Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 12. April 2004
Aktenzeichen: 2 ARs 39/04

(OLG Köln: Beschluss v. 12.04.2004, Az.: 2 ARs 39/04)

Eine Pauschgebühr gemäß § 99 BRAGO kommt nur ausnahmsweise für trennbare und selbständige Verfahrensteile in Betracht. Hat ein Rechtsanwalt die Verteidigung während des gesamten Verfahrens geführt und seine Ansprüche gegen die Staatskasse beim Ausscheiden aus einer Anwaltssozietät für eine bestimmte Zeit abgetreten, fehlt ihm für die Gewährung einer Pauschgebühr für das gesamte Verfahren die Aktivlegitimation. Einzelne von der Abtretung nicht erfaßte Tätigkeiten (Besprechungen mit dem Angeklagten, Vorbereitung und Teilnahme an weiteren Hauptverhandlungsterminen) stellen keinen selbständigen Verfahrensabschnitt dar und rechtfertigen die Gewährung einer Pauschgebühr ebenfalls nicht.

Tenor

Die Bewilligung einer Pauschvergütung wird abgelehnt.

Gründe

Der seit dem 28.01.2003 zunächst als Wahlverteidiger des früheren Angeklagten T. tätige Antragsteller wurde am 14.07.2003 zu dessen Pflichtverteidiger bestellt. Die Hauptverhandlung vor der 2. großen Jugendkammer des Landgerichts Aachen gegen den Angeklagten T. (und weitere 5 Angeklagte) hat zunächst an 4 Verhandlungstagen ab dem 14.07.2003 stattgefunden, wurde am 05.08.2003 ausgesetzt und auf unbestimmte Zeit vertagt und wurde sodann erneut vom 20.10. bis zum 17.12.2003 an weiteren 10 Tagen durchgeführt. Rechtsanwalt G. hat an allen Verhandlungstagen bis auf den 09. und 17.12.2003 teilgenommen. Das gegen T. am 17.12.2003 ergangene Urteil ist seit dem 15.10.2004 rechtskräftig.

Mit Schriftsatz vom 07.08.2003 beantragte Rechtsanwalt G. zunächst die Gewährung einer Pauschgebühr in Höhe von 3.500 EUR und sodann mit weiterem Schriftsatz vom 16.01.2004 eine solche von 7.000 EUR. In dem zuletzt gestellten Antrag wies Rechtsanwalt G. daraufhin, dass er zum 22.09.2003 aus der Sozietät der Rechtsanwälte I. & K. ausgeschieden sei und diesen die aus der Verteidigung des Angeklagten T. entstandenen Ansprüche gegen die Staatskasse "bis einschließlich 21.09.2003" abgetreten habe.

Rechtsanwalt G. wurde daraufhin mit Schreiben vom 25.03.2004 auf Bedenken an seiner Aktivlegitimation hingewiesen, zu denen er mit Schriftsatz vom 30.03.2004 u.a. ausführte, er habe noch nach dem 21.09.2003 die im Antrag vom 16.01.2004 näher dargelegten Tätigkeiten als Verteidiger entfaltet.

II.

1. Die Voraussetzungen des § 99 BRAGO für die Bewilligung einer Pauschgebühr sind nicht erfüllt. Allerdings ist das Verfahren inzwischen rechtskräftig abgeschlossen, was nach der Auffassung des Senats Voraussetzung für die Fälligkeit der Pflichtverteidigergebühren ist.

2. Nach § 99 BRAGO kann in Strafsachen besonderen Umfangs eine Pauschvergütung für das ganze Verfahren oder für einzelne Teile des Verfahrens bewilligt werden.

Die Gewährung einer Vergütung für das gesamte Verfahren scheidet hier bereits deswegen aus, weil der Antragsteller im Zuge seines Ausscheidens aus der Sozietät der Rechtsanwälte K. & I. die Ansprüche der Verteidigung gegen die Staatskasse für den Zeitraum bis zum 21.09.2003 an diese abgetreten hat, so dass ihm insoweit die Aktivlegitimation fehlt.

Soweit der Antragsteller mit Schriftsatz vom 16.01.2004 die Vorstellung geäußert hat, bei der Entscheidung über seinen Antrag möge "zum Ausdruck kommen, welche Pauschvergütung bis zum 05.08.20003 für angemessen erachtet wird", fehlt für ein derartiges "Feststellungsbegehren" das Rechtsschutzinteresse.

