Anwaltsgerichtshof Celle:
Urteil vom 14. März 2011
Aktenzeichen: AGH 4/10 (II 3)

(AGH Celle: Urteil v. 14.03.2011, Az.: AGH 4/10 (II 3))

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Geschäftswert wird auf 50.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger wurde am ... 19.. geboren. Er wurde erstmals am 17. Februar 1983 als Rechtsanwalt in N. zugelassen. Er ist bei dem Amtsgericht und Landgericht O. sowie seit dem 1. Juli 2002 auch bei dem Oberlandesgericht als Rechtsanwalt zugelassen.

Die Beklagte hat mit Bescheid vom 11. Februar 2010 die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO widerrufen und zur Begründung folgendes ausgeführt:

Der Kläger sei in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen könne, geraten und außer Stande, seinen Verpflichtungen nachzukommen, wie sich aus folgenden bekannt gewordenen Tatsachen ergebe:

1. Die Firma W. GmbH & Co. KG in O. habe den Gerichtsvollzieher mit der Beitreibung einer Forderung in Höhe von 179,56 Euro nebst Zinsen und Kosten aus dem Vollstreckungsbescheid des Zentralen Mahngerichts in U. - Aktenzeichen 09-8630547-0-9 - vom 2. März 2009 beauftragt. Obergerichtsvollzieher N. habe mit Schreiben vom 20. April 2009 mitgeteilt, dass die Zwangsvollstreckung in dem Geschäftslokal des Klägers erfolglos verlaufen sei.

Die Vollstreckungsverfahren seien im Vollstreckungsregister des Amtsgerichts O. zu den Aktenzeichen 59 M 5215/09 und 59 M 5205/09 unter den laufenden Nummern 1 und 2 vermerkt.

2. Die Firma O. GmbH in G. habe den Gerichtsvollzieher mit der Zwangsvollstreckung beauftragt wegen einer Forderung von 155,83 Euro nebst Zinsen und Kosten aus dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts C., Zentrales Mahngericht, vom 18. März 2009 - Aktenzeichen 09-7513594-0-8 -. Obergerichtsvollzieher N. habe auch hier mit Schreiben vom 20. April 2009 mitgeteilt, dass die Zwangsvollstreckung in dem Geschäftslokal des Klägers erfolglos verlaufen sei.

Das Vollstreckungsverfahren sei im Vollstreckungsregister des Amtsgerichts O. unter der laufenden Nummer 3 zum Aktenzeichen 59 M 5183/09 vermerkt.

3. Die K.-B.-S. habe durch Schreiben vom 11. August 2009 mitgeteilt, dass sich die Beitragsrückstände für Sozialversicherungsbeiträge auf einen Betrag von 2.580,58 Euro erhöht hätten. Seit August 2008 reiche der Kläger keine Beitragsnachweise für die Pauschalabgaben aus geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen ein, obwohl weiterhin geringfügig entlohnte Mitarbeiter angemeldet seien. Am 8. Dezember 2008 sei eine fruchtlose Zwangsvollstreckung in den Geschäftsräumen der Kanzlei des Klägers erfolgt, wie das Pfändungsprotokoll des Hauptzollamts O. ergeben habe. Die K.-B.-S. habe bereits mit Schreiben vom 16. April 2009 mitgeteilt gehabt, dass Zahlungsrückstände für Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 1.918,-- Euro bestünden und eine veranlasste Kontenpfändung negativ verlaufen sei.

4. Am 12. August 2009 sei sie, die Beklagte, bestimmungsgemäß darüber informiert worden, dass das Finanzamt O.-Land die Zwangsvollstreckung gegen den Kläger betreibe wegen Steuerrückständen in Höhe von 3.292,45 Euro. Es sei am 4. August 2009 Haftbefehl des Amtsgerichts O. zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ergangen. Der Haftbefehl zum Aktenzeichen 59 M 352/09 (284) sei im Schuldnerverzeichnis eingetragen.

Am 26. September 2009 habe der Obergerichtsvollzieher N. mitgeteilt, dass der Zwangsvollstreckungsvorgang des Finanzamts durch Zahlung erledigt sei und der ergangene Haftbefehl dem Amtsgericht O. zwecks Löschung übersandt worden sei.

