Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Januar 2006
Aktenzeichen: 7 W (pat) 381/03

(BPatG: Beschluss v. 18.01.2006, Az.: 7 W (pat) 381/03)

Tenor

Das Patent wird beschränkt aufrechterhalten mit den Patentansprüchen 1 bis 8 gemäß Hilfsantrag III vom 11. Januar 2006, Beschreibung und Zeichnungen gemäß Patentschrift.

Gründe

I.

Gegen das Patent 100 42 247, dessen Erteilung am 3. April 2003 veröffentlicht worden ist, ist am 2. Juli 2003 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist auf die Behauptung gestützt, dass der Patentgegenstand nicht patentfähig sei. Zum Stand der Technik hat die Einsprechende die im Prüfungsverfahren entgegengehaltenen Druckschriften JP 09-209 848 A, DE 198 57 577 A1 und DE 198 57 578 A1 zitiert und zum Stand der Technik folgende Entgegenhaltungen genannt:

DE 197 25 668 C1 (E1), DE 100 19 409 C1 (E2), DE 100 07 243 C1 (E3), DE 199 45 769 A1 (E4).

Im weiteren Verlauf des Verfahrens hat sie noch die DE 29 25 495 A1 (E5) und DE-PS 1 751 655 (E6)

genannt.

Die Patentinhaberin hat mit Schriftsatz vom 11. Januar 2006, eingegangen am 12. Januar 2006, u. a. geänderte Patentansprüche gemäß Hilfsantrag III vorgelegt.

Die Einsprechende macht geltend, dass der Gegenstand des angefochtenen Patents, auch in der Fassung gemäß den Patentansprüchen nach Hilfsantrag III vom 11. Januar 2006, keine patentfähige Erfindung darstelle. Sie beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten mit den Patentansprüchen 1 bis 8 gemäß Hilfsantrag III vom 11. Januar 2006, Beschreibung und Zeichnungen gemäß Patentschrift.

Sie vertritt die Auffassung, dass der Gegenstand des Patents in der verteidigten Fassung patentfähig sei.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag III vom 11. Januar 2006 lautet:

"Abgasrückführsystem für Gasströme an einer Verbrennungskraftmaschine zur teilweisen Rückführung von Abgas in einen Strömungskanal, wobei der Durchfluss durch die Rückführung mittels eines betätigbaren Ventilelements steuerbar ist und im Strömungsquerschnitt des Strömungskanals die in diesen eintretenden Fluidströme durch Einbauten beeinflusst werden, dadurch gekennzeichnet, dass einem Frischluftstrom an einer Eintrittstelle ein Abgasstrom beigemischt wird, wobei im Abstand hinter der Eintrittstelle des Abgasstroms ein einen Staudruck und Radialströmungen induzierendes topfförmiges Einbauelement im Strömungskanal angeordnet ist, wobei die Öffnung des topfförmigen Einbauelements entgegengesetzt zur Strömungsrichtung der eintretenden Fluidströme weist und wobei die Wandung des topfförmigen Einbauelements mit einer Vielzahl von Durchbrüchen versehen ist."

Die Patentansprüche 2 bis 8 gemäß Hilfsantrag III vom 11. Januar 2006 sind auf Merkmale gerichtet, mit denen das Gasrückführsystem nach Patentanspruch 1 weiter ausgebildet werden soll.

Laut Beschreibung soll die Aufgabe gelöst werden, ein Abgasrückführsystem zu schaffen, bei dem eine gute Durchmischung des Luftmassenstroms und des zurückgeführten Abgasmassenstroms erreicht wird (Abs. 0008 der Patentschrift).

Für weitere Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1. Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs. 3 Satz 1 Ziffer 1 PatG durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.

2. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist zulässig.

3. Der Gegenstand des angefochtenen Patents in der Fassung gemäß den Patentansprüchen 1 bis 8 nach Hilfsantrag III vom 11. Januar 2006 stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne des PatG § 1 bis § 5 dar.

3.1 Die Patentansprüche sind zulässig. Der Patentanspruch 1 enthält die Merkmale aus den erteilten Patentansprüchen 1, 8 und 9, wobei das Einbauelement als topfförmig und einer der Gasströme als Frischluftstrom spezifiziert ist. Die Topfform des Einbauelements ist an zahlreichen Stellen der ursprünglichen Anmeldung und in der Patentschrift, z. B. in Spalte 4, Zeilen 9, 24 und 66 bzw. Spalte 2, Zeilen 38 bis 40 offenbart.

