Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Juni 2004
Aktenzeichen: 26 W (pat) 151/02

(BPatG: Beschluss v. 16.06.2004, Az.: 26 W (pat) 151/02)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die für die Waren

"Fruchtgetränke, Fruchtsäfte; Limonaden, insbesondere nichtmedizinische Diätlimonaden; alle vorstehenden Waren insbesondere unter Verwendung natürlichen Mineralwassers hergestellt; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken"

unter der Nummer 2 906 761 eingetragene Marke Fitellaist Widerspruch erhoben worden aus der Marke 2 102 010 fitella, die - nur noch - für die Ware "Joghurt" eingetragen ist.

Die Markenstelle für Klasse 32 hat diesem Widerspruch stattgegeben und die angegriffene Marke gelöscht sowie die von der Inhaberin der angegriffenen Marke hiergegen erhobene Erinnerung zurückgewiesen. Die Waren seien ähnlich, wenn auch mit einem gewissen gruppenmäßigen Abstand. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei durchschnittlich. Da die Kennzeichnungen identisch seien, müsse insgesamt eine Verwechslungsgefahr bejaht werden.

Hiergegen wendet sich die Markeninhaberin mit der Beschwerde. Sie hat die Benutzung der Widerspruchsmarke gemäß § 43 Abs 1 Satz 2 MarkenG bestritten, in der mündlichen Verhandlung diesen Einwand für die Zeit ab dem 1. Januar 2000 jedoch nicht mehr aufrechterhalten. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat sie diese im Prozess abgegebene Erklärung angefochten und erklärt, die Benutzung erst ab 1. Januar 2002 anzuerkennen. Die Waren seien jedoch unähnlich. Die Schaffung von Mischgetränken mache die vermischten Waren nicht automatisch untereinander ähnlich, denn die Existenz von "Zwischenwaren" dürfe nicht ohne weiteres zur Bejahung einer Warenähnlichkeit führen. Vielmehr seien die regelmäßigen Hersteller von "Joghurt" Molkereien, während Mineralwasser und Limonaden von Mineralbrunnen hergestellt würden. Die jeweiligen Spezialverkaufsstätten führten die jeweils andere Ware nicht. Auch die Beschaffenheit der Waren (fest bzw flüssig) unterscheide sich. Zudem sei maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Warenähnlichkeit derjenige der Anmeldung des jüngeren Zeichens, also das Jahr 1994. Auf die Verhältnisse zu diesem Zeitpunkt, nicht dagegen auf die heute herrschenden Verhältnisse sei abzustellen. Zum Beleg hierfür hat der Vertreter der Markeninhaberin in der mündlichen Verhandlung die Kopie einer Kommentarstelle (Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl, § 14 Rn 438) überreicht. Die Widerspruchsmarke habe iü eine nur geringe Kennzeichnungskraft, weil die Endung "-ella" verbraucht und die Bezeichnung "fit" nicht sehr originell sei. Eine schwache Marke aber habe einen geringeren Schutzbereich. Hinsichtlich der (noch verbliebenen) Ware "Joghurt" mache sie außerdem eine zwischenzeitliche Löschungsreife einredeweise geltend.

Die Markeninhaberin beantragt, unter Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse den Widerspruch zurückzuweisen.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie legt Unterlagen zur Glaubhaftmachung der bestrittenen Benutzung vor und vertritt mit der Markenstelle die Auffassung, die beiderseitigen Waren seien ähnlich, was sich nicht nur in der Existenz von Mischgetränken, sondern auch immer häufiger in derselben Verpackungsart für beide Waren zeige. Im übrigen schließe das mit "insbesondere" formulierte Warenverzeichnis der Beschwerdeführerin eine Verwendung von Joghurt nicht aus. Die Vergleichswaren könnten in ihrer Konsistenz auch ohne weiteres übereinstimmen, denn Joghurt könne sowohl flüssig als auch stichfest sein. Die Ähnlichkeit der zu vergleichenden Waren zeige sich auch daran, dass sowohl Mineralbrunnenbetriebe als auch Molkereien die zu vergleichenden Waren gleichermaßen herstellten. Auch die Verpackungsarten hätten sich einander angenähert. Selbst wenn auf das Jahr 1994 als für die Beurteilung der Warenähnlichkeit maßgeblichen Zeitpunkt abgestellt werde, dann sei die hier festzustellende Entwicklung bereits zu diesem Zeitpunkt im Gange gewesen. Das Markenwort "fitella" besitze in seiner Gesamtheit eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft, denn es bestehe nicht aus zwei Einzelteilen, sondern bilde einen Gesamtbegriff. Wegen der Warenähnlichkeit und der normalen Kennzeichnungskraft seien an den Abstand der Vergleichsmarken hohe Anforderungen zu stellen, denen die identische (jüngere) Marke nicht gerecht werde.

