Landgericht Berlin:
Urteil vom 29. Juni 2007
Aktenzeichen: 96 O 84/06

(LG Berlin: Urteil v. 29.06.2007, Az.: 96 O 84/06)

Tenor

1. Der Beklagten wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, letztere zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, untersagt,

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Coenzym Q 10 enthaltende Nahrungsergänzungsmittel mit der Aussage

"Gehen Sie einfach morgen mal los. Erkundigen Sie sich mal nach Q 10. Und wir haben's jetzt gerade mal ganz differenziert, also für Jüngere muss es nicht, gibt's andere Geschichten. Ab 40 kann es Ihrem Körper sehr, sehr gut tun, Ihnen persönlich gut tun. Und es ist etwas, um, ja, eben die Energie, die Körperenergie so'n bisschen zu steigern."

zu werben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 162,40 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. Juli 2006 zu zahlen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 %, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,- Euro vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgabe die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Achtung darauf gehört, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden.

Die Beklagte vertreibt so genannte Nahrungsergänzungsprodukte. Diese verkauft sie unter anderem an das Unternehmen € , das über einen von ihm betriebenen TV-Shopping-Sender die von der Beklagten erworbenen Produkte anbietet. In von € "live" ausgestrahlten Werbesendungen mit dem Titel " € " tritt zum Zwecke der Werbung für die Produkte der Beklagten deren Geschäftsführer als Gast auf.

Am 27. November 2005 zwischen 17.00 Uhr und 18.00 Uhr warb die Beklagte auf diese Weise für zahlreiche der von ihr vertriebenen Produkte. Dabei kann es bei der Präsentation des Produktes " € " zu einem Dialog zwischen der Moderatorin der Sendung und dem Geschäftsführer der Beklagten, in es zu der aus dem Tenor ersichtlichen Aussage kam. Wegen der weiteren Einzelheiten des Gesprächs wird auf die Wiedergabe in der Klageschrift verwiesen (Bl. 4/5 d.A.: A = Moderatorin, B = Geschäftsführer der Beklagten). Die Sendung wurde am Tag der Ausstrahlung aufgezeichnet, am 7. Dezember 2005 fertigte die für den Kläger tätige Frau € eine Niederschrift der Sendung.

Der Kläger mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 27. Dezember 2005 ab. Im Anschluss daran erwirkte er gegen die Beklagte eine einstweilige Verfügung (Beschluss des Landgerichts Berlin vom 20. Januar 2006 - 15 O 19/06 -). Diese wurde nach Verweisung des Verfahrens an die Kammer für Handelssachen durch Urteil der Kammer vom 11. April 2006 bestätigt. Über die von der Beklagten eingelegte Berufung wurde noch nicht entschieden.

Gegen den Veranstalter der Werbesendung, die € GmbH, hat der Kläger wegen derselben Sendung Klage vor dem Landgericht Düsseldorf erhoben (Geschäftszeichen 38 O 9/06). Dieses hat mit Urteil vom 3. November 2006 (Anlage K 15) entsprechend dem Antrag des Klägers entschieden.

Die am 1. Juni 2006 bei Gericht eingegangene Klage ist der Beklagten am 3. Juli 2006 zugestellt worden

Die Parteien streiten hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage darüber, ob der Kläger gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG prozessführungsbefugt ist und ob die Rechtsverfolgung rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG ist. Wegen des umfangreichen Vorbringens der Parteien hierzu wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Der Kläger behauptet: Es sei wissenschaftlich erwiesen, dass die zusätzliche Zufuhr von Ubichinon (Q 10) überflüssig sei, da es vom menschlichen Körper unter Beteiligung von Aminsäuren synthetisiert, die beim ständig stattfindenden Abbau körpereigenen Eiweißes entstehen. Es fehle an einem wissenschaftlichen anerkannten Nachweis, dass ein altersbedingt verminderter Anteil von Ubichinon einen Mangelzustand darstelle und der Körper anderweitig zugeführtes Ubichinon überhaupt aufnehme.