3.2 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik neu.

In der DE 197 25 668 C1 (E1) ist ein Abgasrückführsystem für eine Brennkraftmaschine beschrieben, bei dem Abgas durch einen Kanal in den Luftansaugkanal geführt wird. Die Menge des rückgeführten Abgases ist durch ein Ventil steuerbar. Das rückgeführte Abgas tritt durch ein Düsenstück in den Luftansaugkanal ein. Mit Abstand hinter der Eintrittsstelle ist ein Prallschirm angeordnet, an dem sich die Strömung aufstaut und der Radialströmungen induziert (Fig. 2). Von diesem bekannten Abgasrückführsystem unterscheidet sich das System nach dem geltenden Patentanspruch 1 des angefochtenen Patents dadurch, dass das Einbauelement topfförmig ausgebildet, mit seiner Öffnung entgegengesetzt zur Strömungsrichtung der eintretenden Fluidströme ausgerichtet und mit einer Vielzahl von Durchbrüchen in seiner Wandung versehen ist.

Aus der deutschen Patentschrift 1 751 655 (E6) ist ein Ventil für die Zumischung von Abgas zur Ansaugluft von Brennkraftmaschinen bekannt, bei dem das rückgeführte Abgas seitlich in einen erweiterten Bereich der Luft-Einlassleitung eintritt. Die Ansaugluft tritt durch eine Öffnung 11 in den erweiterten Bereich ein und die Mischung aus Luft und Abgas verlässt den erweiterten Bereich durch eine gegenüberliegende Öffnung 12. Koaxial mit diesen Öffnungen ist in dem erweiterten Bereich der Einlassleitung ein Einsatzrohr 14 angeordnet, das gemäß einem Ausführungsbeispiel kurz vor den Öffnungen 11 und 12 endet (Fig. 1, oberhalb der Achse 8). Bei geöffnetem Rückführventil tritt Abgas in den erweiterten Bereich der Einlassleitung ein und mischt sich dem Ansaugluftstrom u. a. zwischen der Eintrittsöffnung 11 und dem linken Ende des Einsatzrohres 14 zu (Sp. 2 Z. 26 bis 31). In der Wand des Einsatzrohres sind Öffnungen 16 vorhanden, die ebenfalls die Mischung von Ansaugluft und Abgas begünstigen (Sp. 2 Z. 31 bis 34). In einem anderen Ausführungsbeispiel ist statt des Einsatzrohrs 14 im erweiterten Bereich der Einlassleitung zur Verbesserung der Durchmischung des Abgases mit der Ansaugluft eine Düse 13 in der Austrittsöffnung 12 angebracht (Sp. 2 Z. 20 bis 26). Das Einsatzrohr ist glatt durchgehend, d. h. es weist auch nicht den Ansatz eines Bodens oder einer Verengung auf. Somit handelt es sich nicht um ein einen Staudruck und Radialströmungen induzierendes topfförmiges Einbauelement, wie es im geltenden Patentanspruch 1 des angefochtenen Patents spezifiziert ist.

Die DE 29 25 495 A1 (E5) betrifft einen Gemischaufbereiter für Brennkraftmaschinen, bei dem Kraftstoff in einen Abgasstrom eingespritzt und im weiteren Verlauf das Kraftstoff-Abgasgemisch durch eine Düsenanordnung dem Ansaugluftstrom beigemischt wird. Dazu ragt ein Rohr in den Lufteinlasskanal und endet dort in einem hohlen Austrittsdüsenkegel 15. Die Wandung des Kegels ist von mehreren Austrittsdüsen 16 durchsetzt, durch die das Kraftstoff-Abgasgemisch in den Ansaugluftstrom eintritt. Ein irgendwie geartetes Einbauelement im Abstand hinter der Eintrittsstelle des Abgasstroms ist in der Druckschrift nicht offenbart.

Auch die DE 100 19 409 C1 (E2), DE 100 07 243 C1 (E3) und DE 199 45 769 A1 (E4) sowie die im Prüfungsverfahren berücksichtigten Druckschriften offenbaren keine Abgasrückführsysteme, bei denen im Abstand hinter der Eintrittsstelle des Abgasstroms in den Ansaugluftstrom ein mit seiner Öffnung gegen die Fluidströme gerichtetes topfförmiges Einbauelement vorhanden ist. Diese Druckschriften haben in der mündlichen Verhandlung auch keine Rolle mehr gespielt.

