Oberlandesgericht München:
Beschluss vom 15. Juni 2011
Aktenzeichen: 34 SchH 12/10

(OLG München: Beschluss v. 15.06.2011, Az.: 34 SchH 12/10)

Tenor

I. Als Vorsitzender der jeweiligen Schlichtungsstelle in den Schlichtungsverfahren zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin zu 1 sowie der Antragsgegnerin zu 2 wird bestellt:

...

Die Zahl der Beisitzer wird auf je zwei vom Antragsteller und von den Antragsgegnerinnen zu benennende Personen festgesetzt.

II. Von den gerichtlichen Kosten des Bestellungsverfahrens tragen der Antragsteller die Hälfte und die Antragsgegnerinnen jeweils ein Viertel. Ihre eigenen außergerichtlichen Kosten tragen die Parteien selbst.

III. Der Streitwert wird auf 100.000 € (2 x 50.000 €) festgesetzt.

Gründe

I.

Das Verfahren betrifft gerichtliche Maßnahmen zur Einrichtung und Besetzung der nach § 36a Abs. 3 UrhG vorgesehenen Schlichtungsstelle für die Aufstellung gemeinsamer Vergütungsregeln zwischen Vereinigungen von Urhebern und Werknutzern.

1. Der Antragsteller, ein eingetragener Verein mit Sitz in München, wurde 1980 als Berufsverband der freischaffenden, bildgestaltenden Kameraleute in Deutschland gegründet. Er hat über 500 Mitglieder. Zweck des Vereins ist gemäß § 1 der Satzung (Anlage K 1) u. a. die Interessenvertretung gegenüber Rundfunk- und Fernsehanstalten, der Filmwirtschaft, den Gewerkschaften, den Ministerien und gesetzlichen Körperschaften, sowie die Ausübung von Rechten und Pflichten, welche dem Kompetenzbereich von Urhebervereinigungen gesetzlich zugewiesen sind, insbesondere nach dem Urhebervertragsrecht, wie z. B. das Aufstellen gemeinsamer Vergütungsregeln gemäß § 36 UrhG.

Die Antragsgegnerinnen sind in der Rechtsform der GmbH Produzenten von Kino- und Fernsehfilmen bzw. -serien. Nachdem der Antragsteller am 11.2.2010 zunächst an die Muttergesellschaft der Antragsgegnerinnen - die Antragsgegnerin zu 2 ist wiederum eine Tochtergesellschaft der Antragsgegnerin zu 1 - herangetreten war mit dem Ziel, Verhandlungen zur Aufstellung gemeinsamer Vergütungsregeln nach § 36 UrhG aufzunehmen, wandte er sich am 23.6.2010 auch an die beiden Antragsgegnerinnen und forderte sie u. a. auf, mit ihm in Verhandlungen über gemeinsame Vergütungsregelungen einzutreten. Die Antragsgegnerinnen verwiesen mit Schreiben vom 30.6.2010 auf Gespräche, die ein Verband deutscher Produktionsunternehmen aus dem Unterhaltungsbereich - dessen Mitglieder die Antragsgegnerinnen sind - mit einer Dienstleistungsgewerkschaft aufgenommen habe. Unter dem 31.8.2010 verlangte der Antragsteller ausdrücklich die Durchführung des Schlichtungsverfahrens gemäß § 36a Abs. 1 UrhG und fügte den Schreiben an beide Antragsgegnerinnen jeweils einen identischen Vorschlag über die Aufstellung gemeinsamer Vergütungsregeln bei. Gleichzeitig unterbreitete er Vorschläge für die Person des Vorsitzenden der Schlichtungsstelle und die Anzahl der Beisitzer. Die Antragsgegnerinnen erklärten hierauf, sie sähen die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens als überflüssig an. Der Ergänzungstarifvertrag, der derzeit verhandelt werde, sei umfassend anwendbar.

2. Der Antragsteller beantragt nunmehr beim Oberlandesgericht

gegenüber der Antragsgegnerin zu 1 wie gegenüber der Antragsgegnerin zu 2 die Person des Vorsitzenden der nach § 36a Abs. 1 UrhG zu bildenden Schlichtungsstelle zu bestellen und

die Zahl der Beisitzer zu bestimmen.

Der Antragsteller schlägt vor, die Zahl der Beisitzer auf jeweils zwei, also insgesamt je vier, festzulegen. Zur Person des/der Vorsitzenden hat er Vorschläge unterbreitet.

Die Antragsgegnerinnen beantragen jeweils

den Antrag auf Bestellung eines/einer Vorsitzenden einer Schlichtungsstelle abzulehnen.

