Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Mai 2000
Aktenzeichen: 33 W (pat) 181/99

(BPatG: Beschluss v. 19.05.2000, Az.: 33 W (pat) 181/99)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 1 des Patentamts vom 22. April 1999 und vom 15. Juli 1999 aufgehoben.

Gründe

I Mit ihrer am 12. Dezember 1998 eingereichten Anmeldung begehrt die Anmelderin die Eintragung der Wortmarke MFL für die Waren

"Klebstoffe für gewerbliche Zwecke, nämlich Bau- und Montagekleber; Zusatzmittel für Zement, Mörtel und Beton (soweit in Klasse 1 enthalten);

Dichtungs-, Packungs- und Isoliermaterial einschließlich Montageschäumen auf Kunststoffbasis, elastischen Fugendichtmassen, Fugenkitten;

Baumaterialien (nicht aus Metall) einschließlich Zement, Fertigmörtel, Fertigbeton, Fertigestrich und Putz, jeweils insbesondere auch als Trockenbaustoffe; Zusatzmittel für Zement, Mörtel und Beton (soweit in Klasse 19 enthalten)".

Die Markenstelle für Klasse 1 hat die angemeldete Bezeichnung durch zwei Beschlüsse, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewiesen, weil es ihr an jeglicher Unterscheidungskraft mangele (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG). Zwar könne die angemeldete Bezeichnung lexikalisch nicht nachgewiesen werden. Die Verwendung von Ein-, Zwei- und Dreibuchstabencodes sei aber für die Waren auf dem Gebiet der Klebstoffe und Baumaterialien übliche Praxis. Hierzu hat die Markenstelle auf Auszüge aus Lieferprospekten verschiedener Hersteller Bezug genommen. Die angemeldete Marke erwecke lediglich die Vorstellung einer Typen-, Sorten- oder abgekürzten Bezeichnung mit sachbezogenem Inhalt, ohne daß es darauf ankomme, daß der Verkehr damit eine konkrete Aussage verbinde.

Im Erinnerungsbeschluß hat die Markenstelle die Zurückweisung der Anmeldung damit begründet, daß es speziell auf dem Gebiet der Baustoffe und der Bauchemie üblich sei, entsprechende Waren neben der eigentlichen Bezeichnung zusätzlich mit Buchstaben- und/oder Zahlenkodierungen zu versehen, um besondere Abmischungen, Körnungen oder sonstige Angaben innerbetrieblich zu kennzeichnen. Hierzu hat sie auf die Angebote des Baumarkts "BayWa" im Katalog Baustoffe 1998/99 hingewiesen, wonach die Buchstaben "M", "F" und "L" allein oder in Verbindung mit Zahlen und Buchstaben beispielsweise wie "LM" für Leichtmauermörtel, "LTM" für Leichttonmörtel, "HM" für Haftmörtel, "FM" für Fugenmörtel oder bei Putzsystemen der Firma W... wie "WICOPUTZ 150 GL", "150 F", Fließestrich "WICOPLAN 430 FP" sowie bei Gipsputzen des Herstellers Rigips "Rimat MP", "Riplus-FP" oder "Ritop HP" verwendet werden. Der Verkehr werde die Buchstaben daher nur als Hinweis einer typenmäßigen Betriebskennzeichnung auffassen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin mit dem Antrag, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.

Zur Begründung führt sie aus, daß die angemeldete Bezeichnung ebenso wie die weiteren Anmeldungen seit Jahrzehnten in Benutzung seien. Nach dem Wegfall des früheren Eintragungsverbots für Zahlen und Buchstaben seien diese und weitere Anmeldungen zur Abwehr von Nachahmungen und der Eintragung von Drittzeichen erforderlich geworden. Die Buchstaben- und Zahlenkürzel im Baustoffbereich seien sehr oft individuell vorgenommen und lieferten keine wirkliche Aussage über den zugehörigen Sprachgebrauch. Die Anmelderin verweist außerdem auf ihre Marken "K01", "Z 01" und "B 03" sowie auf Buchstaben- oder Zahlenfolgen wie "HQ, DDM, 442, A3" und ähnliche Kombinationen, die unter der Geltung des Markengesetzes eingetragen worden seien.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens sowie weiterer Baustoffkataloge, Lieferübersichten und DIN-Normen wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die Beschwerde ist begründet. Der angemeldeten Marke fehlt weder jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG noch steht ihr das Eintragungshindernis des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG entgegen.

