Landesarbeitsgericht Hamm:
Urteil vom 2. Juli 2013
Aktenzeichen: 9 Sa 277/13

(LAG Hamm: Urteil v. 02.07.2013, Az.: 9 Sa 277/13)

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 09.01.2013, Az. 5 Ca 2251/12 teilweise abgeändert.

Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 1.554,96 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit der Rechtskraft der Entscheidung in diesem Rechtsstreit zu zahlen.

Die Beklagte zu 1) wird weiter verurteilt, an den Kläger künftig monatlich über 298,59 € brutto hinaus weitere 64,79 € brutto, fällig jeweils am Letzten eines jeden Monats, beginnend mit dem Monat Juli 2013, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem Ersten des Folgemonats, frühestens jedoch seit Rechtskraft der Entscheidung in diesem Rechtsstreit, zu zahlen.

Die erstinstanzlichen Kosten werden dem Kläger und der Beklagten zu 1) zu je ½ auferlegt.

Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) im zweitinstanzlichen Verfahren. Die Gerichtskosten zweiter Instanz werden dem Kläger und der Beklagten zu 1) zu je ½ auferlegt.

Die Beklagte zu 1) trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren sowie ihre eigenen außergerichtlichen Kosten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Erhöhung der Betriebsrente des Klägers.

Der am 19. März 1939 geborene Kläger war in der Zeit vom 01.04.1954 bis zum 31.05.1996 bei der PP GmbH & Comp. in M1 als Schweißer tätig. Diese Arbeitgeberin sagte ihm eine Betriebsrente gemäß den "Richtlinien über die Gewährung von Leistungen aus der Unterstützungskasse" der "Unterstützungseinrichtung der Firma PP & Comp. e. V. in M1" zu. Die Arbeitgeberin des Klägers befasste sich mit der Herstellung und dem Handel lüftungstechnischer Apparate und Anlagen. Sie war ihrerseits Mutterunternehmen der FWAGmbH in S1, der späteren GHW GmbH.

Am 25.10.1995 schlossen die PP GmbH & Comp. und der in ihrem Betrieb bestehende Betriebsrat einen Interessenausgleich und einen Sozialplan ab. 1995 wurden zunächst 57 Arbeitsplätze abgebaut. Das Arbeitsverhältnis des Klägers wurde mit Schreiben vom 20.10.1995 zum 31.05.1996 gekündigt. Das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der PP GmbH & Comp. betrug im Jahr 1995 minus 5.844.198,60 €. 1996 baute die PP GmbH & Comp. weitere 76 Arbeitsplätze ab. Das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit betrug in diesem Jahr minus 3.507.517,50 €. Durch formwechselnden Umwandlungsbeschluss der Gesellschafterversammlung vom 25.08.1997 wurde die PP GmbH & Comp. in die Beklagte zu 1) umgewandelt. Die Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister des Amtsgerichts Mönchengladbach erfolgte am 27.10.1997. Hauptgesellschafterin der Beklagten zu 1) ist die Beklagte zu 2). Ebenfalls am 25.08.1997 hat die Beklagte zu 1) als beherrschtes Unternehmen mit der GHK GmbH in H2 als herrschendes Unternehmen einen Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag mit Wirkung ab Beginn des Geschäftsjahres 1997abgeschlossen. Erstmals ab 1997 stattete die Beklagte zu 1) die Unterstützungskasse durch Zuführung von Kassenvermögen mit finanziellen Mitteln aus. In den Jahren 1997 bis 2006 war das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der Beklagten zu 1) negativ. Seit 1999 erfolgte durch die Beklagte zu 1) keine Produktions- oder Vertriebsleistung mehr; die Beklagte zu 1) beschäftigt seitdem keine Arbeitnehmer mehr.

Ab dem 01.04.1999 erhielt der Kläger auf der Grundlage der ihm erteilten Versorgungszulage eine monatliche Betriebsrente in seitdem unveränderter Höhe von 298,59 €.

Durch Vereinbarung vom 22. März 2002 wurde der zwischen der Beklagten zu 1) und der GHK GmbH bestehende Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag mit Wirkung zum 1. Juni 2002 aufgehoben. Am 10. September 2002 schloss die Beklagte zu 1) als beherrschtes Unternehmen mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 2), der G1 AG, als herrschendes Unternehmen einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ab. Im Jahre 2007 erzielte die Beklagte zu 1) einen Unternehmensgewinn in Höhe von 293.855,58 € und im Jahre 2008 in Höhe von 743.030,08 € aus der Ergebnisübernahme der GHW GmbH. 2009 war das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der Beklagten zu 1) wieder negativ, nachdem in diesem Jahr die Umstellung der Pensionsbewertung von Teilwertverfahren auf das Anwartschaftsverfahren zum 31.12.2009 vorgenommen wurde. Im Jahre 2010 beliefen sich die Verluste der Beklagten zu 1) infolge der Schließung ihrer Tochtergesellschaft, der GHW GmbH auf 2.130.555,80 €. Am 28.05.2010 verlegte die Beklagte zu 1) ihren Sitz von M1 nach H2. Durch Verschmelzung, Sitzverlegung und Firmenänderung ging der zwischen der Beklagten zu 1) und der G1 AG bestehende Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zum 05.07.2010 auf die Beklagte zu 2) über. Im Jahre 2011 betrug das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der Beklagten zu 1) minus 11.903,78 €. Wie auch in den Vorjahren wurden die Verluste von der Beklagten zu 2) übernommen.

