Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. März 2006
Aktenzeichen: 9 W (pat) 337/03

(BPatG: Beschluss v. 22.03.2006, Az.: 9 W (pat) 337/03)

Tenor

Das Patent wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentansprüche 1 bis 7, Beschreibung Seiten 1 bis 10 mit Seite 2a, jeweils eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 22. März 2006, Zeichnungen Figuren 1 bis 6 wie erteilt.

Gründe

I.

Gegen das am 30. Oktober 1998 angemeldete und am 19. Dezember 2002 veröffentlichte Patent 198 49 994 mit der Bezeichnung

"Fahrzeugsitz"

ist von der A... GmbH & Co. KG Einspruch erhoben worden. Zur Begründung ihres Einspruchs verweist die Einsprechende auf folgende Druckschriften:

- US 4,125,287

- DE 75 10 709 U1

- US 3,814,475

- US 4,585,273

- DE 38 21 554 A1

- US 2,834,402

- DE 689 06 113 T2 Die Patentinhaberin verteidigt das Patent in beschränktem Umfang. Die Beschränkung ist nach ihrer Meinung zulässig. Der Fahrzeugsitz sei auch neu und durch den in Betracht gezogenen Stand der Technik nicht nahe gelegt. In Bezug auf die vorgenommene Beschränkung meint sie, keine der von der Einsprechenden genannten Druckschriften zeige die aus dem erteilten Patentanspruch 5 in den Patentanspruch 1 übernommenen Merkmale und zudem ergeben sich die sonstigen Präzisierungen im geltenden Patentanspruch 1 aus den Figuren i. V. m. der Beschreibung.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

Fahrzeugsitz, mit einem Sitzteil mit einer stabilen Sitzteilstruktur (2) und mit einem Lehnenteil mit einer stabilen Lehnenteilstruktur (3), die seitliche, in Sitzrichtung eines auf dem Fahrzeugsitz (1) sitzenden Fahrzeuginsassen nach vorne weisende, eine stabile Wangenstruktur ausbildende Lehnenwangen (4) aufweist, wobei die stabile Lehnenteilstruktur in einem sitzhinteren Bereich mit der Sitzteilstruktur (2) und die stabile Wangenstruktur in einem demgegenüber sitzvorderen Bereich mit der Sitzteilstruktur (2) dergestalt verbunden ist, dass sich für eine entgegen oder in Sitzrichtung weisende Lehnenbelastung eine Zug-Druck-Konstruktion ergibt, wobei die Lehnenteilstruktur (3) über eine Dreipunktanbindung mit der Sitzteilstruktur (2) verbunden ist dergestalt, dass ein erster Anbindungspunkt (5) und ein zweiter Anbindungspunkt (6) zwischen der Wangenstruktur und der Sitzteilstruktur (2) jeweils seitlich gegenüberliegend im vorderen, unteren Bereich der Wangenstruktur gebildet ist, während ein dritter Anbindungspunkt (7) zwischen der Lehnenteilstruktur (3) und der Sitzteilstruktur (2) im demgegenüber hinteren, unteren und in etwa sitzmittigen Bereich gebildet ist, unddass wenigstens der erste Anbindungspunkt (5), der bei montiertem Fahrzeugsitz (14) zur Fahrzeugaußenseite hin liegt, und der dritte Anbindungspunkt (7) als Lehnengelenke ausgebildet sind, die eine etwa horizontal verlaufende Schrägachse bezüglich der Sitzrichtung als Lehnenschwenkachse(27) bilden, unddass der zweite, zur Fahrzeuglängsmitte hin liegende Anbindungspunkt (6) durch ein Betätigungselement lösbar ausgeführt ist, so dass bei gelöstem zweiten Anbindungspunkt (6) das Lehnenteil (3) für einen bequemen Durchstieg zum Fahrzeugfondbereich schräg nach vorne und zur Fahrzeugmitte klappbar ist.

Patentansprüche 2 bis 7 sind diesem Patentanspruch 1 nachgeordnet.

Die Patentinhaberin stellt entsprechend den Antrag, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:

Patentansprüche 1 bis 7, Beschreibung Seiten 1 bis 10 mit Seite 2a, jeweils eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 22. März 2006, Zeichnungen Figuren 1 bis 6 wie erteilt.

Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

Sie ist der Meinung, auch der Fahrzeugsitz nach dem geltenden Patentanspruch 1 sei gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik nicht neu bzw. beruhe zumindest nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Einsprechende trägt ferner sinngemäß vor, dass der Gegenstand des beschränkten Patentanspruchs 1 in der Patentschrift nicht offenbart sei.

Die im Prüfungsverfahren berücksichtigte nachveröffentlichte Druckschrift älteren Zeitranges - DE 197 41 602 A1 wurde in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffen.

II.

Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts ist durch PatG § 147 Abs. 3 Satz 1 begründet. Der Einspruch ist zulässig. Er hat teilweise Erfolg durch eine das Patent beschränkende Änderung der Patentansprüche.

Das Patentbegehren ist der Patentschrift zu entnehmen, welcher die ursprünglichen Unterlagen mit Angabe des Standes der Technik und Anpassung an die im Prüfungsverfahren geänderte Anspruchsfassung zugrunde gelegt worden sind. Der geltende Patentanspruch 1 fasst die erteilten Patentansprüche 1 und 5 zusammen, wobei die Merkmale aus dem erteilten Patentanspruch 1 teilweise präzisiert werden. Die Unteransprüche 2 bis 7 entsprechen inhaltlich den erteilten Unteransprüchen 2 bis 4 und 6 bis 8. Die geänderten Beschreibungsteile betreffen eine weitere Angabe des Standes der Technik sowie eine Anpassung an die geltende Anspruchsfassung.

