Landgericht Bonn:
vom 2. Mai 2006
Aktenzeichen: 11 O 158/04

(LG Bonn: v. 02.05.2006, Az.: 11 O 158/04)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

In dieser Gerichtsentscheidung vom 2. Mai 2006, Aktenzeichen 11 O 158/04, wurde die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, ohne Einwilligung eines Verbrauchers, mit dem bereits ein Vertrag besteht, diesen anzurufen, um ihn zum Abschluss eines Vertrages über einen neuen Telefontarif zu bewegen. Das Gericht drohte der Beklagten ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 € oder ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten an. Die Entscheidung über die Kosten wurde zurückgestellt und das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin, eine Verbraucherzentrale, hatte gegen die Beklagte Klage eingereicht und forderte das Unterlassen von Werbeanrufen sowie das Unterlassen des Zusendens von Auftragsbestätigungen an Verbraucher, die kein Angebot auf Abschluss eines Vertrages gemacht oder lediglich Informationsmaterial angefordert hatten. Die Beklagte behauptete, dass es zu einem Telefonat gekommen sei, bei dem ein Auftrag erteilt wurde. Das Gericht entschied jedoch, dass die Verbraucher durch solche Werbeanrufe unzulässig beeinflusst werden und ihre Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt werde. Daher wurde der Klage stattgegeben. Die Entscheidung über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit erfolgte ebenfalls. Die Inhaltsangabe vermittelt einen Überblick über die wichtigsten Punkte der Gerichtsentscheidung und ist verständlich und leicht lesbar.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

LG Bonn: v. 02.05.2006, Az: 11 O 158/04


Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgelds von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen,

einen Verbraucher, der mit ihr bereits vertraglich verbunden ist, ohne dessen Einwilligung anrufen zu lassen, um diesen zum Abschluss eines Vertrages über einen neuen Telefontarif zu veranlassen, insbesondere über das Produkt D -Time/U -Net.

Die Entscheidung über die Kosten wird der Schlussentscheidung vorbehalten.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 50.000 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin ist eine Verbraucherzentrale, die in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG aufgenommen ist. Sie macht gegenüber der Beklagten mit dem Klageantrag zu 2.) einen Anspruch auf Unterlassen des Zusendens von Auftragsbestätigungen geltend, wenn der Verbraucher kein Angebot auf Abschluss eines Vertrages gemacht, bzw. in einem vorangegangenen Telefongespräch lediglich die Übersendung von Informationsmaterial erfragt habe. Im Klageantrag zu 3.) verlangt sie das Unterlassen von Werbeanrufen.

Der Zeuge B hat einen Telefonanschluss bei der Beklagten. Im Februar oder März 2005 - der genaue Zeitpunkt ist zwischen den Parteien streitig - erhielt seine Ehefrau, die Zeugin B einen Anruf einer Mitarbeiterin eines Vertriebspartners der Beklagten, die für das Produkt D Time/U-Net der Beklagten warb. Der Zeuge B erhielt eine Auftragsbestätigung vom 29.03.2005 über diesen Tarif.

Die Klägerin behauptet, der Anruf bei der Zeugin B habe am 23.02.2005 stattgefunden. Die Zeugin B habe lediglich um die Zusendung von Informationsmaterial gebeten.

Die Klägerin stützt die Klageanträge zu 2.) und 3.) auch auf einen Fall L . Der zunächst ferner verfolgte Klageantrag zu 1.) ist durch rechtkräftiges Teilurteil der Kammer vom 06.09.2005 abgewiesen worden.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

2.) der Beklagten zu untersagen, einem Verbraucher eine Auftragsbestätigung zuzusenden, ohne dass dieser gegenüber der Beklagten zuvor ein Angebot auf Abschluss eines Vertrages abgegeben hat, insbesondere wenn der Verbraucher in einem vorausgegangenen Telefongespräch lediglich um die Übersendung von Informationsmaterial gebeten hat,

3. der Beklagten zu untersagen, einen Verbraucher, der mit der Beklagten bereits vertraglich verbunden ist, ohne dessen vorherige Einwilligung anrufen zu lassen, um diesen zum Abschluss eines Vertrages über einen neuen Tarif zu veranlassen, insbesondere über das Produkt D-Time/U-Net,