Die Beklagte zu 1) hat Versorgungsverpflichtungen gegenüber 248 Versorgungsberechtigten. Die Rentenzahlungen an die Betriebsrentner wickelt die Beklagte zu 1) ab. Sie belastet zum einen die Unterstützungskasse mit dem Aufwand für die Betriebsrenten und erteilt der Unterstützungskasse zum anderen Zinsgutschriften aus Geldanlagen, die die Beklagte zu 1) für die Unterstützungskasse verwaltet. Die jährlichen Zahlungen der Unterstützungskasse sind von rund 664.000,00 € im Jahre 2001 auf rund 587.000,00€ im Jahre 2011 gesunken. Im Jahre 2011 betrug die Zuführung der Beklagten zu 1) zum Kassenvermögen der Unterstützungskasse 267.336,67 €. Die erforderlichen Pensionsrückstellungen bei der Unterstützungskasse für die Rentenverpflichtungen beliefen sich am 31.12.2011 auf 7.003.011,00€.

Mit seiner Klage hat der Kläger die Erhöhung der Betriebsrente um monatlich 59,42€ ab dem 01.04.2011 begehrt. Dabei ist er von einem Anpassungsbedarf von 19,9% ausgegangen, ohne dessen Grundlagen darzulegen.

Der Kläger hat bestritten, dass die Beklagte zu 1) nicht in der Lage sei, Rentenanpassungen gemäß § 16 BetrAVG durchzuführen. Hierzu hat er vorgetragen, jedenfalls noch im Jahre 2005 sei gegenüber einem Betriebsrentner eine Rentenanpassung vorgenommen worden. Auch wenn die Beklagte zu 1) tatsächlich nicht zur Rentenanpassung in der Lage sei, hafte die Beklagte zu 2. Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 26.05.2009 rechtfertige der Beherrschungsvertrag - nunmehr ohne weitere Voraussetzungen - einen sogenannten Berechnungsdurchgriff. Darüber hinaus sei die Beklagte zu 1) nur noch eine Rentengesellschaft, die ausschließlich die Versorgungsverbindlichkeiten der Betriebsrentner verwalte. Den versorgungspflichtigen Arbeitgeber treffe eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht zur gesteigerten Rücksichtnahme auf die Vermögensinteressen der Rentner. Hieraus resultiere die Verpflichtung, eine Rentengesellschaft auf die Versorgungsverbindlichkeiten ausgegliedert würden, hinreichend mit finanziellen Mitteln auszustatten. Die Verletzung der arbeitsvertraglichen Nebenpflicht zu einer ausreichenden Ausstattung der Rentengesellschaft führe zu einem Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 2) als den übertragenden Rechtsträger.

Der Kläger hat beantragt

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 772,46€ brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.07.2002 zu zahlen;

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, künftig über 258,59 € hinaus weitere 59,42 € an jedem Monatsletzten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit diesem Tag, beginnend mit dem 30.60.2012 an ihn zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie haben vorgetragen, die wirtschaftliche Lage der Beklagten zu 1) rechtfertige die Ablehnung einer Rentenanpassung, weil hierdurch das Unternehmen übermäßig belastet und seine Wettbewerbsfähigkeit gefährdet würde. Die Beklagte zu 1) sei nach einer Abwicklungsphase in 1995 bis 1998 zu einer Gesellschaft geworden, deren hauptsächlicher Geschäftsgegenstand die Erfüllung der Versorgungsverpflichtungen sei. Mit Ausnahme der Jahre 2007 und 2008 habe die Beklagte zu 1) seit 1995 in jedem Jahr erhebliche Verluste erlitten, die sich von 1995 bis 2011 auf 25.929.949,23€ kumuliert hätten.

Der zwischen den Beklagten bestehende Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag führe nicht zu einem Berechnungsdurchgriff auf die Beklagte zu 2), welche auf die Beklagte zu1) keinen negativen Einfluss genommen habe. Im Gegenteil seien vom 01.10.2001 bis zum 31.12.2011 von der Beklagten zu 2) die Verluste der Beklagten zu 1) in Höhe von 5.056.622,31 € übernommen worden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 9. Januar 2013, Az. 5 Ca 2251/12, abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die wirtschaftlichen Verhältnisse allein der Beklagten zu 1) würden eine Erhöhung der betrieblichen Altersversorgung des Klägers gemäß § 16 Abs. 1 BetrAVG nicht tragen. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten zu 2) seien nicht im Wege eines Berechnungsdurchgriffs maßgeblich. Es fehle insoweit an der Verwirklichung konzerntypischer Gefahren. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung (Bl. 218 ff. d.A.).verwiesen

Das Urteil ist dem Kläger am 04.02.2013 zugestellt worden. Hiergegen richtet sich die am 28.02.2013 eingelegte und mit dem - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 06.05.2013 - am 06.05.2013 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung.

Der Kläger wendet sich unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags zur Sach- und Rechtslage gegen das erstinstanzliche Urteil. Er trägt ergänzend vor, das Arbeitsgericht habe sich mit den Ausführungen zu einem Berechnungsdurchgriff im Vertragskonzern in den Gründen des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 26.05.2009 - 3 AZR 369/07 - nicht hinreichend auseinandergesetzt. Danach sei wegen des zwischen den Beklagten bestehenden Beherrschungsvertrages ein Berechnungsdurchgriff auf die wirtschaftliche Lage der Beklagten zu 2) ohne weitere Voraussetzungen vorzunehmen.

In der Berufungsverhandlung hat der Kläger klargestellt, dass sich in dem im zunächst angekündigten Berufungsantrag wie schon im erstinstanzlichen Antrag auf künftige Leistung genannten Betrag ein Fehler befindet und dieser richtig 298,59 € lauten müsse. Weiter hat er im Hinblick darauf, dass die Beklagte unbestritten vorgetragen hat, die Anpassungsprüfungen einheitlich zum Stichtag 1. Juli im Dreijahresturnus, zuletzt am 1. Juli 2011 vorgenommen zu haben, klargestellt, dass er nunmehr eine Anpassung für den Zeitraum ab April 1999 bis zum Prüfungsstichtag 1. Juli 2011 begehrt. Unter Zugrundelegung der Indexwerte des VPI 2005 für die Monate März 1999 und Juni 2011 begehrt der Kläger eine Anpassung der Ausgangsrente von 21,7 %, woraus eine Erhöhung von monatlich 64,79 € resultiert. Er hat weiter klargestellt, dass er mit dem Antrag zu 1) nunmehr den Rückstand für 24 Monate ab Juli 2011 bis einschließlich Juni 2013 von monatlich 64,79 € gleich insgesamt 1554,96 € und mit dem Antrag zu 2) die künftige Leistung des Mehrbetrags ab dem Monat Juli 2013 verfolgt. Hinsichtlich der Zinsen hat der Kläger erklärt, diese fordere er nicht mehr für die Zeit vor Rechtskraft der Entscheidung in diesem Rechtsstreit.