Der Kläger beantragt,

1. der Beklagten bei Vermeidung des gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen,

im Wettbewerb handelnd für Coenzym Q10-haltige Nahrungsergänzungsmittel mit der Aussage zu werben:

"Erkundigen Sie sich mal nach Q 10. Ab 40 kann es Ihrem Körper sehr, sehr gut tun, Ihnen persönlich gut tun. Und es ist etwas, um, ja, eben die Energie, die Körperenergieso'nbisschen zu steigern."

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 162,40 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die Klage insbesondere deshalb für rechtsmissbräuchlich, weil der Kläger gleichzeitig € vor einem anderen Gericht in Anspruch nehme. Sie behauptet: Die beanstandete Aussage sei wissenschaftlich hinreichend gesichert. Eine Nahrungsergänzung mit Q 10 könne gerade in Phasen ausgewogener Ernährung und in bestimmten Lebensabschnitten angezeigt sein. Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung und beruft sich insoweit darauf, die jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers hätten bereits durch den Mitschnitt der Sendung Kenntnis vom gerügten Wettbewerbsverstoß erhalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Die Kammer hat im Termin am 27. April 2007 neben dieser Sache auch drei weitere anhängige Sachen mit demselben Rubrum (96 O 7/06, 96 O 96/06 und 96 O 164/06) verhandelt.

Die Parteien haben sich mit der Entscheidung durch den Vorsitzender der Kammer allein einverstanden erklärt.

Gründe

I.

Die Klage ist zulässig.

1. Die Zuständigkeit des Landgerichts Berlin ergibt sich aus § 14 Abs. 2 UWG. Da die Beklagte weder Sitz noch Niederlassung in Deutschland hat, kann der Kläger sie an jedem Ort verklagen, an dem sich die Werbung ausgewirkt hat, mithin auch in Berlin.

2. Der Kläger ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt. Der Kläger bezweckt nach seiner Satzung die Förderung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder. Dafür, dass er diesen in seiner Satzung verankerten Zweck auch erfüllt, spricht bei einem ordnungsgemäß gegründeten und aktiv tätigen Verband wie dem Kläger eine tatsächliche Vermutung, deren Widerlegung Sache des angegriffenen Verletzers ist (BGH WRP 1997, 439 -Geburtstagswerbung II; BGH GRUR 1994, 831 €Verbandsausstattung II; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 8 Rz. 3.49; Piper/Ohly, UWG, 4. Aufl., 2005, § 8 Rz. 132;Ernstin: Ullmann jurisPK-UWG, 2006, § 8, Rn. 95 jeweils m.w.N.).

Diese Vermutung hat die Beklagten nicht widerlegt. Die Kammer schließt sich der Entscheidung des OLG Hamm vom 24. Oktober 2006 in dem dort zum Geschäftszeichen 4 U 8/06 zwischen dem Kläger und der € und ihrem Geschäftsführer geführten Rechtsstreit an, dessen Sachvortrag zur Zulässigkeit der Klage mit dem des hiesigen Rechtsstreits weitgehend identisch ist. Das vom Kläger als Teil der Anlage K 19 eingereichte Urteil ist am 27. April 2007 Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt die Kammer Bezug auf die dortigen Ausführungen (vgl. auch das als Anlage K 20 eingereichte Urteil des OLG Düsseldorf vom 27. März 2007 - I - 20 U 118/06 -, S. 5ff).