Die Markenstelle hat zwar im Ausgangspunkt zutreffend hervorgehoben, daß Buchstaben und Zahlen, einzeln oder in Kombination, nach dem Markengesetz nicht mehr generell vom Schutz ausgeschlossen sind, sondern in jedem Einzelfall festgestellt werden muß, ob die konkret angemeldete Verbindung schutzfähig oder wegen ihrer beschreibenden Aussage schutzunfähig ist. Dabei ist jedoch eine differenzierte Betrachtungsweise erforderlich, die die besonderen Umstände des betreffenden Warengebietes zu berücksichtigen hat und keine höheren Anforderungen stellen darf, als sie bei den sonstigen markenfähigen Wort- oder Bildzeichen vorausgesetzt werden.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist einer angemeldeten Wortmarke die Unterscheidungskraft unter Anlegung eines großzügigen Maßstabes nicht abzusprechen, wenn ihr für die in Frage stehenden Waren kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann und es sich auch sonst nicht um eine so gebräuchliche Bezeichnung bzw Abkürzung handelt, daß sie vom Verkehr stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (vgl BGH MarkenR 1999, 349 - YES mwN; Beschluß vom 8. Dezember 1999 - I ZB 25/97 - St. Pauli Girl, MarkenG 2000, 99). Bei der Beurteilung ist davon auszugehen, daß der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in aller Regel so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt und es keiner analysierenden Betrachtungsweise unterzieht (vgl BGH GRUR 1995, 408, 409 - PROTECH; BGH MarkenR 1999, 400 - FÜNFER).

Weder die Markenstelle noch der Senat haben indes eine beschreibende Bedeutung für die Buchstabenfolge "MFL" auf dem Gebiet der beanspruchten Waren feststellen können. Insbesondere ist keine gängige Langfassung ermittelt worden, für die die Buchstabenkombination "MFL" dem angesprochenen Verkehr aufgrund der in der Fachsprache verwendeten Begriffe und Fachkenntnisse oder nach dem allgemeinen Sprachgebrauch als eindeutige oder naheliegende Abkürzung erscheint. Die von der Markenstelle aufgeführten Beispiele zeigen im übrigen, daß die Buchstaben "M," "F" und "L" allein oder in der jeweiligen Kombination nicht durchgängig oder einheitlich für den gleichen, sondern für völlig verschiedene Begriffe eingesetzt werden. So wird das "M" zwar als Kurzfassung für Mörtel der verschiedenen Arten benutzt, wenn es am Ende einer Buchstabenkombination steht. Am Anfang einer Kombination ist der Buchstabe "M" dagegen in der Bedeutung von Maschinenputz (zB "Rimat MP", "Rifilz MP" und "MP 75"), als Abkürzung von "Münchner" in "MRP" für Münchner Rauhputz oder des "mineralischen Systems" der Anmelderin anzutreffen (BayWa aaO, S 136, 137; Das Baustoff-Buch der Baustoff Union, S 162, 170; quickmix Lieferübersicht 2000, S 30, 31). In Verbindung mit den Baumaterialien Putz- und Wärmedämmung und Dämmstoffen wird mit "M" bei einem Hersteller das Wort "Matte" bei einem anderen der Begriff "Mantel" abgekürzt (vgl Schwenk Dachmantelsystem "DMS", Katalog Baustoff Union aaO, S 115). Bei der Produktkennzeichnung "Heraklith-BM" ist eine Bedeutung für den angesprochenen Verkehr ohne weitere Erläuterungen des Anbieters nicht erkennbar. Uneinheitlich ist auch die Verwendung des Buchstaben "F", soweit eine Bedeutung überhaupt erkennbar wird. Der Hersteller SAKRET setzt das "F" in der Verbindung "FU" für Fugenmörtel und bei der Bezeichnung "F 04 H" für Feinmörtel ein. Bei dem Putzsystem "WICOPUTZ 150 F" handelt es sich nach den Angaben des Herstellers um einen Kalk-Naturgips-Putz für Innen zum Filzen; mit "WICOPLAN 430 FP" kennzeichnet derselbe Anbieter "den Fließestrich, der wirklich fließt!" Der Buchstabe "L" wird in dem Buchstabenverbund "LTM" für "Leichttonmörtel" und bei "Okamul WAL" für einen Wiederaufnahmeklebstoff verwendet, bei dem das "L" wohl für Latex steht. Bei der Produktkennzeichnung "Cerinol-AEA (LP) kürzt der Hersteller Deitermann mit LP "Luftporenbildner für Beton und Mörtel" ab, während sich bei der Kennzeichnung "Deiterol-SLF" die Folge "LF" ebenso wie bei dem Buntsteinputz "LF" der Meffert AG offenbar auf den Begriff "lösungsmittelfrei" beziehen soll.