Die zunächst auch gegen die Abweisung der gegen die Beklagte zu 2) gerichteten Klage eingelegte Berufung nahm der Kläger zurück.

Der Kläger beantragt noch,

das Urteil des Arbeitsgericht Herne vom 09.01.2013, Az. 5 Ca 2251/12, teilweise abzuändern und die Beklagte zu 1) zu verurteilen:

1. an den Kläger 1.554,96 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit der Rechtskraft der Entscheidung in diesem Rechtstreit zu zahlen und

2. an den Kläger künftig monatlich über 298,59 € brutto hinaus weitere 64,79 € brutto, fällig jeweils am Letzten eines Monats, beginnend mit dem Monat Juli 2013, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtskraft der Entscheidung in diesem Rechtsstreit zu zahlen.

Die Beklagte zu 1) beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte zu 1) verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags zur Sach- und Rechtslage. Sie trägt ergänzend vor, die wirtschaftliche Lage der Beklagten allein rechtfertige keine Anpassung der Betriebsrente. Die Beklagte zu 2) habe keine negativen Einflüsse auf die Beklagte zu 1) ausgeübt, so dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vor der Entscheidung vom 26. Mai 2009-3 AZR 369/07 ein Berechnungsdurchgriff ausscheide. In dieser Entscheidung habe das Bundesarbeitsgericht seine bisherige Rechtsprechung auch nicht aufgegeben. Eine Änderung seiner bisherigen, langjährigen Rechtsprechung hätte es ausdrücklich kenntlich machen müssen. Eine Änderung der Rechtsprechung wäre, sei sie erfolgt, auch aus gesellschaftsrechtlichen Gründen verfehlt. Sie würde eine gesellschaftsrechtlich nicht zu rechtfertigende Durchbrechung des Trennungsprinzips darstellen. Einen Berechnungsdurchgriff allein vom Bestehen eines Beherrschungsvertrages abhängig zu machen und dann stets einen Berechnungsdurchgriff zu bejahen würde auch verfassungsrechtlich nicht rechtmäßig sein. Mit einem solchen "Richterrecht" würde gegen rechtsstaatliche Grundsätze (Art. 20 Abs. 3 GG) verstoßen werden.

Wenn das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung geändert haben sollte, wäre dies zu Unrecht geschehen. Zudem habe das Bundesarbeitsgericht am 29. Mai 2009 einen Fall eines Beherrschungsvertrages zwischen zwei Aktiengesellschaften entschieden. Die Geschäftsführung einer GmbH unterliege hingegen stets auch ohne Beherrschungsvertrag den generellen und speziellen Weisungen der Muttergesellschaft. Das Weisungsrecht der Muttergesellschaft allein könne also nicht für einen Berechnungsdurchgriff ausreichend sein. Vorliegend sei die Beklagte zu 1) nach und nach aus sachlichen Gründen stillgelegt worden. Der Streitfall sei in keiner Weise mit einer Ausgliederung der Versorgungsverpflichtung im Wege des Umwandlungsgesetzes vergleichbar. Weiter verweist die Beklagte zu 1) darauf, dass der Beherrschungsvertrag zwischen den Beklagten erst nach der Stilllegung des werbenden Geschäftsbetriebes der Beklagten zu 1) geschlossen wurde. Ein Berechnungsdurchgriff könne jedenfalls dann nicht erfolgen, wenn die schlechte wirtschaftliche Lage des Vertragsarbeitgebers sich nicht als Verwirklichung einer konzerntypischen Risikolage darstelle.

Auch aus dem Rechtsgedanken der reallohnbezogenen Obergrenze des § 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG ergebe sich, dass im Streitfall keine Anpassung der Betriebsrenten stattzufinden habe. Wegen der Stilllegung des Geschäftsbetriebes der Beklagten zu 1) und der Entlassung aller Arbeitnehmer erhielten diese nicht nur keine Gehaltserhöhung, sondern überhaupt keine kein Gehalt mehr. Damit bestehe auch keine Verpflichtung, die Betriebsrenten anzupassen.

Dem Gesetzgeber sei bei der letzten Novellierung des § 16 BetrAVG die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bekannt gewesen, wonach ein Berechnungsdurchgriff nur ausnahmsweise erfolgte. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass stets ein Berechnungsdurchgriff stattfinde, hätte er § 16 BetrAVG entsprechend ändern müssen, was aber nicht geschehen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den von ihnen in Bezug genommenen Inhalt der in beiden Rechtszügen zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

I. Die Berufung ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG) sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt (§ 519 ZPO i.V.m.§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG,§ 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) und innerhalb der Frist (§ 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) und auch ordnungsgemäß (§ 520 Abs. 3 ZPO i.Vm.§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG) begründet worden.

II. Die Berufung ist begründet. Die Klage ist im zur Entscheidung der Berufungskammer gelangten Umfang zulässig und begründet.

1. Die Klage ist zulässig. Dies gilt auch für den Klageantrag zu 2. Bei diesem handelt es sich um eine Klage auf wiederkehrende Leistungen iSd.§ 258 ZPO. Bei wiederkehrenden Leistungen, die - wie Betriebsrentenansprüche - von keiner Gegenleistung abhängen, können grundsätzlich auch künftig fällig werdende Teilbeträge eingeklagt werden. Im Gegensatz zu§259 ZPO muss nicht die Besorgnis bestehen, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde (BAG 19. Juni 2012 - 3 AZR 464/11 Rn. 10; BAG 9. November 1999 - 3 AZR 361/98 - zu A 2 der Gründe, AP BetrAVG§7 Nr. 96).