Hilfsweise unterbreiten sie ihrerseits - abweichende - Personalvorschläge und schlagen vor, die Zahl der Beisitzer auf je drei von der Antragstellerin und von den Antragsgegnerinnen zu benennende Personen festzusetzen.

3. Die Antragsgegnerinnen halten die Voraussetzungen für die Bildung einer Schlichtungsstelle gemäß § 36a UrhG nicht für gegeben, da es an den Zulässigkeitsvoraussetzungen für das Schlichtungsverfahren gemäß § 36 Abs. 2 und 3 Satz 2 UrhG fehle:

a) Eine einseitige Verfahrenseröffnung könne nur dann erzwungen werden, wenn binnen dreier Monate, nachdem eine Partei schriftlich die Aufnahme von Verhandlungen verlangt habe, die Verhandlungen über gemeinsame Vergütungsregelungen gescheitert seien (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 UrhG). Die Antragsgegnerinnen hätten die Aufnahme von Gesprächen jedoch nicht abgelehnt, sondern wiederholt ihre Gesprächsbereitschaft ausdrücklich bekundet. So sei mit Schreiben vom 8.6.2010 auf Verhandlungen mit einem verhandlungsbereiten Verband verwiesen worden. Entsprechend sei noch einmal am 10.9.2010 die Gesprächsbereitschaft unter der Ankündigung, diesen Verband mit den Verhandlungen beauftragen zu wollen, bekräftigt worden. Sie könnten einen Dritten bestimmen, für sie etwaige Gespräche mit dem Antragsteller zu führen. Der Antragsteller habe dies nicht aufgegriffen.

Beide Antragsgegnerinnen seien Mitglied des bezeichneten Verbandes. Der Antragsteller verfolge mit dem von ihm angestrebten Bestellungs- bzw. Schlichtungsverfahren zwar ein rechtsschutzwürdiges Interesse, nämlich die Aufstellung gemeinsamer Vergütungsregeln, könne den angestrebten Erfolg aber auf einfachere und effektivere Art und Weise erreichen, indem er die Gespräche mit dem verhandlungsbereiten Verband aufnehme. Auf diese Weise könne der Antragsteller einheitliche branchenweite Vergütungstandards etablieren, ohne dass die Reichweite der Angemessenheitsfiktion dadurch relativiert würde, dass die Vergütungsregel bloß ihnen gegenüber, zwei Einzelnutzern, zustande käme. Solche Gespräche zur Herbeiführung einer verallgemeinerungsfähigen Branchenlösung habe der Antragsteller jedoch abgelehnt. Die Inanspruchnahme einzelner Verwerter sei subsidiär. Vorrang habe wegen der bezweckten Indizwirkung für die gesamte Branche die Vereinbarung gemeinsamer Vergütungsregeln mit Branchenvereinigungen. Der Gesetzgeber setze primär auf eine möglichst aktive Rolle der Werknutzervereinigungen, um möglichst flächendeckende Vergütungsregelungen zu erzielen; nur wenn entsprechende Verhandlungen ohne Ergebnis blieben, könne hilfsweise eine Öffnung über Verhandlungen mit einzelnen Werknutzern stattfinden. Eine separate Inanspruchnahme wäre folglich nur zulässig gegenüber einzelnen Werknutzern, die keiner Vereinigung im Sinn von § 36 Abs. 2 UrhG angehörten, oder wenn die Branchenvereinigung Verhandlungen ohne vernünftigen Grund ablehne.

Die Verwicklung verbandsangehöriger Verwerter zur Erzwingung von "Hausvergütungsregeln" sei rechtsmissbräuchlich, wenn nicht sogar ein Verstoß gegen die positive Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG).