Die von der Einsprechenden vertretene Auffassung, dass das im geltenden Patentanspruch 1 genannte Merkmal "wobei die stabile Lehnenteilstruktur in einem sitzhinteren Bereich mit der Sitzteilstruktur (2) und die stabile Wangenstruktur in einem demgegenüber sitzvorderen Bereich mit der Sitzteilstruktur (2) dergestalt verbunden ist" in den erteilten Unterlagen nicht offenbart sei bzw. eine Erweiterung darstelle, kann der Senat nicht folgen.

Die entsprechende Stelle des erteilten Patentanspruchs 1 lautet: "wobei die Lehnenteilstruktur in einem sitzhinteren Bereich mit der Sitzteilstruktur verbunden (7) ist, und die Lehnenwangen (4) eine stabile Wangenstruktur aufweisen, die zumindest in einem vorderen Bereich mit der Sitzteilstruktur dergestalt verbunden (5, 6) ist, ..." (vgl. Sp. 5 Z. 59 bis 64 der Streitpatentschrift).

Das Wort "stabil" vor "Lehnenteilstruktur" ist eine Wiederholung des im erteilten Patentanspruch 1 (vgl. Sp. 5, Z. 57) bereits weiter vorhergehend eingeführten Begriffs "stabile Lehnenteilstruktur". Das Streichen des Wortes "zumindest" stellt eine Beschränkung dar, weil dadurch andere, einem Fachmann bekannte Ausgestaltungen der Anbindung nun nicht mehr vom Patentanspruch erfasst sind. Die Wortfolge "demgegenüber sitzvorderen Bereich" anstatt "vorderen Bereich" beschränkt ebenfalls, denn dadurch wird die Anordnung der Anbindungspunkte von Lehnenteilstruktur und Wangenstruktur an der Sitzteilstruktur relativ zueinander festgelegt. Offenbart ist diese Anordnung der Anbindungspunkte beispielsweise in sämtlichen Figuren.

Auch die weiter im geltenden Patentanspruch 1 vorgenommenen Änderungen sind der Patentschrift zu entnehmen und führen nicht zu einer Erweiterung des Schutzbereichs des erteilten Patents. Dies betrifft die nähere Bestimmung der Sitzrichtung durch Hinzufügen der Wortfolge "eines auf dem Fahrzeugsitz sitzenden Fahrzeuginsassen", die sich sinngemäß aus der Patentschrift (vgl. Sp. 1, Z. 19-21) ergibt, so wie die nochmalige Präzisierung der Anordnung der Anbindungspunkte relativ zueinander durch das Wort "demgegenüber".

Der beanspruchte Fahrzeugsitz ist unbestritten gewerblich anwendbar.

Durchschnittsfachmann ist ein Maschinenbauingenieur, der bei einem Fahrzeughersteller oder -zulieferer mit der Entwicklung und Konstruktion von Fahrzeugsitzen befasst ist und am Prioritätstag des Streitpatents über eine mehrjährige Berufserfahrung verfügt.

Der beanspruchte Fahrzeugsitz nach dem geltenden Patentanspruch 1 ist neu. Er beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Unbestritten zeigen weder die von der Einsprechenden genannten Druckschriften noch die nachveröffentlichte DE 197 41 602 A1 einen Sitz oder Fahrzeugsitz, bei dem wenigstens ein erster Anbindungspunkt, der bei montiertem Fahrzeugsitz zur Fahrzeugaußenseite hin liegt, und ein dritter Anbindungspunkt als Lehnengelenke ausgebildet sind, die eine etwa horizontal verlaufende Schrägachse bezüglich der Sitzrichtung als Lehnenschwenkachse bilden, und ein zweiter, zur Fahrzeuglängsmitte hin liegender Anbindungspunkt durch ein Betätigungselement lösbar ausgeführt ist, so dass bei gelöstem zweiten Anbindungspunkt ein Lehnenteil für einen bequemen Durchstieg zum Fahrzeugfondbereich schräg nach vorne und zur Fahrzeugmitte klappbar ist.

Sämtliche genannten Druckschriften zeigen vielmehr Sitze, bei denen ein Lehnenteil um eine horizontale Schwenkachse klappbar ist, die senkrecht zur Sitzrichtung ausgerichtet ist. Ein Kippen des Lehnenteils schräg nach vorne und zur Fahrzeugmitte ist damit nicht möglich. Somit kann eine beliebige Zusammenschau der genannten Druckschriften dem Fachmann keinen Hinweis dahingehend liefern, einen Fahrzeugsitz mit der geforderten Anbindung seines Lehnenteils an eine Sitzteilstruktur so zu gestalten, dass das Lehnenteil schräg nach vorne und zur Fahrzeugmitte klappbar ist.

Im Übrigen hat auch die Einsprechende angegeben, dass das in Rede stehende Merkmal ihr nicht bekannt sei.

Die Patentansprüche 2 bis 7 betreffen zweckmäßige weitere Ausbildungen des Gegenstandes des Patentanspruchs 1, die nicht selbstverständlich sind, und können daher ebenfalls der beschränkten Aufrechterhaltung des Patents zugrunde gelegt werden.






BPatG:
Beschluss v. 22.03.2006
Az: 9 W (pat) 337/03


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