Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Juli 2006
Aktenzeichen: 32 W (pat) 176/03

(BPatG: Beschluss v. 12.07.2006, Az.: 32 W (pat) 176/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 5. Februar 2003 und vom 20. März 2003 insoweit aufgehoben, als die angemeldete Marke für die Waren und Dienstleistungen "Speicher für Datenverarbeitungsanlagen; Telekommunikation" zurückgewiesen wurde.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die am 19. September 2002 für zahlreiche Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 35, 38, 41 und 42 angemeldete farbige (rot, weiß) Bildmarke Grafikist von der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts nach vorangegangenen Beanstandungsbescheiden im einem ersten Beschluss vom 5. Februar 2003 teilweise, nämlich für die Waren und Dienstleistungen

"Speicher für Datenverarbeitungsanlagen; Computer-Software, insbesondere für die Abfrage, Darstellung, Bearbeitung und Ausgabe multimedialer Daten in Computernetzwerken einschließlich des Internets; mit Informationen versehene maschinell lesbare Datenträger aller Art sowie Ton- und Bildaufzeichnungsträger, insbesondere Disketten, CD-ROMs, DVDs, Chip-Karten, Magnet-Karten, Video-Kassetten, Compact-Disks und Video-Disks; auf Datenträgern aufgezeichnete Informationssammlungen und Datenbanken;

Druckereierzeugnisse, Druckschriften, Zeitschriften, Zeitungen, Bücher, insbesondere auch als elektronische Publikationen; Poster, Aufkleber, Kalender; Schilder und Modelle aus Papier und Pappe; Fotografien und Lichtbilderzeugnisse; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate), soweit in Klasse 16 enthalten;

Telekommunikation; Übermittlung von Informationen an Dritte, Verbreitung von Informationen über drahtlose oder leitungsgebundene Netze; Ausstrahlung von Rundfunksendungen; Online-Dienste, nämlich Übermittlung von Nachrichten und Informationen aller Art; E-Mail-Datendienst (= elektronischer Postversand); Internet-Dienstleistungen, nämlich Bereitstellen von Informationen im Internet, jeweils soweit in Klasse 38 enthalten;

Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen, insbesondere von Zeitungen, Zeitschriften und Büchern, sowie von Lehr- und Informationsmaterial, jeweils einschließlich gespeicherter Ton- und Bildinformation und auch in elektronischer Form; Produktion von Ton- und Bildaufzeichnungen auf Ton- und Bildträger;

Produktion von Rundfunksendungen, Zusammenstellen von Rundfunkprogrammen; Unterhaltung, insbesondere Rundfunkunterhaltung; Durchführung von Unterhaltungsveranstaltungen, Live-Events, Schulungsveranstaltungen, Bildungsveranstaltungen sowie kulturellen und sportlichen Veranstaltungen, soweit in Klasse 41 enthalten"

wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen worden. In Zusammenhang mit diesen Waren und Dienstleistungen werde mit der angemeldeten Marke allein die (weibliche) Zielgruppe bezeichnet, die einem Trend (i. S. v. Entwicklungstendenz) folge. Zwar möge es unterschiedliche Trends geben, was aber zu keiner Mehrdeutigkeit der Bezeichnung als solcher führe. Für die Beurteilung der Unterscheidungskraft seien nicht die geringeren Anforderungen des Werktitelschutzes nach § 5 Abs. 3 MarkenG maßgeblich. Die einfache, dem Werbestandard entsprechende graphische Gestaltung vermöge die erforderliche Unterscheidungskraft nicht zu begründen.

Die Erinnerung der Anmelderin ist durch Beschluss der Markenstelle - Beamter des höheren Dienstes - vom 20. März 2003 zurückgewiesen worden. Die Begründung folgt im Wesentlichen der des Erstbeschlusses.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie stellt den (sinngemäßen) Antrag, die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 41 vom 5. Februar 2003 und vom 20. März 2003 aufzuheben.

