere im Bewusstsein der Rechtswidrigkeit gehandelt hat (vgl. BGH WRP 2008, 1182 Rdnrn. 40 ff.). Zum Zeitpunkt der ersten Kontaktaufnahme Mitte Februar 2008 bestanden noch unterschiedliche Auffassungen der Vergabesenate einerseits und der Sozialgerichte andererseits über die Verpflichtung der gesetzlichen Krankenkassen zur Ausschreibung. Erst die Entscheidung des LSG Baden-Württemberg vom 27. Februar 2008 (VergabeR 2008, 529) hat auch sozialversicherungsrechtlich ein transparentes, diskriminierungsfreies, verhältnismäßiges und nachprüfbares Auswahlverfahren in Anlehnung an die VOL/A verlangt. Zum späteren Zeitpunkt des Vertragsschlusses sprach - unabhängig von der streitigen Anwendbarkeit des Kartellvergaberechts - allerdings vieles dafür, dass gesetzliche Krankenkassen Pharma-Rabattverträge grundsätzlich nicht ohne vorherige Ausschreibung vergeben durften. Zu beachten ist jedoch, dass damit nicht sämtliche Fragen geklärt waren. Dies zeigte sich gerade bei der vorliegenden Vergabe: Zum einen stand im Raum, ob die gesetzlichen Krankenkassen indikationsbezogen oder - zumindest auch - wirkstoffbezogen oder wirkstoffgruppenbezogen ausschreiben durften (was einer komplexen Betrachtung im Einzelfall bedarf, vgl. nachfolgend unter 3.b)); zum anderen war zu diskutieren, welchen Einfluss Patente hatten (vgl. dazu näher Gabriel NZS 2008, 455). Eine erste Entscheidung in dieser Sondersituation hat erst die 3. Vergabekammer des Bundes im August 2008 getroffen.

dd) Die Antragsgegnerin dürfte wohl nicht als sogenannte Störerin in Anspruch genommen werden dürfen. Auf die Diskussion darüber, ob für diesen Rechtsbe- griff neben dem des Teilnehmers bei der Verletzung bloßer Verhaltenspflichten noch Raum ist (vgl. zur Diskussion Köhler, in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Aufl., § 8 Rdnrn. 2.11 ff.; in der jüngsten Entscheidung des BGH WRP 2008, 1182 werden lediglich die Voraussetzungen einer Teilnahme, dagegen nicht die einer Störereigenschaft erörtert), liegen die Voraussetzungen nicht vor. Es ist nicht ersichtlich, weshalb der Antragsgegnerin im Verhältnis zu anderen Bietern (Warnpflichten im Verhältnis zum Auftraggeber werden unter bestimmten Umständen von Scharen, in Willenbruch/Bischoff, Vergaberecht, § 126 GWB Rdnr. 88 bejaht) Prüfpflichten treffen sollte. Die AOK Baden-Württemberg war über die Problematik ersichtlich informiert. Es oblag allein dieser, für eine vergaberechtskonforme Vergabe Sorge zu tragen (vgl. BGH WRP 2008, 1184 Rdnr. 13). Aus diesem Grunde traf sie auch keine allgemeine deliktische Verkehrspflicht (vgl. BGH GRUR 2007, 890 - Jugendgefährdende Medien bei eBay).

3.

a) In der Sache sei darauf hingewiesen, dass die AOK Baden-Württemberg die Voraussetzungen des § 3a Nr. 2 lit. c) VOL/A (= Art. 31 Nr. 1 lit. b) VKR) (diese Vorschrift kommt als einzige in Betracht, der vom Landgericht zitierte § 3 Nr. 4 VOL/A scheidet aus, weil § 3a VOL/A für Überschwellenvergaben spezieller ist) in ihrem Vergabevermerk vom 24.04.2008 (Anlage BK 7) nicht hinreichend dargetan hat, und zwar selbst dann, wenn grundsätzlich eine wirkstoffbezogene Vergabe derart, wie sie die AOK vorgenommen hat, möglich gewesen sein sollte.

Das Arzneimittel NeoRecormon® enthält den Wirkstoff Epoetin beta, der nicht patentgeschützt ist. Die Bemerkung, es existiere keine Alternative mit dem gleichen Wirkstoff, ist so nicht nachvollziehbar; aus dem Vorbringen der Parteien ergibt sich lediglich, dass nach dem Auslaufen des Patents zugunsten der Antragsgegnerin bisher noch kein anderer Nachahmerprodukte herstellt. Das bedeutet aber nicht, dass ein Ausschließlichkeitsrecht zugunsten der Antragsgegnerin besteht oder allein sie aus technischen Gründen (s. näher Kulartz, in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 3a Rdnr. 90) dazu in der Lage ist.

