Bundespatentgericht:
Beschluss vom 31. August 2010
Aktenzeichen: 8 W (pat) 27/06

(BPatG: Beschluss v. 31.08.2010, Az.: 8 W (pat) 27/06)

Tenor

1.

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 23 B vom 27. Juni 2006 aufgehoben und das Patent mit folgenden Unterlagen erteilt:

Patentansprüche 1 -15, Beschreibung Seiten 1, 1a, 1b, 2 -9 und Zeichnungen Figur 1 -5, wie überreicht in der mündlichen Verhandlung.

2.

Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Patentanmeldung 103 51 327.2-14 mit der Bezeichnung "Bohrwerkzeug" ist am 31. Oktober 2003 beim Patentamt angemeldet und nach einem negativ gehaltenem Prüfungsbescheid von dessen Prüfungsstelle für Klasse B 23 B mit Beschluss vom 27. Juni 2006 zurückgewiesen worden, weil der Patentanspruch 1 gegenüber dem Stand der Technik nach der US 3 089 359 (D1) nicht neu sei.

Gegen den Zurückweisungsbeschluss hat die Anmelderin am 7. September 2006 Beschwerde eingelegt. Sie hat in der mündlichen Verhandlung neu gefasste Patentansprüche 1 bis 15 sowie angepasste Beschreibungsunterlagen und Zeichnungen eingereicht.

Die Anmelderin vertritt die Auffassung, das von der Prüfungsstelle entgegengehaltene Bohrwerkzeug nach der D1 weise keine separaten Führungselemente in Form von Führungsleisten auf, so dass es einer erfinderischen Tätigkeit bedurft habe, um zum Anmeldungsgegenstand nach dem geltenden Patentanspruch 1 zu gelangen. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr sei deswegen anzuordnen, weil die Prüfungsstelle im Erstbescheid nur allgemeine Ausführungen zur D1 gemacht und keine näheren Begründungen oder Hinweise auf relevante Textstellen gegeben habe. Weiterhin habe die Prüfungsstelle im Zurückweisungsbeschluss neue Argumente in das Verfahren eingeführt, so dass die Anmelderin keine Gelegenheit gehabt habe, darauf zu erwidern. Dies stelle nach Ansicht der Anmelderin einen schwerwiegenden Verfahrensmangel dar, der die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertige.

Die Anmelderin stellt den Antrag, 1.

den Beschluss der Prüfungsstelle aufzuheben und das Patent im Umfang der in der mündlichen Verhandlung übergebenen Unterlagen zu erteilen, 2.

die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

1. Bohrwerkzeug mit wenigstens einer Schneide und wenigstens einer Spannut, mit folgenden Merkmalen: -ein Schneidkopf (120) weist wenigstens ein Führungselement in Form einer das Bohrwerkzeug während des Bohrvorgangs stabilisierenden geraden Führungsleiste (122) und wenigstens eine geradlinig verlaufende erste Spannut (124) auf, -an den Schneidkopf (120) schließt sich ein wendelförmiger Führungsteil mit wenigstens einem wendelförmig verlaufenden Führungselement (146) in Form einer das Bohrwerkzeug während des Bohrvorgangs stabilisierenden gewendelten Führungsleiste (140) und mit wenigstens einer wendelförmig verlaufenden zweiten Spannut (144) an, die in die erste Spannut (124) mündet.

Der geltende nebengeordnete Patentanspruch 2 lautet:

Bohrwerkzeug mit wenigstens einer Schneide und mit wenigstens einer Spannut gekennzeichnet durch folgende Merkmale: -ein Schneidkopf (220) weist wenigstens ein Führungselement in Form einer das Bohrwerkzeug während des Bohrvorgangs stabilisierenden geraden Führungsleiste (222) und wenigstens eine geradlinig verlaufende erste Spannut (224) auf, -an den Schneidkopf (220) schließt sich ein Zwischenteil (230) mit wenigstens einer wendelförmig verlaufenden zweiten Spannut (234) an, die in die erste Spannut (224) mündet -an den Zwischenteil (230) schließt sich ein Führungsteil (240) mit wenigstens einem Führungselement in Form einer das Bohrwerkzeug während des Bohrvorgangs stabilisierenden geraden Führungsleiste (246) an, welches dem wenigstens einen auf dem Schneidkopf (220) angeordneten Führungselement (222) in Radialrichtung diametral gegenüberliegend angeordnet ist, und mit einer geradlinig verlaufenden dritten Spannut (244), die in die zweite Spannut (234) mündet.