II.

Die gemäß § 66 Abs 1 und 2 MarkenG zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg, weil eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zu bejahen ist.

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (EuGH GRUR 1998, 387, 389 - Sabèl/Puma). Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, vor allem der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke. Insbesondere kann ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Canon; BGH GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/ TISSERAND).

Der Widerspruchsmarke kann ohne weiteres eine mittlere Kennzeichnungskraft zugebilligt werden. Jedenfalls kommt der Gesamtmarke kein beschreibender Gehalt zu. Bei der Endung "-ella" mag es sich um eine recht beliebte Endung handeln, dies führt aber bei der konkreten Wortbildung nicht dazu, dass das Wort "fit-" aus dem Gesamtbegriff herausgetrennt und für sich allein gelesen wird, vielmehr verbindet es sich mit der Endung zu einem insgesamt nicht beschreibenden Phantasiewort mit normalem Schutzumfang. Da die Marken klanglich übereinstimmen, kommt es für die Beurteilung einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr auf die Ähnlichkeit der zu vergleichenden Waren an. Eine Gefahr markenrechtlicher Verwechslungen kann jedoch nur bei absoluter Warenunähnlichkeit verneint werden, die aber hier nicht angenommen werden kann.

Die Inhaberin der jüngeren Marke hat ursprünglich den Nichtbenutzungseinwand gemäß § 43 Abs 1 Satz 2 MarkenG erhoben, die Benutzung der Ware "Joghurt" dann aber anerkannt. Zwar hat sie ihre in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll abgegebene und genehmigte Erklärung, der Nichtbenutzungseinwand werde für die Zeit ab dem 1. Januar 2000 nicht mehr aufrechterhalten, nach Schluss der mündlichen Verhandlung wegen Irrtums angefochten und ausgeführt, das Datum "1. Januar 2000" solle ersetzt werden durch das Datum "1. Januar 2002". Dies ändert jedoch nichts am Ergebnis. Für den von der Inhaberin der jüngeren Marke ursprünglich erhobenen Einwand der Nichtbenutzung nach § 43 Abs 1 Satz 2 MarkenG ist nämlich der Zeitraum der letzten fünf Jahre vor der Entscheidung maßgeblich. Dieser wird auch durch das Anerkenntnis der Benutzung ab dem 1. Januar 2002 in rechtserheblichem Ausmaß abgedeckt, denn ein durchgehender fünfjähriger Benutzungsnachweis muss nicht geführt werden. Im übrigen ist die Anfechtung einer Prozesshandlung wegen Irrtums ohnehin mit Ausnahme der vom Gesetz ausdrücklich geregelten Fälle ausgeschlossen (Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, ZPO, 62. Aufl, Grdz. § 128, Rdnr 46, 56, 58; Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl, Einl. III, Rdnr 23; Zöller, ZPO, 24. Aufl, vor § 128, Rdnr 21). Auch die von der Beschwerdeführerin einredeweise vorgetragene Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke für Joghurt (zu einem früheren Zeitpunkt) und eine daraus folgende zwischenzeitliche Löschungsreife vermochte der Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil die Markeninhaberin lediglich den "zukunftsgerichteten" Nichtbenutzungseinwand des § 43 Abs 1 Satz 2 MarkenG erhoben hat (Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 43 Rdnr 25). Im übrigen kann in einem Widerspruchsverfahren (§ 42 MarkenG) die Nichtbenutzung einer Marke nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers nur geltend gemacht werden, wenn sie in den von der Vorschrift des § 43 Abs 1 Satz 1 und/oder 2 MarkenG umschriebenen Zeiträumen liegt. Die - ganz andere Fragen regelnden - Normen des § 22 MarkenG, auf den sich die Markeninhaberin beruft, finden im registerrechtlich ausgelegten Widerspruchsverfahren keine Anwendung.