Das Arzneimittel Mircera® enthält zwar den patentgeschützten Wirkstoff Metoxy-Polyethyleneglycol-Epoetin beta. Es ist bisher aber nichts für die weitere Voraussetzung dargetan, dass infolge des Ausschließlichkeitsrechts der Auftrag nur von bestimmten Unternehmen durchgeführt werden kann. Infolge des Erschöpfungsgrundsatzes (vgl. Scharen, in Benkard, PatG, 9. Aufl., § 9 Rdnrn. 15 ff.) kann die Einfuhr von Arzneien aus dem EU-Bereich nicht untersagt werden; es ist bisher nichts dafür vorgetragen, dass die Möglichkeit der Einfuhr von durch die Antragsgegnerin in der EU in Verkehr gebrachten Arzneien (zu den kartellrechtlichen Pflichten des Herstellers gegenüber dem einführenden Großhändler in diesem Zusammenhang EuGH, Urteil vom 16.09.2008 - C-468/06) von vornherein ausscheidet (vgl. näher Gabriel NZS 2008, 455). Ist dies unklar, ist auszuschreiben, gegebenenfalls sind Importeure als nicht hinreichend leistungsfähig zu behandeln, wenn diese nicht Arzneien in hinreichender Menge oder ohne Zeitverzögerung liefern können.

Eine weitergehende Begünstigung patentgeschützter Arzneimittel kommt nicht in Betracht. Zwar hat der Senat wiederholt (zuletzt mit Beschluss vom 26.05.2008, VII-Verg 14/08, m.w.N.) darauf hingewiesen, dass gegebenenfalls bestimmte Vorschriften der VOL/A im Bereich der Vergabe von Aufträgen gesetzlicher Krankenkassen entweder im Lichte des SGB V ausgelegt werden oder gar hinter den Vorschriften des SGB V zurücktreten müssen. Er hat aber gleichzeitig betont, dass dies nicht möglich ist, soweit die VKR zwingende Vorschriften enthält. Diese enthält aber in Art. 23 Abs. 8 und Art. 31 Nr. 1 lit. c) Regelungen über die Berücksichtigung von Patenten im Vergabeverfahren, darüber kann nationales Recht nicht hinausgehen (so letztlich auch Gabriel NZS 2008, 455). Es kann daher offen bleiben, ob und inwieweit das SGB V patentierten Medikamenten weitergehende Begünstigungen gewährt.

b) Das Vergaberecht geht davon aus, dass möglichst wettbewerbsoffen auszuschreiben ist. Nach § 8a Nr. 5 VOL/A (= Art. 23 Abs. 8 VKR) (diese Vorschrift ist anstelle des von der Vergabekammer genannten § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A anzuwenden) darf nicht auf ein Patent, wie es durch die Ausschreibung eines patentgeschützten Wirkstoffes praktisch geschieht, hingewiesen werden, wenn es nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist. Ob die von der AOK Baden-Württemberg im Vergabenachprüfungsverfahren und von der hiesigen Antragsgegnerin aufgezählten Unterschiede dazu ausreichen, erscheint zweifelhaft, wenn tatsächlich zwischen Arzneien mit unterschiedlichen Wirkstoffen Wettbewerb herrscht, weil der Arzt nach medizinischer Erkenntnis in einer Vielzahl von Fällen zwischen mehreren Wirkstoffen auswählen kann. Unterschiedliche Applikationswege und Wirkungsweisen stehen dem nicht von vornherein entgegen. Eine unterschiedliche Wirtschaftlichkeit (beispielsweise bedingt durch eine unterschiedliche Einsatznotwendigkeit und unterschiedliche Kosten je Anwendungseinheit) kann durch die Anwendung dem Rechnung tragender Zuschlagskriterien berücksichtigt werden.

Die von der Antragsgegnerin im Termin vom 08. Oktober 2008 vorgetragenen Einwendungen im Hinblick auf eine fehlende Eintragung einer Indikation im ärztlichen Rezept kämen von vornherein nur zum Tragen, wenn ein Wirkstoff bei mehreren Indikationen eingesetzt wird.

IV.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage, welcher Rechtsweg einzuhalten ist, lässt der Senat die Rechtsbeschwerde zu, § 17a Abs. 4 S. 4 ff. GVG.

Die Kostenentscheidung kann lediglich die Kosten des Berufungsverfahrens betreffen (vgl. Gummer, a.a.O., § 17b GVG Rdnr. 4 zu den Kosten eines Beschwerdeverfahrens nach § 17a IV GVG); diese Kosten trägt die Antragstellerin. Im Übrigen gilt § 17b Abs. 2 S. 1 GVG.

Berufungsstreitwert: 500.000 Euro

Dicks Schüttpelz Dieck-Bogatzke






OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 22.10.2008
Az: I-27 U 2/08


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