Der mit dem Antrag zu 2) gestellte Zinsantrag bedarf der Auslegung. Klageanträge sind so auszulegen, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der zutreffend verstandenen Interessenlage entspricht (BAG 19. Juni 2012 - 3 AZR 289/10 Rn. 17; BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 568/09 - Rn. 25). Daher ist für das Verständnis eines Klageantrags nicht allein dessen buchstäblicher Wortlaut maßgeblich. Vielmehr hat das Gericht den erklärten Willen anhand der Klagebegründung, des Prozesszieles und der Interessenlage zu erforschen. Die für Willenserklärungen geltenden Auslegungsregeln sind für die Auslegung von Anträgen heranzuziehen (BAG 19. Juni 2012 - 3 AZR 289/10 Rn. 17).

Der Kläger hatte mit der Berufungsbegründung angekündigt, Zinsen auf die monatlichen Differenzbeträge seit dem jeweiligen Monatsletzten beantragen zu wollen. Nach dem Hinweis des Gerichts, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei auf § 16 BetrAVG beruhenden Anpassungsentscheidungen die Zinsforderung frühestens ab Rechtskraft des Urteils begründet ist, hat der Kläger eine dahingehende Einschränkung in seinen Antrag aufgenommen. Dabei wurde offensichtlich lediglich übersehen, den angekündigten Zinsantrag ab Verzugsbeginn im Übrigen mit aufzunehmen, hinsichtlich dessen der Kläger nach Erörterung mit den Parteien in der Berufungsverhandlung erklärte, angesichts einer unstreitig gewordenen Fälligkeit der Betriebsrentenzahlung am letzten Werktag des jeweiligen Monats Zinsen erst seit dem Ersten des jeweiligen Folgemonats zu beanspruchen. Der Antrag zu 2) ist damit dahin auszulegen, dass der Kläger die Zahlung von Zinsen auf die monatlichen Differenzbeträge seit dem Ersten des Folgemonats begehrt, frühestens jedoch seit Rechtskraft der Entscheidung in diesem Rechtsstreit.

2. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1) nach §16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG Anspruch auf die Erhöhung seiner betrieblichen Altersversorgung um rechnerisch in der Berufungsverhandlung unstreitig gewordene 64,79 € brutto monatlich ab dem 1. Juli 2011 und damit auf Zahlung der Rückstände für die Monate Juli 2011 bis einschließlich Juni 2012 in Höhe von 1.554,96 € brutto sowie auf die künftige Zahlung des monatlichen Mehrbetrages ab dem Monat Juli 2013.

Dies ergibt sich in Ausübung billigen Ermessens unter Berücksichtigung der Belange des Versorgungsempfängers und der wirtschaftlichen Lage der Arbeitgeberin, § 16 Abs. 1 BetrAVG. Die Entscheidung der Beklagten zu 1), die Betriebsrente nicht anzupassen, entspricht nicht billigem Ermessen.

a) Die Belange des Versorgungsempfängers werden durch den Anpassungsbedarf und die sog. reallohnbezogene Obergrenze bestimmt. Ausgangspunkt der Anpassungsentscheidung ist der Anpassungsbedarf des Versorgungsempfängers. Er richtet sich nach dem zwischenzeitlich eingetretenen Kaufkraftverlust. Dies hat der Gesetzgeber in§16 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG nunmehr ausdrücklich klargestellt. Nach dieser Bestimmung, die durch das Rentenreformgesetz 1999 mit dem 1. Januar 1999 in§16 BetrAVG eingefügt und durch das Gesetz zur Änderung von Fristen und Bezeichnungen im Neunten Buch Sozialgesetzbuch und zur Änderung anderer Gesetze mit Wirkung vom 1. Januar 2003 neu gefasst wurde, gilt die Verpflichtung nach Abs. 1 als erfüllt, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg des Verbraucherpreisindexes für Deutschland im Prüfungszeitraum.

aa) Die Beklagte zu 1) hat die Anpassungsprüfung zum Stichtag 1. Juli 2011 vorgenommen. Dies ist nicht zu beanstanden. Der gesetzlich vorgeschriebene Drei-Jahres-Rhythmus zwingt nicht zu starren, individuellen Prüfungsterminen; die Bündelung aller in einem Unternehmen anfallenden Prüfungstermine zu einem einheitlichen Jahrestermin ist zulässig. Sie vermeidet unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand und beeinträchtigt die Interessen der Betriebsrentner nur geringfügig. Für diese verzögert sich allenfalls die erste Anpassungsprüfung. Die den Versorgungsempfängern daraus entstehenden Nachteile werden regelmäßig dadurch abgemildert, dass ein entsprechend angewachsener höherer Teuerungsausgleich zu berücksichtigen ist. In der Folgezeit muss der Drei-Jahres-Zeitraum allerdings eingehalten sein. Zudem darf sich durch den gemeinsamen Anpassungsstichtag die erste Anpassung nicht um mehr als sechs Monate verzögern (BAG 30. November 2010 - 3 AZR 754/08 - Rn. 49 - AP BetrAVG§16 Nr. 72).

bb) Zur Ermittlung des Kaufkraftverlustes ist der Verbraucherpreisindex für Deutschland (VPI) anzuwenden. Da die Anpassung jeweils zu einem bestimmten Stichtag zu prüfen und ggf. vorzunehmen ist, kommt es aus Gründen der Rechtssicherheit auf die aktuelle statistische Grundlage an, die zum maßgeblichen Anpassungszeitpunkt durch das Statistischen Bundesamt veröffentlicht worden ist (BAG 19. Juni 2012 - 3 AZR 464/11 Rn. 45; BAG 28. Juni 2011 - 3 AZR 859/09 - Rn. 28 und 29, AP BetrAVG§16 Nr. 74). Dies ist der VPI Basis: 2005. Dieser wurde am 29. Februar 2008 veröffentlicht. Der VPI 2010 wurde erst im Januar 2012 und damit nach dem Anpassungsprüfungsstichtag veröffentlicht, er ist daher nicht maßgeblich.

