Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Dezember 2009
Aktenzeichen: 29 W (pat) 61/06

(BPatG: Beschluss v. 16.12.2009, Az.: 29 W (pat) 61/06)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die am 3. Januar 2003 veröffentlichte Eintragung der Wortmarke 300 60 123 In-Travel-Entertainmenteingetragen für die Waren und Dienstleistungen Klasse 09: Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Bild und Ton, Magnetaufzeichnungsträger, CD-ROMs; Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Software; Unterrichtsapparate und -instrumente;

Klasse 38: Telekommunikation; Sammeln und Liefern von Nachrichten; Vermietung von Geräten zur Nachrichtenübermittlung, Telekommunikation; Nachrichtenund Bildübermittlung mittels Computer; Dienstleistungen eines Onlineanbieters, nämlich Sammeln und Bereitstellen und Übermittlung von Informationen, Texten, Zeichnungen und Bildern über Waren und Dienstleistungen; E-Mail-Datendienste; Bereitstellung einer Hotline; Pagingdienste;

Klasse 42: Design und Programmierung von Internetseiten für Onund Offlineauftritte; Dienstleistungen eines Netzwerkbetreibers, Informationsmaklers und Providers, nämlich Vermittlung und Vermietung der Zugriffszeiten zu Datennetzen und Computerbanken, insbesondere im Internet; internetbezogene Dienstleistungen, nämlich Bereitstellen eines Zuganges zu Texten, Grafiken, audiovisuellen und Multimediainformationen, Dokumenten, Datenbanken und Computerprogrammen; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Computerberatungsdienste; Wartung, Design und Aktualisierung von Software;

wurde Widerspruch erhoben aus der am 17. Mai 1999 eingetragenen Wortmarke 399 16 406 TRAVELTAINMENT eingetragen für die Waren und Dienstleistungen der Klasse 09: Wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, photographische, Film-, optische, Wäge-, Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungsund Unterrichtsapparate und -instrumente; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton, Bild und Daten; Datenverarbeitungsgeräte und Computer sowie deren Bestandteile; Computerprogramme (Software); Ton-, Bildund Datenträger, nämlich Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten, Tonbänder, Videokassetten, MCs, CDs, CD-ROMs, Bildplatten, Schallplatten; codierte Telefonkarten; Computerspiele, soweit in Klasse 9 enthalten; elektrische Apparate und Instrumente, soweit in Klasse 9 enthalten;

Klasse 39: Beförderung von Personen; Transportwesen; Veranstaltung von Reisen;

Klasse 42: Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung (Software); Dienstleistungen eines Programmierers; gewerbsmäßige Beratung (ausgenommen Unternehmensberatung) auf dem Gebiet der Datenverarbeitung und der Telekommunikation; Dienstleistungen im Bereich der Datenverarbeitung, nämlich Anpassen, Aktualisieren, Implementieren und Warten von Software; alle vorgenannten Waren und Dienstleistungen insbesondere soweit sie im Zusammenhang mit Reisen stehen.

Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patentund Markenamts hat den Widerspruch mit Beschluss vom 15. September 2004 zurückgewiesen, der durch Erinnerungsbeschluss vom 21. März 2006 bestätigt worden ist. Sie führt hierzu aus, dass trotz Identität bzw. hoher Ähnlichkeit einiger Waren und Dienstleistungen nicht die unmittelbare Gefahr von Verwechslungen zwischen den Vergleichszeichen bestehe. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei für die von ihr erfassten Waren und Dienstleistungen als geschwächt anzusehen. Die Wortkombination "TRAVELTAINMENT" setze sich aus den beiden englischen Begriffen "TRAVEL" für "Reisen" und "TAINMENT" als Kurzform für das Wort "Entertainment" zusammen, das im Deutschen für "Unterhaltung" stehe. Die Wortkombination "Traveltainment" werde daher im Sinne von Reisen mit Unterhaltung verstanden und vermittle damit in Bezug auf die verwechslungsrelevanten Waren und Dienstleistungen einen gewissen beschreibenden Sinngehalt. Die beiden Marken unterschieden sich gerade am stärker beachteten Wortanfang, in der Anzahl der Silben und in der Vokalfolge. Auch befänden sich die übereinstimmenden Bestandteile an verschiedenen Stellen, so dass klangliche und schriftbildliche Verwechslungen ausgeschlossen seien. Die Vergleichszeichen seien begrifflich ebenfalls nicht verwechselbar, zumal allenfalls eine Übereinstimmung in den beiden kennzeichnungsschwachen Elementen "Travel" und "tainment" bzw. deren Kombination bestehe. Im relevanten Gesamteindruck wiesen die Vergleichszeichen allenfalls entfernte Berührungspunkte auf. Ebenso würden sie gedanklich nicht miteinander in Verbindung gebracht werden.

Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit ihrer Beschwerde, mit der sie beantragt, die Beschlüsse vom 15. September 2004 und vom 21. März 2006 aufzuheben.

Sie macht geltend, dass die Markenstelle die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke nicht differenziert beurteilt habe. Die Begriffe "Travel" und "Entertainment" beschrieben die überwiegende Zahl der von ihr umfassten Waren und Dienstleistungen in keiner Weise. Gerade im Hinblick auf die identischen Waren und Dienstleistungen sei somit ein erheblicher Abstand der beiden Marken zueinander erforderlich, der nicht eingehalten werde. Auch bei den übrigen Waren und Dienstleistungen reichten die Unterschiede zwischen den Marken nicht aus, da beide gerade in den prägenden Bestandteilen "Travel" und "Entertainment" übereinstimmten, so dass Verwechslungsgefahr für den Verkehr bestehe. In der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin darüber hinaus die erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke für einzelne Waren und Dienstleistungen geltend gemacht.

Die Beschwerdegegnerin hat keinen Antrag gestellt und sich zur Sache im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Die Beschwerde wurde mit Beschluss des erkennenden Senats vom 30. Januar 2008 zurückgewiesen. Darin ist ausgeführt, dass ein Großteil der sich gegebenüberstehenden Waren und Dienstleistungen im Identitätsbzw. engen Ähnlichkeitsbereich liege. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke liege im unteren Grenzbereich eines durchschnittlichen Schutzumfangs. Die Vergleichszeichen wiesen im Gesamteindruck ausreichende klangliche, visuelle und begriffliche Unterschiede auf. Eine Prägung ihres Gesamteindrucks durch die gemeinsamen Bestandteile "Travel" bzw. "TRAVEL" und "tainment" bzw. "TAINMENT" scheide aus, da es sich bei der Widerspruchsmarke um ein Einwortzeichen handele und die angegriffene Marke einen Gesamtbegriff darstelle. Auch gedanklich würden die beiden Marken nicht in Verbindung gebracht werden, da die Beschwerdeführerin über keine Zeichenserie verfüge und in der jüngeren Marke ihr Firmenkennzeichen nicht enthalten sei.

Dagegen wurde von der Beschwerdeführerin Rechtsbeschwerde gemäß § 83 Abs. 3 Nr. 6 i. V. m. § 79 Abs. 2 MarkenG erhoben. Sie führte zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Bundespatentgericht, da die Gründe des Beschlusses erst fünf Monate nach der Verkündung schriftlich niedergelegt, von den Richtern unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden sind.

Ergänzend trägt die Beschwerdeführerin vor, dass die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke von den einzelnen Waren und Dienstleistungen abhänge, so dass sie jeweils zu benennen seien. Insbesondere bei den identischen Waren und Dienstleistungen der Klassen 9 und 42 sei nicht erkennbar, inwieweit auf ihren Einsatzzweck bzw. -ort hingewiesen werde. Folglich sei insoweit von einer normalen Kennzeichnungskraft der älteren Marke auszugehen. Es bestehe insbesondere begriffliche Verwechslungsgefahr, da sowohl die ältere als auch die jüngere Marke im Sinne einer Reise in Verbindung mit Unterhaltung verstanden werden könnten. Der Präposition "In" in der angegriffenen Marke komme hierbei keine die Bedeutung verändernde Wirkung zu.

II.

Auch nach erneuter Überprüfung der Sachund Rechtslage ist die gemäß § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässige Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen. Die Markenstelle hat zu Recht den Widerspruch wegen mangelnder Verwechslungsgefahr nach § 43 Abs. 2 Satz 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen.

