Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. August 2004
Aktenzeichen: 7 W (pat) 43/02

(BPatG: Beschluss v. 18.08.2004, Az.: 7 W (pat) 43/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird der Beschluß der Patentabteilung 13 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Februar 2002 aufgehoben und das Patent beschränkt aufrechterhalten mit den Patentansprüchen 1 und 2 gemäß Hilfsantrag 1 vom 24. Januar 2003, wobei in Patentanspruch 1, Zeile 12, nach dem Wort "steckbaren" das Wort "separaten" eingefügt wird, Beschreibung und Zeichnungen gemäß Patentschrift.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Die Beschwerde der Patentinhaberin ist gegen den Beschluß der Patentabteilung 13 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Februar 2002 gerichtet, mit dem das Patent 196 41 952 nach Prüfung des auf den Einspruchsgrund der fehlenden Patentfähigkeit gestützten Einspruchs mit der Begründung widerrufen worden ist, daß sein Gegenstand im Hinblick auf den aus der DE 43 40 885 A1 (D9) bekannten Stand der Technik nicht neu sei.

Im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt sind zum Stand der Technik folgende Druckschriften berücksichtigt worden:

D1 DE 43 26 162 C1, D2 DE 40 03 958 C2, D3 DE 39 10 794 C2, D4 DE 36 33 136 C2, D5 DE 195 14 055 A1, D6 DE 42 41 374 A1, D7 DE 38 43 214 A1, D8 DE 42 92 209 T1, D9 DE 43 40 885 A1, D10 Motortechnische Zeitschrift (MTZ), Jahrgang 57, 1996, Heft 4, Seiten 216 bis 224.

Die Patentinhaberin hat mit Schriftsatz vom 24. Januar 2003 einen neuen Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag sowie neue Patentansprüche 1 und 2 gemäß Hilfsantrag 1 und einen Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 vorgelegt. Sie vertritt die Auffassung, daß der Gegenstand des angefochtenen Patents zumindest in einer der hilfsweise verteidigten Fassungen eine patentfähige Erfindung darstelle und beantragt, das Patent aufrechtzuerhalten mit den Patentansprüchen vom 24. Januar 2003 nach Hauptantrag, hilfsweise nach Hilfsantrag 1 bzw 2, mit der Maßgabe, daß im Kennzeichenteil jeweils das Wort "separaten" eingefügt wird nach dem Wort "steckbaren".

Die Einsprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, daß der Gegenstand des angefochtenen Patents auch in der nunmehr verteidigten Fassung nicht patentfähig sei, da er zumindest nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Sie hat außerdem Bedenken gegen die Zulässigkeit der geltenden Ansprüche geäußert, da das neu aufgenommene Merkmal der seitlich in die Steckpumpe steckbaren Einsatzstücke im Patent nicht offenbart sei.

Die Einsprechende hat in der mündlichen Verhandlung eine Steckpumpe vorgeführt, die nach ihren Angaben der in Bild 2 in der Druckschrift D10 (MTZ) dargestellten Steckpumpe entspricht. Die Patentinhaberin sah sich ad hoc nicht in der Lage, diesen Vortrag zu bestätigen oder zu bestreiten.

Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet:

"Kraftstofführung für eine Brennkraftmaschine mit in Reihe angeordneten Zylindern, mit Aufnahmebohrungen für Steckpumpen, mit Hochdruckleitungen zwischen den Steckpumpen und jeweils zugeordneten Einspritzventilen sowie mit einer über die Länge des Zylindergehäuses sich erstreckenden und mit den Steckpumpen in Verbindung stehenden kraftstofführenden Versorgungsleitung, dadurch gekennzeichnet, daß die Versorgungsleitung bei Steckpumpen mit Magnetventilsteuerung, deren Steuerventil die Strömungsverbindung zwischen der Versorgungsleitung und der Hochdruckleitung steuert, ein als Anbauteil mit im Kopfteil jeder Steckpumpe seitlich in die Steckpumpe steckbaren separaten Einsatzstücken ausgebildetes freiliegendes Verteilerrohr ist, daß eine das Einsatzstück durchsetzende Zuführleitung das Verteilerrohr mit der Niederdruckseite jedes Steuerventils verbindet und daß das Verteilerrohr zusätzlich Aufnahmekörper für integrierte Funktionsteile ist."

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich dadurch vom Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag, daß an seinem Ende folgendes Merkmal angefügt ist:

",wobei die Einsatzstücke in einer jeweiligen Stufenbohrung im Kopfteil jeder Steckpumpe in Höhe der den Steckpumpen zugeordneten jeweiligen Steuerventile eingesetzt sind, für die die Einsatzstücke einen hubbegrenzenden Anschlag bilden."

Dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag schließen sich die erteilten Patentansprüche 2 und 3 als Unteransprüche an. Dem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 schließt sich der erteilte Patentanspruch 2 als Unteranspruch 2 an.

