Bundesgerichtshof:
Urteil vom 20. Dezember 2007
Aktenzeichen: I ZR 205/04

(BGH: Urteil v. 20.12.2007, Az.: I ZR 205/04)

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Kammergerichts vom 9. November 2004 aufgehoben, soweit dem Beklagten verboten worden ist, in Deutschland zugelassene verschreibungspflichtige Arzneimittel im Wege des Versandhandels in den Verkehr zu bringen und für den Bezug im Wege des Versandhandels zu bewerben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens und der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Der Kläger ist der Verband Sozialer Wettbewerb e.V., zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, die gewerblichen Interessen seiner Mitglieder zu wahren und insbesondere darauf zu achten, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden. Zu seinen Mitgliedern gehören unter anderem 60 Unternehmen, die pharmazeutische Produkte herstellen oder vertreiben, sowie drei Innungen und zehn Fachverbände der Wirtschaft.

Der Beklagte ist ein niederländischer Apotheker. Er ist Inhaber der Internet-Adresse "0800Doc.Morris.com". Bis mindestens 29. November 2000 war er verantwortlicher Apotheker und bis mindestens 31. Mai 2001 Mitglied des Vorstands der DocMorris N.V., einer Aktiengesellschaft niederländischen Rechts (im Weiteren: DocMorris). Diese betrieb und betreibt eine "Internet-Apotheke", bei der sich die Kunden über die Internet-Adresse "0800Doc.Morris.com" über Arzneimittel informieren, Fragen an Pharmazeuten stellen und frei verkäufliche wie auch verschreibungspflichtige Arzneimittel bestellen können, wobei ihr Angebot auch in deutscher Sprache abrufbar ist. Die bestellte Ware wird - gegebenenfalls nach Einsendung des entsprechenden ärztlichen Rezepts - von den Niederlanden aus per Boten oder Post an den Besteller verschickt; hierbei wird darauf geachtet, dass nur die für den persönlichen Bedarf üblichen Mengen bezogen werden. Die Zulassung der Arzneimittel richtet sich nach niederländischem Recht. Hinsichtlich der Verschreibungspflicht wird, wenn in den Niederlanden und im Empfangsstaat unterschiedliche Regelungen bestehen, die jeweils strengere Bestimmung zugrunde gelegt. Eine persönliche Beratung kann der Patient per E-Mail oder telefonisch einholen. Zur Beantwortung allgemeiner Fragen zur Gesundheit und zu Arzneimitteln stehen drei approbierte Apotheker, eine Ärztin und pharmazeutischtechnische Assistenten zur Verfügung.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Internet-Aktivitäten des Beklagten stellten einen Arzneimittel-Versandhandel dar und verstießen damit gegen § 43 Abs. 1 AMG (a.F.). Das Geschäftsgebaren des Beklagten verletze auch das Werbeverbot nach § 8 Abs. 1 HWG (a.F.). Der Beklagte handele in beiderlei Hinsicht zugleich wettbewerbswidrig i.S. von § 1 UWG (a.F.).

Der Kläger hat vor dem Landgericht beantragt, es dem Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr apothekenpflichtige Arzneimittela) für den Endverbraucher im Wege des Versandhandels in den Verkehr zu bringen, b) für den Bezug im Wege des Versandhandels durch den letzten Verbraucher zu bewerben.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, der beanstandete Versandhandel sei erlaubt. Wegen seines grenzüberschreitenden Bezugs seien die einschlägigen Bestimmungen des deutschen Arzneimittelrechts und Heilmittelwerberechts gemeinschaftsrechtskonform einschränkend auszulegen. Die vom Kläger beanstandete Tätigkeit werde zwar grundsätzlich von dem Verbotstatbestand des § 43 Abs. 1 AMG (a.F.) erfasst, sei aber nach der Ausnahmeregelung des § 73 Abs. 2 Nr. 6a AMG zulässig. Gegen die Vorschriften des Heilmittelwerbegesetzes habe er, der Beklagte, nicht verstoßen, weil sein Verhalten nicht unter den dort geltenden Werbebegriff falle.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (LG Berlin MD 2002, 93).

Im zweiten Rechtszug hat der Kläger zuletzt beantragt, es dem Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr apothekenpflichtige Arzneimittela) für den Endverbraucher in der Bundesrepublik Deutschland im Wege des Versandhandels in den Verkehr zu bringen, b) für den Bezug im Wege des Versandhandels durch den letzten Verbraucher in der Bundesrepublik Deutschland zu bewerben, sofern es sich um verschreibungspflichtige Arzneimittel und/oder um solche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel handelt, für die eine in Deutschland gültige Arzneimittelzulassung nicht besteht, und den Rechtsstreit im Übrigen in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Der Beklagte hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen und hat beantragt, die Berufung unter Abweisung der Klage auch mit den im Berufungsverfahren gestellten Anträgen zurückzuweisen.