Wegen des Wortlauts der Unteransprüche 3 bis 15 wird auf die Akten Bezug genommen.

Im Prüfungsverfahren sind ferner noch folgende Druckschriften in Betracht gezogen worden:

D2 DE19608185A1 D3 DE7905118U1.

II.

Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig. Sie ist in der Sache auch begründet, denn die Anmeldungsgegenstände nach den jeweils nebengeordneten Ansprüchen 1 und 2 stellen patentfähige Erfindungen im Sinne des PatG § 1 bis § 5 dar.

1. Die Anmeldungsgegenstände nach den nebengeordneten Ansprüchen 1 und 2 betreffen Bohrwerkzeuge mit jeweils wenigstens einer Schneide und wenigstens einer Spannut.

Herkömmliche Bohrwerkzeuge dieser Art sind als Spiralbohrer oder Wendelbohrwerkzeuge mit wendelförmigen Spannuten ausgeführt, deren Wendel sich durchgehend, mit gleichbleibender Steigung von der Schneide bis zum unteren Ende des Schafts erstrecken und deshalb eine optimale Späne-Abfuhr ermöglichen. Nach den Ausführungen auf Seite 2, vorletzter Absatz der geltenden Beschreibungsunterlagen erschließt sich, dass eine solche wendelförmige Anordnung der Spannut den Nachteil hat, dass, im Falle eines Stumpfwerdens der wenigstens einen Schneide, diese schlecht nachgeschliffen werden könne. Andere bekannte, sogenannte Einlippenbohrer haben eine durchgehend geradlinig verlaufende Spannut. Jedoch sei, nach den Ausführungen auf Seite 1, Absatz 3 der geltenden Beschreibungsunterlagen, im Bereich der geradlinig verlaufenden Spannut keine Führung des Einlippenbohrers möglich, weil eine Fläche, an der Führungselemente angeordnet werden können, nicht vorhanden sei. Daher träten bei derartigen Einlippenbohrern während des Bohrvorganges unerwünschte Kippmomente auf, welche die Qualität der mit diesen Bohrern herzustellenden Bohrungen verschlechtern würden.

Die Aufgabe der Patentanmeldung besteht gemäß Seite 2, Absatz 1 der geltenden Beschreibungsunterlagen darin, ein Bohrwerkzeug der beschriebenen Art dahingehend weiterzubilden, dass einerseits beim Bohrvorgang Kippmomente weitestgehend vermieden werden und dass andererseits eine optimale Späne-Abfuhr sowie ein leichtes Nachbearbeiten der Schneiden, insbesondere deren einfaches Nachschleifen, möglich ist.

Die Lösung dieser Aufgabe erfolgt zum einen durch die Merkmale des Patentanspruchs 1, dessen Merkmale sich folgendermaßen gliedern lassen:

1.

Bohrwerkzeug 2.

mit wenigstens einer Schneide und 3.

mit wenigstens einer Spannut;

4.

das Bohrwerkzeug weist einen Schneidkopf (120) auf;

a.

der Schneidkopf (120) hat wenigstens ein Führungselement;

b.

das Führungselement ist in Form einer das Bohrwerkzeug während des Bohrvorgangs stabilisierenden geraden Führungsleiste (122) ausgebildet;

c.

der Schneidkopf (220) hat wenigstens eine geradlinig verlaufende erste Spannut (124);

5.

an den Schneidkopf (120) schließt sich ein wendelförmiger Führungsteil (140) an;

a.

der Führungsteil (140) hat wenigstens ein wendelförmig verlaufendes Führungselement;

b.

das Führungselement ist in Form einer das Bohrwerkzeug während des Bohrvorgangs stabilisierenden gewendelten Führungsleiste (146) ausgebildet;

c.

der Führungsteil (140) hat wenigstens eine wendelförmig verlaufende zweite Spannut (144), die in die erste Spannut (124) mündet.

