Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. November 2009
Aktenzeichen: 33 W (pat) 132/07

(BPatG: Beschluss v. 03.11.2009, Az.: 33 W (pat) 132/07)

Tenor

1.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2.

Die Markeninhaberin und Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I Die Antragstellerin begehrt die Löschung der Marke 305 40 787 -AGPRO wegen bösgläubiger Anmeldung nach §§ 54, 50 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG.

Die Antragstellerin ist im Raum G... in der Immobilienbranche und im Bereich der Projektentwicklung tätig. Seit 2001 ist sie unter der Firma "A... GmbH" in das Handelsregister eingetragen. Ebenfalls im Immobilienwesen im Raum G... ist die A1... GmbH tätig. Ihr (damaliger) Geschäftsführer ist der Ehemann der Anmelderin der angegriffenen Marke, Frau L.... Diese hat am 11. Juli 2005 die angegriffene Markefür Klasse 35:

Klasse 36:

AGPRO Werbung; Geschäftsführung; Marketing für Gewerbeflächen; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten, insbesondere Herausgabe von Werbetexten, Werbung im Internet; Produktion von Video-, Fernseh-, Rundfunkund Internetwerbesendungen; Vermietung von Werbeflächen; Vermietung von Werbezeiten; Franchising (soweit in Klasse 35 enthalten), Dienstleistungen eines Franchisegebers, auch für Dritte (soweit in Klasse 35 enthalten);

Vermögensverwaltung; Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesen; finanzielle Beratung; Versicherungsberatung; Einziehen von Mietund Pachterträgen; finanzielle Schätzungen (Versicherungs-, Bank-, Grundstücksangelegenheiten); Vermittlung von Finanzierungen; Gebäudeverwaltung; Grundstücksverwaltung; Schätzung von Immobilien; Verpachtung von Immobilien; Immobilienentwicklung, nämlich finanzielle Vorbereitungen von Bauvorhaben; Projektentwicklung, nämlich finanzielle Vorbereitungen von Bauvorhaben; Bauträgertätigkeit, nämlich finanzielle Vorbereitungen von Bauvorhaben; Dienstleistungen eines Immobilienmaklers; Immobilienverwaltung; Vermittlung von Leasingverträgen; Dienstleistungen eines Maklers; Vermietung von Büros (Immobilien); Vermietungen von Wohnungen; Immobilienvermittlung, Kreditvermittlung, Wohnungsvermittlung, Versicherungsvermittlung;

Klasse 37: Bauwesen; Reparaturwesen im Baubereich; Installationsarbeitenzur Eintragung als Marke beim Deutschen Patentund Markenamt angemeldet. Die Eintragung erfolgte am 13. September 2005 unter der Registernummer 305 40 787.

Am 18. Januar 2006 ist die angegriffene Marke mit schriftlichem Vertrag an die A1... GmbH abgetreten worden. Diese mahnte mit Schreiben vom 1. März 2006 aus ihrer Marke "AROPA" und aus der angegriffenen Marke die Antragstellerin ab. Daraufhin forderte die Antragstellerin mit Schreiben vom 9. März 2006 die A1... GmbH zur Löschung der angegriffenen Marke auf.

Sodann schlossen die A1... GmbH und Frau L... eine Aufhebungsvereinbarung zur Aufhebung der Abtretung der angegriffenen Marke und einen weiteren Abtretungsvertrag über die erneute teilweise Abtretung der Marke an die A1... GmbH (hinsichtlich der immobilienbezogenen Dienstleistungen der Klasse 36) ab, beide Verträge mit Datum vom 31. März 2006, jedoch mit gesonderten Urkunden. Mit weiterem Teilabtretungsvertrag vom 1. Dezember 2006 ist die angegriffene Marke auch hinsichtlich der Dienstleistungen der Klasse 37 an die A1... GmbH abgetreten worden.

Zwischen der Antragstellerin einerseits und der A1... GmbH sowie Frau L... andererseits sind bzw. waren verschiedene Rechtsstreitigkeiten in Zusammenhang mit der Kennzeichnung "AGPRO" vor den ordentlichen Gerichten anhängig.

