Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. Februar 2000
Aktenzeichen: 11 W (pat) 20/99

(BPatG: Beschluss v. 21.02.2000, Az.: 11 W (pat) 20/99)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse B 23 K des Patentamts vom 30. September 1998 aufgehoben und das Patent erteilt mit dem Anspruch und vier Seiten Beschreibung, überreicht am 21. Februar 2000.

Gründe

I.

Die Prüfungsstelle für Klasse B 23 K des Patentamts hat die am 19. November 1994 eingegangene Patentanmeldung mit der Bezeichnung "Verfahren zur Herstellung einer Prägewalze zum kontinuierlichen Prägen der Oberfläche einer thermoplastischen Folie" mit Beschluß vom 30. September 1998 zurückgewiesen.

Aus der Zeitschrift "Laser und Optoelektronik", 1993, Heft 2, Seiten 56 bis 61, insbesondere Seite 57, Bild 2, sei bekannt, auf der Umfangsfläche einer Prägewalze mit Hilfe eines Laserstrahls eine genarbte Oberfläche in Übereinstimmung mit der Narbung einer Ledervorlage als Negativform herzustellen. Da aus DE 41 33 620 C1 auch schon bekannt sei, eine Walzenoberfläche aus Silikongummi mit Laserstrahlen zu bearbeiten, ergebe sich der Gegenstand des Anspruchs 1 für den Fachmann durch Zusammenschau beider Druckschriften in naheliegender Weise.

Gegen diesen Zurückweisungsbeschluß richtet sich die Beschwerde.

Die Beschwerdeführerin stellt den Antrag, den Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse B23 K des Patentamts vom 30. September 1998 aufzuheben und das Patent zu erteilen mit dem Anspruch, überreicht am 21. Februar 2000, im übrigen mit den angepaßten ursprünglichen Unterlagen.

Sie widerspricht der Argumentation der Prüfungsstelle im Zurückweisungsbeschluß in allen Punkten und hebt besonders hervor, daß die aus dem genannten Zeitschriftenaufsatz bekannten Verfahren der Laser-Strukturierung von Oberflächen nur der Übertragung eines von Vorlagen abgenommenen Musters in zwei Dimensionen, also in der Ebene, wie in Bild 2 zu sehen, geeignet sei, dagegen in der Tiefendimension keinerlei Vorlagenabgriff stattfinde. Von der Herstellung einer Strukturierung auf Rakelwalzen gemäß Bild 3 führe ebenfalls kein Weg zu dem nach einer Vorlage in der Tiefenrichtung gesteuerten Abtragen von Polymermaterial aus einer Silikongummi-Walzenoberfläche.

Der Patentanspruch lautet:

"Verfahren zur Herstellung einer Prägewalze zum kontinuierlichen Prägen der Oberfläche einer thermoplastischen Folie, wobei die Prägeoberfläche der Prägewalze eine Negativform einer zu prägenden Oberflächenstruktur, insbesondere einer Narbung aufweist, wobei ein Laserstrahl auf eine Umfangsfläche gerichtet wird und dabei der Laserstrahl relativ zu der Umfangsfläche bewegt und dabei in Übereinstimmung mit dem jeweiligen Ort der Oberflächenstruktur einer Mustervorlage gesteuert wird, derart daß die Oberflächenstruktur der Mustervorlage als Negativform in der Umfangsfläche erzeugt wird, dadurch gekennzeichnet, daß zunächst eine Walze hergestellt wird, die wenigstens im Bereich ihrer Umfangsfläche aus Silikongummi besteht und deren Umfangsfläche glatt ist, und daß der Laserstrahl auf die Umfangsfläche aus Silikongummi gerichtet und darin die Prägeoberfläche erzeugt wird."

Es liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Herstellung einer Prägewalze zum kontinuierlichen Prägen der Oberfläche einer thermoplastischen Folie zu schaffen, das einfach und kostengünstig durchzuführen ist und zu einer Prägewalze führt, mit der auch sehr feine Oberflächenstrukturen geprägt werden können, die beispielsweise natürlichen Ledervorlagen entsprechen.

II.

Die Beschwerde hat mit dem nunmehr geltenden beschränkten Patentbegehren Erfolg.

Der zuständige Fachmann ist ein Diplomingenieur mit Universitätsstudium der Fachrichtung Maschinenbau mit mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Herstellung von Prägewalzen. Ihm sind durch seine Berufserfahrung auch die Grundlagen der Oberflächenstrukturierung von Walzen mittels Laserstrahlen geläufig, wie sie etwa in dem Aufsatz von Tönshoff in der Zeitschrift "Laser und Optoelektronik" (aaO) "Grundlagen des Laserstrahlabtragens" wiedergegeben sind.

Der Patentanspruch ist zulässig.

