Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 20. Dezember 2006
Aktenzeichen: XII ZB 118/03

(BGH: Beschluss v. 20.12.2006, Az.: XII ZB 118/03)

Tenor

Die Sache wird zur Behandlung und Entscheidung in eigener Zuständigkeit an das Oberlandesgericht München zurückgegeben.

Gründe

I.

Durch Beschluss des Amtsgerichts - Vormundschaftsgericht - wurde für die Betroffene eine rechtliche Betreuung, unter anderem mit den Wirkungskreisen Vermögenssorge, Vertretung gegenüber Ämtern und Behörden, Wohnungsangelegenheiten sowie Vertretung in allen Vollstreckungsverfahren eingerichtet. Zum berufsmäßigen Betreuer der mittellosen Betroffenen wurde der als Rechtsanwalt zugelassene Beteiligte zu 1 (im Folgenden: Betreuer) bestellt.

Die Betroffene war Eigentümerin einer mit Grundpfandrechten belasteten Eigentumswohnung in München mit einem geschätzten Verkehrswert von 158.500 €, in die durch zwei Gläubiger die Zwangsversteigerung im Wege der Zwangsvollstreckung betrieben wurde; ein Termin zur öffentlichen Versteigerung war vom Vollstreckungsgericht auf den 18. März 2002 anberaumt worden. Durch Schriftsatz vom 28. Februar 2002 beantragte der Betreuer die einstweilige Einstellung des Verfahrens nach § 30 a ZVG und suchte für diesen Antrag gleichzeitig um Prozesskostenhilfe für die Betroffene unter seiner Beiordnung als Verfahrensbevollmächtigter nach. Daneben verhandelte der Betreuer mit den beiden die Zwangsvollstreckung betreibenden Gläubigern und erreichte dadurch, dass diese gemäß § 30 ZVG eine einstweilige Einstellung des Verfahrens bewilligten und danach der für den 18. März 2002 anberaumte Versteigerungstermin aufgehoben wurde. Durch Beschluss des Vollstreckungsgerichts vom 21. Januar 2003 wurden sowohl der Antrag der Betroffenen nach § 30 a ZVG als auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen, letzterer mit der Begründung, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Betroffenen in seiner Eigenschaft als Berufsbetreuer ohnehin aus der Staatskasse vergütet werde und die Betroffene angesichts der anwaltlichen Qualifikation ihres Betreuers der gesonderten Beiordnung eines Anwalts nicht bedürfe.

Der Betreuer beantragte, ihm aus der Staatskasse für die außergerichtliche Vertretung der Betroffenen im Zwangsversteigerungsverfahren und für die Anbringung des Einstellungsantrags eine 3/10 Gebühr gemäß § 68 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO nach Regelgebührensätzen (§ 11 BRAGO) zuzüglich Postgebührenpauschale gemäß § 26 BRAGO und Mehrwertsteuer in einer Gesamthöhe von 601,58 € zu zahlen. Das Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - setzte nach Anhörung des Bezirksrevisors die insoweit aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 156,48 € fest, wobei es den Vergütungsanspruch des Betreuers auf die nach § 123 BRAGO einem beigeordneten Anwalt zu zahlenden Gebührensätze begrenzte. Auf die Beschwerde des Betreuers änderte das Landgericht die Entscheidung des Amtsgerichts ab und setzte die von dem Betreuer begehrten Wahlanwaltsgebühren in der beantragten Höhe von 601,58 € fest. Hiergegen richtet sich die vom Landgericht zugelassene weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 (im Folgenden: Staatskasse), welche eine Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung erstrebt.

Das Bayerische Oberste Landesgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2003, 1586 ff. veröffentlicht ist, möchte die weitere Beschwerde der Staatskasse zurückweisen. Es sieht sich daran durch einen Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 26. Juni 2002 (veröffentlicht in NJW-RR 2003, 712 f.) gehindert. In dieser Entscheidung hat das Oberlandesgericht Köln ausgesprochen, dass ein Anwaltsbetreuer für berufsspezifische Tätigkeiten, für die ihrer Art nach keine Prozesskostenhilfe gewährt werden könne, gegenüber der Staatskasse keine Regelgebührensätze, sondern lediglich die Gebühren der Beratungshilfe (§ 132 BRAGO) abrechnen könne. Demgegenüber vertritt das Bayerische Oberste Landesgericht die Ansicht, dass der Anwaltsbetreuer in diesen Fällen Anspruch auf die vollen Wahlanwaltsgebühren als Aufwendungsersatz aus der Staatskasse habe. Es hat deswegen die Sache gemäß § 28 Abs. 2 FGG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Vorlage ist unzulässig.