Das Berufungsgericht hat den Beklagten unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen nach dem im zweiten Rechtszug gestellten Unterlassungsantrag verurteilt (KG GRUR-RR 2005, 170 = WRP 2005, 514).

Der Senat hat die Revision des Beklagten insoweit zugelassen, als ihm verboten worden ist, in Deutschland zugelassene verschreibungspflichtige Arzneimittel im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland für den Endverbraucher im Wege des Versandhandels in Verkehr zu bringen und für einen solchen Bezug zu werben. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren in diesem Umfang weiter. Der Kläger beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Gründe

I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit diese in der Revision zur Überprüfung steht, wie folgt begründet:

Die Klage sei zulässig. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte folge aus Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ, die Klagebefugnis des Klägers insbesondere aus § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F., § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG.

Die Tathandlungen seien unter verantwortlicher Beteiligung des Beklagten begangen worden. Da die Gestaltung des Internetauftritts des Beklagten den deutschen Benutzern das Aufrufen eines deutschsprachigen Bestellformulars ermögliche, habe sich das Angebot von DocMorris auch an deutsche Kunden gerichtet. Ein Inverkehrbringen außerhalb der Apotheke im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes liege sowohl im Falle des Versands per Post als auch bei einer Zustellung per Boten vor. Das in § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG a.F. enthaltene Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln sei mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar gewesen. Die Bestimmung des § 73 Abs. 2 Nr. 6a AMG erlaube den grenzüberschreitenden Versandhandel mit zugelassenen Arzneimitteln nicht. Die Tathandlungen des Beklagten bzw. von DocMorris seien auch nach den aufgrund des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14. November 2003 (BGBl. I S. 2190 - GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) nunmehr in § 43 Abs. 1, § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG, §§ 11a, 11b und 21 ApoG, § 17 Abs. 1 ApoBetrO enthaltenen gemeinschaftsrechtskonformen Neuregelungen verboten. Insbesondere entsprächen die niederländischen Regelungen über den Versandhandel mit Arzneimitteln nicht den insoweit in Deutschland geltenden Bestimmungen.

Die Werbung für den danach unzulässigen Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nach Deutschland sei ein Teil der untersagten Vertriebshandlungen und daher ungeachtet der Aufhebung des in § 8 Abs. 1 HWG a.F. enthaltenen Werbeverbots unzulässig. Außerdem verbiete § 8 HWG in seiner Neufassung eine Werbung für eine Einzeleinfuhr nach § 73 Abs. 2 Nr. 6a AMG auch für in Deutschland zugelassene Arzneimittel. Die beanstandete Werbung sei im Übrigen deshalb unzulässig, weil sie sowohl nach deutschem Recht als auch nach niederländischem Recht irreführend sei.

Es bestehe weiterhin Wiederholungsgefahr, weil der Beklagte, auch wenn er bei DocMorris keine verantwortliche Stellung mehr innehaben sollte, eine solche zukünftig wieder einnehmen könne. Auch die "DocMorris"-Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften habe die Wiederholungsgefahr nicht beseitigt. Zwar könne diese entfallen, wenn der Verstoß unter Geltung einer zweifelhaften Rechtslage erfolgt sei und die dadurch entstandenen Zweifelsfragen inzwischen durch eine Gesetzesänderung beseitigt seien. Der Beklagte gehe aber nach wie vor irrig davon aus, dass die von ihm jedenfalls formal geführte Internet-Apotheke die nach dem GKV-Modernisierungsgesetz für Versandapotheken bestehenden Anforderungen erfülle.

II. Die Revision führt in dem Umfang, in dem der Senat sie zugelassen hat, zur Aufhebung und Zurückverweisung. Nach den vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte beim Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nach Deutschland rechts- und wettbewerbswidrig gehandelt hat.

1. Das Berufungsgericht hat die Klage mit Recht als zulässig angesehen.

a) Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BGHZ 162, 246, 249 - Vitamin-Zell-Komplex; 167, 91 Tz. 20 - Arzneimittelwerbung im Internet, jeweils m.w.N.), folgt, wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat, aus Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ (vgl. - zu § 3a HWG und §§ 2, 21 AMG - BGHZ 167, 91 Tz. 20 f. - Arzneimittelwerbung im Internet, m.w.N.). Dieses Übereinkommen ist hier noch anwendbar, weil die Klage vor dem Inkrafttreten der Brüssel-I-Verordnung am 1. März 2002 erhoben worden ist (Art. 66 Abs. 1, Art. 76 Brüssel-I-VO). Ort des schädigenden Ereignisses i.S. des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ ist sowohl der Handlungsort als auch der Erfolgsort (vgl. EuGH, Urt. v. 5.2.2004 - C-18/02, Slg. 2004, I-1417 = IPRax 2006, 161 Tz. 40 - DFDS Torline, m.w.N.). Dieses gilt namentlich auch insoweit, als im Rahmen des Fernabsatzes - wie hier gemäß §§ 43, 73 AMG - begangene Rechtsverstöße in Rede stehen (vgl. BGHZ 153, 82, 87 ff., 92).

b) Die Klagebefugnis des Klägers gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG unterliegt keinen Bedenken und wird auch von der Revision nicht in Zweifel gezogen.