b) In Tarifverträgen enthaltene Entgeltbestimmungen gingen nach § 36 Abs. 1 Satz 3 UrhG gemeinsamen Vergütungsregeln vor. Angesichts derzeit stattfindender Verhandlungen über einen auch die Gewerke der Kameraleute umfassenden (Ergänzungs-) Tarifvertrag wären daher parallele Verhandlungen über das gleiche Thema im Rahmen eines Schlichtungsverfahrens nicht notwendig. Mit einem Abschluss des Ergänzungstarifvertrags könne im Jahre 2011 gerechnet werden. Sie hätten eine Tarifmitgliedschaft gewählt, wären also an einen Ergänzungstarifvertrag gebunden. Der tarifvertragliche Vorrang mache das Begehren eines parallelen Schlichtungsverfahrens unzulässig und rechtsmissbräuchlich, da auch dieses an die gesetzlich angeordnete Angemessenheitsvermutung des Tarifvertrages gebunden wäre. Unerheblich sei, dass nicht alle Mitwirkenden einer Filmproduktion der Tarifgebundenheit unterlägen. Die weit überwiegende Mehrheit der Produktionsfirmen, so auch die Antragsgegnerinnen, vereinbarten mit ihren auf Produktionsdauer beschäftigten Mitarbeitern individualvertraglich die Einbeziehung der einschlägigen Tarifverträge. Damit würden zwingend auch die Vergütungsbestimmungen des Tarifvertrags Gegenstand der Anstellungsverträge, so dass diese Mitarbeiter auch ohne Tarifbindung in den Genuss der gegenwärtigen und zukünftigen tariflichen und somit angemessenen Vergütungsbestimmungen kämen.

Der Tarifvorrang gemäß § 36 Abs. 1 Satz 3 UrhG gelte unabhängig von der Tarifgebundenheit der Parteien. Die Anwendbarkeit und der Vorrang von in Tarifverträgen enthaltenen Entgeltbestimmungen ergebe sich unmittelbar aus der staatlichen Geltungsanordnung des § 36 Abs. 1 Satz 3 UrhG. Wegen der zwingenden gesetzlichen Angemessenheitsvermutung sei es unerheblich, ob ein Urheber, der eine Vergütung in Höhe der tarifvertraglich vereinbarten Vergütung erhalte, selbst tarifgebunden sei. Auch der Schlichter könne keine über die tarifvertragliche Regelung hinausgehende Vergütungsregel vorschlagen.

c) Der Antragsteller verlange in seinem Vorschlag über weite Strecken die Festlegung einer angemessenen Vergütung im Sinn des § 32 UrhG. Er beschränke sich nicht auf die Regelung eines Fairnessausgleichs im Sinn des § 32a UrhG. Über bei Film- und Fernsehproduktionen auf angestellte Kameraleute zu zahlende Vergütungen seien aber zwischen den Produzentenverbänden einerseits und einer Gewerkschaft andererseits mit Wirkung ab dem 1.1.2010 ein wirksamer Manteltarifvertrag sowie ein besonderer Gagentarifvertrag abgeschlossen worden. Aus der Tabelle des Gagentarifvertrags gehe hervor, dass Kameraleute die mit deutlichem Abstand höchste Gage aller dort aufgeführten Film- und Fernsehschaffenden erhielten. Damit liege eine tarifvertragliche Regelung der angemessenen Vergütung für diese Gruppe vor. Darüber dürfe sich auch ein Schlichter nicht hinwegsetzen. Höchst hilfsweise werde beantragt, das Schlichtungsverfahren auf die Festlegung von Vergütungen im Falle eines außergewöhnlichen Erfolgs im Sinne des § 32a Abs. 1 UrhG zu beschränken.

d) Wegen der für angestellte Kameraleute bereits geltenden tariflichen Regelungen und der derzeit schwebenden Verhandlungen mit einer Gewerkschaft über gemeinsame Vergütungsregeln könnten eigenständige gemeinsame Vergütungsregeln allenfalls noch bei selbständigen Kameraleuten von Bedeutung sein. Der Antragsteller habe keinen Nachweis erbracht, dass selbständige Kameraleute eine relevante Gruppe innerhalb seines Verbands darstellten.

e) Der Antrag sei zudem schon deshalb unzulässig, weil die gesetzlich erforderliche Vorlage eines Vorschlags zur Aufstellung gemeinsamer Vergütungsregeln durch einen offensichtlich untauglichen Regelungsvorschlag nicht erfüllt werden könne. Der Vorschlag des Antragstellers sei ungeeignet, da es diesem an der Aktivlegitimation zur Verhandlung und zur Aufteilung des in dem Vorschlag vorgesehenen "Filmurheberanteils" zwischen der Vielzahl der bei einer Filmproduktion involvierten Urhebergruppen mangele. Die fehlende Aktivlegitimation zur Verhandlung über seinen eigenen Vorschlag habe der Antragsteller selbst eingeräumt.

