Bundespatentgericht:
Urteil vom 15. Mai 2007
Aktenzeichen: 2 Ni 24/05

(BPatG: Urteil v. 15.05.2007, Az.: 2 Ni 24/05)

Tenor

I. Das europäische Patent 1 022 413 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des am 5. November 1999 u. a. mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in der Verfahrenssprache Deutsch angemeldeten europäischen Patents 1 022 413 (Streitpatent), das eine Befestigungsplatte zur Festlegung von Handgriffen an Türen, Fenstern u. dgl. betrifft und 11 Patentansprüche umfasst.

Patentanspruch 1 lautet:

"1. Befestigungsplatte (10) mit Handgriff (40), mit wenigstens zwei Anschlagbohrungen oder -nocken (14) zur Festlegung der Platte (10) an einer Anschlagebene (16) einer Tür, eines Fensters u. dgl., mit einer in einer Scheibe (12), Leiste o. dgl. vorgesehenen Durchgangsbohrung (18) oder -buchse zur axialfestdrehbaren Drehlagerung eines mit einer umlaufenden Rastnut (46) versehenen Halsabschnitts (44) des Griffs (40) und mit einem Rastelement (50), das im Einbauzustand in die es drehbar lagernde, mit einer umlaufenden Führungsnut (66) versehene Durchgangsbohrung (18) bzw. -buchse mit der Rastnut (46) in Eingriff steht und so den Griff (40) axial festlegt, dadurch gekennzeichnet, daß

das Rastelement (50) ein parallel zur Anschlagebene (16) der Platte (10) liegender Sprengring ist, der am eingesteckten Griff (40) eine zylindrische Anlagefläche (47) innerhalb der Rastnut (46) im wesentlichen lückenlos drehfest umspannt, und daß die in der Durchgangsbohrung (18) bzw. -buchse vorhandene Führungsnut (66) eine Eingriffsöffnung (68) für ein Werkzeug aufweist."

Es schließen sich die auf Patentanspruch 1 unmittelbar oder mittelbar zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 8 an. Weiterhin ist gemäß Patentanspruch 9 beansprucht die

"Verwendung einer wenigstens zwei Anschlagbohrungen oder -nocken (14) aufweisenden Befestigungsplatte (10)

mit zur axialfestdrehbaren Aufnahme eines in die Platte (10) endseitig einsteckbaren Handgriffs (40), wozu die Platte (10) in einer Scheibe (12), Leiste o. dgl. eine bevorzugt mittige Bohrung (18) oder eine darin eingesetzte Buchse (60) zur Lagerung des mit einer umlaufenden Rastnut (46) versehenen Griff-Endes (44, 45) und ein radial spreizbares Rastelement (50) aufweist, das in der Bohrung (18) bzw. Buchse (60) unverlierbar gelagert ist unddas zur axialfestdrehbaren Verrastung des Griff-Endes (44, 45) in der Bohrung (18) bzw. Buchse (60) eine zylindrische Anlagefläche (47) innerhalb der Rastnut (46) im wesentlichen lückenlos fest umspannt."

Hieran schließen sich die unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 9 zurückbezogenen Patentansprüche 10 und 11 an.

Die Klägerin macht geltend, der Gegenstand des Patents sei nicht patentfähig, weil er nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.

Zur Begründung beruft sie sich auf folgende Unterlagen:

K2 DE 298 01 858 U1 K3 EP 0 628 680 B1 K4 FR 2 650 321 K5 EP 0 408 785 A1 K6 GB 329 937 K8 Gesamtkatalog der Firma Angst+Pfister, Ausgabe 1997, Seiten 10.4 bis 10.12 K9 DIN 471 Ausgabe unbekannt, S. 138, 139 K10 Auszug aus dem Internet-Lexikon "WIKIPEDIA", Stichwort "Sprengring" vom 12. April 2007 Die Klägerin beantragt, das europäische Patent EP 1 022 413 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und hält das Streitpatent für patentfähig.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage erweist sich als begründet.

Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit führt zur Nichtigerklärung des angegriffenen Patents (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit a EPÜ i. V. m. Art- 54, 56 EPÜ).

I.

1. Patentgegenstanda) Das Streitpatent betrifft eine Befestigungsplatte mit Handgriff, mit wenigstens zwei Anschlagbohrungen oder -nocken zur Festlegung der Platte an einer Anschlagebene einer Tür, eines Fensters u. dgl., mit einer in einer Scheibe, Leiste o. dgl. vorgesehenen Durchgangsbohrung oder -buchse zur axialfestdrehbaren Drehlagerung eines mit einer umlaufenden Rastnut versehenen Halsabschnitts des Griffs und mit einem Rastelement, das im Einbauzustand in die es drehbar lagernde, mit einer umlaufenden Führungsnut versehene Durchgangsbohrung bzw. -buchse mit der Rastnut in Eingriff steht und so den Griff axial festlegt (Oberbegriff des Patentanspruchs 1).

In der Streitpatentschrift ist dazu angegeben (vgl. Sp. 1 Abs. [0002] ff.), dass die Montage von Griffen an Türen oder Fenstern oft problematisch sei, da der Handgriff bereits werkseitig axialfestdrehbar mit einer Befestigungsplatte verbunden sei; beispielsweise mittels einer Verbördelung, durch Vernieten oder mit einem Sicherungsring. Vor allem bei Rosetten-Garnituren stehe jedoch der Griff bei der Festlegung der Befestigungsplatte an dem Tür oder Fensterflügel meist vor den festzusetzenden Schrauben, die nur dann zu erreichen seien, wenn man den Griff während des Anschraubens nach unten halte oder wenn das entsprechende Werkzeug schräg angesetzt werde. Die Befestigung sei mithin insgesamt mühsam und umständlich. Eine weitere Schwierigkeit bestehe, sofern die Befestigungsplatte der Rosette mit einer Abdeckkappe versehen sei, so dass diese neben dem Griff zusätzlich vor den festzusetzenden Schrauben liege.

Nachteilig sei es nach der Streitpatentschrift ferner, dass die vormontierten Griffe beim Verpacken sehr viel Platz einnehmen würden, was sich auch ungünstig auf Versand und Lagerhaltung auswirke. Letztere sei vor allem dann sehr aufwendig, wenn für verschiedene Rosetten unterschiedliche Tür oder Fenstergriffe vorgesehen seien. Da ein Handgriff nachträglich nicht mit beliebigen Rosetten oder Türschildern versehen werden könne, müssten die gewünschten Kombinationen entsprechend bevorratet sein.

Um die geschilderten Nachteile zu vermeiden, sei es bekannt, den Handgriff und die Befestigungsplatte getrennt auszubilden und zwischen den genannten Bauteilen eine Rastvorrichtung vorzusehen, die eine bauseitige Montage des Griffs mit der Befestigungsplatte ermögliche. Diese werde zunächst ohne den Handgriff fest an der Tür oder dem Fenster verschraubt. Anschließend würde man den endseitig mit einer umlaufenden Rastnut versehenen Griffhals des Handgriffs in die Befestigungsplatte einstecken, so dass die axialfestdrehbare Verbindung entstehe.

Die Streitpatentschrift gibt in Spalte 1, Absatz [0005] weiterhin an, dass gemäß der DE 298 01 858 U1 als Rastvorrichtung radial elastisch ausstellbare Stützflanschabschnitte verwendet würden, die in Abständen über den Umfang einer Durchgriffsöffnung in der Befestigungsplatte verteilt seien. Die einzelnen Rastabschnitte würden beim Einsetzen des Griffhalses radial gespreizt und rasteten anschließend aufgrund ihrer Eigenelastizität in die umlaufende Rastnut des Griffhalses ein. Durch die Abstände zwischen den Rastabschnitten entstehe jedoch lediglich eine partielle Verrastung, so dass der Handgriff nur geringen Zugkräften standhalte. Die für viele Anwendungsbereiche wichtige Dauerbelastbarkeit sei entsprechend gering.