4.) der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 € (ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen) oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten anzudrohen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, das Telefonat mit der Zeugin B habe am 22.03.2005 stattgefunden. Im Laufe dieses Gespräches sei ein Auftrag erteilt worden. Am 23.03.2005 sei noch ein Kontrollanruf getätigt worden, in dem der Auftrag ebenfalls bestätigt worden sei. Der Zeuge B habe sein Einverständnis mit Telefonanrufen zu Werbezwecken erteilt; das Einverständnis sei auf den Telefonanschluss bezogen.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze einschließlich der Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Der Rechtsstreit ist bezüglich des Klageantrags zu 3.) entscheidungsreif. Hinsichtlich des Klageantrags zu 2. liegt keine Entscheidungsreife vor. Dazu wird auf den zugleich verkündeten Beschluss verwiesen. Die Kammer hält es für angemessen, durch weiteres Teilurteil zu entscheiden (s. § 301 Abs. 2 ZPO). Zwischen den Klageanträgen zu 2.) und 3.) besteht keine notwendige Wechselbeziehung. Die Entscheidung über den Klageantrag zu 3.) ist unabhängig von derjenigen über den restlichen Verfahrensgegenstand.

Der Klageantrag zu 2.) ist zulässig. Er ist hinreichend bestimmt. Dass er mit dem Merkmal "ohne dessen Einwilligung" ein gesetzliches Tatbestandsmerkmal des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG wiederholt, besagt nicht, dass erst durch zusätzliche Wertungen im Rahmen einer Zwangsvollstreckung festgestellt werden könnte, wann ein Verstoß gegen die entsprechende Entscheidungsformel vorliegt. Der Begriff Einwilligung ist ein rechtlicher Fachbegriff, der durch Tatsachen ausgefüllt wird. Beide Parteien verwenden den Begriff zutreffend. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte ein vom Inhaber des Telefonanschlusses erteiltes Einverständnis mit Werbeanrufen auf Dritte erstrecken will, die den Telefonanschluss benutzen. Insoweit geht auch die Beklagte davon aus, dass es sich um ein Einverständnis der angerufenen Verbraucher handeln muss (s. § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG). Mehr ist nach dem Antrag und der stattgebenden Entscheidungsformel nicht erforderlich. Es geht auch nicht um etwaige Ausnahmefälle einer wettbewerbsrechtlich erlaubten Telefonwerbung, welche möglicherweise keine Einwilligung voraussetzen. Das hat der Wettbewerbssenat des OLG Köln für die hier zu beurteilende Konstellation von Werbeanrufen für die Vereinbarung anderer Telefontarife der Beklagten entschieden (Urteil vom 25.2.2005 - 6 U 155/04, NJW 2005, 2786).

Der Klageantrag zu 3. ist begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 Nr. 3; 3; 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 UWG Unterlassung von Werbeanrufen ohne Einwilligung der Verbraucher für die Vereinbarung anderer Telefontarife verlangen.

Unstreitig hat die Beklagte bei dem Anschluss des Zeugen B im Februar oder März 2005 anrufen lassen, um ihren Telefontarif D Time / U-Net zu bewerben. Der Anruf erfolgte durch eine Beauftragte der Beklagte, vermutlich die Zeugin Q . Beauftragter ist jeder, der ohne Mitarbeiter zu sein im oder für das Unternehmen eines anderen aufgrund eines vertraglichen oder anderen Verhältnisses tätig ist (vgl. BGH GRUR 1995, 605, 607). Darunter fallen die Mitarbeiter des von der Beklagten mit der Anrufaktion beauftragten externen Call Centers der Firma V GmbH. Ob der Anruf am 23.02. oder 22.03.2005 stattgefunden hat, ist für den Klageantrag unerheblich.

Der Anruf bei dem Anschluss des Zeugen B war eine Wettbewerbshandlung (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG). Er diente der Förderung der Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen der Beklagten.