Das Vorliegen von Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Ob eine solche vorliegt, bemisst sich nach dem Zusammenwirken der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, der Kennzeichnungskraft und der Ähnlichkeit der Marken. Eine völlig fehlende Ähnlichkeit in einem Bereich kann durch das Vorliegen der anderen Tatbestandsmerkmale nicht kompensiert werden (vgl. EuGH GRUR 98, 922 -CANON; BGH GRUR 99, 995 -HONKA). Verwechslungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn die Öffentlichkeit davon ausgehen könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken im Bild, Klang oder in der Bedeutung ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden bzw. dominierenden Elemente und die Wirkung der Marke auf den Durchschnittsverbraucher dieser Waren oder Dienstleistungen zu berücksichtigen sind. Er nimmt nämlich eine Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042, 1044, Rdnr. 27 und 28 -THOMSON LIFE).

1. Alle Waren und Dienstleistungen der jüngeren Marke sind entweder identisch oder ähnlich zu Waren bzw. Dienstleistungen der älteren Marke. Im Einzelnen:

1.1. Identität besteht zwischen folgenden Waren bzw. Dienstleistungen, so dass die sich gegenüberstehenden Marken einen großen Abstand zueinander einhalten müssen:

Die Waren der Klasse 9 der jüngeren Marke sind identisch mit den Waren "Unterrichtsapparate und -instrumente; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton, Bild; Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Computerprogramme (Software); Ton-, Bildund Datenträger, nämlich Magnetaufzeichnungsträger, CD-ROMs" aus der Klasse 9 der älteren Marke.

"Design und Programmierung von Internetseiten für Onund Offlineauftritte" auf Seiten der jüngeren Marke können zu den "Dienstleistungen eines Programmierers" auf Seiten der älteren Marke gehören, so dass zwischen diesen Dienstleistungen Identität besteht.

Identität liegt des Weiteren zwischen den Dienstleistungen "Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung" bzw. "Wartung, Design und Aktualisierung von Software" auf Seiten der jüngeren und "Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung (Software)" bzw. "Dienstleistungen im Bereich der Datenverarbeitung, nämlich Anpassen, Aktualisieren und Warten von Software" auf Seiten der älteren Marke vor. Unter Design im Sinne von Gestaltung kann auch die Anpassung eines bestehenden Computerprogramms verstanden werden.

"Computerberatungsdienste" auf Seiten der jüngeren Marke und "gewerbsmäßige Beratung (ausgenommen Unternehmensberatung) auf dem Gebiet der Datenverarbeitung" auf Seiten der älteren Marke sind ebenfalls identisch.

1.2. In einem engen Ähnlichkeitsverhältnis, das einen ausreichend großen Abstand der beiden Marken zueinander erfordert, stehen folgende Waren bzw. Dienstleistungen:

Zwischen der Dienstleistung "Telekommunikation" der jüngeren Marke und der für die ältere Marke eingetragenen Dienstleistung "gewerbsmäßige Beratung (ausgenommen Unternehmensberatung) auf dem Gebiet der Telekommunikation" besteht enge Ähnlichkeit, da sie einander ergänzen. Beraterleistungen im Bereich der Telekommunikation werden typischerweise auch von Telefonanbietern erbracht, um beispielsweise die technischen Grundlagen für die Inanspruchnahme von Telefondiensten zu schaffen oder die Kompatibilität mit vorhandenen Anschlüssen und Geräten sicherzustellen.

Mit Hilfe der Dienstleistung "Bereitstellung einer Hotline" der jüngeren Marke wird die technische Infrastruktur geschaffen, um die Dienstleistung "gewerbsmäßige Beratung (ausgenommen Unternehmensberatung) auf dem Gebiet der Datenverarbeitung und der Telekommunikation" der älteren Marke ausüben zu können. Es bestehen somit sachliche Berührungspunkte, die zu einem engen Ahnlichkeitsverhältnis zwischen diesen beiden Dienstleistungen führen.

Die "Pagingdienste" auf Seiten der jüngeren Marke dienen der gleichzeitigen Nutzung verschiedener Computerprogramme, indem der Arbeitsspeicher effektiv verwaltet wird. Die Steuerung erfolgt durch das Betriebssystem, bei dem es sich um "Computerprogramme (Software)" auf Seiten der älteren Marke handelt. Insofern ist von enger Ähnlichkeit der Dienstleistungen einerseits und der Waren andererseits auszugehen.