Gleiches gelte nach der Streitpatentschrift für eine aus EP 0 626 680 B1 bekannte Rastvorrichtung (vgl. Streitpatentschrift Sp. 1, 2 Abs. [0006]). Diese bestehe im Wesentlichen aus einer Führungsbuchse, die kraft- und formschlüssig in eine Durchgangsbohrung einer Befestigungsplatte eingesetzt sei und in einem von der Befestigungsplatte abstehenden Teil eine Schenkelfeder trage. Letztere würde zur unsichtbaren Befestigung des Handgriffs an der Befestigungsplatte nach dem Einsteckvorgang mit zwei parallel verlaufenden Federschenkeln tangential in die umlaufende Rastnut des Griffhalses eingreifen, was aber kaum ausreichende Sicherheit bieten könne.

Nach der Streitpatentschrift werde bei einem Beschlag gemäß FR 2 650 321 A1 (vgl. Sp. 2 Abs. [0007]) ein Lagerkörper an einer Tragplatte durch einen Klemmring axial festgelegt. Der Griffhals werde in dem Lagerkörper von einer offenen Bügelfeder gehalten, die in eine innere Ringnut eingesetzt und durch Einfügen des Halses in eine Bohrung eines Lagerkörpers zum Boden einer äußeren, korrespondierenden Ringnut hin gedrückt werde. Bei einer Bauform enthalte die Nut bereits vor der Montage eine Feder, deren mittlerer Durchmesser im entspannten Zustand etwa so groß ist wie der Bohrungsdurchmesser, so dass sie von der angefasten Stirnkante des eingeführten Halses zum Boden der Nut hin gespreizt wird. Der Beschlag könne nur als ganze Baugruppe von der Tür demontiert werden, indem der Klemmring gelöst werde. Es lasse sich der verrastete Griff aus dem montierten Lagerkörper nicht ohne großes Risiko von Beschädigungen herausziehen.

Weiterhin ist in der Streitpatentschrift ausgeführt, dass in der EP 0 408 785 A1 (vgl. Sp. 2 Abs. [0008]) ein Fenster- oder Türbeschlag beschrieben sei, dessen Griff mit einem Halsteil drehbar in einer Lagerhülse sitze, sobald ein genuteter Wellenteil axial von einem Haltekragen festgelegt sei, speziell von einem abgefederten Halteschieber, der mit einem quer zur Drehachse angesetzten Hilfswerkzeug, einem Drahtbügel, aus der Rastposition durch eine Linearbewegung herausdrückbar sei. Die Rastung setze eine offene Form des Kragens voraus, höchstens eine Halbkreis-Begrenzung, so dass der Wellenteil in der Nut nur auf halbem Umfang verrastbar sei.

Schließlich gibt die Streitpatentschrift in Spalte 2 Absatz [0009] noch an, dass aus der GB 329 937 A ein Knopfbeschlag hervorgehe, der ab einer Schulter einen konisch verjüngten Griffhals mit einer Ringnut habe. Man erziele eine vormontierte Einheit, indem ein Anschlagblech auf den Griffhals bis zur Anlage an der Schulter gebracht und daran mittels eines Sprengrings fixiert werde, worauf das Ganze an einer Türfläche anschraubbar sei. Für die Verrastung sei eine torische Ringnut vorgesehen, in die bei der Montage zwar ein Sprengring teilweise einfalle, doch beschränke sich die Axialsicherung im wesentlichen auf eine einseitige linsenförmige Anlage an einer Nutkante, so dass im Gebrauch früher oder später eine Lockerung oder Lösung des Griffs eintreten werde. Eine Demontage des Griffs sei nur ausführbar, indem die Einheit von der Türfläche abgenommen und in eine Halterung gebracht werde, die ein Öffnen des Sprengrings erlaube.