Zum anderen erfolgt die Lösung der Aufgabe durch die Merkmale des nebengeordneten Patentanspruchs 2, dessen Merkmale sich folgendermaßen gliedern lassen:

1.

Bohrwerkzeug 2.

mit wenigstens einer Schneide und 3.

mit wenigstens einer Spannut;

4.

das Bohrwerkzeug weist einen Schneidkopf (220) auf;

a.

der Schneidkopf (220) hat wenigstens ein Führungselement;

b.

das Führungselement ist in Form einer das Bohrwerkzeug während des Bohrvorgangs stabilisierenden geraden Führungsleiste (222) ausgebildet;

c.

der Schneidkopf (220) hat wenigstens eine geradlinig verlaufende erste Spannut (224);

5.

an den Schneidkopf (220) schließt sich ein Zwischenteil

(230)

an;

a.

der Zwischenteil (230) hat wenigstens eine wendelförmig verlaufende zweite Spannut (234), die in die erste Spannut (224) mündet;

6.

an den Zwischenteil (230) schließt sich ein Führungsteil (240) an;

a.

der Führungsteil (240) hat wenigstens ein Führungselement;

b.

das Führungselement ist in Form einer das Bohwerkzeug während des Bohrvorgangs stabilisierenden geraden Führungsleiste (246) ausgebildet;

c.

das Führungselement ist dem wenigstens einen auf dem Schneidkopf (220) angeordneten Führungselement (222) in Radialrichtung diametral gegenüberliegend angeordnet;

d.

der Führungsteil (240) hat eine geradlinig verlaufende dritte Spannut (244), die in die zweite Spannut (234) mündet.

Gemäß den Ausführungen auf Seite 2, Absatz 3 der geltenden Beschreibungsunterlagen der Patentanmeldung ist es die Grundidee der Erfindung, das Bohrwerkzeug in mehrere Abschnitte zu unterteilen. Die (erste) Ausführungsform des Anmeldungsgegenstands gemäß dem geltenden Patentanspruch 1 beschreibt ein zweiteiliges Bohrwerkzeug mit einem Schneidkopf, der eine geradlinig verlaufende erste Spannut hat und einem Führungsteil, der eine wendelförmig verlaufende zweite Spannut aufweist. Der Führungsteil hat gemäß Merkmal 5a des Patentanspruchs 1 wenigstens ein gewendeltes Führungselement, das in Form einer das Bohrwerkzeug während des Bohrvorgangs stabilisierenden gewendelten Führungsleiste ausgebildet ist.

Gemäß den Ausführungen auf Seite 2, Absatz 4 der geltenden Beschreibungsunterlagen werde durch diese kombinierte Anordnung eine gute Späne-Abfuhr bei gleichzeitig optimaler Führung des Bohrwerkzeugs aufgrund des wendelförmig verlaufenden Führungselements sichergestellt, da das wenigstens eine wendelförmig verlaufende Führungselement auch der geradlinig verlaufenden Spannut gegenüberliegend verlaufe und so eine Kompensation der beim Bohrvorgang entstehenden Kippmomente ermögliche. Dadurch erschließt sich dem Fachmann, einem Diplom-Ingenieur mit zumindest Fachhochschulabschluss und einer mehrjährigen Erfahrung auf dem Gebiet der Konstruktion von Bohrern, dass die wendelförmig verlaufenden Führungselemente das Bohrwerkzeug während des Bohrvorgangs in radialer Richtung stabilisieren, indem sie die auftretenden Kippmomente an der Bohrungswandung abstützen.

