Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. März 2006
Aktenzeichen: 28 W (pat) 273/04

(BPatG: Beschluss v. 29.03.2006, Az.: 28 W (pat) 273/04)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in dem Beschluss vom 29. März 2006, Aktenzeichen 28 W (pat) 273/04, die Beschlüsse der Markenstelle des DPMA aufgehoben, soweit der Widerspruch bezüglich der Waren "graisses comestibles" und "magarines" zurückgewiesen wurde. Der Schutz der IR-Marke IR 750 067 für die Bundesrepublik Deutschland wurde verweigert, da ein Widerspruch aus der Marke 1 144 500 vorliegt.

Die Markeninhaberin der älteren Marke SELMI hat Widerspruch gegen die IR-Marke SOLMIL eingelegt, die Schutz für die Waren "graisses comestibles; margarines" erhalten hat. Die Markenstelle hat den Widerspruch abgewiesen, da die Marken aufgrund der unterschiedlichen Vokale ein ausreichend deutlich anderes Klangbild haben und somit keine Verwechslungsgefahr zu befürchten sei.

Die Widersprechende hat gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt und darauf hingewiesen, dass der zusätzliche Buchstabe am Ende der jüngeren Marke kaum hörbar sei und alle anderen Buchstaben, außer den unterschiedlichen Vokalen, identisch seien. Die Markeninhaberin hat sich nicht geäußert und ist auch der mündlichen Verhandlung ferngeblieben.

Das Bundespatentgericht hat die Beschwerde für zulässig erklärt und gibt ihr in der Sache Erfolg. Es besteht Verwechslungsgefahr im Sinne des Markengesetzes. Die Waren weisen eine Warenähnlichkeit auf, da Speisefett auch aus Rahm gewonnen werden kann und es Berührungspunkte zur Margarine gibt. Die ältere Marke SELMI hat einen durchschnittlichen Schutzumfang und die Klang- und Begriffsähnlichkeiten der Marken führen zu einer Verwechslungsgefahr. Die rein bildliche Wahrnehmung und die schriftbildlichen Ähnlichkeiten verstärken diese Verwechslungsgefahr.

Es gab keine Kostenentscheidung.

Diese Entscheidung des Bundespatentgerichts bedeutet, dass der Widerspruch der Markeninhaberin erfolgreich war und der Schutz der IR-Marke für die Waren "graisses comestibles; margarines" in Deutschland verweigert wird.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 29.03.2006, Az: 28 W (pat) 273/04


Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse des DPMA - Markenstelle für Klasse 29 - vom 20. November 2003 und vom 26. August 2004 aufgehoben, soweit der Widerspruch auch bezüglich der Waren "graisses comestibles" und "magarines" zurückgewiesen worden ist.

Wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 144 500 wird der IR-Marke IR 750 067 insoweit der Schutz für die Bundesrepublik Deutschland verweigert.

Gründe

I.

Die IR Marke 750 067 SOLMIL hat in Deutschland Schutz erlangt für die Waren der Klasse 29, darunter "graisses comestibles; margarines" (Speisefette, Margarine). Die Inhaberin der rangälteren Marke 1 144 500 SELMI die für die Waren "frische und ultrahocherhitzte Milch, frische und H-Schlagsahne, einschließlich Kaffeesahne, Kondensmilch" eingetragen ist, hat dagegen Widerspruch eingelegt. Diesen Widerspruch hat sie in der mündlichen Verhandlung auf die im Tenor genannten Waren beschränkt.

Die Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch in zwei Beschlüssen mit der Begründung zurückgewiesen, die Marken hätten wegen der unterschiedlichen Vokale ein ausreichend deutlich anderes Klangbild, so dass auch bei einer unterstellten hochgradigen Ähnlichkeit der Waren eine Verwechslungsgefahr nicht zu besorgen sei.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Widersprechende mit ihrer Beschwerde. Sie weist darauf hin, dass der zusätzliche Buchstabe L am Wortende der jüngeren Marke nahezu unbemerkt bleibt und alle übrigen Buchstaben, mit Ausnahme der unterschiedlichen Vokale O und E, identisch seien und sich an der selben Stelle der Worte befänden.

Die Markeninhaberin hat sich im Beschwerdeverfahren sachlich nicht geäußert; sie ist auch dem Termin zur mündlichen Verhandlung fern geblieben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse sowie auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig (§ 66 Abs. 1 MarkenG) und hat, nach der Beschränkung des Widerspruches, in der Sache Erfolg, denn insoweit besteht Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

Die Rechtsfrage, ob Verwechslungsgefahr vorliegt, erfordert - unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls - eine Gewichtung der Faktoren Waren/Dienstleistungsidentität oder -ähnlichkeit, Markenidentität oder -ähnlichkeit und Kennzeichnungskraft der älteren Marke in dem Sinn, dass der höhere Grad einer der Faktoren durch den niederen Grad eines anderen Faktors ausgeglichen werden kann (st. Rspr. z. B. BGH MarkenR 2005, 519 - coccodrillo).

