Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. März 2009
Aktenzeichen: 30 W (pat) 69/07

(BPatG: Beschluss v. 05.03.2009, Az.: 30 W (pat) 69/07)

Tenor

Auf die Beschwerde der Markeninhaberin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patentund Markenamtes vom 7. September 2005 und 27. August 2007 aufgehoben, soweit wegen des Widerspruchs aus der Marke 939 212 die teilweise Löschung der Marke 301 57 924 angeordnet worden ist.

Der Widerspruch aus der Marke 939 212 wird zurückgewiesen.

Die Widersprechende hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Die Wortmarke "Curalip" ist unter der Nummer 301 57 924 als Kennzeichnung für die Waren Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse, außer Schmerzmittel, Migränemittel und verschreibungspflichtige Arzneimittel; Präparate für die Gesundheitspflege, Präparate zur Erhaltung und Förderung der Gesundheit, diätetische Lebensmittel und diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke insbesondere zum Ausgleich fehlender Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente und anderer Lebensbausteine; Nahrungsergänzungsmittel für nichtmedizinische Zwecke soweit in Klasse 5 enthalten; Babykost, Pflaster, Verbandsmaterial, Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke, Desinfektionsmittel, Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren, Fungizide, Herbizide; diätetische Lebensmittel für nichtmedizinische Zwecke soweit in Klasse 30 enthalten und Nahrungsergänzungsmittel für nichtmedizinische Zwecke soweit in Klasse 30 enthalten; diätetische Lebensmittel für nichtmedizinische Zwecke unter Beigabe von Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, anderer Lebensbausteine und/oder Aromaund Geschmacksstoffen soweit in Klasse 30 enthalten; Nahrungsergänzungsmittel unter Beigabe von Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, anderer Lebensbausteine und/oder Aromaund Geschmacksstoffen für nichtmedizinische Zwecke soweit in Klasse 30 enthalten; Präparate und diätetische Nährmittel zur Gewichtsreduktion für nichtmedizinische Zwecke, soweit in Klasse 30 enthalten; diätetische Lebensmittel für nichtmedizinische Zwecke soweit in Klasse 32 enthalten und Nahrungsergänzungsmittel für nichtmedizinische Zwecke soweit in Klasse 32 enthalten; diätetische Lebensmittel für nichtmedizinische Zwecke unter Beigabe von Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, anderer Lebensbausteine und/oder Aromaund Geschmacksstoffen soweit in Klasse 32 enthalten; Nahrungsergänzungsmittel unter Beigabe von Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, anderer Lebensbausteine und/oder Aromaund Geschmacksstoffen für nichtmedizinische Zwecke soweit in Klasse 32 enthalten; Präparate und diätetische Nährmittel zur Gewichtsreduktion für nichtmedizinische Zwecke, soweit in Klasse 32 enthaltenin das Markenregister eingetragen worden.

Hiergegen hat die Inhaberin der prioritätsälteren, für die Waren

"Pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich Migränemittel"

unter der Registernummer 939 212 seit dem 19. Dezember 1975 eingetragenen Wortmarke CUVALIT Widerspruch erhoben.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patentund Markenamtes hat mit Beschlüssen vom 7. September 2005 und 27. August 2007 wegen des Widerspruchs aus der Marke 939 212 die teilweise Löschung der angegriffenen Marke für die Warenpharmazeutische Erzeugnisse außer Schmerzmittel, Migränemittel und verschreibungspflichtiger Arzneimittel; Präparate für die Gesundheitspflege, Präparate zur Erhaltung und Förderung der Gesundheit, diätetische Lebensmittel und diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke insbesondere zum Ausgleich fehlender Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente und anderer Lebensbausteineangeordnet und den Widerspruch im Übrigen zurückgewiesen. Die gegenseitigen Marken könnten sich insoweit auf identischen oder sehr ähnlichen Waren begegnen. Den demnach erforderlichen großen Abstand von der Widerspruchsmarke halte die jüngere Marke nicht ein.

Gegen den Beschluss vom 27. August 2007, ihr zugegangen am 3. September 2007, hat die Inhaberin der angegriffenen Marke am 18. September 2007 per Fax und dem am 20. September 2007 eingegangenen Originalschriftsatz Beschwerde eingelegt. Die in dem Schriftsatz erwähnte Einzugsermächtigung lag weder dem Fax noch dem Originalschriftsatz bei. Mit Faxschreiben vom 24. Oktober 2007 bat Markeninhaberin um Überprüfung, warum die Beschwerdegebühr bisher nicht eingezogen worden sei; und sie legte eine Einzugsermächtigung vom gleichen Tage bei, aufgrund derer die Beschwerdegebühr eingezogen wurde; gleichzeitig beantragte sie vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Als mit Bescheid des Patentamts vom 10. Januar 2008, der ihrem Vertreter am 11. Januar 2008 zugegangen ist, darauf hingewiesen wurde, dass eine Einzugsermächtigung nicht innerhalb der Beschwerdeschrift eingegangen sei und die Frist zur Begründung ihres Hilfsantrages mit Zugang des Schreibens zu laufen beginne, hat sie ihren Wiedereinsetzungsantrag mit Fax vom 6. März 2008, dessen Original am 11. März 2008 eingegangen ist, begründet.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke meint, ihr sei Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren. An der verspätet gezahlten Beschwerdegebühr treffe die Markeninhaberin bzw. ihren Vertreter kein Verschulden. Die Verspätung resultiere daraus, dass die mit der Versendung des Beschwerdeschriftsatzes beauftragte Hilfskraft des Markeninhabervertreters vermutlich versäumt habe, die Einzugsermächtigung beizufügen. Zur Glaubhaftmachung wird u. a. die eidesstattliche Versicherung des Vertreters der Markeninhaberin und seiner Angestellten vorgelegt, in der diese erklärt, immer auf die Vollständigkeit von Anlagen zu achten, aber einen Fehler nicht gänzlich ausschließen könne.