Die (zweite) Ausführungsform des Anmeldungsgegenstands gemäß dem geltenden Patentanspruch 2 beschreibt ein dreiteiliges Bohrwerkzeug mit einem Schneidkopf, der eine geradlinig verlaufende erste Spannut hat, einem Zwischenteil, der eine wendelförmig verlaufende zweite Spannut aufweist und einem Führungsteil, der wiederum eine geradlinig verlaufende dritte Spannut hat.

2.

Die geltenden Patentansprüche 1 bis 15 sind zulässig, weil deren Merkmale in den ursprünglichen Unterlagen als zur Erfindung gehörig offenbart sind. Die Patentansprüche 1 und 2 enthalten die Merkmale der ursprünglichen Ansprüche 1 und 2, jeweils ergänzt durch die Merkmale des ursprünglichen Anspruchs 6 sowie die Textstelle aus Seite 6, vorletzter Absatz bzw. Seite 7 erster Absatz der ursprünglichen Beschreibungsunterlagen, wonach die geraden bzw. gewendelten Führungsleisten das Bohrwerkzeug während des Bohrvorgangs stabilisieren.

Die geltenden Patentansprüche 3 bis 15 entsprechen wörtlich den ursprünglichen untergeordneten Ansprüchen.

3.

Das zweifellos gewerblich anwendbare Bohrwerkzeug nach dem geltenden Patentanspruch 1 ist patentfähig.

3.1. Die Neuheit des Anmeldungsgegenstands nach dem geltenden Patentanspruch 1 ist gegeben.

Die Druckschriften D2 und D3 zeigen jeweils einteilige Wendelbohrwerkzeuge, deren Wendel sich durchgehend von der Schneide bis zum unteren Ende des Schafts mit gleichbleibender Steigung erstrecken.

Die D1 zeigt ein zweiteiliges Bohrwerkzeug mit einem Schneidkopf (40), dessen wenigstens eine Spannut geradlinig verläuft, und mit einem unteren Schaftabschnitt (20). Jedoch weist der wendelförmige untere Schaftabschnitt keine Führungselemente auf, die das Bohrwerkzeug während des Bohrvorgangs stabilisieren.

3.2. Der Anmeldungsgegenstand nach dem geltenden Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die D1 zeigt ein zweiteiliges Bohrwerkzeug mit einem Schaftabschnitt (20) und einem Schneidkopf (40), wobei das Bohrwerkzeug insgesamt wenigstens eine Schneide (50) und wenigstens eine Spannut (28; 46) umfasst (Merkmale 1 bis 3 gemäß Patentanspruch 1). Der Schneidkopf (40) weist zwei Führungselemente (hardened inserts 52 und 54) und wenigstens eine geradlinig verlaufende erste Spannut (flute 46) auf (Merkmale 4, 4a und 4b gemäß Patentanspruch 1), wobei die zwei Führungselemente (52, 54) den Schneidkopf radial innerhalb der Bohrung führen und stabilisieren. An den Schneidkopf (40) schließt sich in axialer Richtung der wendelförmige Schaftabschnitt (20) mit wenigstens einer wendelförmig verlaufenden zweiten Spannut (lefthand helical flute 28) an, die in die erste Spannut (flute 46) des Schneidkopfs mündet. Der Bohrer gemäß der D1 verändert nach den Ausführungen in Spalte 2, Zeilen 50 bis 63 aufgrund der Schneidbelastung die Länge seines Schaftes, indem sich der wendelförmiger Schaftabschnitt belastungsbedingt "ein-" bzw. "auswendelt", wodurch die Länge des wendelförmigen Schaftabschnitt verringert bzw. vergrößert wird. Dadurch sollen die Steifigkeit des Bohrers unter hoher Belastung erhöht und Vibrationen beim Bohrvorgang oder gar ein Bruch des Bohrers vermieden werden (Spalte 2, Zeilen 57, 58). Somit führt der Schaftabschnitt (20) den Schneidkopf (40) in axialer Richtung und kann als ein wendelförmiger Führungsteil im Sinne des Merkmals 5 nach Patentanspruch 1 der vorliegenden Patentanmeldung angesehen werden. Der bekannte Bohrer gemäß der D1 weist, wie die Darstellung in Figur 3 beweist, im wendelförmigen Schaftabschnitt (20) einen kreisförmigen Dreiviertel-Querschnitt und daher keine Führungsleisten im Sinne des Anmeldungsgegenstandes auf, die das Bohrwerkzeug während des Bohrvorgangs (radial) stabilisieren. Aus diesem Grund kann die D1 für sich gesehen den Fachmann auch nicht dazu anleiten, über die geraden Führungsleisten am Schneidkopf hinausgehend noch weitere Führungsleisten im wendelförmigen Schaftabschnitt des bekannten Bohrwerkzeugs anzuordnen.