Zwischen den noch im Streit befindlichen Waren besteht Warenähnlichkeit im engeren Bereich, denn bei einem Speisefett kann es sich z. B. um Butterfett handeln, das wiederum aus Rahm gewonnen wird. Ebenso gewichtige Berührungspunkte gibt es zur Margarine, denn hier überschneidet sich der Anwendungsbereich mit den aus tierischen Fetten gewonnenen Produkten (vgl. Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 13. Auflage, 2005, Stichworte: Speisefette, Milch). Angesichts dieser Warennähe reicht der Abstand der Marken für ein sicheres Auseinanderhalten nicht mehr aus.

Die Widersprechende kann für ihre Marke einen durchschnittlichen Schutzumfang in Anspruch nehmen, denn das Wort SELMI ist ohne weiteres zur Kennzeichnung von Milchprodukten geeignet, auch wenn die Silbe MI auf "Milch" hindeuten mag. Zutreffend ist, dass die unterschiedlichen Vokale O und E regelmäßig zu einem anderen Klangbild führen; der zusätzliche Konsonant L am Wortende der jüngeren Marke hingegen ist in der Regel kaum hörbar, seine Auswirkungen auf den Klang sind also nur gering. Andererseits gibt es gewichtige Anhaltspunkte, die für das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr sprechen. Die ältere Marke ist ein reines Kunstwort, das über eine recht ungewöhnliche Struktur mit der Silbenfolge S. L. mit MI verfügt; man könnte sagen, das Wort wird durch diese Art der Silbenkombination geprägt. Eben diese Kombination hat die jüngere Marke übernommen, wobei lediglich der erste Vokal verändert und ein klanglich unbedeutendes L am Wortende hinzugefügt wurde. Gleich geblieben sind vier von fünf bzw. sechs Buchstaben, so dass in der Erinnerung diese doch recht seltene Zusammenfügung der Silben SEL bzw. SOL mit den Silben MIL bzw. MI bleibt. Kennt der Verbraucher eine der Marken, so wird es für ihn aus der Erinnerung heraus trotz der unterschiedlichen Vokale schwer sein, die Worte ausreichend sicher auseinander zuhalten. Auch bietet ihm keines der Worte eine ausreichende Begriffsstütze oder Merkhilfe, die ein Unterscheiden erleichtern könnten. Zwar wird einem Großteil der Verbraucher das spanische SOL (= Sonne) bekannt sein, er wird diese Wort aber kaum in der jüngeren Marke erkennen, denn Markenworte werden so hingenommen wie sie auftreten und nicht auf merkfähige Bestandteile untersucht. Nur ohne weiteres erkennbare Bedeutungsinhalte können ein Auseinanderhalten von ähnlichen Marken erleichtern, wofür aber weder der Bestandteil SOL, noch SEL als französisches Wort für Salz geeignet sind. Hier hat es der Verkehr mit reinen Phantasieworten zu tun, die zwar Klangunterschiede aufweisen, in ihrem Aufbau und einem Großteil der Buchstabenfolgen aber doch maßgebliche Gemeinsamkeiten besitzen. Neben diesen klanglichen und begrifflichen Übereinstimmungen besteht aber insbesondere in schriftbildlicher Hinsicht eine Verwechslungsgefahr. Vergleicht man Solmil und Selmi in Normalschreibweise, so fällt auf, dass die Umrisscharakteristik weitgehend übereinstimmt, denn das "l" am Wortende stellt sich nur als Verstärkung des vorangehenden Buchstabens "i" dar. Die klanglichen Unterschiede der Vokale "o" und "e" spielen bei Schriftvergleich keine Rolle, vielmehr sind diese beiden Buchstaben überaus ähnlich und können bei einer etwas nachlässigeren Schreibweise ohne weiteres miteinander verwechselt werden. Gerade hier würde der Verbraucher einen Bedeutungsinhalt oder eine Begriffsstütze benötigen, die aber bei den reinen Kunstworten fehlt. Er bleibt somit allein auf die rein bildliche Wahrnehmung beschränkt. Insoweit aber stehen sich die Marken, bei den noch maßgeblichen Waren zu nahe. Die Beschwerde hat damit Erfolg.

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, § 71 Abs. 1 Satz 2 Markengesetz.