Mit Beschluss vom 6. September 2007 hat die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patentund Markenamts die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet und der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens auferlegt. Nach Auffassung der Markenabteilung ist die angegriffene Marke bösgläubig i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG angemeldet worden. Bei ihr handele es sich um eine Sperrmarke, die in erkennbar wettbewerbswidriger Behinderungsabsicht angemeldet worden sei, um die Antragstellerin von der Fortführung der Benutzung dieser Kennzeichnung auszuschließen. Zur weiteren Begründung verweist die Markenabteilung auf das Urteil des Landgerichts Bochum vom 15. November 2006 (13 O 80/06), aus dem sie auszugsweise wörtlich zitiert. Darin führt das Landgericht aus, dass die Marke "AGPRO" von der Ehefrau des Geschäftsführers der beklagten A1... GmbH nur angemeldet worden sei, um die Klägerin, die A... GmbH, geschäftlich zu schädigen und an der Weiterbenutzung der Bezeichnung "AGPRO" zu hindern. Die Parteien seien in derselben Stadt auf dem gleichen Markt als Konkurrenten tätig, so dass es auf der Hand liege, dass die Beklagte ihre Konkurrentin aufmerksam beobachtet habe und wisse, dass diese mit "A..." firmiere. Demgegenüber firmierte die Beklagte mit "A1...". Daraus könne nur der Schluss gezogen werden, dass es der Beklagten und der Ehefrau ihres Geschäftsführers bei der Anmeldung darum gegangen sei, die Klägerin zu behindern. Dies zeige sich auch in der kurz nach der Eintragung vorgenommenen Abtretung der angegriffenen Marke an die Beklagte. Die später erfolgte Aufhebung der Abtretung unter teilweise erneuter Teilabtretung sei ersichtlich als Reaktion auf das Schreiben der Klägerin vom 9. März 2009 erfolgt. Vor diesem Hintergrund sei die Einlassung der Beklagten, sie wolle unter der Marke "AGPRO" Projektplanung und -durchführung von Immobilenvorhaben u. a. für Fonds betreiben, als Schutzbehauptung anzusehen. Die Anmeldung der Marke (auch) für die Klassen 35, 36 und 37 lasse auf kein eigenes schutzwürdiges Interesse schließen, da es sich insoweit um verwandte Klassen handele. Ergänzend zu der in Bezug genommenen Gerichtsentscheidung führt die Markenabteilung aus, dass dem auch nicht entgegen stehe, dass die Antragstellerin nach der Behauptung der Markeninhaberin nur lokal agiere und in der Firma der Antragstellerin neben der Bezeichnung "A..." noch weitere beschreibende Zusätze enthalten seien.

Gegen diese Entscheidung der Markenabteilung richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke, eine Gesellschaft mit Sitz in GB, auf welche die angegriffene Marke seit dem 8. Oktober 2007 umgeschrieben worden ist. Die Beschwerde ist von Rechtsanwalt E... in G..., eingelegt worden, der in der Beschwerdeschrift angezeigt hat, dass ihn die Markeninhaberin mit der Interessenvertretung beauftragt hat. Zur Begründung wird ausgeführt, dass die angegriffene Marke von der Rechtsvorgängerin der Markeninhaberin, Frau L..., nicht als Sperrmarke bösgläubig angemeldet worden sei. Sie sei nicht zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes eingesetzt worden. Das von der Markenabteilung angeführte Urteil des Landgerichts Bochum habe Wirkung nur zwischen den beteiligten Prozessparteien. Möglicherweise möge die abgetretene Marke von der A1... GmbH wettbewerbswidrig eingesetzt worden sein, nicht jedoch von Frau L... oder der Markeninhaberin.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts habe Frau L... die von ihr angemeldete Marke selbst benutzt. Dies sei im Rechtsstreit zwischen der Antragstellerin und der A1... GmbH auch nicht bestritten worden. Das Landgericht habe sich über diese zugestandene Tatsache hinweggesetzt. Die angegriffene Marke sei von Frau L... bei verschiedenen Unternehmen, u. a. der B... AG, der H... M... oder der D... AG zur Kundenakquisition eingesetzt worden, wobei die Markeninhaberin zum Beleg Kopien verschiedener Anschreiben von Frau L... an diese Unternehmen vorlegt. Da die Markeninhaberin und ihre Rechtsvorgängerin die Absicht verfolgten bzw. verfolgt hätten, ein neues Geschäft mit dem Ziel der Fondsvermarktung aufzubauen, liege keine zielgerichtete Behinderung der Antragstellerin vor.