cc) Für die Ermittlung des Anpassungsbedarfs sind die Indexwerte der Monate maßgeblich, die dem Rentenbeginn und dem aktuellen Anpassungsstichtag unmittelbar vorausgehen. Der gebotene volle Kaufkraftausgleich ist nur auf diesem Wege gewährleistet (BAG 25. April 2006 - 3 AZR 184/05 - Rn. 35; BAG; 28. Juni 2011 - 3 AZR 859/09 - Rn. 28, AP BetrAVG§16 Nr. 74). Damit sind die Indexwerte der Monate März 1999 und Juni 2011 zu Grunde zu legen. Der VPI 2005 - lange Reihe - weist für März 1999 den Wert 90,9 und für Juni 2011 den Wert 110,6 aus. Daraus ergibt sich ein Anpassungsbedarf von ((110,6 : 90,9) - 1) x 100 = 21,672 %, gerundet 21,7 %. Angesichts des in der Berufungsverhandlung mit den Parteien erörterten Umstandes, dass der in Anwendung der Rückrechnungsmethode (vgl. dazu BAG 11. Oktober 2011 - 3 AZR 732/09 - Rn. 42 f.) errechnete Wert nur im Bereich einer Rundungsdifferenz abweichen würde, ist mit den Parteien übereinstimmend der gerundete Anpassungsbedarf in Höhe von 21,7 % in Ansatz zu bringen. Ausgehend von der Anfangsrente von 298,59 € ergibt sich damit ein monatlicher Anpassungsbetrag in Höhe von 64,79 € und eine monatliche Gesamtrente von 363,38 € brutto.

b) Der so ermittelte Anpassungsbedarf der Versorgungsempfänger wird durch die Nettoverdienstentwicklung bei den aktiven Arbeitnehmern begrenzt. Dies wird durch die in§16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG getroffene Regelung bestätigt, wonach die Verpflichtung nach Abs. 1 auch dann als erfüllt gilt, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens im Prüfungszeitraum. Der Billigkeit widerspricht es nicht, wenn der Arbeitgeber die Betriebsrente nur bis zur durchschnittlichen Steigerung der Nettoverdienste der aktiven Arbeitnehmer anpasst. Soweit die Entwicklung der Nettoverdienste der aktiven Arbeitnehmer hinter dem Kaufkraftverlust zurückbleibt, müssen sich auch die Betriebsrentner mit einer entsprechend geringeren Rentenerhöhung begnügen. Damit wird das Versorgungsniveau in demselben Umfang aufrechterhalten wie das Einkommensniveau der Aktiven (BAG 19. Juni 2012 - 3 AZR 464/11 Rn. 21; BAG 30. August 2005 - 3 AZR 395/04 - zu III 2 und 2 a der Gründe, BAGE 115, 353).

Die Beklagte trägt eine hinter dem Kaufkraftverlust zurückbleibende Nettoverdienstentwicklung bei aktiven Arbeitnehmern nicht vor. Sie beruft sich vielmehr darauf, bereits seit dem Jahr 1999 über keine aktiven Arbeitnehmer zu verfügen. Damit fehlt es bereits an der Existenz vergleichbarer aktiver Arbeitnehmer als der Grundvoraussetzung, um die Entwicklung der betrieblichen Altersversorgung auf das Niveau der Steigerung der aktiven Belegschaft zu limitieren.

c) Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers rechtfertigt die Ablehnung einer Betriebsrentenanpassung insoweit, als das Unternehmen dadurch übermäßig belastet und seine Wettbewerbsfähigkeit gefährdet würde. Die Wettbewerbsfähigkeit wird beeinträchtigt, wenn keine angemessene Eigenkapitalverzinsung erwirtschaftet wird, und auch dann, wenn das Unternehmen nicht mehr über genügend Eigenkapital verfügt. Bei einer ungenügenden Eigenkapitalausstattung muss verlorene Vermögenssubstanz wieder aufgebaut werden. Bei einer ungenügenden Eigenkapitalverzinsung reicht die Ertragskraft des Unternehmens nicht aus (BAG 18. Februar 2003 - 3 AZR 172/02 - zu A II 2 a der Gründe, BAGE 105, 72). Danach rechtfertigt die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers die Ablehnung einer Betriebsrentenanpassung insoweit, als der Arbeitgeber annehmen darf, dass es ihm mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht möglich sein wird, den Teuerungsausgleich aus den Unternehmenserträgen und den verfügbaren Wertzuwächsen des Unternehmensvermögens in der Zeit bis zum nächsten Anpassungsstichtag aufzubringen. Daher kommt es auf die voraussichtliche Entwicklung der Eigenkapitalverzinsung und der Eigenkapitalausstattung des Unternehmens an (BAG 15. Januar 2013 - 3 AZR 638/10 Rn. 22; BAG 11. Oktober 2011 - 3 AZR 527/09 - Rn. 33, AP BetrAVG§16 Nr. 81 = EzA BetrAVG§16 Nr. 62).

aa) Bei einer allein auf die wirtschaftliche Lage der Beklagten zu 1) abstellenden Betrachtung ohne Berücksichtigung der sich aus dem Beherrschungsvertrag ergebenden Folgerungen wäre die Beklagte zu 1), an den vorstehenden Grundsätzen gemessen, unstreitig nicht in der Lage, die Lasten der Anpassung zu tragen.

bb) Im Streitfall liegen indes die Voraussetzungen eines Berechnungsdurchgriffs auf die wirtschaftliche Lage der Beklagten zu 2) vor, deren Verhältnisse die volle Deckung des ermittelten Anpassungsbedarfes zulassen.