Für den Wortlaut der Unteransprüche und des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 wird auf die Akten verwiesen.

Laut Beschreibung soll die Aufgabe gelöst werden, Maßnahmen an einer Kraftstofführung gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 zu treffen, durch die eine schnell durchführbare lagesichernde Montage der Kraftstoffleitung erreicht werden kann, wobei nach der Montage an den Befestigungsstellen Leckagegefahren während des Einspritzbetriebes nahezu ausgeschlossen werden können (Beschreibung Sp 1 Z 3 bis 7 iVm Z 24 bis 30).

II Die frist- und formgerechte Beschwerde ist zulässig und hat in dem aus dem Beschlußtenor ersichtlichen Umfang teilweise Erfolg.

1. Die geltenden Ansprüche nach Haupt- und Hilfsanträgen sind zulässig. Die Anordnung der steckbaren Einsatzstücke und des Anbauteils seitlich an den Steckpumpen ist als einzige Variante im Ausführungsbeispiel des Patents beschrieben (Fig 2). Sie ergibt sich auch aus dem Merkmal des erteilten Patentanspruchs 3, daß die Einsatzstücke in einer jeweiligen Stufenbohrung im Kopfteil jeder Steckpumpe in Höhe der den Steckpumpen zugeordneten jeweiligen Steuerventile, dh nicht an der Stirnseite des Kopfteils sondern seitlich, eingesetzt sind.

2. Der Gegenstand des angefochtenen Patents in der Fassung gemäß Hilfsantrag 1 stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne von § 1 bis § 5 PatG dar. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag ist hingegen nicht patentfähig, da er nicht das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit ist.

Als Fachmann ist hier ein Diplomingenieur des Maschinenbaus mit Erfahrungen in der Konstruktion von Kraftstoff-Einspritzsystemen für Brennkraftmaschinen anzusehen.

2.1. Zum Hauptantrag Eine Kraftstofführung gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 ist zB aus der DE 43 40 885 A1 (D9) bekannt.

In der Druckschrift ist auch bereits angegeben, daß die Steckpumpen eine Magnetventilsteuerung aufweisen (Sp 5 Z 32 bis 42), dh daß ein Steuerventil die Strömungsverbindung zwischen der Versorgungsleitung und der Hochdruckleitung steuert, wie es am Anfang des kennzeichnenden Teils des Patentanspruchs 1 angegeben ist.

In der DE 43 40 885 A1 ist weiter beschrieben, daß die Leitungen für die Kraftstoffzufuhr und Kraftstoffabfuhr zu bzw von den Steckpumpen in einen sogenannten Balken eingelassen sind und dieser Balken einstückig mit Hülsen zum Einstecken der Steckpumpen zumindest einer Zylinderreihe ausgeführt ist (Sp 4 Z 7 bis 12, Fig 2). Die Hülsen und somit auch der einstückig mit ihnen ausgeführte Balken sind am Kurbelgehäuse angeschraubt - der Balken stellt somit ein Anbauteil dar. Die Kraftstoffleitungen im Balken verlaufen seitlich der Steckpumpen und sind mit den entsprechenden Räumen der Steckpumpe über die dazwischenliegenden Wände durchsetzende Zuführleitungen verbunden (Fig 2). Durch die Aufnahme der Kraftstoffleitungen in den Balken sollen der Montageaufwand und die Gefahr von Undichtigkeiten verringert werden (Sp 4 Z 12 bis 28). Zwar ist der Druckschrift nicht zu entnehmen, daß die Zuführleitung mit der Niederdruckseite jedes Steuerventils verbunden ist, dies stellt aber eine dem Fachmann geläufige Maßnahme zum Druckausgleich am Steuerventil dar, wie sie auch aus MTZ (Bild 3) hervorgeht. Die DE 43 40 885 A1 enthält weiter auch eine unmittelbare Anregung dafür, den Balken, dh das sich längs einer Zylinderreihe erstreckende Teil mit den Kraftstoffleitungen, zusätzlich als Aufnahmekörper für weitere Funktionsteile auszubilden. In dem Balken kann nämlich gegebenenfalls ein Kanal zur Aufnahme einer Regelstange ausgebildet sein (Sp 4 Z 7 bis 12).

Soweit ist somit die Kraftstofführung nach Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag durch den aufgezeichneten Stand der Technik unmittelbar nahegelegt. Darüber hinaus sind im Patentanspruch 1 noch in die Steckpumpe steckbare separate Einsatzstücke spezifiziert. Der Zweck dieser Einsatzstücke ist vollkommen unbestimmt. Er ist nach Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag nicht auf die Funktion gemäß dem erteilten Anspruch 3 (bzw Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1) beschränkt. Einsatzstücke allgemeinster Art vorzusehen, von denen als einzige Eigenschaft bekannt ist, daß sie von der Zuführleitung durchsetzt werden, bedarf keiner erfinderischen Tätigkeit. Es handelt sich dabei vielmehr lediglich um konstruktive Einzelheiten, die der Fachmann nach Belieben vorsieht. Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ist somit nicht gewährbar.