Zudem verwende die Antragstellerin ihr Firmenkennzeichen lediglich auf ihrem Briefkopf und im Telefonbucheintrag in G.... Eine nach außen gerichtete Werbetätigkeit mit dem Firmenkennzeichen "A..." sei bisher nicht erfolgt. Das Zeichen habe bisher auch keinerlei Verkehrsgeltung entfaltet. Die Antragstellerin sei nur im Bereich G... tätig. Daher könne allenfalls ein Verbietungsanspruchim örtlichen Bereich G... bestehen, der jedoch hinsichtlich der angegriffenen Marke keinen Löschungsanspruch begründe. Daher sei die Löschung der angegriffenen Marke unverhältnismäßig.

Ergänzend verweist die Antragsgegnerin auf ein von ihr vorgelegtes (weiteres) Urteil des Landgerichts Bochum vom 20. Dezember 2007 (14 O 97/07), mit dem eine Klage der A... GmbH gegen Frau L... auf Einwilligung in die Teillöschung der Marke für die Klassen 36 und 37 sowie auf Unterlassung der Bezeichnung "AGPRO" im geschäftlichen Verkehr für Dienstleistungen aus dem Immobilienbereich abgewiesen worden ist.

Die Markeninhaberin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben, hilfsweise die Kostenentscheidung des angefochtenen Beschlusses zu Ziff. 2. aufzuheben.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, dass der betreffende Rechtsstreit zwischen der Antragstellerin und der Rechtsvorgängerin der Markeninhaberin in die Berufung vor dem OLG Hamm gegangen sei. Dort habe der Prozessbevollmächtigte von Frau L... die Erklärung abgegeben, dass sie gegenüber dem Deutschen Patentund Markenamt in die Teillöschung der Marke 305 40 787 -AGPRO für Dienstleistungen der Klassen 36 und 37 einwillige.

Zum Beleg legt sie eine Kopie des Sitzungsprotokolls des OLG Hamm vom 12. Juni 2008 (I-4 U 50/8) vor. Darin heißt es:

"... Der Beklagtenvertreter erklärte, dass seiner Mandantin vom DPMA erklärt worden sei, sie könne die Löschung der Marke nicht mehr beeinflussen, weil sie inzwischen nicht mehr als Markeninhaberin eingetragen sei.

Gleichwohl erklärt der Beklagtenvertreter namens der Beklagten, dass die Beklagte gegenüber dem Deutschen Patentund Markenamt in die Teillöschung der Marke Nr. 305 40 787.2, Wortmarke "AGRPO" für die Waren und Dienstleistungen der Klasse 36 und 37 einwilligt. ...".

Die Markeninhaberin, so führt die Antragstellerin weiter aus, müsse sich die Löschungsbewilligungserklärung ihrer Rechtsvorgängerin anrechnen lassen. Darüber hinaus zeige der Verlauf des Verfahrens, dass der Antragstellerin nicht nur der zivilrechtlich geltend gemachte Löschungsanspruch zustehe, sondern dass die Marke auch nach §§ 54, 50 Abs. 1 Markengesetz zu löschen sei.

Mit Zwischenbescheid vom 20. August 2009 hat der Senat den Beteiligten seine vorläufige Rechtsauffassung mitgeteilt. Hierauf hat der Vertreter der Inhaberin der angegriffenen Marke erklärt, dass der Kontakt zu dieser abgerissen sei und er deshalb das Mandat nieder lege. Mit Bescheid der Rechtspflegerin vom 21. September 2009 hat ihn der Senat auf die Regelung des § 96 Abs. 4 MarkenG hingewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II 1.

Das Verfahren wird mit Rechtsanwalt E... als Inlandsvertreter der Inhaberin der angegriffenen Marke fortgesetzt. Nach § 96 Abs. 1 MarkenG kann, wer im Inland weder einen Wohnsitz, Sitz noch eine Niederlassung hat, an einem im Markengesetz geregelten Verfahren vor dem Patentamt oder dem Patentgericht nur teilnehmen, wenn er im Inland einen Rechtsanwalt oder einen Patentanwalt als Vertreter bestellt hat, der zur Vertretung im Verfahren vor dem Patentamt, dem Patentgericht und in bürgerlichen Streitigkeiten, die diese Marke betreffen, sowie zur Stellung von Strafanträgen bevollmächtigt ist. Als Gesellschaft mit Sitz in L... benötigt die Markeninhaberin für die Teilnahme an dem von ihr initiierten Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht einen Rechtsoder Patentanwalt als Inlandsvertreter. Als solcher hat sich mit Einlegung der Beschwerde Rechtsanwalt E... bestellt.