1.3. Von mittlerer, einen etwas geringeren Markenabstand bedingender Ähnlichkeit ist bei nachfolgenden Waren bzw. Dienstleistungen auszugehen:

Die "Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton, Bild und Daten" auf Seiten der älteren Marke sind auf Seiten der jüngeren Marke Mittel zum "Sammeln und Liefern von Nachrichten" bzw. zur Erbringung der "Dienstleistungen eines Onlineanbieters, nämlich Sammeln und Bereitstellen und Übermittlung von Informationen, Texten, Zeichnungen und Bildern über Waren und Dienstleistungen" sowie der "E-Mail-Datendienste" und Gegenstand der "Vermietung von Geräten zur Nachrichtenübermittlung, Telekommunikation" bzw. der "Nachrichtenund Bildübermittlung mittels Computer". Insofern liegt zwischen den Waren und den Dienstleistungen durchschnittliche Ähnlichkeit vor (vgl. auch Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 14. Auflage, Seite 381, rechte Spalte, und Seite 387, linke Spalte).

Die "Dienstleistungen eines Netzwerkbetreibers, Informationsmaklers und Providers, nämlich Vermittlung und Vermietung der Zugriffszeiten zu Datennetzen und Computerbanken, insbesondere im Internet; internetbezogene Dienstleistungen, nämlich Bereitstellen eines Zuganges zu Texten, Grafiken, audiovisuellen und Multimediainformationen, Dokumenten, Datenbanken und Computerprogrammen" auf Seiten der jüngeren Marke und die Dienstleistung "gewerbsmäßige Beratung (ausgenommen Unternehmensberatung) auf dem Gebiet der Datenverarbeitung und der Telekommunikation" auf Seiten der älteren Marke sind ebenfalls mittelgradig ähnlich. Die Beratung kann sich auf die Nutzung von Datennetzen, Datenbanken, Computerprogramme und Daten beziehen und Möglichkeiten des Zugriffs bzw. des Zugangs aufzeigen.

2. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke für die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen ist noch als durchschnittlich anzusehen.

Bei der Beurteilung der Kennzeichnungskraft einer Marke sind allen relevanten Umstände zu berücksichtigen, insbesondere die Eigenschaften der Marke, ihr Marktanteil, die Intensität, die geografische Ausdehnung, die Dauer der Benutzung und der Werbeaufwand (vgl. BGH GRUR 2003, 1040 -Kinder). Zusammensetzungen von Ausdrücken mit dem Wortfragment "tainment" als geläufige Kurzform für "Entertainment" kommen -wie die Markenstelle bereits zutreffend ausgeführt hat -häufig vor. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang beispielsweise die Begriffe "Infotainment"; "Edutainment"; "Containment"; "Polittainment" oder "Historytainment" (vgl. "http://wortschatz.unileipzig.de/abfrage", Suchbegriff: "*tainment"). Dementsprechend bedeutet die Widerspruchsmarke soviel wie "Reiseunterhaltung" (vgl. auch Pons Großwörterbuch Englisch -Deutsch, 1. Auflage, Seite 970). Hierbei handelt es sich um eine naheliegende Begriffskombination, da Reisen und Unterhaltung verschiedene Berührungspunkte zueinander aufweisen. So kann ein Unterhaltungsprogramm in den Reiseablauf integriert sein, eine Reise -im Gegensatz zur Bildungs-, Geschäftsoder Dienstreise -der bloßen Unterhaltung dienen oder in unterhaltsamer Weise über eine Reise berichtet werden. Mit Ausnahme der Waren "Wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, Wäge-, Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungsapparate und -instrumente; codierte Telefonkarten" lassen sich die Waren und Dienstleistungen der älteren Marke zwar im Zusammenhang entweder mit Reisen oder mit Unterhaltung einsetzen. Sie sind jedoch typischerweise nicht gleichzeitig für beide Bereiche bestimmt, so dass der Senat von einer noch durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgeht.

Die vorgelegten Unterlagen reichen für die Annahme einer Erhöhung des Schutzumfangs für die nachfolgend von der Beschwerdeführerin angeführten Waren und Dienstleistungen nicht aus:

Klasse 09: Computerprogramme (Software);

Klasse 42: Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung (Software); Dienstleistungen eines Programmierers; gewerbsmäßige Beratung (ausgenommen Unternehmensberatung) auf dem Gebiet der Datenverarbeitung; Dienstleistungen im Bereich der Datenverarbeitung, nämlich Anpassen, Aktualisieren, Implementieren und Warten von Software; alle vorgenannten Waren und Dienstleistungen soweit sie im Zusammenhang mit Reisen stehen.