b) Ausgehend von den Unzulänglichkeiten bekannter Befestigungsplatten mit Handgriff soll Aufgabe der Erfindung sein, unter Überwindung der Nachteile des Standes der Technik eine Befestigungsplatte zur Lagerung eines Handgriffs zu schaffen, die mit einfachen Bauteilen kostengünstig vorzufertigen ist, die an einem Türblatt anschlagbar ist und die Rastmittel für die axialfestdrehbare Lagerung des einsteckbaren Handgriffs aufweist, wobei die Rastmittel hohen Zug- und Scherkräften standhalten sollen. Angestrebt wird ferner eine schnelle Montage vor Ort und eine große Dauerbelastbarkeit des bauseitig montierten Griffs, der im Bedarfsfall leicht ausbaubar sein soll (vgl. Streitpatentschrift Sp. 2 Abs. [0010].

c) Zur Lösung dieses Problems beschreibt der Patentanspruch 1 gemäß einer von der Klägerin eingeführten Merkmalsgliederung eine Befestigungsplatte mit folgenden Merkmalen:

"1) Befestigungsplatte mit Handgriff, 1a) mit wenigstens zwei Anschlagbohrungen oder -nocken zur Festlegung der Platte an einer Anschlagebene einer Tür, eines Fensters u. dgl., 1b) mit einer in einer Scheibe, Leiste o. dgl. vorgesehenen Durchgangsbohrung oder -buchse 1c) zur axialfestdrehbaren Drehlagerung eines mit einer umlaufenden Rastnut versehenen Halsabschnitts des Griffs und 1d) mit einem Rastelement, das im Einbauzustand in die 1e) es drehbar lagernde, mit einer umlaufenden Führungsnut versehene Durchgangsbohrung bzw. -buchse mit der Rastnut in Eingriff steht und so den Griff axial festlegt, dadurch gekennzeichnet, 2) daß das Rastelement ein parallel zur Anschlagebene der Platte liegender Sprengring ist, 3) der am eingesteckten Griff eine zylindrische Anlagefläche innerhalb der Rastnut 3a) im wesentlichen lückenlos 3b) drehfestumspannt, und 4) daß die in der Durchgangsbohrung bzw. -buchse vorhandene Führungsnut eine Eingriffsöffnung für ein Werkzeug aufweist."

2. Fachmann Als Fachmann ist hier ein FH-Maschinenbauingenieur mit Kenntnissen in der Konstruktion von Türschlössern, - griffen und -beschlägen anzusehen.

3. Zur Lehre des Patentanspruchs 1 Nach Überzeugung des Senats ist die in den Merkmalen 1), 1a) und 1b) angesprochene Befestigungsplatte (10) bzw. Scheibe (12) ein und das selbe; die Angaben im Anspruch sind demnach so zu verstehen, dass die Platte (10) als Scheibe (12) ausgebildet ist.

Die in den Merkmalen 1b), 1d), und 4) erwähnte Durchgangsbohrung (18) bzw. - buchse fasst der Senat als die in der Durchgangsbohrung (18) der Scheibe 12) angebrachte Durchgangsbuchse (60) auf. Die Durchgangsbuchse (60) kann auch einstückig mit der Scheibe (12) ausgebildet sein (vgl. Streitpatentschrift Sp. 7 Abs. [0032]), dann wäre die Durchgangsbohrung in der Scheibe mit der in der Durchgangsbuchse befindlichen Bohrung gleichzusetzen. Wenn eine separate Buchse vorgesehen ist (Ausführungsbeispiel), dann ist unter Durchgangsbohrung die Bohrung in der Buchse zu verstehen.

Unter einem Sprengring (Merkmal 2) versteht der Fachmann nach Überzeugung des Senats einen offenen federnden Ring zur Sicherung von Wellen oder dergleichen. Weitere Eigenschaften, insbesondere eine besondere Querschnittsform oder eine besonderes Material sind damit nicht festgelegt.