2.2 Hilfsantrag 1 Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 enthält zusätzlich das Merkmal, daß die Einsatzstücke in einer jeweiligen Stufenbohrung im Kopfteil jeder Steckpumpe in Höhe der den Steckpumpen zugeordneten jeweiligen Steuerventile eingesetzt sind, für die die Einsatzstücke einen hubbegrenzenden Anschlag bilden (erteilter Anspruch 3). Eine solche Ausbildung und Anordnung wird dem Fachmann durch die DE 43 40 885 A1 (D9) nicht nahegelegt. Dort sind die Steuerventile nicht näher beschrieben und jedenfalls nicht in Höhe der Kraftstoffzufuhrleitungen angeordnet. Da die mit dem die Kraftstoffleitungen aufnehmenden Balken einstückig ausgeführten Hülsen die eingesteckten Pumpen ringförmig umgeben, haben die Steckpumpen in diesen Bereich auch keine freie Fläche zum Anbau der Steuerventile.

Aus MTZ (D10, Bild 2 und 3) ist eine Kraftstofführung gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 bekannt, bei der im Kopfbereich jeder Steckpumpe seitlich ein Steuerventil einer Magnetventilsteuerung angebracht ist, das die Strömungsverbindung zwischen der Versorgungsleitung und der Hochdruckleitung steuert. Die Kraftstoff-Versorgungsleitung ist im Zylinderblock angeordnet und über eine im Zylinderblock und anschließend im Kopfteil der Steckpumpe verlaufende Zuführleitung mit der Steckpumpe verbunden. Im Bild 3 ist schematisch die Kraftstofführung bei verschiedenen Förderphasen der Steckpumpe dargestellt. Aufschluß über konkrete konstruktive Einzelheiten gibt diese Darstellung nicht.

An der von der Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung vorgeführten Steckpumpe, bei der der Senat zu Gunsten der Einsprechenden davon ausgeht, daß sie der in MTZ (D10) dargestellten Steckpumpe entspricht und vor dem Anmeldetag des angefochtenen Patents in Nutzfahrzeugmotoren von Mercedes Benz eingesetzt wurde, war festzustellen, daß seitlich am Kopfteil der Steckpumpe gegenüber dem Steuerventil der Magnetsteuerung ein 3-fach abgestuftes Einsatzstück eingesteckt war. Dieses Einsatzstück wies keine Bohrungen auf und wurde durch eine am Kopfteil der Steckpumpe angeschraubte Platte abgedeckt und im Kopfteil gehalten. Nach Herausnahme des Einsatzstückes war eine das Kopfteil quer durchsetzende zylindrische Hülse sichtbar, die durch die Magnetventilsteuerung in Längsrichtung, dh quer zur Pumpenachse bewegbar war. Bei eingesetztem Einsatzstück bildete dieses einen hubbegrenzenden Anschlag für die Ventilhülse. Die Steckpumpe wies an ihrem Kopfteil unterhalb der Öffnung zum Einsatz des Einsatzstückes einen nach unten weisenden Rohrstummel zur Verbindung mit einer Kraftstoffzufuhrleitung auf (vgl MTZ Bild 2).

Eine solche Anordnung vermittelt dem Fachmann nach Überzeugung des Senats keine Anregung dafür, die Kraftstoff-Zufuhrleitung als freiliegendes Verteilerrohr in Form eines Anbauteils so mit den Steckpumpen zu verbinden, daß die Zufuhrleitungen von der Versorgungsleitung zur Pumpe die Einsatzstücke durchsetzen. Dafür gibt es auch weder in der DE 43 40 885 A1 (D9) ein Vorbild (wie vorstehend bereits ausgeführt) noch in der DE 38 432 14 A1 (D7), denn diese Druckschrift zeigt zwar eine längs einer in der Reihe verlaufende Kraftstoffleitung in Form eines freiliegenden Verteilerrohrs. Dieses Verteilerrohr wird aber mit Anschlußstutzen auf Einspritzventile aufgesteckt und nicht seitlich angebaut.

Auch die übrigen Druckschriften, die in der mündlichen Verhandlung keine Rolle gespielt haben, führen weder für sich noch in einer Zusammenschau zur Lehre des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsanspruch 1 und der auf ihn rückbezogene Anspruch 2 haben somit Bestand.

Tödte Eberhard Köhn Dr. Pösentrup Hu






BPatG:
Beschluss v. 18.08.2004
Az: 7 W (pat) 43/02


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/9b19dbf95c4b/BPatG_Beschluss_vom_18-August-2004_Az_7-W-pat-43-02




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share