Zwar hat er mit Schriftsatz vom 16. September 2009 "das Mandat niedergelegt". Nach § 96 Abs. 4 MarkenG wird die rechtsgeschäftliche Beendigung der Bestellung eines Inlandsvertreters jedoch erst wirksam, wenn sowohl diese Beendigung als auch die Bestellung eines anderen Vertreters gegenüber dem Patentamt oder dem Patentgericht angezeigt wird. Mit dieser dem § 87 Abs. 1 ZPO nachgebildeten Bestimmung wird sichergestellt, dass es keinen Zeitraum ohne Inlandsvertreter gibt, so dass nicht an den auswärtigen Beteiligten ins Ausland zugestellt werden muss (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 96, Rdn. 23). Nachdem bisher kein neuer Inlandsvertreter bestellt worden ist, wird das Beschwerdeverfahren daher mit dem bisherigen Vertreter fortgesetzt.

2.

Durch die Erklärung von Frau L... vom 12. Juni 2008 vor dem OLG Hamm (I-4 U 50/08), dass sie "gegenüber dem Deutschen Patentund Markenamt in die Teillöschung der Marke 305 40 787.2, Wortmarke "AGPRO", für die Waren und Dienstleistungen der Klasse 36 und 37 einwilligt", hat sich das vorliegende Löschungsund Beschwerdeverfahren nicht erledigt. Die o. g. Teilverzichtslöschungserklärung ist für das Patentamt und das Patentgericht unbeachtlich. Nach § 48 MarkenG wird die Eintragung (nur) "auf Antrag des Inhabers der Marke" ganz oder teilweise gelöscht. Zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung am 12. Juni 2008 war Frau L... jedoch nicht mehr eingetragene Inhaberin der Marke, da die Marke bereits seit dem 8. Oktober 2007 auf die S... Ltd. umgeschrieben war. Gegenüber dem Patentamt und dem Patentgericht war sie damit weder zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung vor dem OLG Hamm noch zum Zeitpunkt der Einreichung der protokollierten Erklärung beim Bundespatentgericht (durch Schriftsatz der Antragstellerin vom 28. August 2008) zur Abgabe der Teillöschungserklärung legitimiert (vgl. § 28 Abs. 1 MarkenG). Die Erklärung ist daher für dieses Verfahren unbeachtlich.

Auch aus §§ 265 II, 325 ZPO folgt nichts anderes. Danach ist ein Beklagter nach der Veräußerung der streitbefangenen Sache als gesetzlicher Prozessstandschafter zwar weiter verfahrensführungsbefugt und kann alle Prozesshandlungen vorund entgegennehmen, einschließlich eines Anerkenntnisses. Zu materiellrechtlichen Verfügungen über die Streitsache ist er ohne Ermächtigung des Rechtsnachfolgers aber nicht mehr berechtigt, da er nicht mehr Rechtsinhaber ist (vgl. Baumbach/Lauterbach, Zivilprozessordnung, 67. Aufl., § 265, Rdn. 19; Zöller, Zivilprozessordnung, 27. Aufl., § 265, Rdn. 6, Stein/Jonas, Zivilprozessordnung, 22. Aufl., § 265, Rdn. 20).

3. Die Beschwerde ist nicht begründet. Zu Recht hat die Markenabteilung festgestellt, dass die streitgegenständliche Marke i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG böswillig angemeldet worden und somit entgegen § 8 MarkenG eingetragen worden ist, so dass der Löschungsantrag nach § 50 Abs. 1 MarkenG begründet ist.

Eine böswillige Anmeldung liegt sowohl nach der Fallgruppe des fehlenden Benutzungswillens bei Vorliegen weiterer Unlauterkeitsmerkmale als auch nach der Fallgruppe der Störung bzw. Sperrung eines erkannten schutzwürdigen Besitzstandes eines Vorbenutzers sowie nach der Fallgruppe des zweckfremden Einsatzes der Marke im Wettbewerbskampf vor.