Insbesondere gibt die nicht zu verkennende enge Beziehung zwischen dem Kläger und der ihn regelmäßig vertretenden Kanzlei, die die Beklagte in der weiteren bei Kammer anhängigen Sache 96 O 164/06 teilweise zum Anlass genommen hat, mit Schriftsatz vom 31. Januar 2007 ihre Einwendungen nach Kenntnis der Entscheidung des OLG Hamm noch einmal zu vertiefen, nicht Anlass dazu, dem Kläger die Prozessführungsbefugnis insgesamt abzusprechen, wobei grundsätzlich zu differenzieren ist zwischen solchen Umständen, die die Prozessführungsbefugnis im Allgemeinen (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG) in Frage stellen können, und solchen, die nur hinsichtlich einzelner Verfahren im Einzelfall zu einem Verlust der Prozessführungsbefugnis (§ 8 Abs. 4 UWG) führen können (vgl. BGH NJW-RR 1990, 102, 103f €Wettbewerbsverein IV).

Die Bestimmung in § 7 der Satzung des Klägers, wonach im Falle der Auflösung des Klägers, der zur Abwicklung berufene Treuhänder ein Rechtsanwalt aus der Kanzlei sein soll, die den Klägerin mehr als 75 % der noch rechtshängigen Verfahren vertritt, würde € derzeit € zwar faktisch dazu führen, dass einem der Rechtsanwälte, die der den Kläger jetzt vertretenden Partnerschaftsgesellschaft angehören, diese Aufgabe übertragen werden würde, doch hat diese Satzungsbestimmung keine Relevanz für die Entscheidung des Rechtsstreits. Der Wille, bestimmte Personen "abzusichern", ist der der Abwicklung der Restgeschäfte dienenden Bestimmung schwerlich zu entnehmen.

Die Umstände der Anfertigung der Mitschriften zu den Fernsehwerbesendungen, die den Gegenstand dieses Rechtsstreits und anderer Rechtsstreite zwischen dem Kläger einerseits und der Beklagten oder der € andererseits bilden, sind für die Prozessführungsbefugnis des Klägers im Allgemeinen grundsätzlich ohne Bedeutung. Es ist unbedenklich, dass ein Verband zur Verfolgung seiner Aufgaben im Einzelfall nicht nur auf eigene Mitarbeiter zurückgreift, sondern im Interesse der Dokumentation von nur aufwendig nachzuweisenden Wettbewerbsverstößen auf externe Arbeitskräfte zurückgreift, wie dies Fall von Frau € geschehen ist; auf die Umstände der Beschäftigung von Frau € kommt es insoweit nicht an.

Dass der Kläger neben seiner Geschäftsführerin € über sechs fest angestellte Mitarbeiter verfügt, neben denen er nach Bedarf drei freie Mitarbeiter beschäftigt, ist auch von der Beklagten zuletzt (vgl. den in der Sache 96 O 164/07 eingereichten Schriftsatz vom 31. Januar 2007, S. 9) nicht mehr in Abrede gestellt worden. Eine Unfähigkeit des Klägers, auch nach seiner personellen Ausstattung seine satzungsmäßigen Ziele zu verfolgen, ist damit nicht ersichtlich.

Selbst wenn der namensgebende Partner der den Kläger vertretenden Partnerschaftsgesellschaft, der von der Beklagten stets mit dieser gleich gesetzt wird, in Einzelfällen Einfluss nimmt auf die Art und Weise der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen und etwa versucht, Unternehmen für eine Mitgliedschaft beim Kläger zu gewinnen, deutet dies zwar € die Richtigkeit dieser Angaben unterstellt € darauf hin, dass seitens der Prozessbevollmächtigten des Klägers aus Erwerbsstreben und/oder eigenem Interesse an der Verfolgung bestimmter unlauterer Wettbewerbshandlungen Einfluss auf die Geschicke des Klägers genommen wird, doch reicht dies nicht aus, anzunehmen, der Kläger verfolge mit seiner Tätigkeit nicht in erster Linie den satzungsmäßigen Zweck. Auch nach dem Vorbringen der Beklagten ist nicht erkennbar, dass die Interessen der vom Kläger beauftragten Rechtsanwälte den durch die Satzung vorgegeben Interessen des Klägers zuwiderlaufen. Der Umstand, dass der Kläger immer dieselben Rechtsanwälte beauftragt und daher nur diese finanziell von der Tätigkeit des Klägers profitieren, rechtfertigt nicht den Vorwurf, der Kläger und seine Mitglieder (gerichtsbekannt u.a. 18 Wirtschaftsverbände und über 300 Unternehmen aus einer Vielzahl von Branchen) werde nur als Vorwand für deren gewerbliche Interessen benutzt. Auch der Umstand, dass seitens der Prozessbevollmächtigten beim Hinweis auf wettbewerbsrechtlich interessante Urteile ausschließlich eine Fundstelle im der vom Kläger veröffentlichen Zeitschrift angegeben wird, und die vom Kläger herausgegebenen Jahresberichte von diesen Rechtsanwälten verfasst werden, zeigt zwar eine von der Beklagten so genannte Symbiose, nicht aber eine Knebelung der Geschäftstätigkeit des Klägers.