Die D2 zeigt ein mehrschneidiges Wendelbohrwerkzeug mit Hauptund Nebenschneiden und mit wendelförmigen Spannuten (116), deren Wendel sich durchgehend mit gleichbleibender Steigung von den Hauptschneiden entlang den Nebenschneiden bis zum unteren Ende des Schafts erstrecken. Zur Stabilisierung des Werkzeugs gegen schnittkraftbedingte Schwingungen ist die Nebenschneide (118) über eine überwiegende axiale wirksame Länge in Schnittrichtung geneigt und hat somit einen negativen Seitenspanwinkel. Auch die D3 zeigt ein einteiliges Wendelbohrwerkzeug mit Schneide und wendelförmiger Spannut, nämlich einen Einlippenbohrer, wobei am Außenumfang des Bohrkörpers hervortretende Stützleisten (14) ausgebildet sind, die wie die Spanfläche (11) schraubenförmig über die Länge des Einlippenbohrers (10) verlaufen und somit wendelförmig verlaufende Führungselemente bilden. Jedoch sind beide bekannten Bohrer nach der D2 und der D3 einteilig aufgebaut und weisen daher Spannuten auf, deren Wendel sich durchgehend von der Schneide bis zum unteren Ende des Schafts mit gleichbleibender Steigung erstrecken. Aus diesem Grund können diese bekannten Bohrwerkzeuge keinen Beitrag zur Ausgestaltung eines Bohrwerkzeugs leisten, der zwei Abschnitte hat, wobei ein Abschnitt als Schneidkopf mit wenigstens einer geradlinig verlaufenden ersten Spannut sowie einer geraden Führungsleiste ausgebildet ist und ein zweiter Abschnitt wendelförmige Spannuten sowie wendelförmig verlaufende Führungselemente in Form von gewendelten Führungsleisten aufweist.

Insbesondere führt auch eine Zusammenschau der D3, die an den wendelförmigen Spannuten angrenzende Stützleisten (14) und somit wendelförmig verlaufende Führungselemente hat, mit der D1 nicht zum Anmeldungsgegenstand, da bei einem Bohrwerkzeug nach der D1 jegliche Verstärkungen, wie es Stützleisten sind, die dort gewünschte Längenveränderlichkeit nachteilig beeinflussen würden.

Der Fachmann würde daher bei der D1 im Schaftbereich keine wendelförmig verlaufenden Führungselemente in Form von gewendelten Führungsleisten vorsehen.

Der entgegengehaltene Stand der Technik kann daher weder für sich genommen noch in einer Zusammenschau betrachtet einem Fachmann den Anmeldungsgegenstand nach dem geltenden Patentanspruch 1 nahe legen. Nach alledem ist der Gegenstand nach Patentanspruch 1 patentfähig und dieser Anspruch somit gewährbar.

4. Das zweifellos gewerblich anwendbare Bohrwerkzeug nach dem geltenden Patentanspruch 2 ist patentfähig.

4.1. Die Neuheit des Anmeldungsgegenstands nach dem geltenden Patentanspruch 2 ist gegeben, weil keine der Druckschriften D1 bis D3 ein dreiteiliges Bohrwerkzeug, bestehend aus einem Schneidkopf mit einer geradlinig verlaufenden ersten Spannut, einem Zwischenteil mit wenigstens einer wendelförmig verlaufenden zweiten Spannut und mit einem Führungsteil mit einer geradlinig verlaufenden dritten Spannut zum Inhalt hat.

