Landgericht Wiesbaden:
Urteil vom 29. November 2007
Aktenzeichen: 13 O 119/06

(LG Wiesbaden: Urteil v. 29.11.2007, Az.: 13 O 119/06)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in gleicher Höhe abzuwenden.

Tatbestand

Die Klägerin betreibt unter anderem Sportwetten zu festen Gewinnquoten unter der Bezeichnung "...".

Der Inhaber der Beklagten zu 1) ist im Besitz einer Gewerbegenehmigung, die ihm am 11.4.1990 vom Rat des Kreises L aufgrund des damaligen Gewerbegesetzes der DDR vom 6.3.1990 erteilt wurde, wonach er an der dort angegebenen Adresse ein Wettbüro betreiben darf.

Die Beklagte zu 2) ist Inhaberin einer entsprechenden Genehmigung der Regierung von Gibraltar, wonach sie dort Sportwetten veranstalten darf.

Die Beklagte zu 1) vermittelt in Deutschland Sportwetten der Beklagten zu 2) an die jeweiligen Kunden. Ob sie diese Sportwetten womöglich selbst betreibt, ist zwischen den Parteien streitig.

Der Beklagte zu 3) ist der Geschäftsführer der Beklagten zu 2).

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagten verstießen durch ihr Verhalten gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften, denn die Beklagte zu 1) verstoße gegen § 284 StGB, weil sie in Hessen ohne behördliche Erlaubnis Sportwetten betreibe. Auch falls sie sie nur anbiete, sei sie Gehilfin der Beklagten zu 2), die ebenfalls ohne Genehmigung in Hessen Sportwetten betreibe, wofür der Beklagte zu 3) einzustehen habe.

Die Beklagte zu 2) habe keine Genehmigung der DDR-Behörden zum Betrieb von Sportwetten erhalten, sondern lediglich zum Betrieb eines Wettbüros. Darüber hinaus seien die Behörden der DDR nicht in der Lage gewesen, für das Gebiet der Bundesrepublik Genehmigungen zu erteilen. So dürfe die Beklagte zu 1) allenfalls in Löbtau Sportwetten vermitteln, nicht aber in Hessen tätig werden.

Soweit das Bundesverfassungsgericht durch Urteil vom 28.3.2006 (1 BvR 1054/01) entschieden hat, dass das Bayerische Sportwetten- und Lotteriegesetz mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar sei, gelte diese Entscheidung zwar sinngemäß auch für die Klägerin und das sie begünstigende hessische Gesetz; jedoch hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber aufgegeben, die Vermittlung und Veranstaltung von Sportwetten nach Maßgabe der Entscheidungsgründe bis zum 31.12.2007 neu zu regeln und dabei das Ziel der Bekämpfung der Suchtgefahren entscheidend zu berücksichtigen. Entsprechend habe auch die Klägerin für Hessen dieses Ziel ins Auge gefasst und verfolge es konsequent, wie die Klägerin anhand einzelner von ihr in Lauf gesetzter Maßnahmen darlegt. Bis zum 31.12.2007 müssten daher die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten von nicht in Hessen lizensierten Unternehmen weiter verboten sein. Auch sei § 284 StGB nach wie vor anwendbar.

Die Beklagte zu 2) dürfe in Hessen nicht tätig werden, da die ihr in Gibraltar erteilte Genehmigung zur Durchführung von Sportwetten unter der Bedingung stehe, dass sie im Ausland nur gelte, soweit nicht ausländische Gesetze die Durchführung von Sportwetten verbieten, wie das in Hessen gerade der Fall ist. Die Beklagte zu 2) unterliege in Gibraltar keinen ausreichenden behördlichen Kontrollen.

Schließlich hat sich die Klägerin mit der mündlichen Verhandlung vom 11.10.2007 auseinandergesetzt, wo der Vorsitzende gefragt hat, in welcher Weise sich der vorliegende Rechtsstreit vom Rechtsstreit 11 O 56/06 des Landgerichts Wiesbaden unterscheide. Daraufhin hat die Klägervertreterin in der Sitzung erklärt, die Parteien seien andere € was dem Gericht nicht entgangen war €; sonst lägen zwischen beiden Verfahren keine signifikanten Unterschiede vor. Auf Frage des Vorsitzenden, warum dann nicht die Entscheidung des Oberlandesgerichts im Berufungsverfahren gegen das Urteil der 3. Kammer für Handelssachen abgewartet werde, hat die Klägervertreterin sinngemäß erklärt, es müsse den Parteien freistehen, die Frage erneut überprüfen zu lassen, wenn sie das Urteil der 3. Kammer für Handelssachen für ganz und gar fehlerhaft halten.