Auch aus den vom Senat herangezogenen einschlägigen DIN-Normen 1053-1 (Mauerwerk), 1060-1 (Baukalk), 1164-1 (Zement), 18550 (Putz), 18560-Teil 1, 2, 3, 4 und 7 (Estriche) ließ sich die Kombination "MFL" nicht belegen. Die DIN-Norm 1060-1 sieht unter der Ziffer 4 (Baukalkarten) lediglich die Kurzzeichen "CL, DL, HL und NHL" für Weiß-, Dolomit-, hydraulische und natürliche hydraulische Kalke vor. So hat auch der einzelne Buchstabe "F" innerhalb der DIN-Norm 1164-1, Ziffer 4.7 "Füller (F)" allein eine definitorische Funktion. Eine Verwendung des Kürzels "F" zur Beschreibung der anorganischen mineralischen Füllstoffe konnte der Senat dagegen nicht feststellen. Soweit die DIN-Norm 18560 Teil 7 für Industrieestriche in Ziffer 2 den Buchstaben F "für hochbeanpruchbar" vorsieht, beschränkt sich die Bezeichnungsanweisung auf die Kurzzeichen für Estricharten (AE, GE, ME und ZE) sowie auf die Buchstaben S, V und T, so daß sich eine Kombination mit den Buchstaben "M" und "L" in der angemeldeten Form "MFL" nicht ergeben kann.

Wegen der weiteren Gründe wird in vollem Umfang auf den im Parallelverfahren 33 W (pat) 159/99 ergangenen Beschluß des Senats vom gleichen Tag betrefffend die Marke "VK Plus" verwiesen und Bezug genommen, die mit Ausnahme von "Glaserkitten" für die selben Waren beansprucht wird. Die Gesichtspunkte, die zur Bejahung der Schutzfähigkeit dieser Bezeichnung geführt haben, gelten für die vorliegende vergleichbare Buchstabenkombination "MFL" entsprechend, nachdem für sie eine beschreibende Bedeutung auf dem Gebiet der beanspruchten Waren nicht festgestellt werden konnte.

Vorsitzender Richter Winkler ist wegen Urlaubs an der Unterschrift verhindert.

Pagenberg Richterin Dr. Schermer ist wegen Urlaubs an der Unterschrift verhindert.

Pagenberg Pagenberg Cl






BPatG:
Beschluss v. 19.05.2000
Az: 33 W (pat) 181/99


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