Als gegen den Benutzungswillen sprechendes Indiz wird bei der Fallgruppe des fehlenden Benutzungswillens das Fehlen einer ernsthaften Planung für die Benutzung der Marke angesehen (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8, Rdn. 541 f.). Dass ein solches Vermarktungskonzept fehlt, geht für den Senat aus den ihm dargelegten Gesamtumständen hervor. Zwar hat die Markeninhaberin zum Beleg des Gegenteils (erst) mit der Beschwerdebegründung Kopien von sechs Anschreiben an fünf teilweise konzernverbundene, teilweise miteinander konkurrierende Banken und Börsen vorgelegt. Jedoch sind diese schon nach ihrem Inhalt offensichtlich nicht geeignet, eine ernsthafte Benutzungsabsicht darzulegen. Sie erschöpfen sich in gleichförmigen, sechsbis siebenzeiligen Kurzinformationen, die nach ihrem minimalen Inhalt gerade auch angesichts der Bedeutung der angeschriebenen Bankund Börsenunternehmen erkennbar kein ernsthaftes Interesse an einer irgendwie gearteten Verwertung der Marke "AGPRO" erwecken können. So heißt es in den (sämtlich mit dem Datum "25.10.2005" versehenen) Anschreiben in etwa wortgleich (samt Orthografiefehlern):

"Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit teile ich mit, das ich den Markenname AGPRO in der Klasse 36 als Wortmarke beim Deutschen Patentund Markenamt am 11.07.2005 angemeldet habe. Der Tag der Veröffentlichung war am 14.10.2005. Ich beabsichtige im Internet ein Portal zu erstellen und den A...

Fond Ihrer Bank zu präsentieren. Gerne würde ich in diesem Zuge auch Ihre Institution "..." auf meinem Internetportal präsentieren und intensive sowie internationale Internetwerbung betreiben. Sollte Ihrerseits Interesse bestehen, sehe ich einer Antwort gerne entgegen. Mit freundlichen Grüßen ...").

Die Anschreiben lassen nicht ansatzweise erkennen, welcher Art der "A... Fond" ist oder sein soll, ob und welche zum Auflegen und Betrieb eines solchen Fonds berechtigte Kapitalanlagegesellschaft hinter dem Fonds stehen soll, was es mit dem Internetportal auf sich haben soll und wieso dieses für die angeschriebenen Unternehmen ansatzweise interessant sein könnte. Auch ist nicht erkennbar, welche ungefähre Art der Zusammenarbeit sich die damalige Markeninhaberin vorgestellt hat. Es ist auch nicht nachvollziehbar, inwiefern gerade sie für die angeschriebenen Institute überhaupt von Nutzem oder Interesse sein könnte, da Großbanken bzw. deren Konzerntöchter bekanntlich in eigener Regie selbst Fonds auflegen und bewerben (bzw. als Börsen, die fremde Papiere notieren, dies gerade nicht tun), ohne dazu mit kleinen Gewerbetreibenden eine Partnerschaft eingehen zu müssen. Es sind auch keine Antwortschreiben der angeschriebenen Banken und Börsen, geschweige denn solche mit Interessebekundungen, vorgelegt worden. Unter diesen Umständen müssen die vorgelegten, extrem kurz und einfach gehaltenen "Blindbewerbungen" als Scheinbenutzungs-, genauer Scheinvorbereitungshandlungen, angesehen werden. Sie belegen kein Vermarktungskonzept sondern eher das Gegenteil.

Neben dem fehlenden Benutzungswillen liegen weitere Umstände vor, bei denen sich eine unlautere Behinderungsabsicht aufdrängt. Als Ehefrau des (damaligen) Geschäftsführers der A1... GmbH war die frühere Markeninhaberinmit diesem Unternehmen erkennbar interessenmäßig verbunden, was im Nachhinein nicht nur durch den Abtretungsvertrag vom 18. Januar 2006, sondern auch dadurch deutlich wird, dass sie laut dem Internetauftritt dieser Gesellschaft (www.aropa.de) inzwischen selbst deren Geschäftsführerin ist und im Übrigen deren Firmenkern "A1..." 1999 und 2005 selbst mehrfach als Marke angemeldet hat (Marken 399 57 754 und 305 04 885, eingetragene Inhaberin laut Markenregister: Petra L... in G...). Kenntnisse, die die A1... GmbH bzw. deren damaliger Geschäftsführer hatten oder haben mussten, sind ihr also bei der Beurteilung der Gutoder Bösgläubigkeit der Anmeldung zuzurechnen.