Soweit die Beklagte behauptet, dem Vernehmen nach gebe es Personen, die laufend Zahlungen an den Kläger der seine Rechtsanwälte erbringen müssten, um sich die Weiterverwendung von Werbeaussagen zu "erkaufen", ist das Vorbringen so pauschal, dass es prozessual unbeachtlich ist.

3. Der Kläger handelt auch nicht im konkreten Fall rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG. Auch insoweit wird zunächst auf die Entscheidung des OLG Hamm vom 24. Oktober 2006 verwiesen. Ein Missbrauch der Klagebefugnis liegt vor, wenn deren Ausübung dem Sinn und Zweck ihrer Zubilligung widerspricht und der Anspruchsberechtigte mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt und diese als eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der gerichtlichen Verfolgung eines Wettbewerbsverstoß erscheinen Zur Bejahung des Missbrauchstatbestands ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass überwiegend sachfremde Ziele - wie das Interesse, Gebühren zu erzielen oder den Gegner mit erheblichen Gebühren zu belasten oder generell zu schädigen - das die Verfahrenseinleitung beherrschende Motiv bilden; ein Fehlen oder vollständiges Zurücktreten wettbewerbsrechtlicher Absichten hinter den vom Gesetzgeber missbilligten Zielen ist demgegenüber nicht zu verlangen (BGH, GRUR 2001, 82 €Neu in Bielefeld I;Köhlerin: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 8, Rn. 4.10).

Das von der Beklagten behauptete Motiv des Klägers, die Absicht, sie generell zu schädigen und in den wirtschaftlichen Untergang zu zwingen, kann nicht als belegt angesehen werden. Insoweit wird zunächst auf die den Parteien bereits aus anderen Entscheidungen der Kammer (vgl. das in der Sache 96 O 7/06 eingereichte Anlagenkonvolut K 14) bekannten Erwägungen verwiesen. Der allgemeine Hinweis der Beklagten auf eine Vielzahl von Verfahren besagt für sich genommen für die Frage des Rechtsmissbrauchs noch nichts, wenn entsprechende Verstöße tatsächlich vorliegen. Zwar kann es unter dem Gesichtspunkt einer im Vordergrund stehenden Schädigungsabsicht von Bedeutung sein, wenn Einzelakte aus einem einheitlichen Verletzerverhalten künstlich aufgespalten werden und getrennt angegriffen, doch ist dies im vorliegenden Fall auch nach dem Vorbringen der Beklagten nicht ersichtlich.

Soweit sich die Beklagte speziell im vorliegenden Fall auf ein mehrspuriges Vergehen des Klägers gegen sie und den Sender € bezieht, ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte anders als € ihren Sitz in Holland hat und daher die Zustellung der Klage in der Regel länger dauert als bei der in Deutschland ansässigen € . Zudem ist es dem Kläger auch nicht vorzuwerfen, dass er von dem ihm in § 14 Abs. 2 S. 2 UWG eingeräumten Recht Gebrauch macht, gegen im Ausland ansässige Unternehmen im Rahmen des § 14 Abs. 2 S. 1 UWG am Gerichtsstand seiner Wahl zu klagen, insbesondere wenn er vor diesem Gericht bereits im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes obsiegt hat.