5. Des Weiteren sei sie, die Beklagte, bestimmungsgemäß am 31. August 2009 über den gegen den Kläger eingeleiteten Vollstreckungsauftrag von Frau K. S. informiert worden. Gegenstand der Zwangsvollstreckung sei eine Hauptforderung aus dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts U. vom 6. August 2009 über 489,45 Euro nebst Kosten und Zinsen zum Aktenzeichen 09-8777251-0-4.

Am 18. September 2009 habe Obergerichtsvollzieher N. mitgeteilt, dass ein Haftbefehl mit Datum vom 15. September 2009 vom Vollstreckungsgericht des Amtsgerichts O. ergangen sei zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Zum anberaumten Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung am 11. September 2009 sei der Kläger trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen, so dass Haftbefehl gemäß Beschluss vom 15. September 2009 durch das Amtsgericht O. zum Aktenzeichen 59 M 417/09 ergangen sei. Der Haftbefehl sei in das Schuldnerverzeichnis beim Amtsgericht O. eingetragen worden sowie ebenfalls im Vollstreckungsregister des Amtsgerichts O. zur laufenden Nummer 1.

Am 8. Dezember 2009 habe der Obergerichtsvollzieher N. mitgeteilt, dass der am 15. September 2009 ergangene Haftbefehl durch Zahlung erledigt sei. Der Eintrag im Schuldnerverzeichnis sei am 9. Dezember 2009 gelöscht worden.

6. Der Kammerbeitrag für 2009 sei von dem Kläger erst nach erfolgloser Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsvollzieher und anschließendem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss betreffend dessen Geschäftskonto am 23. September 2009 bezahlt worden. Bereits am 2. Juli 2009 habe der Kläger eine vollstreckbare Zahlungsaufforderung erhalten. Die zunächst eingeleitete Zwangsvollstreckung sei entsprechend der Mitteilung des Gerichtsvollziehers vom 12. August 2009 erfolglos gewesen. Erst nach der Mitteilung des Vollstreckungsgerichts des Amtsgerichts O. vom 16. September 2009, dass auf einen entsprechenden Antrag ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ergangen sei, sei eine Zahlung durch den Kläger in Höhe von 252,-- Euro erfolgt. Erst nach weiterer Zahlungsaufforderung mit Schriftsatz vom 28. September 2009 seien auch die Gerichtsvollzieherkosten und Gerichtskosten sowie die Zustellungskosten in Höhe von insgesamt 41,45 Euro gezahlt worden. Das Vollstreckungsverfahren sei im Vollstreckungsregister des Amtsgerichts O. vermerkt unter dem Aktenzeichen 59 M 5114/09 unter der laufenden Nummer 4.

7. Am 12. Januar 2010 sei sie, die Beklagte, bestimmungsgemäß darüber informiert worden, dass die Firma S. GmbH & Co. die Zwangsvollstreckung gegen den Kläger betreibe aus dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts U. vom 12. November 2009 über eine Forderung von 130,53 Euro zuzüglich Zinsen und Kosten. Mit Datum vom 8. Januar 2010 sei Haftbefehl gegen ihn durch Beschluss des Amtsgerichts O. zum Aktenzeichen 59 M 10/10 ergangen, da er zum angeordneten Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung am 29. Dezember 2009 nicht erschienen sei. Der Haftbefehl und das Zwangsvollstreckungsverfahren sei in dem Vollstreckungsregister II des Amtsgerichts O. eingetragen worden.

Nach Mitteilung des Obergerichtsvollziehers N. vom 28. Januar 2010 habe sich der erlassene Haftbefehl vom 8. Januar 2010 durch Zahlung erledigt und sei der Eintrag im Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts O. am 3. Februar 2010 gelöscht worden.