Als in der Immobilienbranche tätiges Unternehmen musste die A1... GmbH bzw. ihr Geschäftsführer das Unternehmen der Antragstellerin und damit deren Firmenkennzeichnung kennen. Denn beide Unternehmen sind im Gebiet der 75 000-Einwohner-Stadt G..., also innerhalb eines nach Fläche und potentieller Kundenzahl recht übersichtlichen Bereichs, in der gleichen Branche tätig. Bereits dies legt es nahe, dass konkurrierende Unternehmen Kenntnis voneinander haben. Dies gilt besonders für das Immobilienwesen, das eine Beschäftigung mit örtlich gebundenen Objekten und dementsprechend eine Bemühung der Konkurrenten um die Vermittlung oder sonstige wirtschaftliche Verwertung dieser begrenzten Objekte verlangt. Die Anmeldung einer Marke, die mit dem Firmenkern eines Konkurrenten identisch ist, der im selben überschaubaren Gebiet im Immobilienwesens tätig ist, drängt daher schon für sich gesehen den Verdacht einer unlauteren Behinderungsabsicht auf. Dies gilt umso mehr, als die Kennzeichnung "A..." als kaum aussprechbares und nicht bekanntes Wort nach ihrem Wort-Klangcharakter, ebenso wie nach der Buchstabenanordnung auch deutlich von dem an "Europa" anklingenden Firmenkern der A1... GmbH abweicht. Dass und warum die A1... GmbH bzw. die Ehefrau ihres Geschäftsführers ein Interesse an der Anmeldung gerade der Bezeichnung "AGPRO" haben könnte, wenn nicht die Erlangung formalen Markenschutzes an der Bezeichnung eines örtlichen Konkurrenten, die dieser bisher nicht als Marke hat eintragen lassen, ist nicht erkennbar.

Ebenso sind die Abmahnung dieses Konkurrenten (als bisher einzige erkennbare Verwertungshandlung), die im Zuge der Entwicklung des Rechtsstreits mehrfachen Aufhebungen und Neuabschlüsse von Abtretungsverträgen unter teilweise gesonderter Behandlung der immobilienbezogenen Dienstleistungen, nicht zuletzt aber auch die Verzichtserklärung der ehemaligen Markeninhaberin vor dem OLG Hamm, als Umstände anzusehen, die im Nachhinein in das Bild einer Anmeldung ohne Benutzungswillen in unlauterer Behinderungsabsicht passen. Insgesamt sprechen die Gesamtumstände dafür, dass die Anmeldung nicht erfolgte, um das Zeichen als Marke, also als betrieblichen Herkunftshinweis zu benutzen, sondern um die formale Rechtsstellung als Inhaber eines Monopolrechts lediglich zum Zwecke einer markenrechtlich nicht gerechtfertigten Behinderung Dritter einzusetzen.

Aus den gleichen Gründen liegt auch eine böswillige Anmeldung nach der Fallgruppe der Störung bzw. Sperrung eines erkannten schutzwürdigen Besitzstandes eines Vorbenutzers sowie nach der Fallgruppe des zweckfremden Einsatzes der Marke im Wettbewerbskampf vor. Gegen das Vorliegen eines schutzwürdigen Besitzstandes der Antragstellerin in Form der Inhaberschaft am Firmenkern "A..." und der mehrjährigen Benutzung als Kennzeichen immobilienbezogener Dienstleistungen spricht dabei nicht, dass die Antragsstellerin ihre Tätigkeit nur örtlich begrenzt ausübt. Die Konzentration auf ein örtlich begrenztes Gebiet liegt im Immobilienbereich in der Natur der Sache und ist geradezu branchentypisch. Ein örtlich begrenzter Besitzstand kann den Schutz kleiner und mittelständischer Unternehmen vor unlauteren Markenanmeldungen nicht beeinträchtigen. Die Beschwerde musste daher erfolglos bleiben.

4. Dies gilt auch für die Anfechtung der Kostenentscheidung der Markenabteilung. Zudem sind der Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Bei einer bösgläubigen Markenanmeldung liegt stets ein rechtsmissbräuchliches oder sittenwidriges Handeln zugrunde. Daher entspricht es im Falle der Löschung der Billigkeit i. S. d. §§ 63 Abs. 1, 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG, dem Antragsgegner die Kosten des Löschungsverfahrens und ggf. des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 71, Rdn. 14).

Bender Knoll Kätker Cl






BPatG:
Beschluss v. 03.11.2009
Az: 33 W (pat) 132/07


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