1. Eine Sache aus dem Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist vom Oberlandesgericht gemäß § 28 Abs. 2 FGG dem Bundesgerichtshof vorzulegen, wenn das Gericht von der auf weitere Beschwerde ergangenen Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder, falls über die Rechtsfrage bereits eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vorliegt, von dieser abweichen will. Aus dem Vorlagebeschluss muss sich dabei durch im einzelnen begründete Darlegungen ergeben, dass die Befolgung der abweichenden Rechtsansicht in dem zur Beurteilung stehenden Sachverhalt zu einer abweichenden Fallentscheidung führen würde (Senatsbeschlüsse BGHZ 82, 34, 36 f. und BGHZ 133, 384, 385 f.). Auf der Grundlage dieser Darlegungen hat der Bundesgerichtshof zu prüfen, ob in der streitigen Rechtsfrage tatsächlich ein Abweichungsfall vorliegt und ob die begehrte Stellungnahme zu der Rechtsfrage für die Entscheidung des von dem Oberlandesgericht vorgelegten Falles erheblich ist; erheblich ist nur eine Abweichung im Ergebnis, nicht schon eine Abweichung in der Begründung (Senatsbeschluss BGHZ 166, 141, 144).

2. Nach diesen Maßstäben ist die Vorlage nicht zulässig.

a) Das Bayerische Oberste Landesgericht meint, dass der Betreuer im vorliegenden Fall eine 3/10-Gebühr nach § 68 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO für seine allgemeine Tätigkeit im Zwangsversteigerungsverfahren verdient habe. Für diese Tätigkeit habe keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden können. Nach Auffassung des Bayerischen Obersten Landesgerichts könne ein Anwaltsbetreuer in solchen Fällen für außergerichtliche anwaltsspezifische Tätigkeiten seinen Aufwendungsersatz nach den vollen Regelgebühren der BRAGO abrechnen. Das Oberlandesgericht Köln sei demgegenüber der Auffassung, dass ein außergerichtlich für den Betreuten tätiger Rechtsanwalt, der für seine Tätigkeit keine Prozesskostenhilfe beanspruchen könne, nach §§ 1835 Abs. 3, 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB lediglich die Gebühren für die Beratungshilfe verlangen dürfe. Würde dem Streitfall die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Köln zu Grunde gelegt, müsste der sofortigen weiteren Beschwerde der Staatskasse stattgegeben werde.

b) Mit diesen Ausführungen ist indessen nicht hinreichend dargelegt, dass das Bayerische Oberste Landesgericht unter den hier obwaltenden Umständen durch die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Köln an der beabsichtigten Beschwerdeentscheidung zu Gunsten des Betreuers gehindert wäre. Denn es musste berücksichtigt werden, dass der Betreuer die Gebühr nach § 68 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO im vorliegenden Fall nicht nur durch seine außergerichtliche Tätigkeit verdienen konnte, sondern auch durch seine der Prozesskostenhilfe zugängliche Tätigkeit in dem gerichtlichen Verfahren.