Er besteht aus dem Wortlaut des ursprünglichen Anspruchs in geänderter Merkmalsreihenfolge und der Hinzufügung: "und darin die Prägeoberfläche erzeugt wird". Dieses Merkmal bedeutet, daß die bearbeitete Umfangsfläche der Walze direkt als Prägewalzenoberfläche eingesetzt werden kann ohne Umweg über eine Abformung mittels einer danach aufgetragenen Silikongummischicht. Dies ist auf Seite 3, Absatz 4 (Offenlegungsschrift Sp 2 Z 21 bis 24 sowie Z 32 bis 35) und im letzten Satz der Beschreibung, Seite 4 bis 5 (Offenlegungsschrift Sp 3 Z 4 bis 6), offenbart.

Der Gegenstand des Patentanspruchs ist neu.

Er geht insofern über den Offenbarungsgehalt der älteren Anmeldung P 43 26 874.9 hinaus, als dort in Spalte 3, Zeilen 47 bis 63, der zugehörigen Offenlegungsschrift gelehrt wird, daß durch Invertieren des Laserstrahls von der Mustervorlage direkt ein Negativ des Musters auf einer Prägewalze erzeugt werden kann. Daß es sich dabei aber nicht um eine Walzenoberfläche aus Silikonkautschuk handelt, versteht sich aus dem durch die Zeitschrift "Laser und Optoelektronik" (aaO) belegten Fachwissen. In der Offenlegungsschrift, Spalte 3 ab Zeile 64 bis Spalte 4, Zeile 7 heißt es im folgenden Absatz: "Zur ... naturgetreuen Prägung ... bekannt, die Oberfläche der Prägewalze aus Silikonkautschuk zu bilden. Zur Herstellung einer solchen Prägewalze" - also einer Prägewalze mit aus Silikonkautschuk gebildeter Oberfläche - "sieht eine Weiterbildung... vor", daß ein Positivmuster in die Vorlage eingraviert wird - also ohne Konvertierung. Eine solche Walze muß dann erst mit Silikonkautschuk beschichtet werden und so, wie in Spalte 4 beschrieben weiter verfahren werden, bis schließlich ein Negativmuster aus Silikonkautschuk entsteht. Gemäß Patentanspruch dagegen wird direkt die zunächst glatte Oberflächenschicht aus Silikonkautschuk mit dem Laserstrahl derart bearbeitet, daß darin eine Negativform der Struktur der Mustervorlage als direkte Prägeoberfläche entsteht (vgl auch Anspruch 10 der älteren Anmeldung, der nicht auf Anspruch 8 oder 9 rückbezogen ist.

Im übrigen Stand der Technik lassen sich solche Verfahren erkennen, bei denen mittels des Laserstrahls nach einem bestimmten Programm erstellte Linien, Punkte, oder ähnliches, in einem Werkstück bzw einer Walzenoberfläche erzeugt werden (DE 41 33 620 C1, DE 42 13 106 A1, Zeitschrift "Laser und Optoelektronik", S 57 liSp Abs 3 "Stahlprägezylinder" sowie reSp "Antilox-Walzen" und S 58 liSp). Von all diesen Verfahren unterscheidet sich der Gegenstand des Patentanspruchs schon dadurch, daß der Laserstrahl in Übereinstimmung mit dem jeweiligen Ort einer Mustervorlage gesteuert wird.

Weiterhin weist der Stand der Technik Verfahren auf, bei denen zwar der Laserstrahl gemäß einer Mustervorlage gesteuert wird (oben genannter Aufsatz in Laser und Optoelektronik, S 57 liSp letzter Abs und Bild 2), jedoch nur die Herstellung einer Druckwalze, also eines zweidimensionalen Narbenmusters, vorgesehen ist. Außerdem unterscheidet sich das patentgemäße Verfahren davon schon dadurch, daß direkt ein Negativmuster hergestellt wird.

Die DE 34 05 985 C2 der Patentinhaberin betrifft das klassische Verfahren der Herstellung einer Prägewalze ohne Anwendung der Laserstrahltechnik.

Der Gegenstand des Patentanspruchs ist zweifelsohne gewerblich anwendbar und beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit.

Für das Ziel, von einer Mustervorlage ein genaues Abbild des Musters in allen drei Raumdimensionen auf die Walzenoberfläche zu übertragen und dabei eine strukturierte Walzenoberfläche aus Silikongummi zu erzeugen, konnte der zuständige Fachmann dem insgesamt ermittelten Stand der Technik keine Lösungsansätze entnehmen.