Die Angabe im Merkmal 3b), dass der Sprengring "am eingesteckten Griff (40) eine zylindrische Anlagefläche (47) innerhalb der Rastnut (46) ... drehfest umspannt", bedeutet nach dem Verständnis des Senats, dass der Sprengring an der zylindrischen Anlagefläche der Rastnut (=Nutgrund) anliegt. Wie fest er dabei anliegt, ist abhängig von seiner Federkraft.

4. Patentanspruch 1 Aus der FR 2 650 321 A1 ist in Übereinstimmung mit den Merkmalen 1) bis 3) des Patentanspruchs 1 des Streitpatents bekannt eine 1) Befestigungsplatte (plaque de fixation 4) mit Handgriff (bequille 3), 1a) mit wenigstens zwei Anschlagbohrungen zur Festlegung der Platte an einer Anschlagebene (face opposee 9) einer Tür 2 (aus dem Begriff "plaque de fixation 4" - S. 2 Z. 28 - ist die Befestigung der Platte durch wenigstens zwei Schrauben und in Folge davon wenigstens zwei Anschlagbohrungen mitzulesen), 1b) mit einer in einer Scheibe 4 vorgesehenen Durchgangsbohrung (percee 2) oder -buchse 8 1c) zur axialfestdrehbaren Drehlagerung eines mit einer umlaufenden Rastnut (gorge 17) versehenen Halsabschnitts (embou 13) des Griffs 3 und 1d) mit einem Rastelement 18 (wird unten ausgeführt), das im Einbauzustand in die 1e) es drehbar lagernde, mit einer umlaufenden Führungsnut (gorge 16) versehene Durchgangsbohrung 12 bzw. -buchse 8 mit der Rastnut 17 in Eingriff steht und so den Griff 9 axial festlegt (S. 3 Z. 15 bis 19), wobei, 2) das Rastelement 18 eine parallel zur Anschlagebene 9 der Platte 4 liegender Sprengring 18 ist (wird unten ausgeführt), 3) der am eingesteckten Griff 9 eine zylindrische Anlagefläche (in der Nut 17) innerhalb der Rastnut 17 3a) im wesentlichen lückenlos (bis auf die durch die Öffnung des Sprengrings 18 definierte Lücke)

3b) drehfest (wird unten ausgeführt)

umspannt.

Zu Merkmal 1d) und Merkmal 2):

Entgegen der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Übersetzung (S. 4 Abs. 2) versteht der Senat den Satz auf Seite 4, Zeilen 9 bis 11 der FR 2 650 321 A1 "Pour obtenir plus facilement ces resultats, le ressort elastique 18 est avantageusement constitue en une boucle ouverte d'un materiau semblable, par exemple, à une corde à piano" im Deutschen wie folgt: Um diese Ergebnisse noch leichter zu erhalten, ist die elastische Feder 18 vorteilhafterweise als offener Ring ausgeführt, aus einem Material ähnlich z. B. einer Klavierseite. Mithin handelt es sich bei dem Rastelement um einen offenen federnden Ring 18, von dem zusätzlich bekannt ist, dass er - wie eine Klaviersaite - aus Stahl gebildet sein kann, also um einen Sprengring.

Zu Merkmal 3b):

Der Fachmann erkennt, dass die Art, wie der Sprengring 18 in der Zeichnung der FR 2 650 321 A1 dargestellt ist, nicht der Realität entsprechen kann. Denn der Sprengring 18 würde - wenn sein Innendurchmesser größer als der Durchmesser der zylindrischen Anlagefläche der Rastnut 17 (=Nutgrund) wäre - durch die Schwerkraft nach unten oder durch sonstige Reibungskräfte nach einer Seite gezogen, weil Maßnahmen, die den Sprengring 18 in der dargestellten Mittellage halten würden, in der Druckschrift weder dargestellt noch angesprochen sind. Deswegen sieht der Fachmann die Zeichnung der FR 2 650 321 A1 nur als Prinzipskizze an.