Die miteinander zu vergleichenden Waren sind ähnlich, wenn auch - wie bereits von der Markenstelle festgestellt - ein weiter gruppenmäßiger Abstand vorliegt. Eine Ähnlichkeit von Waren ist gegeben, wenn sie in Berücksichtigung aller erheblicher Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen - insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebsart, ihres Verwendungszwecks und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlicher Gründe - , so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus denselben oder ggf wirtschaftlich verbundenen Unternehmen, sofern sie mit identischen Marken gekennzeichnet sind (BGH GRUR 1999, 245 - LIBERO; 1999, 496 - TIFFANY; 2001, 507 - EVIAN/REVIAN). Damit ist zwischen den vorliegenden Waren eine Ähnlichkeit zu bejahen. Zwischen Fruchtgetränken und Joghurt bestehen zwar grundlegende Unterschiede in der Herstellung. Sie können einander aber in ihrer Konsistenz entsprechen, denn beide Waren können zum Trinken geeignet sein ("Trinkjoghurt"). Auch die Vertriebsart der beiderseitigen Waren ist wegen ihrer zunehmenden Mischung vergleichbar. Der Verwendungszweck und die Nutzung als (durststillende) Getränke stimmen überein, denn sie werden regelmäßig sowohl zu den Mahlzeiten als auch dazwischen konsumiert. Zudem ergänzen diese Waren einander, denn sie werden miteinander gemischt, um einerseits dem Joghurt einen anderen Geschmack zu verleihen und andererseits den Gehalt der Fruchtsaftgetränke an Vitaminen und Mineralstoffen zu erhöhen. In diesem Zusammenhang sei auch verwiesen auf die Rechtsprechung des BGH, wonach Wein und Mineralwasser ähnlich sind (BGH aaO - EVIAN/REVIAN), aber auch des HABM zur Ähnlichkeit von alkoholfreien Getränken und Bier (GRUR-RR 2002, 104 - Mystery/Mixery) und Mineralwasser und Sekt (MarkenR 2002, 448 - Linderhof/Lindenhof). Die hier unter anderem mit dem Hinweis auf einander ergänzende Waren getroffenen Feststellungen zur Ähnlichkeit können auch auf die vorliegend zu beurteilenden Waren angewandt werden. Im Lauf des Widerspruchsverfahrens ist dies außerdem anhand von Beispielen (ausführliche Prospekte oder Veröffentlichungen über Mischgetränke aus Milch, Joghurt oder Molke uä mit Früchten, Fruchtsäften, Fruchtgetränken, Mineralwässern usw und die entsprechenden Verbrauchergewohnheiten) sowohl durch die Markenstelle als auch durch die Beschwerdegegnerin eindrücklich belegt worden. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung der Ähnlichkeit der Waren ist nach ganz überwiegender Auffassung der Zeitpunkt der Entscheidung (Ströbele/Hacker, aaO, § 9 Rdnr 94 f). Selbst wenn jedoch, der Beschwerdeführerin folgend, auf den Zeitpunkt der Anmeldung der jüngeren Marke, also das Jahr 1994, abgestellt wird, ändert sich am Ergebnis der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren nichts, denn eine Warenähnlichkeit kann auch dann jedenfalls nicht gänzlich verneint werden. Bereits im Jahr 1991 hatte der 28. Senat (28 W (pat) 143/89) ausgeführt, eine Warengleichartigkeit zwischen alkoholfreien Milchmischgetränken mit überwiegendem Milchanteil sowie Joghurt einerseits und alkoholfreien Getränken andererseits bestehe noch nicht, selbst wenn schon gewisse gedankliche Verbindungen in diese Richtung vollzogen würden. Im Jahr 1996 hat derselbe Senat (28 W (pat) 45/94) eine Ähnlichkeit (im mittleren Bereich) zwischen Mineralwasser, anderen alkoholfreien Getränken sowie Fruchtsäften einerseits und Milch sowie Sauermilch andererseits angenommen. Dabei kommt es im vorliegenden Fall angesichts der vollständigen klanglichen (und regelmäßig auch bildlichen) Übereinstimmung der Marken nicht auf den Grad der Ähnlichkeit der Vergleichswaren an. Ausreichend war die Feststellung, dass Ähnlichkeit als solche - und sei sie auch noch so gering - letztlich (auch für den Anmeldezeitpunkt der angegriffenen Marke) nicht verneint werden kann.

Sonach musste die Beschwerde erfolglos bleiben.

Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen (§ 71 Abs 1 S 1 MarkenG) bestand keine Veranlassung.

Albert Reker Eder Ko






BPatG:
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Az: 26 W (pat) 151/02


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