3.3 Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1, dessen gewerbliche Anwendbarkeit nicht in Zweifel steht, ist auch das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit.

Der nächstliegende Stand der Technik ist in der aus der DE 197 25 668 C1 (E1) bekannten Ausführung eines Abgasrückführsystems (Fig. 2) zu sehen, denn bei dieser ist immerhin ein Prallschirm im Abstand hinter der Eintrittsstelle des Abgasstroms in den Ansaugluftstrom vorgesehen, der die Fluidströme aufstaut und Radialströmungen nach außen induziert. Dieser Prallschirm ist aber in der Druckschrift nur beiläufig erwähnt (Sp. 4 Z. 49 bis 52). In der Zeichnung (Fig. 2) ist er als relativ dicke Platte dargestellt. Anregungen in Richtung einer anderen Ausführung des Prallschirms ergeben sich für den Fachmann, als welcher hier ein Ingenieur des Maschinenbaus mit Erfahrungen in der Konstruktion von Brennkraftmaschinen anzusehen ist, aus der Druckschrift nicht.

Die Durchmischung des Ansaugluftstroms und des rückgeführten Abgases funktioniert bei dem Ventil nach der deutschen Patentschrift 1 751 655 (E6) in anderer Weise als nach der Lehre des angefochtenen Patents. Bei der Ausführung mit Einsatzrohr (Fig. 1) wird der Druckunterschied zwischen der Ansaugluft und dem Abgas ausgenutzt. Das Abgas tritt durch Löcher 15 bzw. durch den freien Querschnitt zwischen dem linken Ende des Einsatzrohrs und dem Gehäuse der Ansaugleitung und durch Öffnungen 16 in den durch das Einsatzrohr strömenden Luftstrom ein und vermischt sich so mit diesem. Außerdem wird der Ansaugluft noch Abgas zwischen dem Austritt des Einsatzrohres und der Austrittsöffnung 12 aus dem erweiterten Bereich beigemischt. Eine Aufstauung der Fluidströme findet nicht statt und wäre auch unerwünscht, da sie einen Druckverlust bewirken würde.

Auch bei der Ausführungsform mit Einsatzdüse in der Öffnung, durch die Ansaugluft und zugemischtes Abgas den erweiterten Bereich der Ansaugleitung verlassen (Fig. 2), zeigt kein eine Aufstauung der Fluidströme bewirkendes Element. Über den freien Querschnitt der Düse ist in der Entgegenhaltung nichts gesagt. Wenn der freie Querschnitt genauso groß ist wie der Querschnitt einer Austrittsöffnung ohne Düse - so sieht es in den Zeichnungen aus -, führt die Düse zu einer verlustfreieren Abströmung des Gasgemisches aus dem erweiterten Bereich der Einlassleitung. Wenn der Durchflussquerschnitt der Düse enger ist, führt die Düse zu einer Beschleunigung der Strömung im Bereich des Austritts, wodurch offenbar eine bessere Vermischung der Fluidströme erreicht werden soll.

Bei der in der Entgegenhaltung noch gezeigten dritten Ausführungsform mit einem scheibenförmigen Einsatz 17 (Fig. 3) entspricht die Konstruktion in etwa derjenigen, die in Fig. 2 der Entgegenhaltung (1) dargestellt ist.

Ein Abgasrückführsystem mit einem einen Staudruck und Radialströmungen induzierenden topfförmigen Einbauelement ergibt sich somit auch nicht aus der Entgegenhaltung (6) in für den Fachmann naheliegender Weise.

Da die DE 29 25 495 A1 (E5) überhaupt kein Einbauelement zur Beeinflussung der Fluidströme hinter der Eintrittstelle des Abgasstroms in den Ansaugluftstrom offenbart (s. Neuheitsvergleich), führt auch die Berücksichtigung dieser Druckschrift nicht zum Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 des angefochtenen Patents.

Das Gleiche gilt auch für die im Prüfungsverfahren berücksichtigten Druckschriften, die im Einspruchsverfahren keine Rolle gespielt haben.

Die Entgegenhaltungen (E2) bis (E4) sind erst nach dem Anmeldetag des angefochtenen Patents veröffentlicht worden und bleiben daher bei der Beurteilung der Erfindungshöhe außer Betracht.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag III vom 11. Januar 2006 und mit ihm die auf ihn rückbezogenen Ansprüche 2 bis 8 sind daher gewährbar.

gez.

Unterschriften






BPatG:
Beschluss v. 18.01.2006
Az: 7 W (pat) 381/03


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