Hinsichtlich der Frage der Verwechslungsgefahr verweist die Markeninhaberin zunächst auf die von ihr bestrittene Benutzung der Widerspruchsmarke, die jedenfalls nicht für den Zeitraum gem. § 43 Abs. 1 S. 2 MarkenG glaubhaft gemacht sei. Darüber hinaus ist sie der Meinung, dass angesichts der unterschiedlichen Indikation der Vergleichswaren und die Verschreibungspflicht der Migränemittel der Widerspruchsmarke keine hohen Anforderungen an den Markenabstand zu stellen seien, denn die angegriffene Marke ohne weiters einhalte; die sich gegenüberstehenden Zeichen seien weder klanglich, schriftbildlich noch begrifflich verwechselbar ähnlich.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Zahlung der Beschwerdegebühr zu gewähren, sowie die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben, soweit die Löschung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus der Marke 999 212 angeordnet worden ist, und den Widerspruch auch insoweit zurückzuweisen.

Die Widersprechende hat keinen Antrag gestellt und sich weder zu den gegnerischen Schriftsätzen noch sonstwie geäußert, insbesondere keine weiteren Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung eingereicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerde der Markeninhaberin ist gemäß § 164 Abs. 4 MarkenG statthaft und im Übrigen zulässig. Insbesondere ist die Beschwerdegebühr fristgemäß entrichtet worden, weil der Markeninhaberin auf ihren Antrag gem. § 91 MarkenG Wiedereinsetzung in die versäumte Frist für die Zahlung der Beschwerdegebühr zu gewähren ist.

Die Markeninhaberin hat ihren Antrag gem. § 91 Abs. 2 MarkenG rechtzeitig innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des maßgeblichen Hindernisses gestellt. Hinderungsgrund für die Wahrung der versäumten Frist war hier die Unkenntnis vom mangelnden Eingang der Beschwerdegebühr auf dem Konto des Deutschen Patentund Markenamts, der der tariflichen Beschwerdegebühr entsprach (vgl. BPatGE 15, 52, 54; 19, 44, 45; Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl., 2007, § 234 Rdn. 5 und 6). Diese Unkenntnis ist durch den Bescheid des Senats vom 10. Januar 2008, der dem Vertreter der Markeninhaberin einen Tag später zugegangen ist, beseitigt worden. Am 11. März 2008 und damit innerhalb der Zweimonatsfrist des § 91 Abs. 2 und 3 MarkenG ist der Antrag der Widersprechenden auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist beim Bundespatentgericht eingegangen. Weiter hat die Widersprechende die versäumten Handlungen gem. § 91 Abs. 4 MarkenG fristgerecht innerhalb der zweimonatigen Antragsfrist nachgeholt, denn der Betrag in Höhe von 200 € war bereits am 24. Oktober 2007 überwiesen.

Der Wiedereinsetzungsantrag ist auch begründet. Die Markeninhaberin hat hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, dass sie i. S. v. § 91 Abs. 1 MarkenG die Zahlung des zu niedrigen Betrages nicht verschuldet hat. Eine Fristversäumung ist unverschuldet, wenn der betroffene Verfahrensbeteiligte bzw. sein Vertreter die übliche Sorgfalt aufgewandt hat, deren Beachtung im Einzelfall nach den subjektiven Verhältnissen des Betroffenen zumutbar war (vg. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., 2006, § 91 Rdn. 16). Dies ist hier der Fall. Für die Inhaberin der angegriffenen Marke hat der Vertreter schlüssig vorgetragen und durch die eidesstattliche Versicherung der Frau M... vom 6. März 2008 sowie die anliegenden Kopien der Belastungsanzeigen hinreichend belegt, dass sie kein Verschulden an der verspäteten Überweisung trifft. Sie hat weiter dargelegt, dass die Mitarbeiterin des Vertreters sorgfältig gearbeitet habe und auf welche Art und Weise diese regelmäßig überprüft worden sei. Insgesamt lässt sich daher aus dem Gesamtvortrag erkennen, dass die Vertreter der Anmelderin kein entsprechendes Organisationsverschulden trifft, so dass die beantragte Wiedereinsetzung zu gewähren ist.

2. Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke ist auch begründet. Sie hat in der Sache bereits deshalb Erfolg, weil die Widersprechende die Benutzung ihrer Marke nicht hinreichend glaubhaft gemacht hat.

Die Inhaberin der jüngeren Marke hat mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2005 die Benutzung der seit dem 19. Dezember 1975 eingetragenen Widerspruchsmarke bestritten. Diese Einrede war auch zulässig. Zudem umfasst die undifferenzierte Geltendmachung der Nichtbenutzung auch die weitere Einrede nach § 43 Abs. 1 S. 2 MarkenG (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl. 2006, § 43 Rdn. 15 m. w. N.), wonach die Widersprechende eine rechtserhaltende Benutzung innerhalb der letzten fünf Jahren vor der Entscheidung über den Widerspruch glaubhaft zu machen hat, was die Markeninhaberin ausdrücklich mit Schriftsatz vom 7. April 2006 einredeweise geltend gemacht hat. Entgegen der Auffassung der Markenstelle kann der Senat nicht erkennen, dass die Markeninhaberin die Benutzung der Widerspruchsmarke für rezeptpflichtige Migränemittel anerkannt hat. Zudem ist auch in einem solchen Fall das Wiederaufgreifen der Einrede ohne weiteres möglich (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 43 Rdn. 24 m. w. N.), insbesondere wenn sie den nach einer Anerkennung liegenden Benutzungszeitraum betrifft. Dies hat die Markeninhaberin in ihrem Beschwerdeschriftsatz vom 18. September 2007 ausdrücklich getan. Das konnte, da die Einrede keiner Ausschlussfrist unterliegt, auch noch im Beschwerdeverfahren geschehen. Nachdem der Schriftsatz an die Widersprechende ausweislich des Zustellungsnachweises (ZU) am 15. März 2008 zugestellt worden ist, wäre es Aufgabe der Widersprechenden gewesen, vorzutragen und glaubhaft zu machen, dass sie ihre Marke innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Entscheidung über den Widerspruch benutzt hat (§ 43 Abs. 1 S. 2 MarkenG). Das ist nicht geschehen.

Für einen solchen Sachvortrag und der Einreichung von Glaubhaftmachungsunterlagen bedurfte es keiner besonderen Aufforderung durch das Gericht. Die Widersprechende hat nach Übermittlung der Einrede von sich aus unverzüglich alle erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Der im Rahmen des Benutzungszwanges herrschende Beibringungsgrundsatz lässt es grundsätzlich auch nach der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung des § 139 ZPO nicht zu, die Widersprechende auf diese Verpflichtung zum Vortrag hinzuweisen (vgl. BPatG GRUR 1996, 981, 982 -ESTAVITAL m. w. N. zur früheren Rechtslage). Zwar besteht die Hinweispflicht des Gerichtes entsprechend § 139 ZPO auch im Widerspruchsverfahren. Sie hat aber ihre Grenze in Fällen, in denen ein solcher Hinweis eine Selbstverständlichkeit wäre, in denen nicht ersichtlich ist, dass dieser Gesichtspunkt übersehen worden ist oder wenn der Hinweis die Stellung der einen Partei stärken und gleichzeitig die der anderen schwächen würde, also zu einer Parteinahme des Gerichts führen würde. Die Widersprechende hat auch ausreichend Gelegenheit gehabt, zur Nichtbenutzungseinrede vorzutragen. Seit Übersendung des entsprechenden Schriftsatzes ist mittlerweile über ein ganzes Jahr vergangen, ohne dass sie sich auch nur formal auf dieses Bestreiten eingelassen hat. Das Schweigen der Widersprechenden ist vom Senat daher als Zugeständnis des gegnerischen Sachvortrags nach § 138 Abs. 3 ZPO zu werten, womit von der Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke auszugehen ist.

3. Der Widersprechenden waren aus Billigkeit die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG aufzuerlegen. Eine Kostenauferlegung unter Billigkeitsgesichtspunkten kommt vor allem bei einem Verhalten eines Beteiligten in Betracht, das mit der prozessualen Sorgfaltspflicht nicht zu vereinbaren ist. Im Falle einer zulässigerweise erhobenen Einrede der Nichtbenutzung ist dies dann anzunehmen, wenn der Widerspruch ohne ernsthaften Versuch der erforderlichen Glaubhaftmachung weiterverfolgt wird (ständige Rechtsprechung, BPatG GRUR 1996, 981 f.; Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl. 2006, § 71 Rdn. 15 m. w. N.). Im vorliegenden Fall hat die Widersprechende weder Glaubhaftmachungsunterlagen eingereicht noch hat sie irgendwelche Hinderungsgründe geltend gemacht. Ebenso wenig hat sie ihren Widerspruch zurückgenommen. Ein solches Verhalten zieht zwangsläufig die Kostentragungspflicht nach sich (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O.).

Dr. Vogel von Falckenstein Hartlieb Paetzold Cl






BPatG:
Beschluss v. 05.03.2009
Az: 30 W (pat) 69/07


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