Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. November 2002
Aktenzeichen: 25 W (pat) 286/01

(BPatG: Beschluss v. 28.11.2002, Az.: 25 W (pat) 286/01)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. September 2001 aufgehoben, soweit der Widerspruch für die Waren "Pharmazeutische Erzeugnisse" zurückgewiesen worden ist. Für die Waren "Pharmazeutische Erzeugnisse" wird die Löschung der Marke 398 37 314 angeordnet.

Gründe

I.

Die Bezeichnung Unigen University Geneticsist 1998 neben Waren und Dienstleistungen der Klassen 1 und 42 für

"pharmazeutische Erzeugnisse"

angemeldet und eingetragen worden.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der älteren, unter anderem ebenfalls für

"pharmazeutische Erzeugnisse"

eingetragenen Marke 1009366 UNIGET.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 18. September 2001 durch eine Beamtin des höheren Dienstes die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Der erforderliche Markenabstand der angegriffenen Marke werde noch eingehalten. Es sei zu beachten, dass der Bestandteil "Uni" markenrechtlich als verbraucht zu werten und damit die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke als eher gering anzusetzen sei. Weiterhin stünden sich eine Mehrwortmarke und eine Einwortmarke gegenüber, die bei vollständiger Benennung und Wiedergabe der Marke keine verwechslungsbegründende Ähnlichkeit aufwiesen. Der Bestandteil "Unigen" in der angegriffenen Marke sei auch nicht prägend, da er sich aus den Bestandteilen "Uni" und "gen" zusammensetze, die im Hinblick auf die weiteren Bestandteile "University" und "Genetics" als deren Abkürzungen aufzufassen seien. Der Verkehr sei deshalb in der Lage, den Bedeutungsgehalt dieses Bestandteils nachzuvollziehen. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, wäre der Verkehr angehalten, zur Unterscheidung der zahlreichen Marken mit dem Bestandteil "Uni", die es auf diesem Gebiet gebe, verstärkt auf die weiteren Bestandteile zu achten. Die unterschiedlichen Endkonsonanten würden ein jeweils anderes Klangbild dieser betonten Endsilben bewirken. Für eine assoziative Verwechslungsgefahr seien keine Anhaltspunkte gegeben.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die in der mündlichen Verhandlung vom 28. November 2002 ihren Widerspruch hinsichtlich der Waren und Dienstleistungen der Klassen 1 und 42 zurückgenommen hat.

Sie beantragt (sinngemäß), den Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 vom 18. September 2001 aufzuheben, und die Löschung der Marke Nr 39837314.0 für die Waren "pharmazeutische Erzeugnisse" anzuordnen.

Die sich gegenüberstehenden Marken seien im Sinne des § 9 MarkenG einander verwechselbar ähnlich. Die Widerspruchsmarke besitze eine normale Kennzeichnungskraft, da auf den Gesamteindruck der Marke abzustellen sei. Es gebe lediglich zwei weitere nationale Marken mit dem Bestandteil "UNIG" für Waren der Klasse 5. Die Zeichen könnten sich im Bereich der pharmazeutischen Erzeugnisse bei identischen Waren begegnen. Aus diesen Gründen seien an den Markenabstand sehr strenge Forderungen zu stellen. Die angegriffene Marke zeichne sich dadurch aus, dass sie aus dem Bestandteil "Unigen" und den rein beschreibenden Bestandteilen "University Genetics" bestehe. Der Verkehr würde sich deshalb ausschließlich an dem Bestandteil "Unigen" orientieren, zumal dieser optisch hervorgehoben sei, den Markenanfang darstelle und keinen klaren Begriffsinhalt habe. Die Wörter "Unigen" und "UNIGET" unterschieden sich lediglich im Endkonsonanten, der jedoch klanglich und schriftbildlich kaum ins Gewicht falle. Der gemeinsame kennzeichnungsschwache Anfangsbestandteil "Uni" dürfe im Gesamteindruck nicht unberücksichtigt bleiben.

Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass, eine durchschnittliche Sorgfalt beim Lesen bzw. bei der Wahrnehmung vorausgesetzt, eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken nicht erkennbar sei. Man habe in den letzten Jahren im sog. High-Tech-Bereich bei Firmengründungen aus Universitäten heraus bei Bezeichnungen und bei Firmennamen öfters Wortteile wie "uni", "gen" oder "gene" gelesen. Die jeweils spezifischen Adressaten könnten dies ausreichend differenzieren. Der Bestandteil "Unigen" leite sich unmittelbar aus dem Gründungskonzept her (Forschungsergebnisse aus der Universität in der Genetik). Man habe vor, den Namen als Firmennamen zu verwenden. Die Warenklasse 5 sei wegen des Aktionsbereichs des Unternehmens im Forschungs- und Entwicklungsbereich der entsprechenden Branche unverzichtbar.

Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28. November 2002 Bezug genommen.

II.

Nachdem die Widersprechende im Beschwerdeverfahren ihren Widerspruch hinsichtlich der Waren und Dienstleistungen der Klassen 1 und 42 zurückgenommen hat, ist nur noch über die Zurückweisung des Widerspruchs hinsichtlich der Waren "pharmazeutische Erzeugnisse" der angegriffenen Marke zu entscheiden. Hinsichtlich der übrigen Waren und Dienstleistungen ist der Beschluss der Markenstelle wirkungslos geworden (§ 269 Abs 3 S 1 ZPO entspr.; BGH, GRUR 1998, 818 - Puma).

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache Erfolg. Die angegriffene Marke ist wegen des gezielt gegen die Waren der Klasse 5 gerichteten Widerspruchs aus der Marke Nr 1009366 für die Waren "pharmazeutische Erzeugnisse" zu löschen, da insoweit eine Verwechslungsgefahr besteht (§ 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG).

Bei seiner Entscheidung geht der Senat von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus, da Anhaltspunkte, die in eine andere Richtung weisen, nicht ersichtlich sind. Zwar wird der Bestandteil "UNI" auch in anderen Arzneimittelnamen verwendet und hat als Hinweis auf "Universität" oder etwas Einheitliches (uni) möglicherweise nur eine unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft, jedoch ist die Gesamtbezeichnung "UNIGET" ein Fantasiewort, dem in der Gesamtheit eine Kennzeichnungsschwäche nicht anhaftet.

Es stehen sich nunmehr nur noch identische Waren gegenüber, da der Widerspruch sich im Beschwerdeverfahren ausschließlich gegen die Waren der Klasse 5 richtet. Um eine Verwechslungsgefahr zu verhindern, ist daher ein sehr deutlicher Markenabstand erforderlich. Dieser wird nicht eingehalten.

Grundsätzlich ist zur Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr auf den Gesamteindruck der Marken abzustellen (vgl BGH MarkenR 2002, 49, 51 "ASTRA/ESTRA-PUREN"), wobei selbst kennzeichnungsschwache oder schutzunfähige Elemente zur Prägung des Gesamteindrucks beitragen oder gar entscheidendes Gewicht erlangen können und dann nicht unberücksichtigt bleiben dürfen (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 152, 160 mwN).

In ihrer Gesamtheit unterscheiden sich zwar die Marken klanglich und schriftbildlich durch die in der angegriffenen Marke enthaltenen weiteren Markenbestandteile "University Genetics" und die daraus folgende verschiedene Länge der Bezeichnungen. Eine Verwechslungsgefahr kommt jedoch in Betracht, wenn für die Beurteilung der Markenähnlichkeit in der angegriffenen Marke dem Anfangsbestandteil "Unigen" eine selbständig kollisionsbegründende Bedeutung zukommt. Dies ist hier der Fall.

Es entspricht zwar der allgemeinen Lebenserfahrung, dass der Verkehr eine Marke in ihrer Gesamtheit aufnimmt, in der sie ihm entgegentritt, ohne eine analysierende Betrachtung vorzunehmen. Dieser Grundsatz schließt jedoch die Erkenntnis ein, dass auch einzelnen Zeichenbestandteilen eine besondere, das gesamte Zeichen prägende Kennzeichnungskraft zukommen kann und dass dann bei einer Übereinstimmung von Zeichen in dem prägenden Bestandteil die Gefahr einer Verwechslung der beiden Marken zu bejahen ist (ständige Rspr des BGH, vgl BGH MarkenR 2000, 20, 21 - RAUSCH/ELFI RAUCH mwN).