Mit Schriftsatz vom 30.03.2004 hat der auf den Gesichtspunkt seiner fehlenden Aktivlegitimation durch den Senat hingewiesene Antragsteller erkennen lassen, dass er mittlerweile wohl auch selbst davon ausgeht, eine Pauschgebühr nur für die Verteidigung in der Zeit ab dem 22.09.2003 beanspruchen zu können.

3. Eine auf die Zeit ab dem 22.09.2003 beschränkte Pauschvergütung kann jedoch ebenfalls nicht gewährt werden, weil es sich dabei nicht um einen die Bewilligung einer gesonderten Vergütung rechtfertigenden "einzelnen Verfahrensteil" im Sinne des § 99 BRAGO handelt.

Die Vergütung wird in der Praxis der Oberlandesgerichte - auch des Senats - in der Regel getrennt nach Instanzen bewilligt, weil erst nach Beendigung der Instanz die sachgerechte Prüfung möglich ist, ob der Gesamtaufwand, auf den es ankommt, eine Pauschvergütung rechtfertigt. Außerdem ist vor rechtskräftigem Abschluß des Strafverfahrens der Anspruch auf Pauschvergütung auch noch nicht fällig.

Die Vergütung für einzelne Verfahrensteile kommt deswegen nur ausnahmsweise in Betracht, etwa dann, wenn der Pflichtverteidiger nur während einzelner Teile des Verfahrens tätig war und dann endgültig ausscheidet; dann kann es auf die rechtskräftige Beendigung des Verfahrens nicht ankommen (OLG Düsseldorf JurBüro 80, 392).

Das trifft auf den Antragsteller indes nicht zu, der die Verteidigung während des gesamten Verfahrens geführt hat.

Soweit in anderen Fällen die Vergütung für einzelne Verfahrensabschnitte innerhalb der Instanz überhaupt in Betracht kommt (ablehnend OLG Hamburg, JurBüro 89,1556; einschränkend OLG Düsseldorf a.a.O.; kritisch Riedel-Sußbauer, BRAGO, 8. Aufl., § 99 Rn. 2; Madert in Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl., § 99 Rn. m.w.N.) , muß es sich jedenfalls um trennbare und selbständige Verfahrensteile handeln, etwa das Vorverfahren, das Zwischenverfahren oder die Hauptverhandlung (so zutreffend OLG Koblenz, JurBüro 93,607).

Besprechungen mit dem früheren Angeklagten und die (nochmalige) Durcharbeitung der Akten zur Vorbereitung der neuen Hauptverhandlung ab dem 20.10.2003 stellen keine derartigen trennbaren und selbständigen Verfahrensteile dar. Dasselbe gilt für Bemühungen des Antragstellers im Zusammenhang mit der Haftverschonung, die im übrigen bereits im August 2003 erfolgte.

Schließlich stellt auch die Teilnahme an 8 Verhandlungstagen zwischen dem 20.10. und dem 03.12.2003 keinen selbständigen Verfahrensteil dar, weil die Hauptverhandlung in 1. Instanz insgesamt 14 Tage gedauert hat, 4 Verhandlungstage in den Monaten Juli und August 2003 in die Prüfung aber nicht mit einbezogen werden können.

Nach ganz einhelliger, vom Senat geteilter Auffassung ist die gesonderte Bewilligung einer Vergütung für einzelne Verhandlungstage in keinem Fall zulässig, da sonst eine Abwägung und ein Ausgleich zwischen einzelnen Hauptverhandlungstagen nicht stattfinden könnte; es ist insoweit zulässig, die Anzahl aller Hauptverhandlungstage mit deren durchschnittlicher Dauer in Beziehung zu setzen (vgl. BVerfG, 2 BvR 2456/04 vom 1.2.2005; OLG Koblenz a.a.O., Riedel-Sußbauer a.a.O., Madert a.a.O., Hartmann, Kostengesetze, 33. Aufl., § 99 BRAGO, Rn. 10 ).

Dem Antragsteller kann mithin auch für die (drei) Verhandlungstage, die ihn länger als 7 Stunden und damit überdurchschnittlich lange in Anspruch genommen haben, keine Pauschvergütung bewilligt werden.

Der Senat bemerkt abschließend, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschvergütung erfüllt sein können, sofern der Antragsteller seine Anspruchsberechtigung für das gesamte Verfahren darlegen kann.






OLG Köln:
Beschluss v. 12.04.2004
Az: 2 ARs 39/04


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