In der Zeitschrift, Abschnitt 3 auf S. 57 liSp Abs 2, wird die Methode des Laserstrahlabtragens bei Druckwalzen aus Elastomer oder Polymer angewandt, aber ohne eine von Punkt zu Punkt variierenden Strukturtiefe in dem abgetragenen Bereich. Es kommt vielmehr auf die möglichst hohe "Geometrieauflösung" an, mit anderen Worten, auf eine sehr exakte Führung des Laserstrahls in der X- und Y-Richtung. Eine Übertragung dieser Methode auf die Erstellung von Prägewalzenoberflächen würde allenfalls zu einem Positiv-Muster führen, wobei dann noch viele weitere Arbeitsschritte erforderlich wären: die im Aufsatz erwähnten Schadstoffniederschläge zu beseitigen und ein Negativmuster herzustellen, das dann ähnlich wie gemäß DE 34 05 985 C2 oder gemäß Beschreibungseinleitung der Streitpatentschrift, Spalte 1, in eine ein befriedigendes kontinuierliches Oberflächenmuster ermöglichende Prägeoberfläche überzuführen wäre. Auch der letzte Absatz, Seite 57, linke Spalte, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Die erwähnten "Leder- oder Holznarbungen" sind zwar Mustervorlagen im Sinne des Patentanspruchs, jedoch handelt es sich bei dem hier beschriebenen Herstellungsverfahrens um das bereits diskutierte "Flexodruckwalzen"-Verfahren, was aus der zitierten Literaturstelle "(5)" hervorgeht. Ein den jeweiligen Ort der Mustervorlage auch in der Tiefe (Z-Richtung) abbildendes Verfahren, bei dem ja dann diese einzelnen Orte in der Höhe als Relief sich aus der Walzenoberfläche erheben müßten, ist dem Text nicht entnehmbar. So zeigt auch Bild 2 nur, daß an den hellen Stellen offensichtlich Material aus einer ursprünglich glatten Oberfläche abgetragen worden ist und die schwarzen Stellen der Präge- bzw Druckfläche der Walze entsprechen. Insoweit gibt die DE 41 33 620 C1 eine ähnliche, nicht darüber hinausgehende technische Lehre. Es werden lediglich "Kunststoffartikel mit einer gewünschten Oberflächenstruktur" versehen (Sp 2 Z 47 bis 54).

Ein weiteres Verfahren zur Strukturierung von Keramik-Rakelwalzen mittels Laserstrahlen ergibt zwar gemäß Bild 3 der Zeitschrift, S 58, eine gewollte Tiefenstruktur, jedoch kann keine Rede davon sein, daß etwa mustergenaue Übertragungen aller Orte einer Mustervorlage in der Z-Richtung möglich wären. Es handelt sich bei diesem Verfahren eher um eine vereinfachte Laserstrukturierung wie auch nach der DE 42 13 106 A1. Dort wird programmgesteuert (unter Verzicht auf eine Mustervorlage) auf einer Werkstückoberfläche ein sich in mehrere Tiefenschichten erstreckendes Muster mittels eines Laserstrahls eingebrannt. In Spalte 3, Zeilen 51 bis 55, ist als Herstellungsbeispiel ein "nahtloses Profil einer Mutterwalze für Prägevorgänge" erwähnt. Dieser Hinweis führt den Fachmann eher in Richtung des älteren Verfahrens gemäß DE 34 05 985 C2, wo in Spalte 3, Zeilen 46 bis 50 ebenfalls von "Prägemüttern" die Rede ist, dh zu einem Verfahren, bei dem zunächst eine Walze erzeugt wird, aus der dann in weiteren Arbeitsschritten die gewünschte Prägewalze hergestellt wird.

Für das in der DE 42 13 106 A1 nicht behandelte zusätzliche Problem, wie bei der Übertragung von einer Mustervorlage, die ja stets begrenzte Dimensionen hat, zu verfahren sei, um eine Prägewalze zu erzeugen, die nach der Vorstellung des Fachmanns am Anmeldetag selbstverständlich ohne Stoßkanten des Musters ausgeführt sein sollte, wie auch in der Einleitung der Anmeldung dargelegt, gibt diese Entgegenhaltung nichts her. Dort soll ja gerade ein künstliches Muster erzeugt werden, welches von Haus aus ohne Stoßkanten ist. Es übersteigt nach Ansicht des Senats das durchschnittliche Fachwissen am Anmeldetag, aus dem bekannten Verfahren der Oberflächenstrukturierung mittels Laserstrahlen die beanspruchte technische Lehre zu entwickeln. Denn der Fachmann hätte zwar mit der rechnerischen Veränderung der Daten keine Probleme, jedoch müßte er zusätzlich überhaupt das Abtasten des Musters von einer Vorlage in das Verfahren einführen und dann noch auf den Gedanken kommen, eine Prägewalze ohne Zwischenschaltung der Erzeugung einer Mutterwalze herzustellen.

Ausgehend von irgendeinem der diskutierten bekannten Verfahren hätte der Fachmann nämlich auf jeden Fall eine im bisher genannten Stand der Technik nicht beschriebene Punktfür-Punkt-Abtastung der Vorlage mit einbeziehen müssen und ebenso eine Konvertierung der gewonnenen Daten, dazu eine rechnerische Veränderung dieser Daten, um ein kontinuierliches Prägemuster ohne Stoßkante zu erhalten.

Der Patentanspruch ist daher patentfähig. Da auch die Beschreibung an den Patentanspruch angepaßt worden ist, steht der Patenterteilung nichts mehr im Wege.

Dipl.-Ing. Niedlich Dr. Keil Dr. Fritsch ist nach seinem Ausscheiden aus dem BPatG am Unterschreiben gehindert Niedlich Sekretaruk Mr/prö






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