Richtig ist zwar, dass für die Vertretung im Zwangsversteigerungsverfahren Prozesskostenhilfe nicht allgemein, sondern nur für einzelne Verfahrensabschnitte oder Verfahrensziele bewilligt werden kann (vgl. BGH Beschluss vom 31. Oktober 2003 - IXa ZB 197/03 - NJW-RR 2004, 787, 788 m.w.N.), so dass dem Verfahrensbevollmächtigten des Vollstreckungsschuldners für bloße Verhandlungen mit den Vollstreckungsgläubigern keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden konnte. Indessen hatte sich die anwaltliche Tätigkeit des Betreuers hier nicht auf Verhandlungen mit den beiden Gläubigern der Betroffenen beschränkt, sondern er hat durch die Anbringung eines Einstellungsantrages nach § 30 a ZVG eine weitere Tätigkeit entfaltet, für die eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Vollstreckungsschuldner ihrer Art nach durchaus in Frage kommt (vgl. MünchKomm/Wax, ZPO, 2. Aufl. § 114 ZPO Rdn. 65; LG Bielefeld RPfleger 1987, 210; LG Münster MDR 1994, 1254, 1255). Unter der Geltung der BRAGO löste jede Einzeltätigkeit des Rechtsanwalts im Zwangsversteigerungsverfahren die allgemeine Betriebsgebühr nach § 68 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO in voller Höhe aus (Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, BRAGO 15. Aufl., § 68 Rdn. 5; AnwKomm/Wolf, BRAGO § 68 Rdn. 24); durch die Tätigkeit in einem Einstellungsverfahren nach den §§ 30 a ff., 180 Abs. 2 ZVG verdiente der Rechtsanwalt keine über die allgemeine Betriebsgebühr hinausgehenden Gebühren (vgl. Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, BRAGO aaO; Riedel/ Sußbauer/Keller, BRAGO 8. Aufl. Vorbemerkung vor § 68 Rdn. 18; Stöber, ZVG 17. Aufl. Einleitung Anm. 89.6; Mümmler JurBüro 1972, 745, 748; LG München II RPfleger 1971, 363 f.; anders nunmehr § 2 Abs. 2 RVG i.V.m. VV Nr. 3311).

c) Dem Vorlagebeschluss lässt sich nicht entnehmen, ob die von dem Betreuer in seinem Vergütungsantrag geltend gemachten Gebühren nicht bereits wegen seiner - der Prozesskostenhilfe zugänglichen - Tätigkeit im Einstellungsverfahren nach § 30 a ZVG zuerkannt werden könnten. Zwar ist die von dem Betreuer begehrte Prozesskostenhilfe für das Einstellungsverfahren versagt worden. Allerdings geht der Vorlagebeschluss ersichtlich davon aus, dass die Versagung der Prozesskostenhilfe einer Abrechnung der Rechtsanwaltsgebühren als Aufwendungsersatz gemäß §§ 1835 Abs. 3, 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB nicht grundsätzlich entgegensteht. Zu der Frage, ob der Zugriff auf die Staatskasse nach §§ 1835 Abs. 4, 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB in diesen Fällen auf die einem beigeordneten Anwalt gemäß § 123 BRAGO zu zahlenden Gebührensätze beschränkt ist (LG Zweibrücken FamRZ 2003, 477, 478; Knittel, Betreuungsgesetz [Stand November 2003] § 1835 BGB Rdn. 28) oder ob der Anwaltsbetreuer die volle Wahlanwaltsvergütung aus der Staatskasse beanspruchen kann, wenn er die Prozessführung für erforderlich halten durfte (Staudinger/Bienwald, BGB [2004] § 1835 Rdn. 12), bezieht das vorlegende Gericht keine Stellung. Wäre das Bayerische Oberste Landesgericht der letztgenannten Auffassung gefolgt, was - soweit ersichtlich - ohne Divergenz zu den Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte möglich gewesen wäre, und hätte es zugleich die Voraussetzungen für einen Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 1835 Abs. 3, 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB in Bezug auf das von dem Betreuer betriebene Einstellungsverfahren nach § 30 a ZVG bejaht, käme es auf die für entscheidungserheblich gehaltene Streitfrage, welchen Aufwendungsersatz ein Anwaltsbetreuer für anwaltsspezifische Tätigkeiten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens beanspruchen kann, nicht mehr an. Denn dann könnte die von dem Betreuer als Aufwendungsersatz gegenüber der Staatskasse geltend gemachte Wahlanwaltsvergütung jedenfalls durch seine Tätigkeit im Einstellungsverfahren gerechtfertigt werden, mithin in einem gerichtlichen Verfahren, welches der Bewilligung von Prozesskostenhilfe zugänglich ist.

Da entsprechende Darlegungen hierzu fehlen, ist die Sache dem vorlegenden Gericht zur Entscheidung in eigener Zuständigkeit zurückzugeben. Nach der Auflösung des Bayerischen Obersten Landesgerichts ist das Oberlandesgericht München zur Entscheidung über die weitere Beschwerde der Staatskasse berufen (Art. 11 a BayAGGVG).