8. Am 26. Januar 2010 sei sie, die Beklagte, bestimmungsgemäß vom Obergerichtsvollzieher N. über ein weiteres Zwangsvollstreckungsverfahren informiert worden. Die W., S.Straße, B., vollstrecke aus einem Vollstreckungsbescheid vom 16. Oktober 2009 des Amtsgerichts U. eine Hauptforderung in Höhe von 634,38 Euro zuzüglich Zinsen und Kosten (Gesamtbetrag ca. 1.050,-- Euro). In diesem Vollstreckungsverfahren sei Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung anberaumt worden auf den 29. Dezember 2009. Da der Termin von dem Kläger nicht wahrgenommen worden sei, sei Haftbefehl mit Beschluss des Amtsgerichts O. vom 18. Januar 2010 zum Aktenzeichen 59 M 11/10 ergangen. Der Haftbefehl sei im Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts O. eingetragen worden.

Hier liege weder ein Erledigungsnachweis noch eine Stellungnahme durch den Kläger vor.

9. Mit Versäumnisurteil vom 21. Oktober 2009 sei der Kläger verurteilt worden, an Frau S. B. 2.946,07 Euro nebst Zinsen und Kosten zu zahlen. Das Urteil sei rechtskräftig. Darüber liege ein Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts O. vom 9. November 2009 in der gleichen Angelegenheit vor, mit dem er verpflichtet worden sei, an Frau S. B. 525,45 Euro Kosten nebst Zinsen zu erstatten. Trotz der Tatsache, dass es sich bei der Klage der Frau S. B. um eine Forderung wegen einbehaltenen Fremdgeldes handele, habe der Kläger hierzu auch nach entsprechender Aufforderung mit Schreiben vom 29. September 2009 nicht Stellung genommen. Da ein Versäumnisurteil ergangen sei, welches auch nicht angefochten worden sei, sei die Forderung der Frau B. zugestanden worden. Nach dem Klagevortrag habe der Kläger trotz Ankündigung mit Schreiben vom 28. Mai 2009 das empfangene Fremdgeld nicht weisungsgemäß auf das Konto der S. Bank weitergeleitet, so dass es der weiteren Aufforderung durch den Prozessvertreter der Frau B. mit Schreiben vom 2. Juli 2009 bedurft habe und letztlich sogar der Klage vom 3. August 2009. Da im Rechtsstreit keine Erledigung erklärt worden, sondern Versäumnisurteil ergangen und diesseits ein Zahlungsnachweis nicht vorgelegt worden sei, sei davon auszugehen, dass der Kläger auch diesen Betrag nicht gezahlt habe. Sie, die Beklagte, habe ein förmliches Beschwerdeverfahren eingeleitet wegen des Verdachts des unkorrekten Umgangs mit Fremdgeld und die Angelegenheit zur weiteren Ermittlung an die Generalstaatsanwaltschaft abgegeben. Das Verfahren werde dort unter dem Aktenzeichen 200 EV 19/10 geführt.

10. Mit rechtskräftigem Versäumnisurteil des Amtsgerichts O. vom 7. Dezember 2009 sei der Kläger des Weiteren verurteilt worden, die Räume im Hause B.Straße, B., bestehend aus vier Zimmern, Korridor, Diele, Bad, Toilette und Parkplatz zu räumen und an die Vermieterin, Frau S., herauszugeben. Des Weiteren sei der Kläger verurteilt worden, an Frau S. rückständige Miete in Höhe von insgesamt 1.562,85 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Ein entsprechender Kostenfestsetzungsbeschluss werde folgen.

Bei den Räumlichkeiten B.Straße in B. handele es sich um die (frühere) Kanzlei des Klägers, der bereits seit Mitte des Jahres 2008 Schwierigkeiten gehabt habe, die fällige Miete zu zahlen, so dass es auch insoweit der Klage und letztlich auch der fristlosen Kündigung bedurft habe.