f) Sie seien nicht passivlegitimiert, da sie über keine hinreichend große Marktmacht verfügten, die sie als geeignete "einzelne Werknutzer" qualifizieren würden. Von 150 im Jahre 2009 in Deutschland angelaufenen deutschen Spielfilmen seien lediglich vier Eigenproduktionen und weitere sieben Coproduktionen unter Beteiligung der Antragsgegnerin zu 1, von geschätzten 180 im Jahr 2009 in Deutschland produzierten deutschen TV-Spielfilmen lediglich vier Eigenproduktionen unter Beteiligung der Antragsgegnerin zu 2 hergestellt worden. Dem Antragsteller gehe es allein darum, den zur Aufstellung gemeinsamer Vergütungsregeln bevollmächtigten Verband als Verhandlungspartner zu umgehen und Vergütungsregeln gegenüber einem einzelnen Marktteilnehmer ohne Marktrelevanz durchzusetzen. Dies sei missbräuchlich.

g) Über die Zulässigkeit des Antrags habe das Oberlandesgericht selbst zu befinden. Das Verfahren betreffe nicht nur die Bestellung des Vorsitzenden der Schlichtungsstelle und die Bestimmung der Anzahl der Beisitzer, vielmehr sei in entsprechender Anwendung von § 1062 Abs. 1 Nr. 2, § 1032 Abs. 2 ZPO auch über die sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen für das Schlichtungsverfahren zu entscheiden.

4. Der Antragsteller führt hierzu im Wesentlichen aus:

a) Sein Rechtsschutzbedürfnis ergebe sich aus dem Gesetz selbst. Unstreitig sei, dass die Antragsgegnerinnen trotz schriftlicher Aufforderung mit Terminsvorschlägen keine Verhandlungen begonnen hätten.

b) Die Antragsgegnerinnen könnten nicht auf einen anderen Werknutzer oder eine andere Vereinigung verweisen. Das Gesetz sehe eine Verhandlungsverpflichtung mit einem Dritten nicht vor. Ob die Antragsgegnerinnen berechtigt seien, einen Dritten zu bestellen, für sie Gespräche zu führen, sei unbeachtlich. Bereits nach deren eigenen Vortrag sei niemand mit einer entsprechenden Vertretung beauftragt worden.

c) Es gebe keine Vorrangwirkung von Vereinbarungen über gemeinsame Vergütungsregelungen mit Branchenvereinigungen. Der Senat müsse sich mit dieser Frage auch nicht befassen. Es bestehe keine Subsidiarität von mit einzelnen Werknutzern ausgehandelten Vergütungsregelungen; diese und solche mit Vereinigungen von Werknutzern stünden nebeneinander. Vorliegend gehe es auch nicht darum, dass verbandsangehörige Verwerter trotz mit dem Verband bereits abgeschlossener Vergütungsregeln vor erneuter separater Inanspruchnahme geschützt werden müssten.

d) Ob und mit wem der Verband inzwischen Verhandlungen aufgenommen habe, sei unbeachtlich.

e) Das Verfahren sei auch nicht entbehrlich. Zwar gingen in Tarifverträgen enthaltene Regelungen gemeinsamen Vergütungsregeln vor. Entsprechend bindende Tarifverträge gebe es für die Beteiligten allerdings nicht und könnten ausschließlich für tarifgebundene Personen gelten und daher auch nur insoweit Vorrang genießen. § 36 Abs. 1 Satz 3 UrhG normiere kein Verbot, gemeinsame Vergütungsregeln aufzustellen. Es bleibe den Parteien vielmehr unbenommen, individuell gemeinsame Vergütungsregeln, auch mittels Schlichtungsverfahren, aufzustellen und darin ihre besonderen Belange zu berücksichtigen. Der Vorrang gelte auch nur dann, wenn der Tarifvertrag für jede konkrete Werknutzung eine Vergütung vorsehe.

Selbst wenn es auch zu einem tarifvertraglichen Abschluss käme, wären allenfalls die Mitglieder des Verbandes der Produzenten an ein solches Verhandlungsergebnis gebunden, nicht aber die Mitglieder des Antragstellers. Infolgedessen wären auch die Antragsgegnerinnen nicht verpflichtet, gegenüber seinen Mitgliedern die Regelungen eines - hypothetischen - Ergänzungstarifvertrags anzuwenden. Dies würde in jedem Einzelfall Tarifgebundenheit voraussetzen. Daran würde eine individualvertragliche Einbeziehung der auf Produktionsdauer beschäftigten Mitarbeiter nichts ändern. Zu einer entsprechenden Übung bestünde keine rechtliche Verpflichtung.