III.

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

1. Ein als Berufsbetreuer bestellter Rechtsanwalt kann eine Betreuertätigkeit gemäß §§ 1835 Abs. 3, 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB nach anwaltlichem Gebührenrecht abrechnen, wenn sich die zu bewältigende Aufgabe als ein für den Beruf des Rechtsanwalts spezifische Tätigkeit darstellt. Dies folgt aus dem Grundsatz, dass der Betreute - und bei mittellosen Betroffenen die Staatskasse - keinen Vorteil daraus ziehen soll, dass sein Betreuer zufällig aufgrund einer besonderen beruflichen Qualifikation etwas verrichten kann, wozu ein anderer Betreuer berechtigterweise die entgeltlichen Dienste eines Dritten in Anspruch nehmen würde (vgl. MünchKomm/Wagenitz BGB 4. Aufl. § 1835 Rdn. 34; Palandt/Diederichsen BGB 65. Aufl. § 1835 Rdn. 13; Jurgeleit/Maier, Betreuungsrecht, § 1835 BGB Rdn. 50; Jürgens, Betreuungsrecht, 3. Aufl. § 1835 Rdn. 15; RGRK/Dickescheid BGB 12. Aufl. § 1835 Rdn. 9).

2. Hat der Betroffene in einem gerichtlichen Verfahren Anspruch auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, ist sie ihm auch für die Verfahrensführung durch seinen Anwaltsbetreuer unter dessen Beiordnung als Prozessbevollmächtigter zu gewähren.

a) Dabei entspricht es ganz überwiegender Auffassung, dass der Anwaltsbetreuer schon aus dem Gesichtspunkt einer kostensparenden Amtsführung verpflichtet ist, für die gerichtliche Vertretung des Betroffenen Prozesskostenhilfe zu beantragen, so dass er im Falle der Bewilligung die entsprechenden Gebühren eines beigeordneten Rechtsanwalts gemäß § 49 RVG (früher § 123 BRAGO) erhält (OLG Frankfurt FamRZ 2002, 59, 60; BayObLG BtPrax 2004, 70, 71; Knittel aaO Rdn. 27; Staudinger/Bienwald aaO Rdn. 12 Soergel/Zimmermann BGB 13. Aufl. § 1835 Rdn. 30; Bienwald/Sonnenfeld/Hoffmann, Betreuungsrecht 4. Aufl. § 1835 Rdn. 12; HK-BUR/Bauer/Deinert § 1835 BGB Rdn. 51; Dodegge/Roth, Betreuungsrecht F Rdn. 46; jurisPK/Klein/Pammler, BGB 3. Aufl. § 1835 Rdn. 68; Zimmermann FamRZ 2002, 1373, 1374). Dieser Ansicht ist bereits deshalb zuzustimmen, weil sie mit dem allgemeinen Grundsatz korrespondiert, dass der Rechtsanwalt im Rahmen seiner umfassenden Beratungspflicht jeden erkennbar mittellosen Mandanten auf die Möglichkeiten der Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe hinzuweisen hat (vgl. OLG Düsseldorf MDR 1984, 937 f. und AnwBl. 1987, 147 ff.; Palandt/Heinrichs aaO § 280 Rdn. 73; Rinsche/Fahrendorf/Termille, Die Haftung des Rechtsanwalts, 7. Aufl. Kap. 10 Rdn. 1333; Schneider MDR 1988, 282 f.; vgl. auch § 16 Abs. 1 BORA). Wird diese Pflicht verletzt, kann dem mittellosen Mandanten gegen den Rechtsanwalt ein auf die Befreiung von den Gebührenansprüchen gerichteter Gegenanspruch auf Schadenersatz zustehen (vgl. Rinsche/Fahrendorf/Terbille aaO Rdn. 1334; Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Aufl. § 49 a Rdn. 15).