11. Am 26. März 2009 habe die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung, die A. AG, mitgeteilt, dass aufgrund nicht gezahlter Versicherungsprämien der Versicherungsschutz bereits seit dem 12. Januar 2009 nicht mehr bestehe und die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung seitens der Versicherung am 25. März 2009 fristlos gekündigt worden sei. Mit Schreiben vom 15. April 2009 sei der Kläger aufgefordert worden, den Nachweis über die fortbestehende Berufshaftpflichtversicherung zu führen. Bereits in der Vergangenheit habe mehrfach Veranlassung bestanden, den Kläger auf Versicherungslücken hinzuweisen. Da eine Stellungnahme nicht eingegangen sei und auch die Rückfrage bei der A. AG ergeben habe, dass der Kläger zwar Zahlung angekündigt habe, eine Zahlung aber tatsächlich nicht erfolgt sei, sei die Zulassung mit Bescheid vom 5. Mai 2009 mit Anordnung der sofortigen Vollziehung widerrufen worden. Am 8. Mai 2009 sei dann die Mitteilung der A. AG eingegangen, dass ab dem 5. Mai 2009 wieder Versicherungsschutz bestehe, so dass mit Bescheid vom 13. Mai 2009 der Widerrufsbescheid vom 5. Mai 2009 aufgehoben worden sei. Auch die Versicherungslücke für die Zeit vom 23. Dezember 2008 bis zum 5. Mai 2009 sei durch Zahlung erst am 13. Mai 2009 geschlossen worden.

Nach ihrer, der Beklagten, Auffassung belegten die vorgenannten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen und die titulierten Forderungen das Vorliegen der Voraussetzungen eines Vermögensverfalls. Da bereits aufgrund der gegen den Kläger ergriffenen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen die konkrete Gefahr bestehe, dass von ihm zur Weiterleitung bestimmte Vermögenswerte nicht auftragsgemäß behandelt werden könnten, sei hier auch nicht ausnahmsweise ein Wegfall der Gefährdung der Vermögensinteressen der Rechtssuchenden zu erkennen.

Gegen diesen ihm am 12. Februar 2010 zugestellten Bescheid hat der Kläger am 11. März 2010 bei dem Niedersächsischen Anwaltsgerichtshof Klage erhoben.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2010 aufzuheben.

Er führt aus, dass die Forderungen bzgl. der Ziffern 1 - 7, 9 - 11 sowie der D. Versicherung M. und der N. Zeitung erledigt seien. Bzgl. Ziffer 8. sei nur noch ein geringer Restbetrag offen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Anhaltspunkte dafür, dass sich die wirtschaftliche Situation des Klägers verbessert habe, lägen nicht vor. Im Gegenteil: Die Bekanntgabe einer weiteren Zwangsvollstreckungsangelegenheit mit Erlass eines weiteren Haftbefehls mit Datum vom 9. April 2010 belege, dass sich die wirtschaftliche Situation des Klägers weiter verschlechtere. Im Einzelnen:

Sie, die Beklagte, sei mit Schreiben vom 13. April 2010 bestimmungsgemäß vom Amtsgericht O. über den Erlass eines Haftbefehls des Amtsgerichts O. vom 9. April 2010 in der Zwangsvollstreckungsangelegenheit des Finanzamts O.-Land informiert worden. Der Haftbefehl sei zu erlassen gewesen, weil der Kläger zum anberaumten Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung am 12. Februar 2010 nicht erschienen sei. Das Finanzamt O.-Land vollstrecke Abgabenrückstände in Höhe von 7.994,44 Euro aufgrund der Anordnung vom 21. Dezember 2009.

Des Weiteren sei sie, die Beklagte, von der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung des Klägers mit Schreiben vom 18. März 2010 darüber unterrichtet worden, dass die von diesem unterhaltene Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung am 11. Januar 2010 geendet habe. Der Kläger sei mit Schreiben vom 25. März 2010 aufgefordert worden, bis spätestens zum 8. April 2010 einen Originalnachweis vorzulegen über eine bestehende Berufshaftpflichtversicherung unter Androhung des weiteren Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft mit Androhung der sofortigen Vollziehung. Am 12. April 2010 sei dann die Bestätigung der A. AG eingegangen, dass der Kläger eine Berufshaftpflichtversicherung gemäß § 51 BRAO ab dem 6. April 2010 abgeschlossen habe. Somit bestehe wieder Versicherungsschutz, jedoch auch eine Versicherungslücke für die Zeitraum vom 11. Januar bis zum 6. April 2010, die noch zu schließen sei. Jedenfalls belegten auch diese Tatsachen, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers weiter verschlechterten, da er offenbar nicht in der Lage sei, die Versicherungsprämien pünktlich zu zahlen.