(1) Verlangen die Betriebsrentner der abhängigen Gesellschaft während des Bestehens des Beherrschungsvertrages eine Anpassung ihrer Betriebsrente, kommt es zwar zunächst auf deren wirtschaftliche Lage an, weil sie Versorgungsschuldnerin bleibt. Die Anpassungsprüfungspflicht nach§16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG trifft dasjenige Unternehmen, welches als Arbeitgeber die entsprechende Versorgungszusage erteilt oder im Wege der Rechtsnachfolge übernommen hat; auf seine wirtschaftliche Lage kommt es an. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber in einen Konzern eingebunden ist. Die Konzernverbindung allein ändert nichts an der Selbstständigkeit der beteiligten juristischen Personen noch an der Trennung der jeweiligen Vermögensmassen (BAG 15. Januar 2013 - 3 AZR 638/10, Rn. 30; BAG 29. September 2010 - 3 AZR 427/08 - Rn. 31). Angesichts der Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH 16. Juli 2007 - II ZR 3/04 - [TRIHOTEL] BGHZ 173, 246; BGH 28. April 2008 - II ZR 264/06 - [GAMMA] BGHZ 176, 204) ist für einen Berechnungsdurchgriff im qualifiziert faktischen Konzern kein Raum mehr. Der für einen Berechnungsdurchgriff erforderliche Gleichlauf von Zurechnung und Innenhaftung im Sinne einer Einstandspflicht des anderen Konzernunternehmens gegenüber dem Versorgungsschuldner ist danach nicht mehr gegeben (BAG 15. Januar 2013 - 3 AZR 638/10, Rn. 36).

Dagegen rechtfertigt das Bestehen eines Beherrschungsvertrages - ohne weitere Voraussetzungen - einen sogenannten Berechnungsdurchgriff. Das abhängige Unternehmen kann Anpassungsansprüche seiner Betriebsrentner nicht mit der Begründung ablehnen, seine schlechte wirtschaftliche Lage sei nicht durch Weisungen der herrschenden Gesellschaft verursacht worden. Es kommt dann auf die wirtschaftliche Lage der herrschenden Gesellschaft an. Diese hat die infolge der Anpassung der Betriebsrenten etwa entstehenden Verluste der abhängigen Gesellschaft nach§302 AktG auszugleichen (BAG 26. Mai 2009 - 3 AZR 369/07 - NZA 2010, 641, 644 Rn. 31; Schlewing, RdA 2010, 364, 367 f.).

(2) Gegen den Berechnungsdurchgriff im Vertragskonzern bestehen keine durchgreifenden Bedenken, er ist vielmehr geboten.

(a) Die Annahme eines Berechnungsdurchgriffs bei Bestehen eines Beherrschungsvertrages ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht aus gesellschaftsrechtlichen Gründen verfehlt. Sie stellt keine gesellschaftsrechtlich nicht zu rechtfertigende Durchbrechung des Trennungsprinzips dar. Im Kern geht es bei der Anpassungsprüfung gemäß § 16 Abs. 1 BetrAVG um die Frage der wirtschaftlichen Vertretbarkeit der Anpassungslast für den Versorgungsschuldner und nicht bereits im Ansatz um die Haftung einer Gesellschaft für die Verbindlichkeiten einer anderen. Die damit logisch vorrangig zu prüfende wirtschaftliche Lage des Versorgungsschuldners wird bei Bestehen eines Beherrschungsvertrags im Vertragskonzern entscheidend und unmittelbar durch die Verhältnisse des herrschenden Unternehmens geprägt. Dies beruht zunächst auf dem Umstand, dass der Beherrschungsvertrag unmittelbar zur Beseitigung der Geschäftsführungszuständigkeit der Gesellschafterversammlung in der abhängigen Gesellschaft führt (Zöllner/Beurskens in: Baumbach/Hueck, GmbHG 20. Auflage, Schlussanhang "Die GmbH im Unternehmensverbund", Rn. 63; BGH 24. Oktober 1988 - II ZB 7/88, NJW 1989, 295, 296). Der Beherrschungsvertrag erlaubt dem herrschenden Unternehmen entsprechend § 308 Abs. 1 Satz 2 AktG auch für das beherrschte Unternehmen nachteilige Weisungen (Zöllner/Beurskens in: Baumbach/Hueck, GmbHG 20. Auflage, Schlussanhang "Die GmbH im Unternehmensverbund", Rn. 64). Daraus resultiert die in § 302 Abs. 1 AktG angeordnete Verlustausgleichspflicht des herrschenden gegenüber dem beherrschten Unternehmen, diese ist im Recht der GmbH entsprechend anzuwenden (Zöllner/Beurskens in: Baumbach/Hueck, GmbHG 20. Auflage, Schlussanhang "Die GmbH im Unternehmensverbund", Rn. 128, 130; BGH 10. Juli 2006 - II ZR 238/04, NJW 2006, 3279, 3280 zu II. 2) a) der Gründe, Rn. 9). Damit führt das Bestehen eines Beherrschungsvertrages zu einer "Fusion auf Zeit" mit der Folge, dass ein Berechnungsdurchgriff auf die Verhältnisse des herrschenden Unternehmens ohne weitere Voraussetzungen vorzunehmen ist (Schlewing RdA 2010, 364, 368).

Der Anpassungsprüfung gemäß § 16 Abs. 1 BetrAVG sind damit die bei dem herrschenden Unternehmen bestehenden wirtschaftlichen Verhältnisse, welche die Lage der beherrschten Gesellschaft entscheidend prägen, zu Grunde zu legen. Dabei kommt es nicht darauf an, wann und aus welcher, ggf. auch wirtschaftlichen, Motivation der Beherrschungsvertrag geschlossen wurde. Im Rahmen der Anpassungsprüfung sind die Verhältnisse am Anpassungsprüfungsstichtag und die zu diesem Zeitpunkt anzustellende Prognose entscheidend. Maßgeblich ist damit, ob am Anpassungsprüfungsstichtag ein Beherrschungsvertrag bestand (BAG 26. Oktober 2010 - 3 AZR 502/08, Rn. 62). In Streitfall war ein solcher zwischen den Beklagten am 1.7.2011 in Kraft.