Eine abweichende Beurteilung der anwaltlichen Pflichten bei der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen eines mittellosen Betreuten ist nicht deshalb gerechtfertigt, weil über §§ 1835 Abs. 4, 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB auch außerhalb der Prozesskostenhilfe ein Zugriff auf die Staatskasse wegen der Gebührenansprüche des für den Betreuten tätigen Rechtsanwalts eröffnet werden könnte. Wenn das gerichtliche Verfahren nicht in dem Land geführt wird, in dem die Betreuung für die mittellose Partei eingerichtet worden ist, ist der Schuldner für die im Wege der Prozesskostenhilfe zu zahlende Rechtsanwaltsvergütung nicht mit demjenigen Schuldner identisch, der für den Aufwendungsersatz des Betreuers aufzukommen hätte; in diesem Falle wirkt sich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zugunsten der öffentlichen Stelle aus, welche ansonsten den Aufwendungsersatz des Anwaltsbetreuers zu leisten hätte (Knittel aaO Rdn. 27). Vor allem jedoch dient die bevorzugte Inanspruchnahme von (ratenzahlungsfreier) Prozesskostenhilfe den Interessen des Betreuten für den Fall eines nachträglichen Vermögenserwerbs. Anders als im sonstigen Sozialrecht haftet für den Regressanspruch der Staatskasse wegen der auf sie übergegangenen Aufwendungsersatzansprüche des Betreuers auch später erlangtes Vermögen des Betreuten (Palandt/Diederichsen aaO § 1836 e Rdn. 4). Während dieser Regressanspruch gegen den Betreuten gemäß §§ 1836 e Abs. 1 Satz 2, 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB erst zehn Jahre nach Ablauf des Jahres erlischt, in dem die Staatskasse die Aufwendungen getätigt hat, ist die Abänderung einer den Betreuten begünstigenden Prozesskostenhilfeentscheidung wegen verbesserter wirtschaftlicher Verhältnisse bereits nach Ablauf einer Frist von vier Jahren nach rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens ausgeschlossen (§ 120 Abs. 4 Satz 3 ZPO).

b) Wird - wie hier - der für den Betreuten gestellte Antrag auf Prozesskostenhilfe zurückgewiesen und führt der Anwaltsbetreuer dennoch das Geschäft für den Betreuten, so soll dies nach einer verbreiteten und auch vom vorlegenden Gericht geteilten Ansicht der Geltendmachung von Anwaltsgebühren als Aufwendungsersatz für die beruflichen Dienste des Anwaltsbetreuers gegen die Staatskasse nicht ausschließen, wenn die Prozessführung nach den Umständen dem Wohl des Betreuten entsprach. Begründet wird diese Auffassung damit, dass der im Prozesskostenhilfeverfahren herangezogene Prüfungsmaßstab der hinreichenden Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung für das Betreuerhandeln nicht maßgeblich sei, sondern dieser auch im Hinblick auf die Führung eines gerichtlichen Verfahrens diejenigen Aufwendungen zu tätigen habe, die er nach sorgfältiger Abwägung zur ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung im Interesse des Betroffenen für erforderlich halten dürfe; lägen diese Voraussetzungen vor, könne dem Anwaltsbetreuer ausnahmsweise auch für eine wenig aussichtsreiche Rechtsverfolgung ein Anspruch auf Aufwendungsersatz aus der Staatskasse zustehen (OLG Frankfurt FamRZ aaO; BayObLG BtPrax aaO; HK-BUR/Bauer/Deinert aaO Rdn. 59).

Dieser Auffassung vermag der Senat nicht ohne weiteres beizutreten; keinesfalls kann ihr im Grundsatz darin gefolgt werden, dass die Frage, ob der Anwaltsbetreuer Aufwendungsersatz aus der Staatskasse für eine von ihm wahrgenommene Tätigkeit in einem gerichtlichen Verfahren beanspruchen kann, bei einem mittellosen Betreuten ohne Rücksicht auf die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu beurteilen sei.

Der ursprünglich durch das Gesetz über die rechtliche Stellung der unehelichen Kinder vom 19. August 1969 (BGBl. I S. 1243) eingeführte Schuldbeitritt der Staatskasse für Aufwendungen des Vormunds sollte dem als unbefriedigend empfundenen Zustand abhelfen, dass Vormünder wegen der von ihnen getätigten notwendigsten Auslagen für einen mittellosen Mündel bei niemandem Ersatz zu finden vermochten und ihnen deshalb unzumutbare materielle Opfer abverlangt wurden (vgl. BT-Drucks. 5/2370, S. 85). Die Mithaftung der Staatskasse dient in dieser Hinsicht vor allem der Verwirklichung der Grundrechte der Betroffenen aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip, da sich ohne eine solche Regelung engagierte Vormünder, Pfleger oder Betreuer nur schwerlich finden ließen, die zur Übernahme des Amtes bei mittellosen Betroffenen bereit wären.