Jedenfalls sei nunmehr im Hinblick darauf, dass der Kläger auch trotz mehrfacher Anmahnung die Versicherungslücke in der Berufshaftpflichtversicherung nicht habe schließen können, mit Bescheid vom 7. Juli 2010 die sofortige Vollziehung der Widerrufsverfügung angeordnet worden. Kurz zuvor habe der Gerichtsvollzieher B. mitgeteilt, dass aufgrund des gegen den Kläger ergangenen Räumungstitels (Position 10 der Widerrufsverfügung) Räumungsauftrag erteilt worden sei und am 5. Juli 2010 die Kanzleiräumlichkeiten in B., B.Straße, geräumt worden seien. Die gesamten Handakten seien bei einer Spedition eingelagert worden. Mit Schreiben vom 23. Juli 2010 habe dann die Berufshaftpflichtversicherung bestätigt, dass die Versicherungslücke nach Zahlung des entsprechenden Beitrages geschlossen worden sei und, nachdem der Kläger seinen Kanzleisitz an seinen Wohnsitz verlegt habe, sei die Anordnung der sofortigen Vollziehung wieder aufgehoben worden.

Darüber hinaus sei sie, die Beklagte, über weitere Vollstreckungsverfahren informiert worden.

Die D. Versicherung M. habe Vollstreckungsauftrag am 18. März 2010 zur Vollstreckung einer Forderung aus dem Vollstreckungsbescheid vom 28. Januar 2010 zum Aktenzeichen 09-8137206-0-7 hinsichtlich einer Forderung über 618,97 Euro zuzüglich Zinsen und Kosten erteilt.

Die N. Zeitung habe Vollstreckungsauftrag mit Datum vom 18. März 2010 zur Vollstreckung einer Forderung über 78,89 Euro zuzüglich Zinsen und Kosten aus dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts U. vom 28. Januar 2010 zum Aktenzeichen 10-8302728-0-1 erteilt. Da der Kläger den in dieser Angelegenheit anberaumten Termin zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung am 3. März 2010 nicht wahrgenommen habe, sei ein weiterer Haftbefehl durch das Amtsgericht O. zum Aktenzeichen 59 M 97/10 am 5. März 2010 ergangen.

In der mündlichen Verhandlung vom 6. Dezember 2010 war dem Kläger aufgegeben worden, bis zum 30. Dezember 2010 durch geeignete Unterlagen zu belegen, dass alle bislang nach Aktenlage nicht erledigten Positionen durch Zahlung ausgeglichen und die eingetragenen Haftbefehle gelöscht worden seien.

In der Folgezeit kam es mit Ausnahme der Vorgänge bzgl. des Finanzamts O.-Land und der K.-B.-S. ((Mini-Jobzentrale) sowie der Zwangsvollstreckungssache der D. Versicherung M. zur Rückführung von Schulden durch den Kläger und entsprechender Erledigung sowie auch zur Löschung der Haftanordnungen bzgl. der Sachen W. ./. T. und T. ./. T., so dass mit Beschluss vom 17. Januar 2011 die Fortsetzung der mündlichen Verhandlung angeordnet worden war.

Die Beklagte hat weiter wie folgt vorgetragen:

Frau K. S. vollstrecke gegen den Kläger nunmehr aus dem Urteil des Amtsgerichts O. vom 7. Dezember 2009 (14 C 517/09) eine Restforderung in Höhe von 1.146,22 € zuzüglich Kosten und Zinsen. Einer Mitteilung des Obergerichtsvollziehers W. vom 15. Februar 2011 zufolge habe der Kläger der Vorladung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht Folge geleistet. Wie sich aus dem aktuellen Auszug aus dem Schuldnerverzeichnis vom 21. Februar 2011 ergebe, sei nunmehr diesbezüglich Haftbefehl durch das Amtsgericht O. (59 M 82/11) erlassen worden.

II.

Die Klage ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden. Sie ist aber nicht begründet.