Die Wettbewerbshandlung war auch im Sinne der §§ 3; 7 Abs. 1, Abs. 2 UWG unlauter. Aus § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG ist zu ersehen, dass der Schutz der Privatsphäre des Verbrauchers dem Interesse des Werbenden vorgeht (vgl. Harte/Henning/Ubber, UWG, § 7, Rdnr. 122). Der Telefonanschluss des Zeugen B war ein solcher eines Verbrauchers. Auch die Zeugin B , die den Anruf entgegengenommen hat, war Verbraucherin. Eine Einwilligung der letzteren lag nicht vor. In Betracht käme nur eine ausdrückliche oder konkludente Einwilligung der Zeugin. Beides ist von der Beklagten nicht behauptet. Die Frage, ob ein womöglich durch den Zeugen B als Anschlussinhaber erteiltes Einverständnis auch Wirkung hinsichtlich dessen Ehefrau, der Zeugin B , hat, kann offen bleiben, denn ein solches Einverständnis ist durch die Beklagte nicht bewiesen worden. Sie beruft sich lediglich darauf, dass der Zeuge B in ihrem System mit der Ziffer "1" gekennzeichnet sei, was für ein Einverständnis mit telefonischer Werbung stehe und eine positive Erklärung diesbezüglich voraussetze. Dass eine solche Erklärung abgegeben worden sei, bestreitet der Zeuge B . Der Systemausdruck der Beklagten beweist allenfalls das Vorhandensein einer Werbekennziffer. Er lässt keinen gesicherten Rückschluss darauf zu, dass eine Einwilligung tatsächlich erteilt worden ist.

Der Werbeanruf bei dem Telefonanschluss des Zeugen B stellte eine nicht nur unerhebliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs zum Nachteil der Verbraucher im Sinne des § 3 UWG dar. Werbeanrufe ohne Einwilligung der Verbraucher können die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers stark beeinträchtigen. Es soll dem Verbraucher freigestellt sein, ob er sich mit einem bestimmten Angebot näher befasst und sich für eine bestimmte Dienstleistung entscheidet oder nicht (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, 24. A., § 1, Rdnr. 13). Zwar bedeutet Wettbewerb immer auch eine Einflussnahme auf Verbraucher, entscheidend ist hier jedoch das Ausmaß der Einflussnahme. Bei einer Telefonwerbung ohne vorherige Einwilligung des Verbrauchers besteht regelmäßig die Gefahr der Überrumpelung, da der Anruf jederzeit stattfinden kann. Es wird in die Privatsphäre und in das Recht auf negative Informationsfreiheit des Verbrauchers eingegriffen (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, aaO, § 7, Rdnr. 49).

Anderes ergibt sich nicht daraus, dass die Beklagte mit den Inhabern der angerufenen Telefonanschlüsse vertraglich verbunden ist. Mit den hier zu beurteilenden Anrufen bewirbt die Beklagte Tarife, die bisher nicht Vertragsinhalt waren. Es geht also um die Abänderung und/oder Erweiterung der Vertragsbeziehung. Dafür bildet der bestehende Vertrag keine Grundlage. Es müssen deshalb die allgemeinen, oben dargestellten Grundsätze angewandt werden. Aus jenen ergibt sich die Erheblichkeit der Wettbewerbsbeeinträchtigung. Die von der Beklagten herangezogenen Ausführungen aus dem Urteil des OLG Köln vom 08.10.2004 - 6 U 147/04 - können nicht auf die Vereinbarung geänderter Telefontarife übertragen werden (s. OLG Köln, Urteil vom 25.2.2005 - 6 U 155/04, NJW 2005, 2786).

Es besteht hinsichtlich des wettbewerbswidrigen Verhaltens der Beklagten auch Wiederholungsgefahr. Dies schon deshalb, weil die Beklagte offenbar das Recht für sich in Anspruch nimmt, Verbraucher als Inhaber von Telefonanschlüssen zur Bewerbung von Telefontarifen anrufen zu lassen.

Die Kostenentscheidung ergeht einheitlich im Schlussurteil.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 ZPO.






LG Bonn:
v. 02.05.2006
Az: 11 O 158/04


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