Gemäß dem in der FR 2 650 321 A1 beschriebenen zweiten Ausführungsbeispiel (S. 4 Z. 15 bis 29) befindet sich der Sprengring zunächst in der Führungsnut 16, sodann wird der kegelstumpfartig angefaste (S. 4 Z. 21: "chanfrein") Halsabschnitt 13 des Griffs 3 eingeschoben, bis die Führungsnut 16 der Rastnut 17 gegenüberliegt und der Sprengring 18 auch in die Rastnut 17 des Halsabschnitts 13 eingreift.

Da ein Sprengring hierbei stets einen definierten Sitz einnehmen muss, liest der Fachmann aus der FR 2 650 321 A1 mit, dass der Sprengring 18 an der zylindrischen Anlagefläche der Rastnut 17 (=Nutgrund) anliegen muss, denn die Nut 16 muss ihm für die Aufweitung bei der Montage Raum geben. Zugleich entnimmt der Fachmann damit der Druckschrift, dass der Sprengring (18) die zylindrische Anlagefläche innerhalb der Rastnut (17) drehfest umspannt.

Die Befestigungsplatte mit Handgriff gemäß dem Patentanspruch 1 unterscheidet sich von der aus der FR 2 650 321 A1 bekannten somit lediglich durch das Merkmal 4). Dieser Unterschied kann die Patentfähigkeit jedoch nicht begründen.

Besteht ausgehend von der Befestigungsplatte mit Handgriff gemäß der FR 2 650 321 A1 - etwa aus Gründen des Reparaturbedarfs oder aus Gründen der Zuordnung verschieden designter Handgriffe 3 zu einer Durchgangsbuchse 8 (Austauschbedarf) - die Notwendigkeit, den Handgriff 3 von der Durchgangsbuchse 8 lösen zu können, so ergibt es sich für den Fachmann, dass der Sprengring 18 aufzuweiten ist, damit der Halsabschnitt 13 herausgezogen werden kann; er muss demnach einen Zugang zu dem in den sich gegenüberliegenden Nuten 16, 17 befindlichen Sprengring 18 schaffen.

Einen Hinweis auf die prinzipielle Demontierbarkeit durch das Lösen eines Sprengrings erhält der Fachmann dabei zusätzlich durch die FR 2 650 321 A1 selbst. Denn dort ist bereits gezeigt, dass die an der Befestigungsplatte 4 anliegende Durchgangsbuchse 8 durch das Aufweiten eines Klemm-Clips 20 als Sprengring demontiert werden kann (S. 4 Z. 35, 36).

Damit liegt es für den Fachmann nahe, die Befestigungsplatte mit Handgriff gemäß der FR 2 650 321 A1 so auszugestalten, dass die in der Durchgangsbohrung 12 bzw. -buchse 8 vorhandene Führungsnut 16 eine Eingriffsöffnung für ein Werkzeug aufweist (Merkmal 4)). Eines erfinderischen Tätigwerdens bedurfte es somit nicht.

5. Patentansprüche 2 bis 11 Der auf eine Verwendung einer Befestigungsplatte mit Türgriff gerichtete Patentanspruch 9 weist ausschließlich Merkmale auf, die sachlich denen des Patentanspruchs 1 entsprechen. Er teilt das Schicksal des Patentanspruchs 1 aus den zu diesem genannten Gründen.

In den von der Patentinhaberin nicht als erfinderisch verteidigten Patentansprüchen 2 bis 8, 10 und 11 ist kein eigenständig erfinderischer Gedanke zu erkennen, so dass diese ebenfalls mit den Patentansprüchen 1 bzw. 9 fallen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.






BPatG:
Urteil v. 15.05.2007
Az: 2 Ni 24/05


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