Weder der von ihr in Kopie eingereichte Artikel aus dem Jahrbuch 2007 der Stiftung Warentest, noch die Buchungsbilanz oder die Statistiken belegen einen markenmäßigen Einsatz der Widerspruchsmarke für die vorgenannten Waren und Dienstleistungen. Die Unterlagen beziehen sich vielmehr auf die Kennzeichnung der Firma T... AG als solche. Auf eine er höhte Kennzeichnungskraft der Marke "TRAVELTAINMENT" als solcher kann daraus nicht geschlossen werden.

3. Auch unter Berücksichtigung der Warenund Dienstleistungsidentität bzw. -ähnlichkeit reicht der Abstand der Vergleichszeichen zueinander aus, um die Gefahr von Verwechslungen im Verkehr auszuschließen.

3.1. Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Marken besteht nicht.

Die Markenähnlichkeit ist dabei anhand des Gesamteindrucks nach Klang, Schriftbild und Sinngehalt zu beurteilen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Abzustellen ist auf die Wahrnehmung des angesprochenen Durchschnittsverbrauchers, der eine Marke regelmäßig in ihrer Gesamtheit erfasst und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (vgl. EuGH GRUR 2006, 413, 414, Rdnr. 19 -ZIHR/SIR; GRUR 2005, 1042, 1044, Rdnr. 28 -THOMSON LIFE; GRUR Int. 2004, 843, 845, Rdnr. 29 -Matratzen; BGH GRUR 2004, 779, 781 -Zwilling/ZWEIBRÜDER). Bei mehrgliedrigen Zeichen kann der Gesamteindruck durch einzelne Bestandteile geprägt werden. Dies setzt jedoch voraus, dass die anderen Bestandteile weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck des Zeichens nicht mitbestimmen (st. Rspr., vgl. u. a. BGH GRUR 2004, 598, Rdnr. 17 -Kleiner Feigling; GRUR 2004, 865, 866 -MUSTANG).

3.1.1. Klanglich und visuell enthalten die Vergleichsmarken deutliche Unterschiede. Es stehen sich die Einwortmarke "TRAVELTAINMENT" und die Mehrwortmarke "In-Travel-Entertainment" gegenüber. Diese wird durch die Trennungszeichen vom Verkehr nicht wie jene in einem Wort ausgesprochen, sondern in drei separat wiedergegebene Begriffe unterteilt. Beide Marken unterscheiden sich zudem in der Anzahl der Buchstaben, 14 gegenüber 21, als auch der jeweiligen Silben, 4 gegenüber 7. Hinzu kommen die Abweichungen in den Vokalfolgen "iaeeeaie" und "aeaie". Des Weiteren besitzen beide Marken verschiedene Wortanfänge, die vom Verkehr in besonderer Weise beachtet werden. Es liegt weder nahe, bei der angegriffenen Marke den ersten Bestandteil "In" wegzulassen, da durch die Bindestriche die Zusammengehörigkeit aller drei Worte zu einem Gesamtbegriff betont wird. Noch ist ersichtlich, weshalb innerhalb der Dreier-Kombination das Element "Enter-" nicht ausgesprochen und auf "Traveltainment" verkürzt werden sollte. Unterstellt man die Neigung des Verkehrs zur Verkürzung langer Marken, könnte bei der jüngeren allenfalls das gesamte dritte Wort "Entertainment" entfallen. Fern liegt dagegen der Gedanke, dass diese durch Weglassen der ersten, vierten und fünften Silbe so verknappt wird, dass aus ihr die Widerspruchsmarke entsteht. Gerade bei einem Gesamtbegriff kommt eine Verkürzung auf einen Bestandteil nicht in Betracht, weil dadurch eine Veränderung in dem Sinngehalt eintreten könnte (vgl. BGH -Kleiner Feigling, a. a. O., 599, Rdnr. 18).