(b) Es kann unterstellt werden, dem Gesetzgeber sei bei der letzten Novellierung des § 16 BetrAVG die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bekannt gewesen, wonach ein Berechnungsdurchgriff nur ausnahmsweise erfolgte. Dies ist kein hinreichender Grund für die Annahme, der Gesetzgeber hätte, wenn er im Vertragskonzern stets einen Berechnungsdurchgriff gewollt hätte, § 16 BetrAVG entsprechend ändern müssen. Der Gesetzgeber konnte vielmehr die frühere Rechtsprechung als aus seiner Sicht nicht korrekturbedürftig ansehen, ohne damit denknotwendig zum Ausdruck bringen zu müssen, eine andere Rechtsprechung zum Berechnungsdurchgriff im Konzern sei nicht mehr von seinem Willen gedeckt. Eine ausdrücklich andere Willensbildung des Gesetzgebers ist nicht ersichtlich noch konkret vorgetragen. Sie ergibt sich insbesondere auch nicht aus der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1999), mit welchem die Vorschrift des § 16 BetrAVG unter sachlicher Beibehaltung des bisherigen Textes als Abs. 1 und unter Einfügung u.a. des Abs. 2 mit der Übernahme der Rechtsprechung zu den allgemeinen Maßstäben der Anpassungsprüfung umfassend neu ausgestaltet wurde (siehe BT-Drucksache 13/8011 vom 24.06.1997, S. 36, 37 zu Nr. 18 und S. 73, 74 zu Nr. 18). Die Frage der Voraussetzungen eines Berechnungsdurchgriffs hat der Gesetzgeber nicht näher geregelt, so dass die Feststellung seiner konkreten Voraussetzungen im Einzelfall unter Beachtung der abstraktgenerellen Vorgaben der Norm zu den Modalitäten der Anpassungsprüfung weiterhin der Rechtsprechung überantwortet ist.

(c) Die Annahme eines Berechnungsdurchgriffs bei Bestehen eines Beherrschungsvertrages steht auch mit rechtsstaatlichen Grundsätzen (Art. 20 Abs. 3 GG) in Einklang. Entgegen der Ansicht der Beklagten liegt in der hier zu Grunde gelegten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bereits keine Rechtsfortbildung, sondern ein einfacher Fall der Rechtsanwendung des § 16 Abs. 1 BetrAVG. In dem durch die Beklagte zu 1) herangezogenen Verfahren (BVerfG 19. Oktober 1983 - verbundene Verfahren 3 BvR 485/80, 2 BvR 486/80 - BVerfGE 65, 182 ff) ging es um die Einordnung der Sozialplanabfindung im Konkurs nach den Masseforderungen und mit einem gesetzlich nicht geregelten Vorrang noch vor den bevorrechtigten Konkursforderungen des § 61 Abs. 1 Nr. 1 der (zwischenzeitlich außer Kraft getretenen) Konkursordnung. Dem gegenüber ist im Streitfall lediglich im Rahmen der Anwendung des § 16 Abs. 1 BetrAVG zu bestimmen, wie bei der Ausübung billigen Ermessens der Begriff der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers im Vertragskonzern zu definieren ist. Der hier vertretene Berechnungsdurchgriff begründet nicht etwa eine nicht normierte Ausnahme von der Orientierung der Prüfung an den Verhältnissen des Vertragsarbeitgebers noch schafft er einen neuen, in § 16 Abs. 1 BetrAVG nicht vorgesehenen Prüfungsansatz. Er trägt lediglich dem Umstand Rechnung, dass bei Bestehen eines Beherrschungsvertrages die wirtschaftlichen Verhältnisse des zur Anpassungsprüfung verpflichteten Arbeitgebers entscheidend durch diejenigen des herrschenden Unternehmens geprägt sind.

(d) Es ist unerheblich, dass in den Gründen des Urteils des BAG vom 26. Mai 2009 - 3 AZR 369/07- auf den Umstand der Änderung seiner bisherigen, langjährigen Rechtsprechung nicht ausdrücklich hingewiesen wird. Die Zitierung bisheriger Rechtsprechung ist an der entscheidenden Textstelle (a.a.O. Rn. 31) nur scheinbar geeignet, die Annahme der Beibehaltung der bisherigen Rechtsprechung zu stützen. Die den Zitaten unmittelbar folgende Textpassage verdeutlicht mit hinreichender Klarheit die mit dem genannten Urteil vollzogene Rechtsprechungsänderung.

(e) Der Anpassungspflicht steht auch ein der Beklagten zu 1) zu gewährender Vertrauensschutz nicht entgegen. Das Vertrauen auf den Fortbestand einer bestimmten Rechtsprechung ist nur ausnahmsweise schutzwürdig. Geht es um eine auch zurückliegende Sachverhalte betreffende Rechtsprechungsänderung, ist anhand der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Zumutbarkeit zu prüfen, inwieweit die Gewährung von Vertrauensschutz geboten ist; dabei spielt insbesondere der Umfang der wirtschaftlichen Zusatzbelastung durch eine neue Rechtsprechung eine entscheidende Rolle (BAG 19. Juni 2012 - 3 AZR 289/10 Rn. 47; BAG 23. März 2004 - 3 AZR 279/03 - zu V der Gründe, AP BetrAVG§1 Berechnung Nr. 28).