2. Das Berufungsgericht ist im rechtlichen Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass der in die Zukunft gerichtete Unterlassungsantrag des Klägers, der auf Wiederholungsgefahr gestützt ist, nur dann besteht, wenn das beanstandete Wettbewerbsverhalten des Beklagten zur Zeit seiner Begehung den Unterlassungsanspruch begründet hat und dieser auch auf der Grundlage der nunmehr geltenden Rechtslage noch gegeben ist (vgl. BGH, Urt. v. 21.9.2006 - I ZR 270/03, GRUR 2007, 339 Tz. 22 = WRP 2007, 313 - Stufenleitern, m.w.N.). Dies bedeutet, dass das Unterlassungsurteil nur aufrechterhalten werden kann, wenn der beanstandete Versandhandel auch nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit der zum 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Neuregelung in § 43 Abs. 1, § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG, §§ 11a, 11b und 21 ApoG, § 17 Abs. 1 ApoBetrO verboten ist.

3. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Bestimmung des § 73 Abs. 2 Nr. 6a AMG entgegen ihrem womöglich weiterreichenden Wortlaut im Hinblick auf ihre Entstehungsgeschichte und den mit ihr verfolgten Zweck den gewerbsmäßigen Versandhandel mit Arzneimitteln nicht erlaubt (vgl. BGHZ 151, 286, 298 f. - Muskelaufbaupräparate).

4. Das Berufungsgericht ist, soweit es das Verhalten des Beklagten auch nach der zum Zeitpunkt der letzten Berufungsverhandlung geltenden Rechtslage als unzulässig angesehen hat, von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen.

a) Der Versandhandel mit Arzneimitteln ist seit dem 1. Januar 2004 nicht mehr, wie bis dahin, grundsätzlich verboten, sondern bedarf nur noch einer besonderen Erlaubnis. Dies gilt gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG auch für einen Arzneimittelversand an Endverbraucher von einer Apotheke eines Mitgliedstaates der Europäischen Union aus. Voraussetzung ist, dass das Arzneimittel entsprechend den deutschen Vorschriften zum Versandhandel oder zum elektronischen Handel versandt wird. Zum anderen muss die Apotheke nach dem deutschen Apothekengesetz oder nach ihrem nationalen Recht, soweit dieses dem deutschen Apothekenrecht im Hinblick auf die Vorschriften zum Versandhandel entspricht, zum Versandhandel befugt sein.

b) Das Berufungsgericht hat das Vorliegen dieser zuletzt genannten Voraussetzung verneint. Es ist dabei aber von einem zu strengen Maßstab ausgegangen.

aa) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, das Erfordernis, dass in dem betreffenden Mitgliedstaat dem deutschen Recht entsprechende Versandhandelsregelungen bestehen, solle gewährleisten, dass der Arzneimittelversandhandel aus dem EG-Ausland das deutsche Schutzniveau nicht unterschreitet (vgl. Begründung des Entwurfs eines GKV-Modernisierungsgesetzes, BT-Drucks. 15/1525, S. 166).

bb) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass für die Vergleichbarkeit allein das den grundlegenden deutschen Sicherheitsstandards für den Versandhandel mit Arzneimitteln in § 11a ApoG nicht annähernd gerecht werdende geschriebene Recht der Niederlande maßgeblich sei. Diese Beurteilung widerspricht der Regelung des § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG, nach der nicht allein die in Deutschland und in dem anderen Mitgliedstaat jeweils gegebene Gesetzeslage, sondern die jeweilige Rechtslage im Blick auf die tatsächlich bestehenden Sicherheitsstandards miteinander zu vergleichen ist. Dies ergibt sich aus § 73 Abs. 1 Satz 3 AMG; nach dieser Bestimmung veröffentlicht das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung in regelmäßigen Abständen eine aktualisierte Übersicht über diejenigen Mitgliedstaaten, in denen für den Versandhandel und den elektronischen Handel mit Arzneimitteln dem deutschen Recht vergleichbare Sicherheitsstandards bestehen.

cc) Ergänzend hat das Berufungsgericht ausgeführt, das deutsche Schutzniveau wäre auch dann nicht hinreichend gewährleistet, wenn die Ergebnisse der internen mündlichen Diskussion innerhalb der niederländischen Apothekenaufsichtsinspektion mit einbezogen werden könnten. Es fehle danach schon an einem Gebot zur Führung einer Präsenzapotheke. Darüber hinaus bestünden erhebliche Lücken im Hinblick auf das Schutzniveau des § 11a ApoG.