Die Beklagte hat die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft zu Recht wegen Vermögensverfalls nach §14 Abs.2 Nr.7 BRAO widerrufen.

Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung eines Rechtsanwalts zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist von einem Vermögensverfall auszugehen, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, geraten und außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen (vgl. BGH NJW 2003, 75; BRAK-Mitteilungen 2000, 144; BRAK-Mitteilungen 1999, 270). Die Erwirkung von Schuldtiteln und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen einen Rechtsanwalt sind dabei Beweisanzeichen für den Vermögensverfall (vgl. BGH, BRAK-Mitteilungen 1991, 166).

Darüber hinaus gilt gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 2. Halbsatz BRAO die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls, wenn der Rechtsanwalt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 915 ZPO) eingetragen ist. In diesem Fall trifft die Beweislast, dass ein Vermögensverfall nicht vorliegt, den betroffenen Rechtsanwalt selbst.

Die Widerrufsgründe des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO liegen hier vor. Die Beklagte hat zahlreiche unter den Ziffern 1. bis 10. aufgeführte Sachverhalte dargestellt, aus denen sich ergibt, dass der Kläger teilweise nicht einmal zur Zahlung geringer Beträge in der Vergangenheit in der Lage war. Soweit es ihm gelungen ist (Ziffern 1., 2. und 4. - 11.) schuldige Beträge wieder zum Ausgleich zu bringen, vermag dieser Umstand nichts daran zu ändern, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers als schlecht zu bezeichnen sind. Der Kläger hat es insbesondere nicht vermocht, den inzwischen bei dem Finanzamt O.-Land aufgelaufenen Rückstand zurückzuführen bzw. auch nur eine Aussetzung der Vollstreckung zu erwirken. Zwar hat er gemäß seiner Mitteilung vom 10. März 2011 Klage bei dem Finanzgericht H. gegen den Bescheid des Finanzamts O.-Land in der Gestalt des Einspruchsbescheides vom 1. März 2011 erhoben, aus welchem sich eine Forderung des Finanzamts in Höhe von 19.941,84 € ergibt. Ungeachtet dessen hat der Senat derzeit von einer entsprechenden Schuld des Klägers auszugehen. Auch der Vorgang bzgl. der Deutschen Rentenversicherung K.-B.-S. (Mini-Jobzentrale) ist nicht erledigt wie auch die Zwangsvollstreckungsangelegenheit der D. M.

Hinzu kommt, dass inzwischen in der Zwangsvollstreckungssache S. durch das Amtsgericht O. ein weiterer Haftbefehl gegen den Kläger ergangen ist, wodurch sich durch die von dem Kläger erhobene Vollstreckungsabwehrklage ersichtlich nichts geändert hat, der ebenso wie der durch das Finanzamt O.-Land veranlasste Haftbefehl die Vermutung des Vermögensverfalls begründet.

Im Übrigen hat der Kläger auch nicht dargelegt, dass er sich trotz der umfangreichen gegen ihn ausgebrachten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen und gegen ihn erwirkten Titel nicht im Vermögensverfall befindet.

Der Senat konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. März 2011 auch in Abwesenheit des Klägers entscheiden, da dieser in der Ladung vom 20. Januar 2011 darauf hingewiesen worden war, dass auch bei seinem Nichterscheinen zur mündlichen Verhandlung ohne ihn verhandelt und entschieden werden wird, §§112 c BRAO, 102 Abs.2 VwGO. Der Kläger hat sein Nichterscheinen nicht entschuldigt.

III.

Ein Anlass, die Berufung nach §124 VwGO, §§112 Abs.1, 112 e BRAO zuzulassen, besteht nicht. Weder weist die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf noch hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§§124 a Abs.1 Satz 1, 124 Abs.2 Nr.2 und 3 VwGO).

IV.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 112 c BRAO, 154 Abs.1 VwGO, 708 Nr.11, 711 ZPO.

Der Streitwert war gemäß § 194 Abs. 2 BRAO auf 50.000,-- Euro festzusetzen.






AGH Celle:
Urteil v. 14.03.2011
Az: AGH 4/10 (II 3)


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