Die Anmelderin verweist auf ihrer Ansicht nach einschlägige Entscheidungen des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt und des Europäischen Gerichts erster Instanz. Weiterhin vertritt sie die Ansicht, die Wortbestandteile der angemeldeten Bezeichnung seien mehrdeutig und im deutschen Sprachgebrauch (noch) nicht üblich. Außerdem trage die besondere Schriftart und Farbe zur Unterscheidungskraft bei.

In weiteren Schriftsätzen verweist die Anmelderin darauf, dass die parallel angemeldete, sehr ähnliche Bildmarke "Leute im Trend" unter der Nr. 303 47 043 eingetragen worden sei und dass der Senat in einem anderen Verfahren die Bildmarke "MY LIFE" für Waren und Dienstleistungen des Medienbereichs für schutzfähig erachtet habe (Beschluss vom 20. April 2005, 32 W (pat) 92/04). Vorliegend gehe es ebenfalls um ein Zeichen, welches aufgrund seiner graphischen Gestaltung wie ein Logo wirke.

Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist nur in einem geringen Umfang - bezüglich der in der Beschlussformel genannten Waren und Dienstleistungen - begründet; im Übrigen ist ihr der Erfolg zu versagen, weil der angemeldeten Darstellung für die verbleibenden beschwerdegegenständlichen Erzeugnisse und Dienstleistungsangebote jegliche Unterscheidungskraft fehlt.

1. a) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. EuGH GRUR 2003, 514, 517 Rdn. 40 - Linde, Winward und Rado; BGH GRUR 2003, 1050 - Cityservice). Was den Wortbestandteil anbetrifft, so ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von fehlender Unterscheidungskraft auszugehen, wenn diesem ein für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Sinngehalt zugeordnet werden kann oder wenn es sich um ein gebräuchliches Wort (bzw. eine Wortfolge) der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom Verkehr, etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung, stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (st. Rspr.; vgl. BGH Cityservice, a. a. O.).

Handelt es sich bei den beanspruchten Waren und Dienstleistungen um solche, die neben ihrem Charakter als handelbare Güter auch einen bezeichnungsfähigen gedanklichen Inhalt aufweisen oder aufweisen können, so ist - unbeschadet eines etwaigen Werktitelschutzes nach § 5 Abs. 3 MarkenG, für den, wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, geringere Anforderungen gelten - die markenrechtliche Unterscheidungskraft auch dann zu verneinen, wenn die betreffende Bezeichnung nach Art eines Sachtitels geeignet ist, diesen gedanklichen Inhalt der Waren und Dienstleistungen zu beschreiben (vgl. BGH GRUR 2000, 882 - Bücher für eine bessere Welt; GRUR 2001, 1042 - REICH UND SCHOEN; 1043 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten; GRUR 2002, 1070 - Bar jeder Vernunft; GRUR 2003, 342 - Winnetou; Senatsbeschluss GRUR 2006, 593 - Der kleine Eisbär).

Ist - wie hier bezüglich des Wortbestandteils der angemeldeten Darstellung - die Unterscheidungskraft einer Wortfolge zu beurteilen, so bestehen grundsätzlich keine abweichenden Anforderungen gegenüber anderen Wortmarken. Bei einer aus mehreren Wörtern bestehenden Marke ist auf die Bezeichnung in ihrer Gesamtheit abzustellen (vgl. z. B. BGH MarkenR 2000, 420 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Wortfolgen sind dann nicht unterscheidungskräftig, wenn es sich um beschreibende Angaben oder um Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art handelt (vgl. z. B. BGH MarkenR 2000, 48 - Radio von hier; GRUR 2001, 1042, 1044 reSp. - Gute Zeichen - Schlechte Zeiten). Dies ist vorliegend der Fall.

b) "Frau in Trend" ist eine sprachüblich gebildete Wortfolge, deren Verständnis dem angesprochenen (breiten) Publikum keinerlei Schwierigkeiten bereitet. Der - ursprünglich englischsprachige - Begriff "Trend" ist bereits vor langer Zeit als Lehnwort in den deutschen Sprachgebrauch eingegangen und bedarf keiner Übersetzung. Als "Frau im Trend" wird ohne weiteres eine an aktuellen Entwicklungen und Tendenzen interessierte, z. B. modebewusste Frau verstanden. Dass es von Zeit zu Zeit unterschiedliche Trends auf Gebieten wie Mode, Schönheitspflege, Ernährung, Kindererziehung, Wohnungseinrichtung, Freizeitgestaltung, Sport usw. gibt, macht den Begriff als solchen nicht mehrdeutig.