Auch mit dieser Begründung kann das ausgesprochene Verbot auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht bestätigt werden. Denn auch wenn das niederländische Recht den Versandhandel mit Arzneimitteln nicht von der Führung einer Präsenzapotheke abhängig macht, kann dieser Umstand einem Versandhandelsunternehmen nicht entgegengehalten werden, das tatsächlich eine Präsenzapotheke betreibt. Deswegen ist auch das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung in seiner Bekanntmachung nach § 73 Abs. 1 Satz 3 AMG vom 16. Juni 2005 (BAnz. v. 21.6.2005 Az.: 113 - 5028 - 3) im Blick auf die zu dieser Zeit bestehende Rechtslage in den Niederlanden davon ausgegangen, dass in den Niederlanden für den Versandhandel dem deutschen Recht vergleichbare Sicherheitsstandards bestehen, soweit Versandapotheken gleichzeitig eine Präsenzapotheke unterhalten.

III. Das angefochtene Urteil kann danach keinen Bestand haben; es ist aufzuheben. Da die Sache noch nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Dieses wird nochmals zu prüfen haben, ob DocMorris bei dem vom Kläger beanstandeten Arzneimittelversandhandel einen dem geltenden deutschen Recht vergleichbaren Schutzstandard eingehalten hat. Es wird sich dabei insbesondere an der genannten Bekanntmachung des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung vom 16. Juni 2005 zu orientieren haben. Diese bindet die Gerichte insoweit, als sie feststellt, dass in bestimmten Mitgliedstaaten der Europäischen Union - gegebenenfalls unter bestimmten Voraussetzungen - zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung vergleichbare Sicherheitsstandards bestanden (vgl. LG Frankfurt a.M. A&R 2006, 174, 178; Klahn/Vorbeck, ZESAR 2005, 464, 465 ff.). Das Berufungsgericht wird dementsprechend insbesondere zu prüfen haben, ob sich die im Juni 2005 gegebene Rechtslage in den Niederlanden im Blick auf die Sicherheitsstandards beim Versandhandel mit Arzneimitteln gegenüber der Zeit, während der der Beklagte für DocMorris tätig war, verändert hat. Sollte dies nicht der Fall sein, wird das Berufungsgericht der zwischen den Parteien streitigen Frage nachzugehen haben, ob DocMorris zur damaligen Zeit eine Präsenzapotheke betrieben hat. Da der Bekanntmachung vom 16. Juni 2005 ein Vergleich der rechtlichen Vorgaben für den Versandhandel in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und in den anderen Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums zugrunde liegt, bei dem die jeweiligen nationalen Besonderheiten berücksichtigt wurden, wird diese Frage nach den für den Betrieb einer Präsenzapotheke in den Niederlanden bestehenden Erfordernissen zu beurteilen sein. Sollte das Berufungsgericht dabei feststellen, dass DocMorris diese Erfordernisse eingehalten hat, wird es die Klage abzuweisen haben.

Sollte das Berufungsgericht demgegenüber feststellen, dass die für den Versandhandel mit Arzneimitteln in den Niederlanden bestehenden Sicherheitsstandards in der Zeit bis zum 16. Juni 2005 maßgeblich erhöht worden sind oder dass DocMorris früher keine Präsenzapotheke unterhalten hat, wird es auch zu beachten haben, dass dem Kläger der streitgegenständliche Unterlassungsanspruch allein in Bezug auf einen Arzneimittel-Versandhandel von den Niederlanden aus und zudem nur unter der Voraussetzung zustehen kann, dass dieser Versandhandel von einer Versandapotheke betrieben wird, die nicht gleichzeitig eine Präsenzapotheke unterhält.

Bei der Beurteilung des auf die Werbung bezogenen Unterlassungsantrags wird das Berufungsgericht auch die gleichfalls seit dem 1. Januar 2004 geltende Bestimmung des § 1 Abs. 6 HWG zu berücksichtigen haben. Danach findet das Heilmittelwerbegesetz beim elektronischen Handel mit Arzneimitteln keine Anwendung auf das Bestellformular und die in ihm aufgeführten Angaben, soweit diese für eine ordnungsgemäße Bestellung notwendig sind (vgl. Bülow in Bülow/Ring, HWG, 3. Aufl., § 1 Rdn. 3c).

Bornkamm Pokrant Büscher Schaffert Bergmann Vorinstanzen:

LG Berlin, Entscheidung vom 30.10.2001 - 103 O 109/01 -

KG Berlin, Entscheidung vom 09.11.2004 - 5 U 300/01 -






BGH:
Urteil v. 20.12.2007
Az: I ZR 205/04


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