Entgegen der Auffassung der Markenstelle im angegriffenen Beschluss ist der Bestandteil "Unigen" als prägender Bestandteil der angegriffenen Marke anzusehen. Die weiteren Bestandteile der angegriffenen Marke "University" und "Genetics" sind jeweils beschreibende Angaben, die darauf hinweisen, dass die Waren von einer Universität stammen oder dort entwickelt wurden und den Themenbereich Genetik betreffen. "Unigen" ist dagegen ein Kunstwort, ohne bestimmte Bedeutung. Selbst wenn der Verkehr erkennt, dass "Unigen" aus den jeweils drei ersten Buchstaben der weiteren Wörter zusammengesetzt ist, wird er "Unigen" als Fantasiewort und nicht als rein beschreibend ansehen. Es ist damit zu rechnen, dass erhebliche Verkehrskreise in dem ersten Bestandteil "Unigen" das eigentliche Kennzeichen sehen, und "University" und "Genetics" als schlagwortartige rein beschreibende Zusätze auffassen. Da das Zeichen insgesamt sehr lang ist und aus drei Wörtern besteht, werden erhebliche Teile der angesprochenen Verkehrskreise dazu neigen, die angegriffene Marke aus Bequemlichkeit verkürzt wiederzugeben und sie nur mit dem kennzeichnenden Bestandteil "Unigen" zu benennen. Dies gilt gerade auch für die Verkehrskreise, die erkennen, dass "Unigen" aus den Anfangsbestandteilen der weiteren Wörter zusammengesetzt wurde, da für sie erst recht kein Anlass besteht, die Marke in ihrer vollen Länge wiederzugeben.

Der prägende Bestandteil der angegriffenen Marke "Unigen" und die Widerspruchsmarke "UNIGET" sind klanglich so ähnlich, dass bei der hier maßgeblichen Registerlage, wonach sich die Marken auch auf identischen Waren begegnen können, eine Verwechslungsgefahr besteht.

Verwechslungsfördernd wirkt sich weiterhin aus, dass eine Rezeptpflicht auf beiden Seiten nicht zugrunde zulegen ist, so dass allgemeine Verkehrskreise uneingeschränkt zu berücksichtigen sind. Auch insoweit ist allerdings von dem Umstand auszugehen, dass grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (vgl BGH MarkenR 2000, 140, 144 ATTACHÉ/TISSERAND; BGH GRUR 1998, 942, 943 li Spalte - ALKA-SELTZER; EuGH MarkenR 1999, 236, 239 unter 24. - Lloyd/Loints) und der insbesondere allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/ Indohexal).

Die Wörter "Unigen" und "Uniget" stehen sich jedoch klanglich zu nahe, um bei diesen Verkehrskreisen eine Verwechslungsgefahr zu verhindern. Die Wörter sind mit Ausnahme des letzten Lauts identisch. Zwar ist "t" ein harter klangstarker Sprenglaut, "n" dagegen ein weicher, klangschwacher Nasenlaut. Zudem ist der Zeichenanfang "Uni" als Abkürzung für "Universität" oder als Hinweis auf etwas Einheitliches nicht besonders kennzeichnungskräftig, so dass der Verkehr verstärkt auch auf die übrigen Zeichenteile achtet. Auch wenn bei den Zeichenwörtern regelmäßig die Betonung auf der Endsilbe liegt, überwiegen im Gesamteindruck die Gemeinsamkeiten, insbesondere gleicher Zeichenanfang, gleiche Vokalfolge, jeweils drei Sprechsilben. Berücksichtigt man schließlich, dass sich die Markenwörter regelmäßig nicht gleichzeitig gegenübertreten, so dass sich die Verkehrsauffassung meist nur aufgrund eines eher undeutlichen Erinnerungseindrucks bildet, kann eine klangliche Verwechslungsgefahr unter den hier vorliegenden Gesamtumständen nicht verneint werden.

Nach alledem war der angefochtene Beschluss der Markenstelle, soweit der Widerspruchs aus der Marke 1009366 hinsichtlich der Waren "pharmazeutische Erzeugnisse" zurückgewiesen worden ist, auf die Beschwerde der Widersprechenden aufzuheben und insoweit die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs. 1 MarkenG.

Kliems Brandt Bayer Fa






BPatG:
Beschluss v. 28.11.2002
Az: 25 W (pat) 286/01


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