Oberlandesgericht München:
Beschluss vom 27. August 2010
Aktenzeichen: 11 WF 331/10

(OLG München: Beschluss v. 27.08.2010, Az.: 11 WF 331/10)

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Beschwerdewert wird auf 751,12 Euro festgesetzt.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die auf Trennungs- und Kindesunterhalt gerichtete Klage erkannte der Beklagte an. Daraufhin erging am 24.09.2009 durch das AG München ein Anerkenntnisurteil, wobei der Beklagte auch zu den Kosten des Rechtsstreits verurteilt wurde. Neben der Hauptsache war auch Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Auf Antrag setzte die Rechtspflegerin mit Beschluss vom 07.12.2009 die der Klägerin vom Beklagten zu erstattenden Kosten des Rechtsstreits auf 3.649,50 Euro fest, darunter auch eine 1,2 Terminsgebühr im Verfahren der einstweiligen Anordnung in Höhe von 631,20 Euro zuzüglich MWSt. Zur Begründung wurde vorgetragen, der damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe vor dem 02.07.2009 mit dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten mehrere Telefongespräche über die Möglichkeit einer gütlichen Einigung geführt.

Gegen diesen ihm am 09.12.2009 zugestellten Beschluss hat der der Beklagte am 17.12.09 sofortige Beschwerde eingelegt, mit der er sich gegen die Festsetzung einer Terminsgebühr im Verfahren der einstweiligen Anordnung wendet. Zur Begründung wird ausgeführt, im Verfahren einstweilige Anordnung sei keine mündliche Verhandlung vorgesehen. Dies sei aber nach der Nr 3104 VV RVG Grundvoraussetzung für das Entstehen der Terminsgebühr. Dieser Beschwerde hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 05.03.2010 nicht abgeholfen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO).

Das Rechtsmittel erweist sich aber als unbegründet.

Das Amtsgericht hat zu Recht auch eine 1,2 Terminsgebühr festgesetzt, da diese nach Vorbemerkung 3 Abs. 3, 3. Alternative VV-RVG für mindestens ein Telefongespräch zwischen den Parteien angefallen ist.

Mit der Einführung der Terminsgebühr nach dem RVG, die sowohl die Verhandlungs- als auch die Erörterungsgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 und 4 BRAGO ersetzt, sollte erreicht werden, dass der Anwalt nach seiner Bestellung zum Verfahrens- oder Prozessbevollmächtigten in jeder Phase des Verfahrens zu einer möglichst frühen, der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beendigung des Verfahrens beiträgt. Deshalb soll die Gebühr auch schon verdient sein, wenn der Rechtsanwalt an auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts mitwirkt, insbesondere wenn diese auf den Abschluss des Verfahrens durch eine gütliche Regelung zielen (BT-Drucksache 15/1971, Seite 209).

Eine Terminsgebühr kann nach Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV-RVG in folgenden Fällen entstehen:

€ Für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin;

€ für die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termins;

€ für die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts.

11Daneben kann nach Absatz 1 der Anmerkung zu 3104 VV-RVG eine Terminsgebühr auch in im Einzelnen aufgeführten Fällen entstehen, in denen keine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, sondern der Rechtsanwalt nur schriftlich tätig geworden ist. In diesen Fällen ist dafür außerdem Voraussetzung, dass in den betreffenden Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, da nur dann die schriftliche Tätigkeit des Anwalts einen Verhandlungstermin ersetzen und somit auch vergütungsrechtlich als gleichwertig angesehen werden kann (BT-Drucksache 15/1971, Seite 212).

12Diese Vorschrift enthält allerdings keine Einschränkung der Grundregel der Vorbemerkung 3 Abs. 3, sondern ergänzt und erweitert diese auf Fälle, in denen eine mündliche Verhandlung oder Besprechung, ob mit oder ohne Beteiligung des Gerichts, nicht stattfand (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe RVG 19. Auflage 3104 VV Rn 7; Anwaltskommentar RVG Schneider/Wahlen 4. Auflage 3140 VV Rn 1 und 3). Daraus folgt, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen der Vorbemerkung 3 Abs. 3 die Entstehung einer Terminsgebühr nicht davon abhängig ist, dass zusätzlich eine der Voraussetzungen der Anmerkung zu 3104 VV-RVG vorliegt (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe a. a. O. Vorb. 3 VV Rn. 91 ff; so auch jedenfalls für das Berufungsverfahren OLG Dresden NJW-RR 2008, 1667).