II.

Die Klage ist begründet.

1. Der Unterlassungsanspruch des Klägers folgt aus §§ 8 Abs. 1 S. 1, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 2. Alt. LFGB. Bei den Normen des LFGB handelt sich um Marktverhaltensregeln im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG (vgl.Köhlerin: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 4, Rn. 11.136). Zweck des LFGB ist es unter anderem, den Verbraucher zu schützen (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2 LFGB).

§ 11 Abs. 1 S. 1 LFGB verbietet es, für Lebensmittel, zu denen gemäß § 1 NemV Nahrungsergänzungsmittel wie das streitgegenständliche Produkt der Beklagten gehören, allgemein oder im Einzelfall mit irreführenden Darstellungen oder sonstigen Angaben zu werben. Gemäß § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 LFGB liegt eine Irreführung insbesondere dann vor, wenn einem Lebensmittel Wirkungen beigelegt werden, die ihm nach den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht zukommen oder die wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind. Bei wissenschaftlich nicht hinreichend gesicherten Angaben besteht die Irreführung des Verbrauchers darin, dass er grundsätzlich die Richtigkeit einer solchen Angabe erwartet. Es kommt deshalb für die Verwirklichung des Tatbestandes nicht darauf an, ob die behauptete Wirkung objektiv erweisbar ist oder nicht. Grundsätzlich dürfen nur tatsächlich sicher erwiesene Wirkungen der Werbung für Lebensmittel zugrunde gelegt werden; sie müssen durch Erkenntnisse der Wissenschaft belegt sein. Dem Werbenden ist auch unter Berücksichtigung des Rechts auf freie Berufsausübung zuzumuten, die Behauptung wissenschaftlich nicht hinreichend gesicherter Angaben zu unterlassen (Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, § 11 LFGB, Rn. 191). Dabei sind € wie stets, wenn die Gesundheit in der Werbung ins Spiel gebracht wird € besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Aussagen zu stellen. Dies ist nach wie vor in erster Linie deshalb geboten, weil die eigene Gesundheit in der Wertschätzung des Verbrauchers einen hohen Stellenwert hat und sich deshalb an die Gesundheit anknüpfende Werbemaßnahmen erfahrungsgemäß als besonders wirksam erweisen, ferner daraus, dass mit irreführenden gesundheitsbezogenen Werbeangaben erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut der Gesundheit des Einzelnen sowie der Bevölkerung verbunden sein können (vgl. BGH GRUR 2002, 182, 185, m.w.N. €Das Beste jeden Morgen).

Dem Produkt der Beklagten wird in der Darstellung der Moderatorin nicht nur die allgemeine Wirkungsaussage zugeschrieben, dass durch die Einnahme des Produkts bei Menschen ab 40 Jahren die Körperenergie gesteigert werden könne, sondern es wird durch den Hinweis, es könne dem Körper "sehr, sehr gut tun", die Erwartung geweckt dies sei im besonderen Maß der Fall. Diese Aussage wird dadurch, dass dies nach Angaben der Moderatorin nur möglicherweise der Fall ist ("kann") aus Sicht der angesprochenen Verbraucher nicht konkret auf einen bestimmten Teil der Menschen über 40 eingeschränkt, so dass mangels eines einschränkenden Kriteriums in der Werbeaussage letztlich alle Menschen über 40 sich angesprochen fühlen müssen. Auch die einleitende Aufforderung der Zuschauer möge sich nach Q 10 erkundigen, relativiert die Aussage nicht; vielmehr wird in der Folge aus Sicht des Zuschauers ihm die zu erwartende Auskunft erteilt.