f) Dies gelte auch hinsichtlich tarifvertraglicher Regelungen über Mindestgagen, der ohnehin nur tarifgebundene Parteien erfasse. Mit diesen würde jedoch nur die Arbeitsleistung abgegolten, nicht aber eine "angemessene Vergütung" (§ 32 UrhG) oder "weitere angemessene Beteiligung" (§ 32a UrhG). Die Gagentarife bzw. der zugehörige Tarifvertrag beträfen ausschließlich die Arbeitsbedingungen und Arbeitsleistungen der Filmschaffenden. Sie befassten sich nicht mit einer für die Rechtseinräumung für unterschiedliche Nutzungsarten zu leistende angemessene Vergütung/Beteiligung.

g) Der eigene Regelungsvorschlag sei nicht untauglich. Der Antragsteller beabsichtige nicht, für andere Berufsgruppen Verhandlungen zu führen. Es bedürfe lediglich des Vorliegens eines Regelungsvorschlags, gleich in welcher Form, wobei sogar ein Entwurf als ausreichend angesehen werde. Das Durchführungsverlangen wäre auch ohne Vorschlag wirksam, da ein solcher nachgereicht werden könne.

h) Marktmacht sei keine Voraussetzung für die Inanspruchnahme eines einzelnen Werknutzers. Im Übrigen bestimmten die Antragsgegnerinnen das Film- und Fernsehproduktionsgeschehen in Deutschland seit Jahrzehnten maßgeblich.

5. Die Antragsgegnerinnen haben zwischenzeitlich Klage beim Landgericht München I auf Feststellung der Unzulässigkeit des Schlichtungsverfahrens erhoben. Sie beantragen deshalb, das Bestellungsverfahren bis zur Entscheidung des Landgerichts München I auszusetzen.

II.

Dem Antrag des Antragstellers ist stattzugeben.

1. Das Oberlandesgericht München ist gemäß § 36a Abs. 3 Satz 1 UrhG i. V. m. § 1062 Abs. 3 ZPO für die Entscheidung zuständig. Der Antragsteller als auch beide Antragsgegnerinnen haben ihren Sitz in München.

2. Die beantragte Aussetzung des Verfahrens kommt nicht in Betracht. Gemäß § 148 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits aussetzen. Die Antragsgegnerinnen haben Klage auf Feststellung der Unzulässigkeit des Schlichtungsverfahrens erhoben. Über die Aussetzung ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (vgl. Reichold in Thomas/Putzo ZPO 32. Aufl. § 148 Rn. 2). Der Rechtsstreit vor dem Landgericht über die negative Feststellungsklage ist zwar vorgreiflich. Wenn bei offensichtlicher Unzulässigkeit des Schlichtungsverfahrens eine Bestellung nach § 36a UrhG zu unterbleiben hat, so gilt dies um so mehr, wenn durch rechtskräftiges Urteil die Unzulässigkeit festgestellt ist (vgl. Senat vom 15.7.2010, 34 SchH 014/09, bei juris). Da sich aber gemäß der folgenden Erwägungen keine Anhaltspunkte für die Unzulässigkeit eines Schlichtungsverfahrens zeigen, die negative Feststellungsklage erst jüngst anhängig gemacht wurde und nicht absehbar ist, wann dort eine endgültige Entscheidung ergehen wird, erscheint die Aussetzung als nicht zweckmäßig.

363. Der Antragsteller beantragt gegenüber zwei Antragsgegnerinnen, jeweils die Person des Vorsitzenden der Schlichtungsstelle zu bestellen und die Zahl der Beisitzer zu bestimmen (vgl. § 36a Abs. 3 Satz 1 UrhG). Da zur Aufstellung gemeinsamer Vergütungsregeln Vereinigungen von Urhebern mit Vereinigungen von Werknutzern oder einzelnen Werknutzern eine Schlichtungsstelle bilden können, die Antragsgegnerinnen zu 1 und 2 aber keine derartige Vereinigung bilden, kann nur im jeweiligen Verhältnis zu jeder der beiden Antragsgegnerinnen der Vorsitzende der Schlichtungsstelle - genau genommen also die Person des Vorsitzenden für zwei Schlichtungsstellen - bestellt werden. Dies ist so beantragt und steht (vgl. auch §§ 59, 60 ZPO) der Bestimmung in einem Verfahren nicht entgegen, wofür auch die Verfahrenswirtschaftlichkeit spricht.