Ebenso liegt eine begriffliche Ähnlichkeit nicht vor, da die Begriffsanklänge für die Annahme einer Verwechslungsgefahr nicht ausreichen. Der angegriffenen Marke kommt durch den Bestandteil "In" eine andere Bedeutung als der Widerspruchsmarke zu. Es kann sich hierbei um die Präposition "in" handeln. Daraus ergibt sich neben der nicht verständlichen Bedeutung "Reisen in der Unterhaltung" die Interpretationsmöglichkeit "Im Reisen Unterhaltung" bzw. "Im Reisen liegt die Unterhaltung". Damit vermittelt die jüngere Marke jedoch einen konkreteren Sinngehalt, als die ältere Marke, deren Bedeutung "Reiseunterhaltung" entsprechend den Ausführungen zur Kennzeichnungskraft unter 2.) offen lässt, worauf die Unterhaltung beruht. Die Gefahr begrifflicher Verwechslungen wird weiter reduziert durch den Umstand, dass unter dem Bestandteil "In" auch das im Englischen und im Deutschen vorkommende Adjektiv "gefragt sein" bzw. "in Mode sein" verstanden werden kann (vgl. Duden-Oxford -Großwörterbuch Englisch, 3. Auflage 2005, CD-ROM; Duden -Deutsches Universalwörterbuch, 6. Auflage 2006, CD-ROM). Demzufolge vermittelt die jüngere Marke abhängig davon, worauf der Bestandteil "In" bezogen wird, den Begriffsgehalt "Unterhaltung durch gefragtes Reisen" oder "Gefragte Unterhaltung durch Reisen". Ausreichende begriffliche Gemeinsamkeiten sind auch hier nicht erkennbar, zumal der Verkehr erst eingehende Überlegungen anstellen muss, um der angegriffenen Marke einen verständlichen Sinngehalt entnehmen zu können.

3.1.2. Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr aufgrund der Prägung des Gesamteindrucks durch identische Bestandteile kommt nicht in Betracht. Die Bestandteile "Travel" bzw. "TRAVEL" und "tainment" bzw. "TAINMENT" sind zwar in beiden Marken enthalten. Die Widerspruchsmarke kann jedoch als Einwortzeichen nicht durch einen Wortteil geprägt werden. Dies wäre zwar bei der jüngeren Marke als mehrteiliges Zeichen möglich. Bei ihr handelt es sich aber dem Gesamteindruck nach um eine inhaltiche geschlossene Aussage die weder von dem Bestandteil "Travel" noch von dem Element "tainment" allein geprägt oder wesentlich mitbestimmt wird. Letztgenanntes geht im Wort "Entertainment" auf, das seinerseits gleichwertig neben den weiteren Begriffen "In" und "Travel" steht.

Schließlich ist weder die Widerspruchsmarke identisch in die jüngere Marke übernommen worden, noch weist die Kombination "Travel-Entertainment" darin eine selbständig kennzeichnende Stellung auf. Insofern kann auch nicht nach den Grundsätzen der THOMSON-LIFE-Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften von einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr ausgegangen werden (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042 ff. -THOMSON LIFE).

3.2.

Ebenso werden die beiden Marken gedanklich nicht miteinander in Verbindung gebracht. Dies wäre nur dann der Fall, wenn sich dem Verkehr aufdrängt, dass die Marken wegen ihres Sinngehalts und ihrer Zeichenbildung aufeinander bezogen sind. Dies setzt aber voraus, dass die Übereinstimmung zwischen ihnen nicht lediglich eine allgemeine, sondern eine herkunftshinweisende gedankliche Assoziation bewirkt (vgl. BGH GRUR 2006, 60, 63, Rdnr. 26 -coccodrillo). Die Tatsache, dass die eine Marke Erinnerungen an die andere weckt, reicht für sich allein somit nicht aus.

Die Beschwerdeführerin verfügt über keine Vergleichszeichen mit einem gemeinsamen Bestandteil, der auch in der angegriffenen Marke enthalten ist und als Hinweis auf sie aufgefasst wird. Anhaltspunkte für eine mittelbare Verwechslungsgefahr liegen damit nicht vor. Des Weiteren besteht auch keine assoziative Verwechslungsgefahr wegen Verwendung eines bekannten Unternehmenskennzeichens der Beschwerdeführerin. Nach den vorgelegten Unterlagen ist "TravelTainment" zwar ihr Firmenname und hat sich zu einer gewissen Bekanntheit entwickelt. Gerade dieses Firmenkennzeichen enthält die jüngere Marke allerdings nicht. Da es sich bei der eben genannten Form der Verwechslungsgefahr um einen Ausnahmetatbestand handelt, ist eine analoge Anwendung auf Fälle, in denen der Firmenname in der jüngeren Marke nicht identisch enthalten ist, ausgeschlossen. Trotz der Waren-/Dienstleistungsidentität bzw. -ähnlichkeit und Zugrundelegung einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist aufgrund des vorhandenen Markenabstands damit eine Verwechslungsgefahr zu verneinen.

4.

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG).

Grabrucker Kopacek Dr. Kortbein Hu






BPatG:
Beschluss v. 16.12.2009
Az: 29 W (pat) 61/06


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