Diese Aussage ist jedenfalls in dieser Allgemeinheit als wissenschaftlich umstritten anzusehen. Dies belegen die vom Kläger eingereichten Gutachten des Prof. Dr. € vom 4. Juli 1995 (Anlage K 2) und das in einem ebenfalls die Bedeutung der exogenen Aufnahme von Ubichinon betreffenden Rechtsstreit (entschieden durch Urteil des OLG Schleswig vom 23. November 2004 - 6 U 65/00 -, MD 2005, 255ff) eingeholte Gutachten der Bundesanstalt für Risikobewertung (BfR) vom 2. September 2004. Prof. € führt in seinem Gutachten aus, es gebe keine Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer exogenen Zufuhr von Ubichinon. Dass sich an diesem Stand der Wissenschaft nichts geändert hat, zeigt das unter umfänglicher Auswertung der nachgewiesenen wissenschaftlichen Meinungen erstellte Gutachten des € vom 2. September 2004 (Anlage K 6), in dem es heißt, dass bisher keine wissenschaftlichen Beleg für einen besonderen ernährungsphysiologischen Nutzen oder eine Verbesserung der Körperfunktionen durch die zusätzlich Aufnahme von Coenzym Q 10 vorliegen. Zwar endet das Gutachten mit dem Hinweis, dass bislang keine Studien vorliegen, in denen die Verträglichkeit und die Auswirkungen einer Supplementierung mit isoliertem Coenzym Q 10 als Nahrungsergänzungsmittel über einen längeren Zeitraum systematisch untersucht wurden, was die von der Beklagten behauptete Wirkung nicht ausschließt, doch fehlt es danach jedenfalls an einer wissenschaftlichen Sicherung.

Eine solche wissenschaftliche Sicherung belegt nicht die von der Beklagten eingereichten gutachterlichen Stellungnahme des Prof. Dr. € vom € unstreitig € 27. Februar 2006. Beschrieben werden dort in erster Linie Untersuchungen, die eine altersbedingte Abnahme von Coenzym Q 10 ergeben haben. Zwar wird von wissenschaftlichen Untersuchungen aus jüngerer Vergangenheit zu einer möglichen Supplementierung berichtet (S. 2 der Stellungnahme), doch schließt die Stellungnahme nicht etwa mit dem Ergebnis, Menschen über 40 sei die exogene Zufuhr von Coenzym Q 10 zu empfehlen, sondern damit, dass es bestimmte Risikogruppen gebe, etwa Menschen im fortgeschrittenen Lebensalter und Patienten mit Herzerkrankungen, bei denen ein Coenzym Q 10-Defizit auftreten könne. Die abschließende Bemerkung, für diese Bevölkerungsgruppen könne eine Nahrungsergänzung mit Coenzym Q 10 sinnvoll sein und zu einem Erhalt der Gesundheit beitragen, ist damit nach dem Zusammenhang des Gutachtens so zu verstehen, dass nicht generell bei Menschen über 40, sondern nur dann, wenn in einem zeitlich nicht näher bezeichneten fortgeschrittenen Alter ein Defizit auftritt, eine zusätzliche Aufnahme sinnvoll sein könne. Eine wissenschaftliche Sicherung der ohne diese Einschränkung gemachten streitgegenständlichen Werbeaussage ergibt sich hieraus jedoch gerade nicht.