4. Die von beiden Antragsgegnerinnen gleichlautend erhobenen Einwendungen hindern eine positive Entscheidung über die Anträge nicht. Dabei kann offen bleiben, ob der Meinung des Kammergerichts zu folgen ist, dass nur dann, wenn die Unzulässigkeit des Schlichtungsverfahrens ganz offensichtlich ist, die gerichtliche Bestimmung nach § 36a Abs. 3 UrhG abzulehnen ist (vgl. KG OLG-Report 2006, 119). Denn eine endgültige Entscheidung über die Voraussetzungen des § 36 Abs. 3 UrhG für die Einleitung eines Verfahrens zur Aufstellung gemeinsamer Vergütungsregelungen kann im Bestellungsverfahren nicht stattfinden (vgl. KG aaO.; Senat vom 15.7.2010, 34 SchH 014/09). Dies kann im Verfahren zur Bestellung des Vorsitzenden einer Schlichtungsstelle nicht anders zu beurteilen sein als im gerichtlichen Verfahren zur Schiedsrichterbestellung (§ 1035 ZPO). Diese Vorschrift ist zwar in § 36a Abs. 2 UrhG nicht ausdrücklich genannt. Die Verfahrenslage ist aber die selbe. Die Frage der Zulässigkeit stellt eine Vorfrage dar, die nicht mit Bindungswirkung entschieden werden kann (vgl. Musielak/Voit ZPO 8. Aufl. § 1035 Rn. 11). Dazu steht im Schiedsverfahren eine andere Möglichkeit zur Verfügung (§ 1032 Abs. 2 ZPO; vgl. Senat vom 4.9.2006, 34 SchH 006/06 = OLG-Report 2006, 869). Welcher Weg im Verfahren nach §§ 36, 36a UrhG zu beschreiten ist, ist umstritten; die Antragsgegnerinnen haben negative Feststellungsklage beim Landgericht erhoben. Ob dafür (auch) eine (Annex-) Zuständigkeit des Oberlandesgerichts besteht, braucht nicht geprüft zu werden, da der entsprechende Antrag zurückgenommen wurde. Das auf eine zügige Bildung der Schlichtungsstelle gerichtete Bestellungsverfahren ist für die endgültige Entscheidung über die Zulässigkeitsfrage - unter Umständen nach einer Beweisaufnahme - ersichtlich ungeeignet.

Der Senat hat also im Rahmen einer kursorischen Offensichtlichkeitsprüfung festzustellen, ob die Voraussetzungen gemäß den § 36 Abs. 2 und 3 Satz 2, § 36a Abs. 4 UrhG erfüllt sind (vgl. Dreier/Schulze UrhG 3. Aufl. § 36a Rn. 7 und Rn. 9; enger Wandtke/Grunert in Wandtke/Bullinger UrhG 3. Aufl. § 36 Rn. 26, die die Prüfungskompetenz wohl dem gerichtlichen Feststellungsverfahren zuweisen wollen).

Die von den Antragsgegnerinnen erhobenen Einwände sind entweder vom Gericht nicht zu prüfen oder treffen ersichtlich nicht zu.

a) Es besteht kein Zweifel daran, dass der Antragsteller die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 UrhG erfüllt.

b) Die Antragsgegnerinnen haben Verhandlungen über gemeinsame Vergütungsregeln nicht geführt (vgl. § 36 Abs. 3 Satz 2 UrhG). Vielmehr haben sie den Antragsteller auf Verhandlungen mit einem Verband, dem sie angehören, verwiesen. Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 3 Satz 2 UrhG lägen nur dann nicht vor, wenn sich der Antragsteller geweigert hätte, mit einem von den Antragsgegnerinnen bestimmten Vertreter zu verhandeln. Denn es steht selbstverständlich jeder Partei, von Ausnahmen abgesehen, frei, sich rechtsgeschäftlich vertreten zu lassen (§§ 164 ff. BGB); der Gegner kann keinen Einfluss darauf nehmen, durch wen sich der Verhandlungspartner vertreten lässt. So liegt der Fall aber nicht. Nach den Vorstellungen der Antragsgegnerinnen soll der Gegner im Verfahren jeweils nicht eine der Antragsgegnerinnen sein, sondern ein Verband, dem beide angehören. Sie selbst wollen gerade kein Verfahren führen. Sie haben sich auch selbst auf die Verhandlungen nicht eingelassen. Damit sind die formellen Voraussetzungen des § 36 Abs. 3 Satz 2 UrhG gegeben. Die Vorschrift stellt nicht die negative Voraussetzung auf, dass Verhandlungen nicht mit einer Vereinigung geführt werden können, der der Verhandlungspartner angehört und die zur Aufstellung gemeinsamer Vergütungsregeln ermächtigt sind. In Frage stehen könnte zwar die positive Koalitionsfreiheit (vgl. Art. 9 Abs. 3 GG). Diese wird aber nicht dadurch beeinträchtigt, dass entgegen dem Willen von Werknutzern über Vergütungsvereinbarungen mit einem einzelnen von ihnen verhandelt werden soll, nicht mit allen in einer Vereinigung zusammengeschlossenen Unternehmen (vgl. Thüsing GRUR 2002, 203/206). Dem Verband, dem die Antragsgegnerinnen angehören, ist es seinerseits nämlich nicht verwehrt, in Verhandlungen mit dem Antragsteller einzutreten. Ob dies dann zur Unzulässigkeit der hier beabsichtigten Schlichtungsverfahren führt, kann offen bleiben, da der Verband mit dem Antragsteller kein Verfahren führt. Im Übrigen kann der Antragsteller zwar die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens verlangen. Beide Seiten können aber dem daraufhin ergehenden Vorschlag wiedersprechen.