Die Klägerin ist darüber hinaus der Ansicht, die Klage müsse schon deswegen Erfolg haben, weil die Beklagten nichts dazu vorgetragen hätten, dass sie einen effektiven Jugendschutz betreiben und dafür Sorge tragen, dass Minderjährige sich an den Sportwetten, die sie veranstalten, nicht beteiligen können.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in dem Gebiet des Landes Hessen Sportwetten ohne behördliche Erlaubnis zu veranstalten, anzubieten oder zu bewerben,

2. den Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen eine Unterlassungsverpflichtung gemäß Ziffer 1 ein Ordnungsgeld bis zu einer Höhe von 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, anzudrohen,

3. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entstanden ist oder zukünftig entstehen wird, dass die Beklagte zu 1) im Gebiet des Landes Hessen ohne behördliche Erlaubnis Sportwetten veranstaltet, angeboten oder beworben hat oder zukünftig veranstaltet, anbietet oder bewirbt,

4. die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, welche Umsätze sie dadurch erzielt hat, dass sie Sportwetten von Teilnehmern innerhalb des Gebiets des Landes Hessen angenommen hat.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte zu 1) behauptet, sie betreibe in Hessen keine Sportwetten, sondern vermittle lediglich die Sportwetten der Beklagten zu 2). Sie selbst bestimme nämlich weder die Spielregeln noch die Durchführung der einzelnen Sportwetten und sei deswegen nicht Veranstalter. Unabhängig davon stehe ihr aber eine entsprechende Genehmigung zur Verfügung, denn die Genehmigung des Kreises L habe sich auf die gesamte ursprüngliche DDR erstreckt € nicht etwa nur auf das Gebiet der Stadt L €, und diese Genehmigung sei durch § 19 des Einigungsvertrags für das neue gesamte Bundesgebiet wirksam geworden.

Auch die Beklagte zu 2) verfüge über die Genehmigung zur Durchführung von Sportwetten im Bundesgebiet; denn die Genehmigung aus einem anderen Mitgliedsland der EG wirke auch hier, wie sich aus den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs in Sachen ... (C-243/01) und ... (C-338/04) ergebe.

Im übrigen wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst zahlreichen Anlagen und Entscheidungen verschiedenster Gerichte Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist abzuweisen, denn der Klägerin stehen keine Ansprüche gemäß §§ 3, 4 Abs. 11, 8 Abs. 1, 9 UWG i. V. m. § 284 Abs. 1 u. 4 StGB sowie § 5 Abs. 1 des Gesetzes über staatliche Sportwetten, Zahlenlotterie und Zusatzlotterien in Hessen gegen die Beklagte zu.

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet der Veranstaltung von Sportwetten im Gebiet des Landes Hessen, denn die von der Beklagten zu 2) veranstalteten und von der Beklagten zu 1) vermittelten Glücksspiele werden über das Internet auch im Gebiet des Landes Hessen angeboten.

Die Beklagte zu 1) veranstaltet diese Glücksspiele nicht selbst, denn sie bestimmt nicht deren Spielregeln und sonstige Bedingungen, sondern sie bietet lediglich die Vermittlung von Glücksspielen der Beklagten zu 2) an. Letztlich mag diese Frage aber dahinstehen, denn die Beklagte zu 1) verfügt über eine wirksame Genehmigung zur Veranstaltung von Glücksspielen. Die Genehmigung der Stadt Löbtau umfasst auch die Veranstaltung von Glücksspielen. Wenn es dort heißt, die Beklagte zu 1) erhalte die Genehmigung zum Betrieb eines Wettbüros, so liegt darin nicht lediglich die Genehmigung zur Eröffnung eines solchen Büros oder zur Vermittlung von fremden Wetten in einem solchen Büro, sondern bei Ermittlung des tatsächlich von der Behörde Gewollten ergibt sich, dass die Beklagte zu 1) in diesem Büro die üblichen Tätigkeiten wahrnehmen kann, für die ein Wettbüro eben dient, so auch die Veranstaltung von Sportwetten unter eigener Regie. Diese Genehmigung ist auch im Lande Hessen wirksam. Sie erstreckte sich ursprünglich auf die gesamte DDR. Dass die DDR keine Sportwetten außerhalb ihres Staatsgebiets zulassen wollte, wie die Klägerin annimmt, mag angenommen werden, denn auch die Behörden der DDR werden erkannt haben, dass ihre Hoheitsgewalt an den Staatsgrenzen der DDR endet. Die Ausdehnung der ursprünglich nur für die DDR erteilten Genehmigung auf das gesamte (neue) Bundesgebiet ergibt sich aber aus Art. 19 des Einigungsvertrags. Damit gilt inzwischen die Genehmigung auch in Hessen.