Von Hause aus, d. h. vor und unabhängig von jeder Benutzung, wird "Frau im Trend" in Verbindung mit den weiterhin nicht schutzfähigen Waren und Dienstleistungen von der angesprochenen Zielgruppe als werbemäßige Anpreisung mit deutlich inhaltsbezogenem Sinngehalt verstanden. Die Kundin soll dazu verleitet werden, z. B. eine so bezeichnete Publikation zu erwerben, um sich über aktuelle Trends auf den sie interessierenden Gebieten zu informieren. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (z. B. GRUR 2000, 882 - Bücher für eine bessere Welt) steht der Verneinung jeglicher Unterscheidungskraft nicht entgegen, dass eine Bezeichnung vage ist und dem Verbraucher (d. h. hier vorrangig der Verbraucherin) wenig Anhalt dafür bietet, welche Inhalte im Einzelnen vermittelt werden sollen. Es genügt, wenn im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen konkrete Inhalte vermutet werden und die Bezeichnung nicht nicht als herkunftsmäßig unterscheidend aufgefasst wird (Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 8 Rdn. 58). So verhält es sich hier.

c) Für mediale Produkte aller Art - unabhängig davon, ob diese nun in gedruckter Gestalt, als Bild-, Ton- und Datenträger oder in elektronischer Form in Erscheinung treten - eignet sich der Wortbestandteil der angemeldeten Marke ohne weiteres zur inhaltlichen Beschreibung. Entsprechendes gilt für Poster, Aufkleber, Kalender, Schilder aus Papier und Pappe sowie Fotografien und Lichtbilderzeugnisse. Lehr- und Unterrichtsmittel in Klasse 16 können für Frauen "im Trend" bestimmt sein oder über aktuelle Trends informieren. Auf Informationsvermittlung gerichtete Dienstleistungen - wiederum unabhängig vom Medium (drahtlose oder leitungsgebundene Netze, Rundfunk, Internet, sonstige elektronische Datendienste) - können von der Thematik her in besonderer Weise für die "Frau im Trend" von Interesse sein bzw. über solche Frauen, vor allem soweit diese von Prominenz sind, berichten. Auch für Dienstleistungen, die sich auf die Veröffentlichung und Herausgabe von Druckerzeugnissen aller Art, von sonstigen Ton-, Bild- und Datenträgern sowie von elektronisch wiedergebbaren Informationen beziehen, stellt "Frau im Trend" eine inhaltsbezogene Angabe dar (vgl. BGH - Winnetou, a. a. O.). Gleiches kann für Rundfunkprogramme, Unterhaltsveranstaltungen aller Art (live oder aufgezeichnet), Schulungs- und Bildungsangebote sowie kulturelle und sportliche Veranstaltungen zutreffen.

d) Die bildliche Ausgestaltung - Farbe und Schrifttype - der angemeldeten Marke ist einfach und unauffällig; sie ist daher nicht geeignet, der im oben dargelegten Umfang schutzunfähigen Wortfolge zur erforderlichen Unterscheidungskraft zu verhelfen. Im Gesamteindruck der Marke ergibt sich keine kennzeichnungskräftige Verfremdung des schutzunfähigen Bedeutungsgehalts der Wortbestandteile (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rdn. 99 m. w. N.). Der Hinweis der Anmelderin auf den MY LIFE-Beschluss des Senats (32 W (pat) 92/04) ist im vorliegendem Zusammenhang unbehelflich. Für Medienprodukte aller Art ist der Sinngehalt der Wortfolge "MY LIFE" deutlich weniger konkret als der von "Frau im Trend". Mithin reichten in jenem Fall geringere Anforderungen an die graphische Ausgestaltung (dort nach Art eines Labels), um in der Gesamtheit ein Mindestmaß von Unterscheidungskraft zu begründen (vgl. zur Wechselwirkung von Wortbedeutung und den Anforderungen an die bildliche Ausgestaltung z. B. BGH GRUR 2001, 1053 - antiKALK; BPatGE 38, 239 - Jean's etc).