Die Regelung des § 1835 Abs. 4 BGB sollte aber nicht dazu führen, dass minderbemittelten Betreuten aus öffentlichen Kassen Sozialleistungen gewährt werden, auf die sie als Unbemittelte ohne Einrichtung einer Betreuung keinen Anspruch hätten (Jurgeleit/Maier aaO Rdn. 50; HK-BUR/Bauer/Deinert aaO Rdn. 57). Dieser Grundsatz gilt auch für die Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege. Die aus Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG herzuleitende Rechtsgleichheit gebietet es, durch geeignete Vorkehrungen jedermann in gleicher Weise den Zugang zu den staatlichen Gerichten zu eröffnen. Durch das Institut der Prozesskostenhilfe wird gewährleistet, dass minderbemittelte Parteien nicht allein aus wirtschaftlichen Gründen daran gehindert werden, ihr Recht vor Gericht zu suchen. Das Prinzip der Rechtsgleichheit verlangt indessen keine vollständige Gleichstellung von bemittelten und unbemittelten Personen, so dass es verfassungsrechtlich nicht geboten ist, unbemittelten Personen den Zugang zu den Gerichten auch dann zu ermöglichen, wenn die von ihnen beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht oder mutwillig im Sinne des § 114 ZPO erscheint (BVerfGE 81, 347, 357 f.; BVerfG NJW 1997, 2745). Die in §§ 1835 Abs. 4, 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB geregelte Mithaftung der Staatskasse für die Aufwendungen des Betreuers verfolgt nicht das Ziel, das Prinzip der Rechtsgleichheit für einen unbemittelten Betroffenen in einem Umfang zu verwirklichen, der über den durch das Institut der Prozesskostenhilfe gebotenen Rahmen hinausgeht. Eine nicht betreute Partei könnte für eine Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, mit der sie voraussichtlich nicht durchdringen wird, die ihr aber aus anderen Gründen - etwa zur Verzögerung von Vollstreckungsmaßnahmen des Prozessgegners - objektiv nützlich ist, keine Prozessfinanzierung aus öffentlichen Kassen erlangen. Aus diesem Grunde darf der Betreuer bei der Prozessführung im Regelfall keine Kosten auslösenden Maßnahmen ergreifen, deren Finanzierung durch Prozesskostenhilfe - oder im Vorfeld eines gerichtlichen Verfahrens wegen der Prüfung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung durch Beratungshilfe (vgl. hierzu BGHZ 91, 311, 313 f.) - nicht gewährleistet werden kann. Es erscheint dem Senat deshalb zweifelhaft, ob bei der Versagung von Prozesskostenhilfe ein aus der Staatskasse zu zahlender Aufwendungsersatz für die Gebühren des in einem gerichtlichen Verfahren tätigen Anwaltsbetreuers tatsächlich erst dann ausscheidet, wenn die beabsichtigte Prozessführung von vornherein ohne jede Erfolgsaussicht war und der Anwaltsbetreuer dies mangels eigener Prüfung nicht erkannt hat (so Knittel aaO Rdn. 27). Vielmehr wird im Falle der Versagung von Prozesskostenhilfe ein nach anwaltlichem Gebührenrecht zu liquidierender Aufwendungsersatz des Anwaltsbetreuers allenfalls dann in Betracht kommen, wenn mit einer für den Betreuten ungünstigen Entscheidung im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren nicht gerechnet werden konnte, etwa in solchen Fällen, in denen - wie auch hier - die Ablehnung der begehrten Prozesskostenhilfe auf einer offensichtlich nicht tragfähigen Begründung beruht.