4.2.

Der Anmeldungsgegenstand nach Patentanspruch 2 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Weil keine der Druckschriften D1 bis D3 ein dreiteiliges Bohrwerkzeug zum Inhalt hat, kann keine dieser Druckschriften den Fachmann dazu anleiten, ein dreiteiliges Bohrwerkzeug entsprechend den Merkmalen 1 bis 6d des geltenden Patentanspruchs 2 auszugestalten.

Die beanspruchte Lehre war auch nicht durch einfache fachübliche Erwägungen ohne weiteres auffindbar; vielmehr bedurfte es darüber hinaus gehender Gedanken und Überlegungen, die auf erfinderische Tätigkeit schließen lassen, um zur beanspruchten Lösung zu gelangen. Der geltende Patentanspruch 2 ist daher auch gewährbar.

5.

Zusammen mit den Patentansprüchen 1 und 2 sind auch die auf vorteilhafte Ausgestaltungen und Weiterbildungen des Bohrwerkzeugs gerichteten Ansprüche 3 bis 15 gewährbar.

6.

Dem Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr war nicht stattzugeben. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß § 80 Abs. 3 PatG steht im billigen Ermessen des Gerichts. Sie hat dann zu erfolgen, wenn die Einbehaltung der Gebühr unbillig wäre (st. Rspr., vgl. z. B. BPatGE 26, 17, 22). Die Billigkeit der Rückzahlung der Beschwerdegebühr kann sich insbesondere aus der Sachbehandlung durch das Deutsche Patentund Markenamt ergeben, z. B. aus einer sachlich grob unrichtigen Beurteilung oder einem Verfahrensfehler der Prüfungsstelle oder auch einem Verstoß gegen das Gebot der Verfahrensökonomie.

Im vorliegenden Fall rügt die Anmelderin, der Prüfungsbescheid der Prüfungsstelle sei inhaltlich zu wenig konkret gewesen und der angegriffene Beschluss der Prüfungsstelle sei auf eine Argumentation gestützt, zu der sie -die Anmelderin -sich zuvor nicht habe äußern können. Dieser Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen.

Der Prüfungsbescheid vom 9. Juli 2004 enthält nicht nur einen pauschalen Hinweis auf die von der Prüfungsstelle ermittelte Druckschrift, sondern zudem eine Darstellung der von der Prüfungsstelle für maßgeblich erachteten Merkmale des Patentgegenstands. Mit dem zu dem Merkmal eines wendelförmigen Führungselements durch den Einschub "worunter der Fachmann den Schaft versteht" gegebenen Interpretation hat die Prüfungsstelle die Anmelderin zudem auf einen für die Beurteilung der Patentfähigkeit bedeutsamen Sachverhalt hinreichend deutlich und verständlich hingewiesen, so dass für die Anmelderin die Möglichkeit bestand, hierzu aus ihrer Sicht vor der abschließenden Entscheidung der Prüfungsstelle sachlich Stellung zu nehmen.

Die Prüfungsstelle hat der Zurückweisung der Anmeldung auch keine neuen, im vorangegangenen Prüfungsbescheid nicht genannten Tatsachen und auch keine hiervon abweichende Rechtsauffassung zugrunde gelegt. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Anmelderin oder ein sonstiger schwerwiegender Verfahrensfehler, der die Rückzahlung der Beschwerdegebühr als billig erscheinen lassen könnte, ist bei dieser Sachlage nicht feststellbar, weshalb dem Rückzahlungsantrag der Anmelderin der Erfolg versagt bleiben muss.

Dr. Huber Reker Reinhardt Rippel Cl






BPatG:
Beschluss v. 31.08.2010
Az: 8 W (pat) 27/06


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