Im Streitfall enthält der Sachverhalt lediglich insoweit ein rückbezügliches Element, als die Höhe des Anpassungsbedarfes durch die Entwicklung des VPI seit dem Beginn des Rentenbezuges im April 1999 und damit auch durch einen vor dem Urteil des BAG vom 26.5.2009 liegenden Zeitraum bestimmt wird. Für die wirtschaftliche Vertretbarkeit der Anpassungslast ist jedoch die wirtschaftliche Lage der Beklagten zu 1), die aufgrund des Berechnungsdurchgriffs durch die Lage der Beklagten zu 2) bestimmt wird, ausschließlich im Wege einer vom Zeitpunkt des Anpassungsprüfungsstichtags anzustellenden, in die Zukunft gerichteten Prognose maßgeblich. Konkrete Gründe, die angesichts dessen bezogen auf den konkreten Anpassungsprüfungsstichtag die Gewährung eines Vertrauensschutzes und damit ein völliges oder teilweises Absehen von der vollen Anpassung rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich.

d) Die Anpassung wird auch nicht deshalb begrenzt, weil der Kläger nach dem Beginn des Rentenbezugs im April 1999 jahrelang das Ausbleiben einer Anpassung hinnahm und erst die Anpassungsprüfung 2011 mit seinem Anspruchsschreiben vom 30.11.2011 als fehlerhaft gerügt hat.

Auch nach der seit dem 01.01.1999 geltenden Fassung des § 16 BetrAVG reicht der für den Anpassungsbedarf und die reallohnbezogene Obergrenze maßgebliche Prüfungszeitraum grundsätzlich vom Rentenbeginn bis zum Anpassungsstichtag. (BAG 25.04.2006 - 3 AZR 159/05 - NZA-RR 2007, 376 Rn. 23, 25; BAG 30.08.2005 - 3 AZR 395/04 - DB 2006, 732 - NZA-RR 2006, 485 Rn. 33). Eine nachholende Anpassung liegt nach § 16 Abs. 4 Satz 1 BetrAVG n.F. nur dann vor, wenn der Arbeitgeber wegen der wirtschaftlichen Lage seines Unternehmens die Belange der Versorgungsempfänger nicht oder nur teilweise berücksichtigt hat und die dadurch entstehende Lücke bei späteren Anpassungsentscheidungen geschlossen wird (BAG 25.04.2006 - 3 AZR 159/05 - NZA-RR 2007, 376 Rn. 25; BAG 30.08.2005 - 3 AZR 395/04 - AP BetrAVG § 16 Nr. 56). Auch § 16 Abs. 4 Satz 2 BetrAVG stellt auf den Zusammenhang zwischen nachholender Anpassung und wirtschaftlicher Lage ab. Nur wenn eine Anpassung wegen der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers zu Recht unterblieben ist, muss sie nach § 16 Abs. 4 BetrAVG i.V.m. der Übergangsregelung des § 30c Abs. 2 BetrAVG bei späteren Anpassungen nicht mehr nachgeholt werden. Dann ist es zulässig, den damaligen Anstieg des Verbraucherpreisindexes wie auch die damals zu verzeichnenden Reallohnerhöhungen bei späteren Anpassungsentscheidungen unberücksichtigt zu lassen (BAG 30.08.2005 - 3 AZR 395/04 - aaO, zu II 1 c aa der Gründe). Diese Bestimmung ist nur dann sinnvoll, wenn bei der Ermittlung des Anpassungsbedarfs nicht nur auf den Drei-Jahres-Zeitraum vor dem Prüfungsstichtag abgestellt wird, sondern auf den Zeitraum vom Rentenbeginn bis zum jeweiligen Prüfungsstichtag (BAG Beschluss vom 14.12.2010 - 3 AZN 932/10 - Rn. 10). Tatsachen, aus denen die Erfüllung dieser Voraussetzungen für ein Unterlassen der Berücksichtigung des Anstiegs der Verbraucherpreise herzuleiten wäre, sind nicht vorgetragen.

e) Der Anpassungsanspruch beläuft sich auf rechnerisch in der Berufungsverhandlung unstreitig gewordene 64,79 € brutto monatlich ab dem 1. Juli 2011 und damit auf Zahlung der Rückstände für die Monate Juli 2011 bis einschließlich Juni 2013 in Höhe von 1.554,96 € brutto. Der Anspruch auf künftige Leistung ab dem Monat Juli 2013 besteht in Höhe von weiteren 64,79 € brutto monatlich, wobei die Fälligkeit der monatlichen Leistung nach den Erklärungen der Parteien in der Berufungsverhandlung jeweils am letzten Werktag des Monats eintritt.

f) Der Kläger hat einen Anspruch auf Prozesszinsen nach§§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB wie auch Verzugszinsen nach§286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1,§288 Abs. 1 BGB erst ab Rechtskraft der Entscheidung. Bis dahin fehlt es an der notwendigen Fälligkeit der Forderung.

Der Anspruch auf Prozesszinsen entsteht frühestens ab der Fälligkeit der Forderung (§ 291 Satz 1 H3. 2 BGB). Dies gilt auch für Verzugszinsen. Verzug kann erst ab Fälligkeit eintreten. Die Fälligkeit der Anpassungsforderung des Klägers tritt nicht vor der Rechtskraft des Urteils im vorliegenden Verfahren ein. Leistungen, die nach billigem Ermessen zu bestimmen sind, werden bei gerichtlicher Bestimmung erst aufgrund eines rechtskräftigen Gestaltungsurteils nach§315 Abs. 3 BGB fällig (BGH 24.11.1995 - V ZR 174/94 - zu II 3 b der Gründe - NJW 1996, 1054). Dazu gehören auch die aufgrund einer Anpassungsentscheidung nach§16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG zu gewährenden Leistungen (BAG 28.6.2011 - 3 AZR 859/09, NZA 2011, 1285, 1288 f., Rn. 32).

3. Das weitere Vorbringen der Parteien, welches die Kammer bedacht hat, bedarf danach keiner Erörterung.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf§§ 91, 97 ZPO.

IV. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.






LAG Hamm:
Urteil v. 02.07.2013
Az: 9 Sa 277/13


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/9db487fce3fb/LAG-Hamm_Urteil_vom_2-Juli-2013_Az_9-Sa-277-13


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