13Der gegenteiligen Ansicht (BGH 1.2.07 € V ZB 110/06 € JurBüro 2007, 252 und 15.3.2007 € V ZB 170/06 € JurBüro 2007, 525) kann sich der Senat nicht anschließen. Schon der Wortlaut der Anmerkung zu 3104 VV-RVG, Abs. 1, besagt, dass die Terminsgebühr "auch", aber nicht "nur" unter den darin genannten Voraussetzungen entsteht, während die Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV-RVG gerade keine Beschränkung auf bestimmte Verfahrensarten enthält. Würde die Anmerkung zu 3104 VV-RVG eine gleichwohl zu beachtende Einschränkung der allgemeinen Voraussetzungen nach Vorb. 3 Abs. 3 VV-RVG darstellen, könnte z. B. im Mahnverfahren grundsätzlich keine Terminsgebühr anfallen, während die Vorbemerkung 3.3.2. VV-RVG eine solche gerade vorsieht. Ebenso könnte in vielen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die auch keine obligatorische mündliche Verhandlung kennen, nie eine Terminsgebühr nach Vorbemerkung 3 Abs. 3, 3. Alt. VV-RVG anfallen. Entsprechendes gilt für eine Terminsgebühr nach Vorbemerkung 3 Abs. 3, 2. Alt. VV-RVG im selbständigen Beweisverfahren, deren Anfall jedoch allgemein für möglich gehalten wird (s. Bischof/Jungbauer RVG 3. Aufl. Vorb. 3 VV Rn. 36). Dies würde der erklärten Absicht des Gesetzgebers, die rasche und einvernehmliche Beilegung von Rechtsstreitigkeiten zu fördern, widersprechen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Begründung zum Gesetzentwurf (BT Drucksache 15/1971 Seite 212). Der Aufwand des Anwalts, auf den diese abstellt, ist nämlich im Fall einer Verhandlung mit dem Prozessgegner nicht deswegen geringer oder weniger wert, weil eine mündliche Verhandlung im konkreten Fall nicht vorgeschrieben ist.

Ob das Verfahren der einstweiligen Anordnung gem. § 644 ZPO wegen der Möglichkeit, ohne mündliche Verhandlung nach § 620 a € g ZPO zu entscheiden, bei unterbliebener Terminierung als Verfahren angesehen werden kann, für das mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben ist (so Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 19. Aufl., VV 3104 Rn 19), kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben.

15Im konkreten Fall ist die Tatsache, dass mindestens ein Telefonat zwischen dem früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin und dem früheren Prozessbevollmächtigten des Beklagen stattgefunden hat und dabei die einvernehmliche Beilegung des Rechtsstreits einschließlich des einstweiligen Anordnungsverfahrens erörtert wurde, durch das dem Schriftsatz vom 08.01.2010 beigefügten Schreiben vom 02.07.2009 belegt, welches ausdrücklich auf ein vorheriges Telefonat Bezug nimmt. Nach dem Vortrag des vormaligen Klägervertreters (Bl. 32) handelte es sich um mehrere auf die Erledigung des Eilverfahrens gerichtete Besprechungen, für die nach Vorbemerkung 3 Abs. 3, 3. Alternative eine Terminsgebühr entstanden ist. Dem wurde durch den Beklagtenvertreter nicht widersprochen. Die gegen deren Festsetzung gerichtete Beschwerde war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Entscheidung über den Beschwerdewert stützt sich auf §§ 47, 48 GKG, 3 ZPO.

Der Senat hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, weil die Rechtsfrage, ob die Voraussetzungen der Anmerkung zu 3104 VV-RVG für die Entstehung einer Terminsgebühr zusätzlich zu denen der Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV-RVG vorliegen müssen, grundsätzliche Bedeutung hat (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und aufgrund der oben erwähnten abweichenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erforderlich ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).






OLG München:
Beschluss v. 27.08.2010
Az: 11 WF 331/10


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