Die Beklagte zu 1) begeht auch keinen Wettbewerbsverstoß, indem sie etwa einen fremden Rechtsbruch ausnützt, der durch die Beklagte zu 2) begangen wird, denn auch die Beklagte zu 2) handelt beim Angebot ihrer Sportwetten im Gebiet des Landes Hessen rechtmäßig. Sie besitzt eine staatliche Genehmigung zur Durchführung von Sportwetten in einem anderen Land der EG, nämlich unstreitig in Gibraltar. Dass sie dort von den staatlichen Stellen nicht ordnungsgemäß überwacht würde, hat die Klägerin ohne Angabe weiterer stichhaltiger Gründe in den Raum gestellt. Dem vermag die Kammer mangels Konkretisierung nicht nachzugehen; vielmehr ist anzunehmen, dass die Behörde, die eine entsprechende Genehmigung in Gibraltar erteilt hat, deren ordnungsgemäße Erteilung und Benutzung überwacht. Dafür spricht schon die Begrenzung der Genehmigung auf jeweils ein Jahr. Nach Ablauf dieser Zeit muss die Genehmigung neu erteilt werden, was ein erneutes Prüfen und Tätigwerden der Genehmigungsbehörde erfordert.

Diese Genehmigung ist auch nicht etwa deswegen in Hessen unwirksam, weil sie für das Ausland unter die Bedingung gestellt worden ist, dass im Ausland das Glücksspiel erlaubt ist und die Klägerin der Ansicht ist, in Hessen sei das gerade nicht der Fall. Hier wird nämlich übersehen, dass der Europäische Gerichtshof in den Rechtssachen ... und ... davon ausgegangen ist, bei Vorliegen ausländischer Glücksspielgenehmigungen begründe ein Verbot von Glücksspielen in anderen Mitgliedsstaaten der EG einen Verstoß gegen die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit eines ausländischen Veranstalters. Die Auswirkungen beider Entscheidungen sind im Einzelnen in der Literatur und Rechtsprechung ausgesprochen umstritten, wie die zahlreichen von den Parteien eingereichten widersprechenden Entscheidungen und Meinungsäußerungen in der Literatur belegen. Welcher Meinung im Letzten zu folgen sein mag, lässt sich derzeit nicht abschließend beantworten; jedoch hält das erkennende Gericht das Verhalten der Beklagten so lange nicht für wettbewerbsrechtlich unlauter, wie für die Beklagte zu 1) die Genehmigung zum Betrieb eines Wettbüros der Stadt L und für die Beklagte zu 1) eine Genehmigung nach dem Recht des Landes Gibraltar vorliegt. Solange nämlich eine streitige Rechtsfrage nicht abschließend geklärt ist, bleibt es den am Geschäftsverkehr teilnehmenden Parteien unbenommen, ihren eigenen Rechtsstandpunkt, soweit er vertretbar ist, beizubehalten und ihr kaufmännisches Unternehmen fortzuführen. So liegt es hier, weil die Meinungen in Literatur und Rechtsprechung geteilt sind und eher zugunsten der Beklagten ausschlagen. Es kann von den Beklagten nicht verlangt werden, dass sie höchst vorsorglich ihre gewerbliche Tätigkeit einschränken, nur weil die Klägerin einen gegenteiligen Standpunkt einnimmt. Das Risiko der unklaren Rechtslage darf nicht einseitig den Beklagten aufgebürdet werden.

Schließlich kann die Klägerin nichts daraus herleiten, dass die Beklagten angeblich keinen effektiven Jugendschutz betreiben; denn selbst wenn das der Fall wäre, könnte nicht der Betrieb der Beklagten insgesamt verboten werden, sondern es müssten allenfalls konkrete Auflagen hinsichtlich des Jugendschutzes verfügt werden, wofür aber im Klageantrag jegliche Ansätze fehlen.

Da die Beklagte unterlegen ist, muss sie gemäß § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits tragen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 712 ZPO.






LG Wiesbaden:
Urteil v. 29.11.2007
Az: 13 O 119/06


Link zum Urteil:
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