Der betreffenden Branche der Werknutzer bleibt es in all diesen Fällen unbenommen, über einen Vereinigung auf eine weitere Vergütungsregel mit oder ohne Einigungsvorschlag hinzuwirken und die bisherige Regel auf diese Weise zu überprüfen (vgl. Dreier/Schulze § 36 Rn. 8).

c) In Tarifverträgen enthaltene Entgeltbestimmungen gehen nach § 36 Abs. 1 Satz 3 UrhG gemeinsamen Vergütungsregeln vor. Dies gilt auch für arbeitnehmerähnliche Personen. Für selbstständige Kameraleute gilt dies grundsätzlich nicht (vgl. z.B. Dreier/Schulze § 36 Rn. 14). Inwieweit die Schlichter an eine Angemessenheitsvermutung des Tarifvertrags - soweit er überhaupt Regelungen enthält - gebunden sind, ist im Rahmen des Schlichtungsverfahrens zu prüfen. Soweit die Antragsgegnerinnen vorbringen, dass die weit überwiegende Mehrheit, so auch sie, individualvertraglich mit ihren auf Produktionsdauer beschäftigten Mitarbeitern die Einbeziehung der einschlägigen Tarifverträge vereinbaren, spielt dies ebenfalls keine Rolle, weil eine solche Übung jederzeit wieder aufgehoben werden kann.

d) Die den Regelungsvorschlag betreffenden Bedenken der Antragsgegnerinnen können ebenfalls nicht durchgreifen. § 36a Abs. 4 UrhG dient einer Beschleunigung des Schlichtungsverfahrens; die Schlichtungsstelle soll nicht ohne einen vorhandenen Vorschlag die Arbeit aufnehmen (vgl. Wandtke/Grunert § 36 Rn. 8). Es wird sogar die Meinung vertreten, dass das Durchführungsverlangen auch ohne derartigen Vorschlag wirksam wäre. Der Vorschlag muss zwar grundsätzlich alles enthalten, was geregelt werden soll, was aber nicht ausschließt, ihn nachträglich zu ergänzen (vgl. Dreier/Schulze § 36a Rn. 10). Ob ein völlig unsubstantiierter und abwegiger Vorschlag die Voraussetzungen des § 36a Abs. 4 UrhG erfüllt, kann offen bleiben, da ein solcher ersichtlich nicht vorliegt. Einzelne Einwendungen können ihn zumindest nicht unwirksam machen, da die Vergütungsregeln erst von der Schlichtungsstelle erarbeitet und beschlossen werden, der Vorschlag also nur absteckt, was geregelt werden soll (vgl. Dreier/Schulze aaO.). Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, weshalb die Berücksichtigung des Anspruchs anderer Urheber bei der Definition der angemessenen Vergütung für die Mitglieder des Antragstellers der Wirksamkeit des Vorschlags entgegenstehen sollte.

e) Während auf Seiten der Urheber nur Verbände handlungsfähig sind, kommen nach § 36 Abs. 1 UrhG auf Seiten der Verwerter auch einzelne Werknutzer in Betracht. Dies ist etwa dann sinnvoll, wenn sich auf Seiten der Werknutzer keine Einigung über die Verhandlungen erzielen lässt oder wenn es sich um einzelne Unternehmen mit großer Marktmacht handelt (vgl. Wandtke/Grunert § 36 Rn. 16). Die Frage, ob das Verfahren aus der Sicht der Parteien sinnvoll ist, hat nicht das Gericht im Bestellungsverfahren zu beurteilen. § 36 Abs. 2 UrhG stellt zwar Anforderungen an die Vereinigungen der Urheber und Werknutzer. Sie gelten aber nicht für den einzelnen Werknutzer. Dieser muss weder repräsentativ noch unabhängig sein. Etwaige Verfälschungen, die sich dafür im Zusammenhang mit der Vermutung der Angemessenheit der Vergütungsregeln ergeben, kann die betreffende Branche der Werknutzer über ihre Vereinigung beseitigen, indem sie auf weitere Vergütungsregeln hinwirkt (vgl. Dreier/Schulze § 36 Rn. 8).