c) Dies bedarf hier aber keiner näheren Erörterung, weil sich die weitere Beschwerde nur dagegen richtet, dass dem Betreuer aus der Staatskasse als Aufwendungsersatz höhere Gebührensätze zugebilligt worden sind als diejenigen, die er gemäß § 49 RVG (früher § 123 BRAGO) im Falle der Bewilligung von Prozesskostenhilfe als beigeordneter Anwalt des Betreuten zu beanspruchen gehabt hätte. Die Zahlung der vollen Wahlanwaltsvergütung kommt bei Versagung der beantragten Prozesskostenhilfe für die Vertretung des Betreuten in einem gerichtlichen Verfahren indessen nicht in Betracht. Das Betreuungsverhältnis kann es generell nicht rechtfertigen, dem Anwaltsbetreuer in Sachen seines unbemittelten Betreuten aus der Staatskasse eine höhere Vergütung zu zahlen als in Sachen eines anderen mittellosen Mandanten (Erman/Holzhauer 11. Aufl. § 1835 Rdn. 16). Dies würde auch in anderer Hinsicht zu einer unverständlichen Ungleichbehandlung führen, weil derjenige Rechtsanwalt, für dessen Prozessführung keine Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, besser gestellt wäre als derjenige Rechtsanwalt, dem sie bewilligt wurde und der wegen § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO keine weitergehenden Gebührenansprüche mehr gegen seinen mittellosen Mandanten stellen kann (vgl. ebenso LG Zweibrücken FamRZ 2002 aaO; Knittel aaO Rdn. 28, im Ergebnis wohl auch Damrau RPfleger 1986, 13).

3. Nach den gleichen Maßstäben ist auch die Frage zu beantworten, ob der Anwaltsbetreuer verpflichtet ist, für die außergerichtliche Beratung und Vertretung seines Betreuten Beratungshilfe in Anspruch zu nehmen. Auch außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens hat der Rechtsanwalt die grundsätzliche Pflicht, seinen erkennbar mittellosen Mandanten auf die Möglichkeit der Beratungshilfe hinzuweisen (vgl. BVerfG NJW 2000, 2494 f.; Rinsche/Fahrendorf/ Terbille aaO Rdn. 1333; Feuerich/Weyland aaO § 49 a Rdn. 15; Greißinger NJW 1985, 1671, 1674 f.; vgl. auch § 16 Abs. 1 BORA). Das Betreuungsverhältnis rechtfertigt es auch insoweit nicht, diese Pflichtenlage in Sachen des mittellosen Betreuten anders zu beurteilen. Für den unbemittelten Betreuten ist die Inanspruchnahme von Beratungshilfe schon deshalb von Interesse, weil das Recht der Beratungshilfe auch bei wesentlicher nachträglicher Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse keine Nachzahlungsanordnung kennt und dem Betroffenen die einmal gewährte Beratungshilfe aus diesem Grunde unentgeltlich verbleibt.

Soweit das Bayerische Oberste Landesgericht im Übrigen auf die Subsidiaritätsklausel des § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG abstellt, wonach auch das Institut der rechtlichen Betreuung als "andere zumutbare Hilfsmöglichkeit" im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden könne und deshalb der Bewilligung von Beratungshilfe entgegenstehe, vermag der Senat dem schon im rechtlichen Ausgangspunkt nicht beizutreten. Der Rückgriff auf eine andere Hilfsmöglichkeit ist regelmäßig nur dann zumutbar, wenn der Betroffene die erforderliche Rechtsberatung kostenfrei oder jedenfalls ohne eine nennenswerte Gegenleistung erlangen könnte (vgl. Schoreit/Dehn, BerHG/PKHG, 8. Aufl. § 1 BerHG Rdn. 49; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 3. Aufl. Rdn. 943). Zu einer kostenfreien Rechtsberatung ist ein anwaltlicher Berufsbetreuer indessen gerade nicht verpflichtet, weil er für seine anwaltsspezifischen Tätigkeiten gegenüber dem Betreuten jedenfalls Aufwendungsersatz nach §§ 1835 Abs. 3, 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB geltend machen könnte.

Hahne Weber-Monecke Wagenitz Fuchs Vezina Vorinstanzen:

AG München 706 VII 714/00 LG München I, Entscheidung vom 03.02.2003 - 13 T 21162/02 -

BayObLG München, Entscheidung vom 28.05.2003 - 3Z BR 49/03 -






BGH:
Beschluss v. 20.12.2006
Az: XII ZB 118/03


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