BPatG:
Beschluss v. 29.03.2006
Az: 28 W (pat) 273/04


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/d815dcfb9e68/BPatG_Beschluss_vom_29-Maerz-2006_Az_28-W-pat-273-04


Admody

Rechtsanwälte Aktiengesellschaft

Theaterstraße 14 C
30159 Hannover
Deutschland


Tel.: +49 (0) 511 60 49 81 27
Fax: +49 (0) 511 67 43 24 73

service@admody.com
www.admody.com

Kontaktformular
Rückrufbitte



Für Recht.
Für geistiges Eigentum.
Für Schutz vor unlauterem Wettbewerb.
Für Unternehmen.
Für Sie.



Justitia

 


Bundesweite Dienstleistungen:

  • Beratung
  • Gerichtliche Vertretung
  • Außergerichtliche Vertretung

Rechtsgebiete:

Gewerblicher Rechtsschutz

  • Markenrecht
  • Wettbewerbsrecht
  • Domainrecht
  • Lizenzrecht
  • Designrecht
  • Urheberrecht
  • Patentrecht
  • Lauterkeitsrecht
  • Namensrecht

Handels- & Gesellschaftsrecht

  • Kapitalgesellschaftsrecht
  • Personengesellschaftsrecht
  • Handelsgeschäftsrecht
  • Handelsstandsrecht
  • Internationales Kaufrecht
  • Internationales Gesellschaftsrecht
  • Konzernrecht
  • Umwandlungsrecht
  • Kartellrecht
  • Wirtschaftsrecht

IT-Recht

  • Vertragsrecht der Informationstechnologien
  • Recht des elektronischen Geschäftsverkehrs
  • Immaterialgüterrecht
  • Datenschutzrecht
  • Telekommunikationsrecht


Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Google+ Social Share Facebook Social Share








Admody Rechtsanwälte Aktiengesellschaft



Jetzt Kontakt aufnehmen:

Per Telefon: +49 (0) 511 60 49 81 27.

Per E-Mail: service@admody.com.

Zum Kontaktformular.





Admody Rechtsanwälte Aktiengesellschaft Stamp Logo




Hinweise zur Urteilsdatenbank:
Bitte beachten Sie, dass das in der Urteilsdatenbank veröffentlichte Urteil weder eine rechtliche noch tatsächliche Meinung der Admody Rechtsanwälte Aktiengesellschaft widerspiegelt. Es wird für den Inhalt keine Haftung übernommen, insbesondere kann die Lektüre eines Urteils keine Beratung im Einzelfall ersetzen. Bitte verlassen Sie sich nicht darauf, dass die Entscheidung in der hier angegeben Art und Weise Bestand hat oder von anderen Gerichten in ähnlicher Weise entschieden werden würde.

Sollten Sie sich auf die angegebene Entscheidung [BPatG: Beschluss v. 29.03.2006, Az.: 28 W (pat) 273/04] verlassen wollen, so bitten Sie das angegebene Gericht um die Übersendung einer Kopie oder schlagen in zitierfähigen Werken diese Entscheidung nach.
Durch die Bereitstellung oder Zusammenfassung einer Entscheidung wird weder ein Mandatsverhähltnis begründet noch angebahnt.
Sollten Sie eine rechtliche Beratung und/oder eine Ersteinschätzung Ihres Falles wünschen, zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren.


"Admody" und das Admody-Logo sind registrierte Marken von
Rechtsanwalt Sebastian Höhne, LL.M., LL.M.

01.12.2023 - 16:54 Uhr

Tag-Cloud:
Rechtsanwalt Domainrecht - Rechtsanwalt Internetrecht - Rechtsanwalt Markenrecht - Rechtsanwalt Medienrecht - Rechtsanwalt Wettbewerbsrecht - Mitbewerber abmahnen lassen - PayPal Konto gesperrt


Aus der Urteilsdatenbank
BGH, Beschluss vom 18. April 2005, Az.: AnwZ (B) 28/04BPatG, Beschluss vom 3. Mai 2005, Az.: 33 W (pat) 87/03BPatG, Beschluss vom 13. März 2001, Az.: 33 W (pat) 79/00LG Hamburg, Urteil vom 2. Juni 2015, Az.: 406 HKO 11/15BPatG, Beschluss vom 23. September 2009, Az.: 26 W (pat) 19/09OLG Köln, Urteil vom 2. Juli 2010, Az.: 19 U 2/10OLG Düsseldorf, Urteil vom 29. Oktober 2009, Az.: I-10 U 86/09BPatG, Beschluss vom 12. Juli 2005, Az.: 27 W (pat) 31/04BPatG, Beschluss vom 6. März 2006, Az.: 19 W (pat) 59/03OLG Düsseldorf, Urteil vom 28. April 2009, Az.: I-20 U 236/08