464. Der Senat bestellt zum Vorsitzenden der jeweiligen Schlichtungsstelle den Präsidenten des Landgerichts L., Herrn Karl W. Nach den gesetzlichen Vorgaben muss der Vorsitzende unparteiisch sein, also unabhängig und im Verhältnis zu den Parteien weisungsungebunden (§ 36a Abs. 2, Abs. 3 UrhG; vgl. Wandtke/Grunert § 36a Rn. 6; Dreier/Schulze § 36a Rn. 5). Der vom Senat bestimmte Vorsitzende erfüllt als aktiver Richter diese Voraussetzungen. Er gewährleistet in besonderem Maße einen geordneten Verfahrensablauf und die notwendige Abstimmung im Gremium der Schlichtungsstelle. Wegen der Begründungspflicht (vgl. Dreier/Schulze § 36 Rn. 33) muss der Vorsitzende auch die Fähigkeit haben, einen Einigungsvorschlag zu begründen oder dessen hinreichende Begründung zu überprüfen (Dreier/Schulze § 36a Rn. 5). Diese Eigenschaften können bei der Auswahlentscheidung des Senats vorausgesetzt werden, zumal die ausgewählte Person als früherer Vorsitzender eines Urheberrechtssenats des Oberlandesgerichts über praktische und theoretische Kenntnisse auf diesem Rechtsgebiet verfügt. Soweit er in seiner Anhörung darauf hingewiesen hat, dass er nicht über nähere Branchenkenntnisse im Bereich Filmproduktion und -finanzierung verfüge, ist dies unschädlich. Notwendig sind die oben genannten Qualifikationen. Die näheren Branchenkenntnisse werden durch die von den Parteien zu benennenden Beisitzer in das Gremium eingebracht (vgl. Dreier/Schulze § 36a Rn. 6).

Der Senat hat die übrigen Vorschläge der beteiligten Parteien in seine Erwägungen mit einbezogen. Sämtliche Personen sind in ihrer persönlichen wie fachlichen Reputation unangreifbar und erscheinen ebenso wie Herr W. generell geeignet zur Übernahme der in Rede stehenden Funktion. Der Senat hat mit der Auswahl jedoch dem Umstand, dass die Parteien den Richter W. durch öffentliche/wissenschaftliche Äußerungen nicht der einen oder anderen Seite der beteiligten Kreise zurechnen, in besonderem Maße Rechnung tragen wollen. Er hält dies im gegebenen Fall für verfahrensförderlich.

48b) Dem Senat erscheint die Bestellung von jeweils zwei Beisitzern auf beiden Seiten als angemessen und ausreichend (§ 36a Abs. 3 Satz 2 UrhG). Auch innerhalb des Antragstellers dürften verschiedene Gruppen nicht durchwegs deckungsgleiche Interessen aufweisen, wie sich aus den Darlegungen beider Parteien ergibt. Daher ist die Bestellung von lediglich einem Beisitzer auf beiden Seiten, wenn komplexe Branchenkenntnisse notwendig sind, meist ungeeignet. Der Senat sieht aber auch keinen Anlass, über die vom Antragsteller vorgeschlagene Anzahl von Beisitzern hinauszugehen. Dafür spricht, dass dieser selbst am besten abschätzen kann, in welchem Umfang sich seine Interessen in der Schlichtungsstelle abdecken lassen. Bei den Antragsgegnerinnen handelt es sich um Einzelunternehmen als Werknutzer, deren Repräsentation mit jeweils zwei Vertretern ausreichend gesichert erscheint. Dafür sprechen ferner die größere Übersichtlichkeit und bessere Handlungsfähigkeit des Gremiums.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 36a Abs. 6 Satz 1 und 2 UrhG. Die Kosten des Bestellungsverfahrens sind so zu verteilen wie diejenigen des Schlichtungsverfahrens selbst (Senat vom 3.3.2011, 34 SchH 9/09).

Streitwert: § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 36a Abs. 3 Satz 3 UrhG i.V.m. § 1065 ZPO).






OLG München:
Beschluss v. 15.06.2011
Az: 34 SchH 12/10


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