2. Ob der Wortbestandteil der angemeldeten Marke hinsichtlich der weiterhin zu versagenden Waren und Dienstleistungen auch als Merkmalsbezeichnung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dienen kann und deshalb von Monopolrechten eines einzelnen Unternehmens freizuhalten ist, bedarf - da nicht entscheidungserheblich - keiner Entscheidung.

3. Aus der Schutzgewährung für andere, vermeintlich ähnlich gestaltete deutsche, ausländische oder europäische Marken vermag die Anmelderin keinen Anspruch auf Registrierung abzuleiten. Die deutsche Rechtsprechung geht von jeher davon aus, dass Voreintragungen - selbst identischer Marken - weder für sich, noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu einer Selbstbindung derjenigen Stellen führen, welche über die Eintragung zu befinden haben (vgl. z. B. BGH BlPMZ 1998, 248 - Today; BPatGE 32,5 - CREATION GROSS). Die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke stellt keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage dar. Im Recht der Europäischen Gemeinschaft (Markenrichtlinie, GMV) gilt nichts abweichendes, wie der Europäische Gerichtshof in den letzten Jahren mehrfach festgestellt hat (vgl. z. B. GRUR 2004, 674 - Postkantoor, Rdn. 43, 44; GRUR 2004, 428 - Henkel, Rdn. 63). Eintragungen von Marken in das Gemeinschaftsmarkenregister oder in die Register einzelner Staaten können zwar Beachtung finden, führen aber nicht zu einer rechtlichen Bindung der nationalen Markenämter. Nur der Vollständigkeit halber ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die seitens der Anmelderin angeführte Marke "DOUBLEMINT" inzwischen vom Europäischen Gerichtshof für nicht schutzfähig erachtet worden ist (GRUR 2004, 146).

4. Auf Durchsetzung der angemeldeten Darstellung im beteiligten Verkehr infolge Benutzung (§ 8 Abs. 3 MarkenG) hat die Anmelderin ihr Eintragungsbegehren nicht gestützt.

5. Eine andere Beurteilung der Schutzfähigkeit ist nur für die in der Beschlussformel genannten Waren und Dienstleistungen angebracht. Für diese ist "Frau in Trend" weder glatt beschreibend i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, noch steht eine unmittelbar produktbezogene Vorstellung im Vordergrund des Verständnisses relevanter Publikumskreise, woraus das Vorhandensein des Mindestmaßes an betriebskennzeichnender Hinweiskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG folgt.

"Speicher für Datenverarbeitungsanlagen" sind technische Bauteile solcher Anlagen und vom Verwendungszweck her nicht auf solche Informationen beschränkt, welche sich mit einer "Frau im Trend" befassen. Mithin ist die angemeldete Bezeichnung nicht wirklich geeignet, die Beschaffenheit oder die Bestimmung des Produkts zu beschreiben. Die Dienstleistung "Telekommunikation" beinhaltet das Angebot an (zwei oder mehrere) dritte Interessenten, untereinander in Verbindung zu treten, wobei der Anbieter selbst auf den Inhalt der Kommunikation keinen Einfluss nimmt, diesen in den meisten Fällen auch gar nicht kennt. Dass die Nutzer des Dienstleistungsangebots sich gegenständlich unbeschränkt austauschen können, mithin u. U. auch über eine "Frau im Trend" bzw. über frauenspezifische Trends, hat unberücksichtig zu bleiben (vgl. bereits Senatsbeschluss vom4. Februar 2004, 32 W (pat) 33/02 - Ü 30-Party). "Telekommunikation" unterscheidet sich somit maßgeblich von den sonstigen verfahrensgegenständlichen Dienstleistungen in Klasse 38, bei denen der Anbieter selbst bestimmte inhaltsbezogene Informationen an Dritte weiterleitet.






BPatG:
Beschluss v. 12.07.2006
Az: 32 W (pat) 176/03


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