Nach dem Vorbringen beider Parteien ist damit eine hinreichende wissenschaftliche Sicherung der streitgegenständlichen Aussage nicht gegeben. Eine Beweisaufnahme, bei der gegebenenfalls die Beklagte als beweisbelastet anzusehen wäre (vgl. BGH, GRUR 1991, 848, 850 -Rheumalind II), ist nicht geboten. Es ist nicht Sache des Gerichts durch eine Beweisaufnahme herauszufinden, ob eine bestimmte Wirkungsaussage möglicherweise doch als wissenschaftlich hinreichend gesichert angesehen werden kann, wenn es der beweisbelasteten Partei nicht gelingt, dies schlüssig darzulegen.

b) Zwar wurde die streitgegenständliche Aussage nicht vom Geschäftsführer der Beklagten gemacht, sondern stammte von der Moderatorin der Sendung, doch hat sich der Geschäftsführer der Beklagte als ihr Gesprächspartner diese Aussage zu eigen gemacht, indem er ausweislich der Niederschrift der Sendung die Angaben der Moderatorin ausdrücklich bestätigte.

c) Für die Wiederholungsgefahr, die neben einer begangenen Zuwiderhandlung gegen § 3 UWG Voraussetzung für das Bestehen des geltend gemachten Unterlassungsanspruch ist (§ 8 Abs. 1 S. 1 UWG), besteht eine tatsächliche Vermutung.

d) Das Unterlassungsgebot ist wie geschehen zu formulieren. Der Kläger hat bei der Fassung des Unterlassungsantrages an die konkrete Verletzungsform angeknüpft und dabei darauf verzichtet, die von der konkreten Verletzungsverhandlung ausgehende Wiederholungsgefahr auf Verletzungshandlungen zu verallgemeinern, die im "Kern" oder "Wesen" der konkreten Verletzungshandlung entsprechen, was grundsätzlich zulässig gewesen wäre (vgl.Köhlerin: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 12, Rn. 2.44 m.w.N.). Dem folgt der von der Kammer formulierte Tenor. Da bei der vom Kläger gewählten Art der Anknüpfung an die konkrete Verletzungsform jedoch Antrag und Tenor möglichst genau an die konkrete Verletzungsform anzupassen sind (a.a.O., Rn. 2.43), hat die Kammer die sich Aussage der Moderatorin der Sendung ihrem gesamten Inhalt nach in den Tenor aufgenommen, ohne dass hiermit ein teilweises Unterliegen einhergeht.

e) Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist bereits deshalb nicht verjährt, weil der Lauf der sechsmonatigen Verjährungsfrist des § 11 Abs. 1 UWG gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB bereits kurze Zeit nach ihrem Beginn durch die Durchführung des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes gehemmt worden ist und die Hemmung andauert.

2. Der Zahlungsanspruch ergibt sich aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG. Die Höhe der Aufwendungen hat die Beklagte nicht bestritten. Ihre Auffassung, die für jede Abmahnung seitens des Klägers anfallenden Beratungskosten in Höhe von 17,90 Euro, die der Kläger an seine Rechtsanwälte zahle, seien auf eine anschließende gerichtliche Tätigkeit anzurechnen betrifft nicht die Höhe der Abmahnung, sondern die Höhe der Vergütung die von den Prozessbevollmächtigten des Klägers für die hiesige Prozessführung abgerechnet werden kann.

Auch der Aufwendungsersatzanspruch ist nicht verjährt. Zwar unterliegt auch er der kurzen Verjährungsfrist des § 11 UWG, doch entsteht dieser Anspruch im Sinne von § 11 Abs. 2 Nr. 1 UWG erst dann, wenn dem Anspruchsberechtigten Aufwendungen entstanden sind. Da § 12 Abs. 1 S. 2 UWG für das Entstehen des Anspruchs auf die Abmahnung abstellt, konnte der Aufwendungsersatzanspruch erst mit der erst am 27. Dezember 2005 erfolgten Abmahnung entstehen. Der Lauf der Verjährungsfrist ist damit mit der Einreichung der Klage am 1. Juni 2006, in deren Folge sie demnächst im Sinne von § 167 ZPO zugestellt worden, rechtzeitig gehemmt worden (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB).

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und S. 2 ZPO.






LG Berlin:
Urteil v. 29.06.2007
Az: 96 O 84/06


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